Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

Wollen wir unseren Staat und dessen demokratische Verfasstheit jedoch in Sicherheit wissen, ist es unabdingbar, zwischen legitimen Akteuren und subversiven Kräften knallhart zu unterscheiden. In unserer Aktuellen Debatte fordern wir eine Brandmauer. Für uns ist diese bitter nötig, um sich von extremen Linken wie auch extremen Rechten abzugrenzen.

So unrecht Honecker in den 80er-Jahren hatte, so unrecht hatten die Roten und Dunkelroten am 24. November in Magdeburg. Honeckers Sozialismus wurde aufgehalten, wie auch der linke Konsens, der sich zuletzt in Magdeburg zeigte, aufgehalten werden wird.

Dafür - diesbezüglich gebe ich Herrn Innenminister Stahlknecht gern recht - braucht es den starken Staat und eben nicht dessen Abschaffung, wie von Teilen der oben genannten Antidemokraten gefordert wird. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“, möchte man den Linken zurufen - vorwärts in den Abgrund mit einer gewollten kommunistischen Gewaltherrschaft. Denn dort, wo Kommunismus herrscht, herrscht Armut. Das sollten wir alle nicht vergessen. - Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. Es gibt keine Fragen. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Minister Herr Stahlknecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der AfD-Fraktion und ihre Bewertung des Demonstrationsgeschehens in Magdeburg anlässlich der Innenministerkonferenz gelesen habe, hatte ich das Gefühl - ich glaube, jedermann -, dass sie dort Dinge in einen

Topf geworfen hat, die objektiv nicht zusammengehören.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Se- bastian Striegel, GRÜNE)

Offensichtlich sind einige Grundsätze des Demokratieprinzips und des Prozesses der politischen Meinungsbildung nicht richtig verstanden worden. Ich möchte deswegen kurz den Rahmen skizzieren, in dem sich politische Meinungsbildung vollzieht, und darlegen, wie die Menschen in zulässiger Weise darauf Einfluss nehmen können.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bietet dafür eine gute Orientierung. Ich zitiere das Urteil ausgesprochen gern, weil es letztlich auf Bestreben unseres Bundeslandes gefällt wurde. Es geht um das Urteil zum NPD-Verbotsverfahren. Darin sind wichtige und maßgebliche Ausführungen zum Demokratieprinzip bei der politischen Willensbildung sowie zu den Möglichkeiten und Grenzen politischer Teilhabe auch im Rahmen von Versammlungen gemacht worden.

Das höchste Gericht legt dar, dass das Demokratieprinzip einer der fundamentalen Bestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. Politische Willensbildung ist auf dieser Basis ein offener Prozess. Verschiedene Meinungen und Ansichten können formuliert, vertreten, diskutiert und in die politische Entscheidungsfindung eingebracht werden. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass auch Kritik an politischen Entscheidungen und Institutionen, ja, sogar das kritische Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung Teil dieses Prozesses sind.

Selbst Äußerungen, die auf ein Überwinden des Demokratieprinzips angelegt sind, zählen noch zu dem Prozess der Willensbildung. Die zulässige Grenze ist erst überschritten, wenn verfassungsfeindliche Äußerungen das Demokratieprinzip verächtlich machen und keine Alternative anbieten, wie Demokratiedefizite überwunden werden sollen.

Im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit skizziert das Gericht die Grenzen des politischen Meinungskampfes. Demnach dürfen auch extremistische Meinungen vertreten werden, soweit diese lediglich darauf abzielen, dafür zu werben.

Solange es anderen Versammlungsteilnehmern möglich ist, diese Überzeugung anzunehmen oder abzulehnen, kann die gleichberechtigte Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess nicht eingeschränkt werden. Erst wenn zu einer gewaltsamen Erreichung der Ziele aufgerufen wird bzw. anderen diese Überzeugung mit Gewalt aufgezwungen werden soll, ist diese Grenze erlaubter Formen des politischen Meinungskampfes überschritten.

Daraus ist abzuleiten, dass eine Bewertung der Versammlung und auch ihrer Teilnehmer immer von der konkreten Zielsetzung und der Bereitschaft zur Erreichung dieser Ziele abhängt. Soweit eine Versammlung darauf abzielt, zum Beispiel Kritik am staatlichen Handeln zu üben und Änderungen anzumahnen oder bei anderen Bürgern für die eigene kritische Position zu werben, handelt es sich um eine erlaubte Form des politischen Meinungskampfes.

Ganz anders muss die Sachlage beurteilt werden, wenn eine Versammlung bewusst und zielgerichtet veranstaltet wird, um dabei die Grenzen erlaubter Formen des politischen Meinungskampfes zu überschreiten. Das ist der Fall, wenn eine Versammlung von Extremisten durchgeführt wird und objektiv dazu geeignet ist, ein Klima der Angst oder Bedrohung entstehen zu lassen.

