Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drs. 7/705, wurde in der 18. Sitzung des Landtages am 16. Dezember 2016 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration überwiesen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Siegmund, warten Sie einen Moment. Dann bringt die Berichterstattung nichts, wenn keiner zuhört.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte doch, wieder die Plätze einzunehmen. - Herr Siegmund, Sie haben das Wort.

Die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt und Energie wurden mitberatend beteiligt.

Mit dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, im Bundesrat darauf hinzuwirken, das Wegwerfverbot für Lebensmittelgroß- und -einzelhändler gesetzlich festzuschreiben. Diese sollen verpflichtet werden, zur weiteren Verwendung bzw. Verteilung von Lebensmitteln mit Wohltätigkeitsorganisationen zusammenzuarbeiten. Außerdem soll die Landesregierung Maßnahmen zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung erarbeiten und diese dem Landtag vorlegen.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration hat den Antrag erstmals in der 10. Sitzung am 22. Februar 2017 beraten. Hier verständigte er sich darauf, den Antrag erst wieder in der Sitzung am 16. August 2017, wenn die zu diesem Zeitpunkt noch in Arbeit befindliche Studie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie vorliegt, aufzurufen. Außerdem nahm der federführende Ausschuss ein Fachgespräch mit dem Landesverband der Tafeln und dem Handelsverband in Aussicht.

Mit Schreiben vom 24. August 2017 erhielt der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration von der Landesregierung eine schriftliche Zwischenmitteilung bezüglich der Studie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in SachsenAnhalt.

Es wurde mitgeteilt, dass der Endbericht zur Studie vorliege die Ergebnisse im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert worden seien, aber eine Bewertung der Empfehlungen und die Erarbeitung von Vorschlägen hinsichtlich der Umsetzung sich noch in Bearbeitung befänden.

Die Landesregierung berichtete auch über die Ergebnisse der Beratungen zu dieser Problematik in der Verbraucherschutzministerkonferenz, die am 28. April 2017 stattfand.

In der 16. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration am 18. Oktober 2017 wurde der Antrag, Drs. 7/705, erneut aufgerufen. Hier berichtete das Ministerium für Umwelt zum gegenwärtigen Stand der Bemühungen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in SachsenAnhalt und insbesondere über die Ergebnisse der Studie zu dieser Problematik.

Nach kurzer Beratung im Anschluss an die Berichterstattung vereinbarte der Ausschuss, am 14. Februar 2018 ein Fachgespräch unter Beteiligung der mitberatenden Ausschüsse durchzuführen.

Dem federführenden Ausschuss und auch den mitberatenden Ausschüssen ging im Vorfeld des Fachgesprächs der Endbericht zum Projekt „Entwicklung der Grundlagen für einen Abfallvermeidungsbeitrag des Landes Sachsen-Anhalt - Vermeidung von Lebensmittelabfällen“ zu.

Am Fachgespräch am 14. Februar 2018 nahm der Handelsverband Sachsen-Anhalt und der Landesverband der Tafeln e. V. teil. Der Handelsverband Sachsen-Anhalt sprach sich entschieden gegen die gesetzliche Festschreibung aus, dass der Lebensmittelhandel Lebensmittel an caritative Einrichtungen abgibt. Er verwies darauf, dass es bereits langjährige Partnerschaften mit den Tafeln gebe, die dazu beigetragen hätten, dass die Senkung von Lebensmittelverlusten im Handel große Aufmerksamkeit erhalte.

Der Landesverband der Tafeln Sachsen-Anhalt e. V., der auch für den Bundesverband sprach, lehnte ebenso ein generelles Wegwerfverbot ab. Er plädierte dafür, mehr bei den Privathaushalten anzusetzen und auch durch die Einführung eines Schulfachs Ernährungsbildung in der Schule rechtzeitig für den sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren.

Die Fraktion der AfD plädierte nach dem Fachgespräch dafür, noch in der gleichen Sitzung eine

vorläufige Beschlussempfehlung zu erarbeiten, da aus ihrer Sicht aufgrund der Stellungnahmen im Fachgespräch das Thema „Wegwerfverbot“ erledigt habe. Dieser Vorschlag fand keine Mehrheit im Ausschuss.

Mit 9 : 0 : 3 Stimmen wurde beschlossen, den Antrag in der Sitzung am 9. Mai 2018 erneut aufzurufen und die ebenfalls zum Fachgespräch eingeladenen, aber nicht anwesenden Vertreter der Diakonie Mitteldeutschland und der Stadtmission Magdeburg nachträglich um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten.

