Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Und ja, wir brauchen auch angemessene Verfahrensdauern. Das ist ein schwieriges Thema und ich habe bewusst das Wort „angemessen“ und nicht die Worte „kurze Verfahrensdauer“ verwendet; den eine einfache Schwarz-Weiß-Malerei ist hier nicht angebracht und hilft uns auch nicht weiter.

Wir wissen, wenn in gerichtlichen Verfahren die Einholung von Gutachten erforderlich ist, verzögern sich Verfahrensdauern. Dann muss das aber auch transparent erklärt werden und dann müssen letztendlich auch Prioritäten gesetzt werden. Dann müssen wir auch genau hinschauen, ob die Zahl der Gutachterinnen und Gutachter in Sachsen-Anhalt ausreichend ist.

Um das beispielhaft zu nennen: Es ist gut, dass das FamFG eine Monatsfrist für den ersten Termin verbindlich festgelegt hat. Doch alle Protagonistinnen und Protagonisten müssen auch in die Lage versetzt werden, diese Frist mit aller für den Einzelfall erforderlichen Sorgfalt wahren zu können. Damit spreche ich über die Gerichte, aber auch über die Jugendhilfe und die Situation der Verfahrensbeistände. Zu letzteren, zu den Verfahrensbeiständen, ist es mir an dieser Stelle noch mal sehr wichtig, zu sagen, dass wir uns gemeinsam auf Bundesebene für eine höhere Qualifikationsanforderung einsetzen.

Wir reden hier über nicht mehr und nicht weniger als über den Verfahrensbeistand von Kindern in Familiengerichtsverfahren. Sie sollen dort ihre Interessen vertreten in Verfahren, die eh schon höchst problematisch und belastend für Kinder und Jugendliche sind. Wenn wir es zulassen, dass das Vertrauen von Familien in die so wichtige Institution des Verfahrensbeistands nach und nach verloren geht, haben wir eine wichtige Chance der Friedensstiftung in Familien im Interesse von Kindern vertan.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt noch weitere Baustellen, auch im wahrsten Sinne des Wortes „Baustellen“ in unserem Land. Spontan wird insbesondere den Hallensern unter Ihnen, die JVA „Frohe Zukunft“ und der damit verbundene Neubau einfallen. - Ein bittersüßer Name für einen Gefängnisstandort.

Meine Damen und Herren! Es wird Zeit, dass dieses Haus die erforderlichen Entscheidungen zu den künftigen Gefängnisstandorten trifft. Ein Hinausschieben auf die lange Bank ist weder im Interesse der Gefangenen noch im Interesse der Bediensteten.

Ich habe natürlich mit Interesse die Frage von Herrn Gürth zur Kenntnis genommen. Ich muss aber sagen, ich erinnere sehr gerne an dieser Stelle an die Verantwortung der CDU-Fraktion in der letzten Wahlperiode, die genau das, was uns aus meiner Sicht, als kluger Vorschlag seitens des Justizministeriums zur Erreichung der drei Justizvollzugsanstalten vorgelegt hat, massiv blockiert hat. Und für die Situation, die wir jetzt in unseren Gefängnissen haben, für die Situation, dem der allgemeine Vollzugsdienst ausgesetzt ist, dafür tragen insbesondere Sie Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN)

Alternativ können wir natürlich auch über mehr Personal reden. Die derzeitige Gefängnisstruktur ist nur mit Ach und Krach mit der derzeitigen Personalsituation aufrechtzuerhalten. Der Umstand, dass sich die Neueinstellungen in der Vergangenheit als sehr schwierig erwiesen haben und in Zukunft lediglich einen Tropfen auf dem heißen Stein darstellen werden, muss uns zu denken geben.

Ich glaube, es wird auch nicht wirklich helfen, dass die Frau Ministerin den Arbeitsplatz im AVD als so wunderbar und wunderschön bezeichnet. Ich glaube, die Realität ist dann doch etwas anders. Ja, wir haben größere, andere Anforderungen. Aber wir haben eben auch nicht die besten Anforderungen. Insofern ist es da eher an uns, eine Entscheidung zu treffen.

Sie haben ganz kurz etwas zum Thema „Einzelhaftunterbringung“ gesagt. Sie haben auch eine Jahreszahl in den Raum gestellt, wann wir das anstreben. Ich möchte nur darauf verweisen, dass das Gesetz in Brandenburg im Jahr 2013 geändert wurde und seit dem Jahr 2013 ist dort die Einzelhaftunterbringung auch die Norm.

Meine Damen und Herren! Der Strafvollzug hat auch noch eine weitere Aufgabe, nämlich den Resozialisierungsauftrag. Den sehe ich mangels ausreichenden Personals in Sachsen-Anhalt in Gefahr. Ein Übergangsmanagement, das durchaus zu loben ist, reicht hierbei nicht aus.