Jetzt komme ich zu dem Demonstrationsgeschehen am 24. November in Magdeburg unter dem Motto „unheimlich sicher“. Innenministerkonferenzen sind aus der Sicht der gewaltbereiten linksextremistischen Szene ein Kristallisationspunkt des Protestes, insbesondere mit Blick auf die Themen „Antirepression“ und - aktuell - „Antirassismus“. Der Protest richtet sich gegen die Innenminister und -senatoren der Länder als Repräsentanten des kapitalistischen Systems, das es zu bekämpfen gilt.

Die Mobilisierung für die Demonstration ging fast ausschließlich von Linksextremisten aus, so etwa von dem Verein Rote Hilfe oder von der Magdeburger antiimperialistischen Gruppe Zusammen kämpfen. In den Aufrufen wurden sieben gesellschaftliche Problemfelder thematisiert, die in Demonstrationsblöcke unterteilt waren.

Erster Block: Unheimlich-Sicher-Block. Zweiter Block: Klassenkampfblock. Dritter Block: Arbeiterklassenblock. Vierter Block: studentischer Block. Fünfter Block: Gewerkschaftsblock. Sechster

Block: internationalistischer Block. Siebenter

Block: Pro-Asyl-Block.

(Zuruf von der AfD)

Sämtliche Themen zeichneten sich durch eine hohe Anschlussfähigkeit in der Bevölkerung aus. Für diese wollen sich auch Demokraten engagierend und gebührend einbringen. Aufgerufene Themen - ich übersetze jetzt einmal die Blöcke - wie die Neuregelung der Befugnisse für Polizei und Ordnungsbehörden, die Regelung zum Verhalten im Fußballstadion, die Verfahren zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, der Datenschutz und die Videoüberwachung, der Klimawandel usw. waren sowohl für Extremisten als auch für politisch links engagierte Teilnehmer interessant und akzeptabel.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Das Problem dabei ist: Für die Gesellschaft ist es eine besondere Herausforderung zu unterscheiden, was extremistisch, was populistisch und was sachlicher Protest ist.

Aufgrund scheinbar gemeinsamer Interessen sehe ich die Gefahr, dass es zu einer politischen und positiven Wahrnehmung linksextremistischer Positionen in Teilen der Gesellschaft kommt. Linksextremisten können so diverse Kooperationsformen mit unterschiedlichen politischen

Richtungen eingehen. Die positive Wahrnehmung oder sogar die Akzeptanz extremistischer Positionen im bürgerlichen Spektrum führt zu einer bedenklichen Erosion der Abgrenzung zwischen Extremisten und Demokraten.

Linksextremisten beabsichtigen gezielt eine Verzerrung der Wahrnehmung ihrer extremistischen Positionen und ihrer demokratiefeindlichen Ideologien. Die Linksextremisten wollen Anschlussfähigkeit herstellen. Für diesen Prozess der gesellschaftlichen Spaltung ist neben dem Rechtspopulismus auch der Linkspopulismus ein geeignetes Scharnier, um Ideologien und Handlungsfelder von Extremisten sowie deren Forderungen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.

Gerade als Innenminister und für die innere Sicherheit in unserem Bundesland Verantwortlichem ist es mir ein Bedürfnis, auf die Gefahren für die Gesellschaft hinzuweisen, die von einem Vermischen extremistischer und kritischer Haltungen ausgehen können. Auch linkspopulistische Forderungen oder Kritiken spielen dabei eine Rolle. Sie wirken direkt oder indirekt und tragen zu einer Verschiebung des politischen Diskurses bei.

Wenn im politischen Alltag von Populismus die Rede ist, dann zumeist von Rechtspopulismus. Rechtspopulismus als Politikstil ist ein Phänomen, das in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern rasant zugenommen hat - so auch in Deutschland und natürlich auch in Sachsen-Anhalt.

Daneben gab und gibt es den Linkspopulismus. Ressentiments gegen die herrschenden Eliten, die politische Klasse oder das politische System und insbesondere eine Abwertung unserer marktwirtschaftlich geprägten bürgerlichen Gesell

schaftsordnung sind einige der Kennzeichen des Linkspopulismus.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass viele Menschen in einer sich verändernden Welt Zukunftsängste in sich tragen. Arbeitslosigkeit, Armut, sozialer Abstieg oder auch allgemeine Befürchtungen wie vor dem Klimawandel oder vor Flüchtlingen fallen mir dazu ein.

Bei der Magdeburger Demonstration kommen noch die Themen polizeiliche Befugnisse, Daten

schutz und Videoüberwachung dazu. All dies sind Ängste, die real sind und die es ernst zu nehmen gilt. In unserer komplexen Welt kann man diesen Ängsten jedoch nicht mit einfachen Phrasen oder schlichten Stammtischparolen begegnen und sie so schon gar nicht lösen; erst recht nicht mit Gewalt. Ich halte es deshalb für wichtig, dass gerade die von den Extremisten genutzte Scharnierfunktion des Populismus von demokratischen Bündnissen erkannt wird.

