Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Die Botschaft ist also: Das, was hier vorgelegt wurde, ist das Maximum dessen, was überhaupt möglich und vorstellbar ist; mehr geht auf gar keinen Fall. Alles andere ist der Ruf nach dem Füllhorn - unrealistisch, unfinanzierbar, linker Populismus, was auch immer Sie noch an Formulierungen draufhaben.

Und es ist die Botschaft: Nach diesem unerwarteten Gipfelsturm geht es wieder bergab. Werdet also nicht übermütig. Richtet euch nicht darauf ein. Haltet die Taschen zu und sorgt den bevorstehenden schlechten Zeiten vor - der Klassiker einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und die ungebrochene Fortsetzung der austeritären Politik der letzten zehn Jahre in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

So werden uns passend zum Beginn der Haushaltsberatungen auch gleich die Hiobsbotschaften in Form der mittelfristigen Finanzplanung ins Hohe Haus mitgeliefert. Damit soll der Blick wieder nach unten, in den drohenden Abgrund gerichtet werden. Dieses Spiel kennen wir aber schon von den mittelfristigen Finanzplanungen der letzten zehn Jahre.

Mit diesen Prognosen, die bisher nie eingetreten sind, wurde und wird das Land gequält und in Demut gehalten. Jens Bullerjahn hat das schon im Jahr 2003 in seinem Strategiepapier „SachsenAnhalt 2020“, auch voraussagend für das jetzige Jahr 2019, gemacht - schön, dass man das erlebt. Die Prognosen liegen sowohl bei den Steuereinnahmen als auch bei den Zuweisungen nur etwa bei der Hälfte dessen, was nach heutigen Planungen tatsächlich erwartet wird. Wir hätten nach diesen Prognosen heute fast 5 Milliarden € weniger zur Verfügung.

Solche Prognostiker haben das Finanzministerium geprägt und prägen es bis heute.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn am Ende wollen sich die Einnahmen einfach nicht so schlecht entwickeln, wie es uns vorher immer wieder prophezeit wurde.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch gut!)

Was sich hierbei offenbart, ist lediglich die ängstliche und fatalistische Haltung gegenüber den öffentlichen Finanzen. Seit 20 Jahren wird uns der Absturz der Staatsfinanzen gepredigt, damit wir möglichst so etwas wie pawlowsche Reflexe entwickeln: auf keinen Fall mehr Geld ausgeben - entweder weil gerade keines da ist oder, wenn einmal Geld da ist, weil eben in Zukunft keines da sein wird.

Dieser Mainstream, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird seit Jahrzehnten bewusst erschaffen, zum Beispiel von der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ oder von Bertelsmann & Co.

Nicht nur die Finanzministerien schwenken dankbar auf diesen Kurs ein. Vor allem die privaten Medien tun alles dafür, diese Meinung zum öffentlichen Allgemeingut zu machen. Auch unsere beiden Regionalzeitungen haben den Ball wieder unmittelbar vor unseren Beratungen gespielt: die „MZ“ am letzten Donnerstag mit Beiträgen wie „Rote Zahlen am Horizont“, „Schluss mit lustig in der Finanzpolitik“ und die „Volksstimme“ am Dienstag mit dem Beitrag „Rote Zahlen trotz Rekordsteuern“.

Gegen ein solches mediales Trommelfeuer

kommt man dann auch mit realen Fakten nicht mehr an. Tatsache bleibt aber, dass zum einen die düsteren Prognosen am Ende meist gar nicht eintreten und zum anderen die Vermögen einzelner weniger in immer absurdere Höhen steigen. Die unfassbar ungerechte und ökonomisch unsinnige Vermögensverteilung hat die Demokratie inzwischen längst ausgehöhlt und ist zu einer ihrer größten Gefahren geworden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist mehr als genug Geld vorhanden, auch für Sachsen-Anhalt. Der Horizont für eine gerechte

Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und damit auch für eine deutlich bessere Ausstattung der öffentlichen Haushalte könnte viel heller und viel näher sein, als uns ständig eingeredet wird.

(Minister André Schröder: Pure Ideologie! - Zurufe von der CDU: Wir brauchen nur ein bisschen Hoffnung! - Alles wird gut! - Weite- re Zurufe von der CDU)

Nur einmal in den letzten 20 Jahren hat uns die Entwicklung überrollt, nämlich als im Jahr 2008 die überhitzte Finanzblase geplatzt ist. Allein dieser Banken-Crash hat uns etwa ein Viertel der knapp 2 Billionen € umfassenden deutschen Staatsschulden beschert. Über die klagen wir ständig, weil sie uns angeblich die Luft zum Atmen nehmen. Auch in Sachsen-Anhalt hat dieser Crash bei der Einnahmenentwicklung Spuren hinterlassen. Herr Finanzminister hat in einem Nebensatz kurz auf das danach folgende Defizit im Jahr 2010 reflektiert.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Schulden sind Buchwerte. Sie haben mit der Realwirtschaft so gut wie nichts mehr zu tun. Denn diesen Staatsschulden steht ein Vielfaches an Kapital- und an Investivvermögen gegenüber. Dieses ist gerade seit 2008 stetig angewachsen, wie wir es gerade heute im Wirtschaftsteil der „Volksstimme“ wieder nachlesen konnten. Während also alle ihre Gürtel immer enger schnallen, um mühsam ihre Schulden zu senken, steigen Kapital- und Anlagevermögen ungezügelt ständig weiter an. Das Gesamtvermögen übersteigt die Staatsschulden um das Siebenfache.