Dass wir damit zugleich mit der Sicherheit der Menschen in Sachsen-Anhalt spielen, auch mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl, wird häufig verkannt. Denn bei Sicherheit denken alle zu allererst an den Innenminister und die Polizei, was grundsätzlich auch nicht falsch ist. Doch jeder und jede sollte sich bewusst sein, dass eine Haftzeit

grundsätzlich begrenzt ist, und das ist auch richtig.

Auftrag des Staates sollte es also sein, alles Mögliche dafür zu tun, dass an die Haftzeit ein Leben in Freiheit ohne Straftaten anschließt. Deshalb erachten wir als LINKE den derzeitigen Zustand als grob fahrlässig. Und falls Sie es gerade hören, dafür sind ausdrücklich nicht die Anstaltsleiterinnen und -leiter verantwortlich, sondern wir als Parlament und die Landesregierung.

Lassen Sie mich auch noch einen kurzen Einschub zum Thema „Frauen in Brandenburg“ sagen. Als LINKEN-Fraktion sagen wir ganz deutlich: Wir stehen zu diesem Vertrag, den wir mit dem Land Brandenburg abgeschlossen haben. Ich kann Ihnen auch aus rechtspolitischer Sicht sagen, dass ich es sogar richtig gut finde, dass wir die Frauen dort haben, weil sie nämlich dem dortigen Strafvollzugsgesetz unterliegen. Das finde ich besser als unseres.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dann ist da noch eine weitere sehr große Baustelle, nämlich die elektronische Akte. Meine Vorrednerinnen und Frau Ministerin haben dazu schon einiges gesagt. Ja, wir waren in Estland im vorvergangenen Jahr. Wir haben uns anschauen können, wie hervorragend so etwas funktionieren kann.

Die Tatsache, dass dort überall unproblematisch auch freies WLAN zur Verfügung stand, könnte ich jetzt fast unter den Tisch fallen lassen. Aber Frau Ministerin hat berechtigterweise auch hier den Finger in die Wunde gelegt. Ich glaube, eine App, mit der wir die weißen Flecken bekannt geben können, brauchen wir alle nicht. Wir sind regional so gut zusammengesetzt, wir könnten die weißen Flecken in Sachsen-Anhalt alle benennen.

Das heißt, hierbei bedarf es tatsächlich ganz dringend einer Nachbesserung. Hierbei müssen wir viel besser aufgestellt sein. In Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung brauchen wir einfach in diesem Bereich bessere Arbeitsbedingungen für die Justiz und damit eben auch einen besseren Zugang zum Landesnetz, um dann die Einführung der elektronischen Akte schneller herbeizuführen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Jawohl!)

Frau - -

Ich dachte, Sie waren jetzt fertig. - Entschuldigung.

Nein, ich habe nur geatmet, Herr Präsident.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Deswegen, Frau Ministerin, werden wir auch dran bleiben. Wir werden den Zeitplan einfordern, weil ich glaube, das sind wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich für dieses Thema schon sehr engagiert eingebracht haben, schuldig. Wir erwarten von Ihnen einen konkreten Zeitplan zur Einführung der elektronischen Akte und auch tatsächlich darin enthaltene Meilensteine.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich atme jetzt wieder. - Angesichts der heutigen Regierungserklärung werde ich Sie natürlich auch nicht vor einem Dauerbrenner bewahren, einem Dauerbrenner in sämtlichen Haushaltsberatungen der, ich glaube, letzten zehn Jahre, nämlich die Situation der Rechtsmedizin in Sachsen-Anhalt.

Das ist inzwischen meines Erachtens eine peinliche Farce. Jeder und jede hier im Haus würde sicherlich unterschreiben, dass die Interessen der Opfer von Straftaten gewahrt werden müssen. Dazu gehört dann aber auch, dass wir das Rechtsmedizinische Institut mit den dafür erforderlichen Mitteln ausstatten müssen.

Dazu verweise ich auf eine Kleine Anfrage aus der letzten Wahlperiode, die ich gestellt habe. In der Antwort hatte die Landesregierung sogar meinem Wunsch entsprechend einen Ländervergleich hinsichtlich der Finanzierung der rechtsmedizinischen Institute in den anderen Bundesländern vorgenommen mit dem überraschenden, aber aus meiner Sicht auch erwartungsgemäßen Ergebnis: In keinem Bundesland unserer Republik arbeitet ein rechtsmedizinisches Institut kostendeckend.