Was passiert also? - Zunächst generieren Populisten Aufmerksamkeit, zum Beispiel mit öffentlichkeitswirksamen Protesten. Kritik, auch berechtigte, wird stark vereinfacht; das Sachthema wird undifferenziert vorgetragen. Populisten - egal welcher politischen Richtung - nehmen für sich in Anspruch, die wahren Interessenverwalter des Volkes zu sein. Das Volk müsse deswegen gegen die Machenschaften der Eliten da oben verteidigt werden. Mit ihren simplen Lösungsvorschlägen, die ja offenkundig seien und nur aufgrund der Interessen mächtiger Lobbygruppen nicht umgesetzt würden, tragen sie dazu bei, dass die Akzeptanz und das Verständnis für unsere bürgerliche Gesellschaftsform schwinden.

Wenn Populisten darauf hinweisen, dass unser Staat und unsere Regierung nicht mehr dem Volk, sondern nebulösen Dritten verpflichtet seien, dann ist dies ein ideales Einfallstor für all die Forderungen, die nicht mehr mit dem Wertesystem unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind.

Auch Linkspopulisten machen sich in meinen Augen zum Türöffner für Linksextremisten. Das pauschale Abwerten von Staat und Politik als Repressionsapparat oder als allein dem Kapital dienend kann als Einladung für all diejenigen verstanden werden, die unsere Gesellschaftsordnung zugunsten einer marxistisch-leninistischen oder auch anarchistisch geprägten Ordnung ersetzen wollen.

Für mich als Innenminister ist neben der körperlichen Gewalt vor allem auch die verbale Militanz gegenüber den Polizeibeamten und -beamtinnen erschreckend. Wenn populistische Kritiker von links den Staat und seine Polizeikräfte als strukturell rassistisch, dem Kapital und der herrschenden Klasse dienend oder als rechtsoffen diffamieren, dann fühlen sich die Gewalttäter bestärkt und ermutigt, um in einem Akt selbsterkorener Gegenwehr gegen den Staat und die Polizei vorzugehen. Das ist nicht akzeptabel. Es ist das Verständnis, dass linke Gewalt gute Gewalt sei, weil linke Gewalt sich gegen den Repressionsapparat und die Polizei wendet. Es muss ein deutliches Zeichen dafür geben, dass wir das nicht akzeptieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Beifall bei der AfD)

Allerdings lässt sich dieser Mechanismus eben auch bei den Rechtspopulisten finden.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Mit der Suggestion, dass Flüchtlinge eine Gefahr für die Bevölkerung seien und die Grenzen zu schließen seien, bietet sich ein Einfallstor für rechtsextremistische Forderungen nach einem ethnisch homogenen Volkskörper und der rassistisch geprägten Abwertung anderer Nationen. Entsprechende gemeinsame Demonstrationen von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten bilden eben auch keine Ausnahmeerscheinung.

Die gerade beschriebene Scharnierfunktion wirkt nicht nur ideologisch. Sie hat auch eine gewaltunterstützende Funktion im Sinne eines echten Kampfes auf der Straße. Die Forderungen sind daher nur ein weiterer Baustein hin zur Fähigkeit der Anbindung von linksextremistischen Positionen an die demokratische Gesellschaft.

Tatsächlich haben sich der Demonstration überwiegend Personen angeschlossen, die linksextremistischen Bestrebungen zuzurechnen sind. Mit den ebenfalls teilnehmenden demokratischen Bündnissen ist den Linksextremisten damit zum Teil auch am 24. leider, leider der Anschluss gelungen. Eine Distanzierung der demokratischen Gruppierungen von den Linksextremisten war nicht zu erkennen.

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

Die Mobilisierung für die Demonstration ist fast ausschließlich von Linksextremisten ausgegangen, insbesondere von der gewaltorientierten linksextremistischen Szene. Letztere hatte nach den Erkenntnissen unseres Verfassungsschutzes einen unfriedlichen Verlauf und Ausschreitungen mit Angriffen auf Polizisten und Objekte entlang der Demonstrationsroute fest einkalkuliert. Nur dank unserer hohen Polizeipräsenz konnten wir das verhindern.

Wir müssen verhindern, dass Extremisten wie Populisten zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen und insbesondere Populisten als Türöffner für die Feinde unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung fungieren.

Informationen über extremistische Bestrebungen finden sich für alle frei zugänglich - noch immer und seit Jahren auch für den Linksextremismus - in den Verfassungsschutzberichten des Landes. Auch wenn es schon niemand mehr hören mag, ist mein Rat an alle Bürgerinnen und Bürger, an alle Demokraten, die zur politischen Willensbildung beitragen: Werfen Sie gelegentlich einen Blick hinein! Es muss in unser aller Interesse sein, sich nicht unbedacht mit Extremisten und deren Forderungen gemeinzumachen. - Herzlichen

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD und bei der SPD)