Die Diakonie Mitteldeutschland hat ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 20. April 2018 nachträglich zugesandt. Sie befürwortet ein gesetzlich festgeschriebenes Wegwerfverbot für Lebensmittel und plädiert im Vorab einer solchen Regelung für eine Selbstverpflichtung seitens des Lebensmittelhandels und der Lebensmittelindustrie als wichtigen Schritt gegen die Lebensmittelverschwendung.

Vereinbarungsgemäß stand der Antrag in der 24. Sitzung am 9. Mai 2018 zur Beratung wieder auf der Tagesordnung des federführenden Ausschusses. Zu Beginn dieser Sitzung beantragten die Koalitionsfraktionen jedoch die Absetzung dieses Punktes, da sie weiteren Abstimmungsbedarf hätten. Diesem Antrag wurde mit 9 : 0 : 2 Stimmen gefolgt.

In der 25. Sitzung des Sozialausschusses am 13. Juni 2018 stand der Antrag mit dem Ziel der Erarbeitung der vorläufigen Beschlussempfehlung erneut auf der Tagesordnung. Zur Beratung lag dem Ausschuss als Tischvorlage ein Entwurf der Koalitionsfraktionen für eine vorläufige Beschlussempfehlung vor.

In Abänderung des Antrages der Fraktion DIE LINKE soll der Landtag im ersten Teil des Papiers die auf Bundesebene durchgeführten und noch laufenden Initiativen und Vorhaben gegen die Verschwendung von Lebensmitteln sowie für das Engagement der Tafeln begrüßen.

Im zweiten Teil des Papiers soll die Landesregierung unter anderem gebeten werden, einen Dialogprozess mit allen wichtigen Akteuren der Wertschöpfungskette zu eröffnen, um Maßnahmen und Konzepte zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen zu erarbeiten. Ferner sollen der Öffentlichkeit Best-practice-Lösungen zur Lebensmittelabfallvermeidung zugänglich gemacht werden. Auch Kinder und Jugendliche sollen für das Thema „Umgang mit Lebensmitteln“ sensibilisiert werden.

Auf der Bundesebene soll sich die Landesregierung für eine Weiterentwicklung des Mindesthaltbarkeitsdatums einsetzen, auch dafür, dass bestehende Handelsnormen überprüft werden.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration stimmte diesem Entwurf der Koalitionsfraktionen zu. Mit 7 : 3 : 2 Stimmen wurde der erste Teil und mit 10 : 3 : 0 Stimmen der zweite Teil des Papiers beschlossen. Die so verabschiedete vorläufige Beschlussempfehlung mit dem neuen Titel „Lebensmittelverschwendung eindämmen“ wurden den mitberatenden Ausschüssen zugeleitet.

Der Ausschuss für Umwelt und Energie hat sich mit dem Antrag und der vorläufigen Beschlussempfehlung in der Sitzung am 22. August 2018 befasst. Im Ergebnis seiner Beratung und dem von der Landesregierung erstatteten Bericht zu dieser Problematik hat er sich der vorläufigen Beschlussempfehlung in der unveränderten Fassung mit 7 : 0 : 5 Stimmen angeschlossen.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich mit dem Antrag und der vorläufigen Beschlussempfehlung in der 25. Sitzung am 12. September 2018 befasst. Nachdem er die Berichterstattungen seitens der Landesregierung entgegengenommen hatte, wurde im Ergebnis der Beratung die vorläufige Beschlussempfehlung in geänderter Fassung mit 7 : 3 : 2 Stimmen verabschiedet.

Die wesentlichen Änderungsempfehlungen bestanden in der Aufnahme eines zusätzlichen Punktes, mit dem die Landesregierung gebeten werden soll, vorbehaltlich der haushalterischen Entscheidungen eine landesweite Kampagne zu Aufklärung und Bildungsmaßnahmen im Umgang mit Lebensmitteln und der Reduzierung von Lebensmittelabfällen sowie Maßnahmen zur stärkeren Wertschätzung von Lebensmitteln zu entwickeln.

Die abschließende Beratung im federführenden Sozialausschuss fand in der 30. Sitzung am 7. November 2018 statt. Nach kurzer Beratung wurde die vorläufige Beschlussempfehlung unter Einbeziehung des Änderungsvorschlages des Ausschusses für Ernährung Landwirtschaft und Forsten zur Abstimmung gestellt und mit 6 : 2 : 3 Stimmen angenommen.