Daran hat auch die letzte Reform des Justizentschädigungsgesetzes nicht wesentlich etwas geändert. Nun können wir aus meiner Sicht eine zwingend fachpolitische Diskussion, die im

Rechts-, Sozial- und Innenausschuss zu führen ist, immer wieder in den Finanzausschuss verschieben. Dann brauchen wir uns aber nicht zu wundern, dass irgendwann tatsächlich unsere Finanzpolitikerinnen und -politiker entscheiden, dass es vor allem um das Geld geht, und hier entsprechend kürzen. Das, denke ich, kann nicht in unserem Interesse sein.

Wir werden als Fraktion zu diesem Thema demnächst parlamentarisch initiativ. Und ich hoffe, dass wir dazu in einen konstruktiven Streit eintreten werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Es ist ein aus unserer Sicht nicht ganz glücklich gewählter Zeitpunkt für eine Regierungserklärung der Justizministerin unter dem Titel „Zuverlässig, zeitgemäß, zugewandt“, wenn man den Istzustand in der Justiz betrachtet. Doch eine jetzige Bestandsaufnahme ist wiederum notwendig, um die entsprechenden Maßnahmen ergreifen zu können.

Ich möchte den Adjektiven „zuverlässig“, „zeitgemäß“ und „zugewandt“ noch weitere hinzufügen. Wir wünschen uns eine moderne, eine bürgernahe, eine präsente und eine zügige Justiz. Und seien Sie versichert, dass wir Sie bei dem Vorhaben, das Sie uns heute vorgestellt haben, im parlamentarisch bestem Sinne anspornen werden und natürlich auch kritisch und konstruktiv mitarbeiten werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Abschließend möchte ich noch kurz erklären, dass wir voller Begeisterung - das haben vielleicht nicht alle mitbekommen; der Beifall war noch relativ gering; Sie haben es auch ordentlich weit hinten in Ihrer Rede versteckt - auf die heute angekündigte Änderung unserer Landesverfassung und die vorgesehene Erweiterung um das Merkmal der sexuellen Orientierung warten.

Ich danke Ihnen, dass Sie für die Landesregierung heute noch einmal in aller Klarheit gesagt haben, dass Sie dies tun werden. Sie können sich sicher sein, die 16 Stimmen meiner Fraktion haben Sie für dieses Vorhaben sicher. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau von Angern, Herr Borgwardt hat sich zu Wort gemeldet. - Als Fragesteller, Herr Borgwardt, oder als Fraktionsvorsitzender? - Als Fragesteller. Herr Borgwardt, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Sehr verehrte Kollegin von Angern, ich habe durchaus zur Kenntnis genommen, dass Sie die Regierungserklärung überwiegend positiv bewertet haben.

Ich möchte aber gerne - weil es ja vorhin nicht ohne Grund gesagt wurde - noch eines richtigstellen: Sie haben gesagt, dass die CDU-Fraktion in erster Linie dafür verantwortlich ist, was die Strukturen und Ähnliches betrifft. Sie können sich doch sicherlich daran erinnern, dass die CDU-Fraktion sehr für den Erhalt von Dessau gekämpft hat. Dazu haben wir auch eigene Anträge gestellt.

Sie wissen auch, dass wir eine lange Diskussion über die sogenannte elektronische Aufenthaltsüberwachung geführt haben, die fälschlicherweise

oft als Fußfessel bezeichnet wird. Sie fesselt ja keinen. Dadurch wären im Wesentlichen Freigänger entlastet worden. Sie kennen unsere Position und Sie kennen auch Ihre Position.

Ich wollte damit nur klarstellen: So eindeutig ist das eben nicht in der Entscheidung gewesen. Wir tragen jedenfalls für diese Strukturentscheidung nicht die alleinige Verantwortung, sondern wir haben damals auch eine Gegenposition vertreten. Das wollte ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen.

Frau von Angern, Sie haben das Wort.

Ich finde es gut, dass Sie das jetzt auch noch einmal so deutlich machen. Dessau war der Grund, warum Sie als CDU-Fraktion den Vorschlag der Landesregierung damals blockiert haben. Es gab dann einen Kompromiss. Ich halte ihn für problematisch, weil er die finanzielle Situation in dem Bereich noch einmal verschärft hat. Das haben wir jetzt auszubaden.

Es gibt nach meinem Wissen keine neue Entscheidung. Es war vielleicht etwas ungewöhnlich, dass wir das damals als Opposition mitgetragen hätten. Die Alternative wäre gewesen, mehr Personal einzustellen. Dazu waren Sie in der letzten Wahlperiode nicht bereit. Das wäre durchaus auch noch möglich gewesen.

Aber jetzt haben wir es mit Standorten zu tun, die sehr viel Geld kosten, hinsichtlich des Personals, hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen. Und das haben vor allem die Bediensteten im Vollzug und die Gefangenen zu tragen.