Ich will es deshalb hier noch einmal ganz klar und deutlich aussprechen: Die Staatsschulden sind kein wirkliches Problem - nicht für den Bund und nicht für Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU)

Wenn man die Schulden wirklich abbauen wollte, dann könnte man das durch eine andere Steuerpolitik auf der Einnahmenseite ohne Problem und in überschaubarer Zeit erreichen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Alexan- der Raue, AfD)

Dafür gibt es prominente Beispiele, die auch zeigen, wie durch eine ökonomisch sinnvolle und sozial gerechte Vermögensverteilung Gesellschaften stabilisiert und immun gegen nationalistische Propaganda gemacht werden können.

(Minister André Schröder: Venezuela? - Zu- ruf: Venezuela gerade!)

Umsetzbare und ökonomisch wirkungsvolle Vorschläge liegen seit mindestens zehn Jahren auf dem Tisch und werden von den Geldbesitzern mit

allen Mitteln bekämpft. Die bekannten Stichworte dafür heißen „Vermögensteuer“, „Erbschaftsteuer“, „Finanztransaktionssteuer“ und „Spitzensteuersatz bei hohen Einkommen“.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer dagegen in Zeiten des billigen Geldes und historisch niedriger Zinsen Schulden tilgt und Rücklagen aufbaut, statt in die Zukunft zu investieren, wirft das Geld zum Fenster hinaus, Geld, das im Moment gar keiner zurückhaben will.

Seit Jahren wird die Welt mit Geld geflutet, das die nächste Finanzblase zum Platzen bringen wird. Dann werden wieder Hunderte Milliarden Euros an Buchwerten vernichtet

(Zurufe)

und es werden mit Rettungsschirmen die Staatsschulden in die Höhe getrieben. Was also soll in dieser Geldflut das Rinnsal unserer Tilgung? - Solange die Exzesse des Finanzmarktes nicht gezügelt werden, ist es das einzig Sinnvolle, in die reale Welt der Menschen zu investieren.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Selbst wenn die Regierung diese ökonomische Perspektive nicht teilt, so sollte sie doch wenigstens rechnen.

Die Tilgung von 100 Millionen € Schulden bringt uns zurzeit irgendwie 1 Million € oder 2 Millionen € Entlastung im Haushalt; aber 100 Millionen € Zukunftsinvestitionen sind futsch.

Statt sich mehr Gedanken darüber zu machen, wo am dringendsten und effizientesten in die Zukunft des Landes investiert werden muss, beschäftigt man sich im Finanzministerium damit, wie in diesen lausigen Zeiten die inzwischen ca. 2,5 Milliarden € an Rücklagen zu verwalten sind. Auf der Suche nach profitablen Anlagen wird dann auch in Waffen, in Klimakiller und in Folterstaaten investiert,

(Oh! bei der CDU)

nur weil dort die Rendite noch einigermaßen zu stimmen scheint.

Auch nach diesem Haushaltsplan sollen wieder 160 Millionen € in diese Fonds fließen - Steuergeld, das wir unseren Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt vorenthalten und das wir stattdessen in Kohle, in Erdöl oder in Staatsanleihen in Bahrain oder in Kasachstan investieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn der Landesregierung die Ideen fehlen, wofür sie dieses Geld ausgeben soll, dann haben wir dafür viel anzubieten.

(Zurufe von der CDU)

Wer 100 Millionen € in den sozialen Wohnungsbau investiert, kann mit einer soliden Rendite rechnen und schafft gleichzeitig günstigen Wohnraum in öffentlicher Hand.

Investitionen in das Bildungssystem von der Kita bis zur Hochschule erzeugen ein Vielfaches an Renditen. Das ist der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht wird. Das sichert Lebensgrundlagen. Das sichert das Angebot an gut qualifizierten Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt und das sichert künftige Steuereinnahmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viel schlimmer als die Schulden in den Büchern von Banken sind für die nachfolgenden Generationen eine verrottete und veraltete Infrastruktur, ein ausgedünntes Bildungsangebot und eine sozial ungerechte und gespaltene Gesellschaft mit zunehmenden Spannungen und Konflikten. Das müssen Sie endlich erkennen, wenn Sie die Zukunftsfähigkeit unseres Landes nicht weiter aufs Spiel setzen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich höchste Zeit, den Blick von der Ausgabenseite wieder auf die Einnahmenseite zu wenden. Dass sich aber genau auf der Einnahmenseite nichts tut und auch in absehbarer Zeit nichts tun wird, zeigt, dass die Schulden gar nicht ernsthaft getilgt werden sollen.

Durch die relativ mickrigen Rückzahlungen, die man sich so mühsam vom Munde abspart, soll lediglich eines erreicht werden, nämlich die Erinnerung an den Schuldenberg wachzuhalten; denn wenn durch verschiedene Umstände die öffentlichen Haushalte tatsächlich einmal mit Überschüssen abschließen, wird nicht etwa ein Fässchen zum Feiern aufgemacht, sondern es wird reflexartig nach Steuersenkungen gerufen. Warum? - Weil die Schulden so noch auf viele Jahrzehnte als Zwangsinstrument dienen, um immer wieder Druck auf die Haushalte auszuüben und sie weiter auszubluten.

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir für falsch. Es ist neoliberales Geschwätz, das man gern in scheinbar eingängige Weisheiten verpackt, zum Beispiel, dass man nur ausgeben könne, was man vorher eingenommen hat.