Die entsprechende Beschlussempfehlung zum Antrag in der Drs. 5/705 liegt dem Plenum heute in der Drs. 7/3585 mit der Bitte um Zustimmung vor. Im Namen des Ausschusses bitte ich darum, dieser Beschlussempfehlung zu folgen. - Ich danke ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Siegmund für den Vortrag der Berichterstattung. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Grimm-Benne. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung ist in der Tat ein breiter gesamtgesellschaftlicher Ansatz notwendig. Es bedarf mehr Bewusstseinsschärfung für dieses Thema. Auch deshalb hat sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung dafür eingesetzt, bei der Erarbeitung einer nationalen Strategie alle Akteure der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen.

Wir müssen gemeinsam die Wertschätzung von Lebensmitteln verbessern, die sich leider in unserer Industriegesellschaft wegen Überangebots, Preisverfalls und der permanenten Verfügbarkeit verringert hat.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln auf allen Ebenen der hoch arbeitsteiligen Herstellungs- und Verbrauchskette, also auf dem Weg von der Landwirtschaft bis zu den Endverbrauchern, zu verbessern.

Gerade bei den Endverbrauchern spielt wohl das Verständnis des Mindesthaltbarkeitsdatums noch immer eine wichtige Rolle. Insofern werden wir uns auch von Verbraucherschutzseite auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass der Mindesthaltbarkeitszeitraum weiterzuentwickeln ist.

Verbraucherinnen und Verbrauchen müssen das Mindesthaltbarkeitsdatum endlich als das auffassen können, was es ist: eine Angabe der Mindesthaltbarkeit.

Auch wenn es etwas plakativ klingen mag. Es heißt: mindestens haltbar bis, und nicht: sicher tödlich ab.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Allein die Privathaushalte in SachsenAnhalt entsorgen ca. 58 kg Lebensmittelabfälle pro Einwohner und Jahr. Etwa die Hälfte davon wäre nach Schätzungen vermeidbar. Die Verlustraten bei Produzenten, Händlern und Essensanbietern liegen zwischen 3 und 8 %.

Mit Blick hierauf kann ich daher grundsätzlich die vom Sozialausschuss vorgelegte Beschlussempfehlung nur begrüßen. Aber die Beschlussempfehlung formuliert auch eine breit gefächerte Palette von Aufträgen an die Landesregierung, die weder einfach noch kurzfristig umzusetzen sein werden.

Wir haben es hier mit einem sehr vielschichtig Thema zu tun, dessen Felder, wie zum Beispiel Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz

oder Bildung und Erziehung, nicht nur die Zuständigkeiten verschiedener Ressorts, sondern auch die verschiedensten Akteure betreffen.

Manches wird mit dem Dialogprozess erst entwickelt werden können und eher langfristig zum Ziel führen.

Die sehr umfassende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration ist gerade für diesen Dialog eine gute Basis. Daran sollten wir weiter arbeiten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Ministerin Frau Grimm-Benne für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Kolze. Herr Kolze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl bei wenigen anderen Themen, sollte man meinen, sei die Einmütigkeit der Positionen in diesem Hause so groß wie bei dem Thema „Wegwerfverbot für Lebensmittel“.

Doch das Abstimmungsverhalten zu der vorliegenden Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration fordert eine andere Schlussfolgerung geradezu heraus. Das lautet nämlich 6 : 2 : 3. Wer sich diese Arithmetik näher erschließen will, braucht nur in die bestehenden Mehrheitsverhältnisse in unseren Ausschüssen zu schauen.

Meine Damen und Herren! Ich will dennoch versuchen, gemeinsame Standpunkte und sicherlich gemeinsam zu fordernde Maßnahmen in den Mittelpunkt zu stellen. So sind wir uns sicherlich alle darin einig, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln in unserem Alltag nicht zu den Grundtugenden gehören sollte.

Dies sollte nicht etwa so sein, weil wir uns aus bestimmten religiösen, ethischen oder sonstigen Motivationen heraus eine Wegwerfmentalität versagen sollten. Diese Motive spielen sicherlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch stehe ich auf dem Standpunkt, dass alles, was der Mensch noch in irgendeiner Form verwerten oder nutzen kann, auch so zur Anwendung kommen sollte.