Drei Überprüfungen umfassen auch die Frage, ob die Annahmen für die Beendigung der Kohleverstromung insgesamt realistisch sind. Das erfolgt an den drei Checkpoints - so nennen sie sich - 2023, 2026 und 2029.
Im Energiesektor setzt sich der Bericht zudem mit Maßnahmen für Energiemarkt- und Strompreise für Industrie, gewerbliche Nutzung und private Endverbraucher, mit Maßnahmen für Versorgungssicherheit, mit Maßnahmen zu Netzen, Speichern, Sektorkopplung und Innovations
potenzial, mit Maßnahmen für Wertschöpfung und Beschäftigung, mit Maßnahmen zur Berücksichtigung des Tagebaubetriebs und mit sicherer Nachsorge der Tagebaue auseinander. Das ist also ein sehr breites Feld, was dort bewertet wird.
Dieser Energieteil ist verschränkt mit der Frage einer Entwicklungsperspektive für die betroffenen Braunkohlereviere, mit denen sich die weiteren Kapitel des Berichts befassen. Die Kommission hat ja einige der von den Braunkohleländern für die weitere Strukturentwicklung als bedeutsam vorgetragenen Punkte in den Bericht aufgenommen.
Wir konnten das Bewusstsein dafür wecken, dass für eine erfolgreiche Strukturentwicklung unter anderem ein konkreter Ausstiegspfad mit einem vorherigen erkennbaren Aufbau neuer Beschäftigung und Wertschöpfungsketten verbunden sein muss, aber auch die Versorgungssicherheit zu beachten ist, gute Verkehrs- und digitale Infrastrukturen sowie forschungsnahe Infrastrukturen nötig sind, aber auch Planungsbeschleunigungen und Experimentierklauseln erforderlich sind.
Des Weiteren ist die Ansiedlung von Bundesbehörden in den Revieren notwendig. Ferner muss der Strukturentwicklungsprozess schnell initiiert, institutionalisiert und langfristig abgesichert werden. Es bedarf einer überjährigen Finanzierung, aber auch eines hohen Maßes an Flexibilität beim Mitteleinsatz.
Empfohlen wird zudem ein umfangreiches Gesetzespaket für den Strukturwandel, das auf den Weg gebracht werden muss. Genannt wird zum Beispiel ein strukturpolitisches Sofortprogramm, das für die aktuelle Legislaturperiode mit eingeplanten 1,5 Milliarden € aus dem Bundeshaushalt aufwartet.
Die Kommission empfiehlt ein Maßnahmengesetz, in dem Maßnahmen des Bundes bzw. mit Bundesbeteiligung, insbesondere im Bereich Infrastruktur, Wirtschafts- und Innovationsförderung
Für zu finanzierende Einzelprojekte sollen aus einem zusätzlichen Budget im Bundeshaushalt nach Auffassung der Kommission pro Jahr 1,3 Milliarden € über 20 Jahre bereitgestellt werden.
Das Maßnahmengesetz soll zudem in einem zu ratifizierenden Staatsvertrag umgesetzt werden. Die Regelungen des Maßnahmengesetzes sollen auch sicherstellen, dass die notwendige Flexibilität in dem jahrzehntelangen Prozess der Strukturentwicklung ermöglicht wird.
Wir wollen einen Staatsvertrag deswegen, weil wir über einen langen Zeitraum, Legislaturperioden übergreifend, Planungssicherheit benötigen. Deswegen haben wir das auch als Länder bewusst mit hineinprojiziert.
Über das Maßnahmengesetz hinaus soll zur mittel- und langfristigen Absicherung strukturpolitischer Maßnahmen aus Mitteln des Bundes den Ländern eine Finanzierungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden, die von der Haushaltslage unabhängig ist; damit ist die Haushaltslage des Bundes gemeint.
Die Kommission empfiehlt, für die von einer vorzeitigen Beendigung der Kohleverstromung betroffenen Länder jährlich Mittel in Höhe von 0,7 Milliarden € über 20 Jahre zur Verfügung zu stellen. Durch ein solches Budget soll die Möglichkeit geschaffen werden, auf heute noch nicht absehbare Anforderungen der Strukturförderung flexibel und projektoffen zu reagieren.
Zur Verbesserung der Verkehrsanbindung soll ein Sonderfinanzierungsprogramm für Verkehrsinfrastrukturen eingerichtet werden. Empfohlen werden auch beschäftigungspolitische Maßnahmen, die vorzusehen sind.
Mit einem Monitoring soll - wie ich schon ausführte - anhand verschiedener Kriterien und Ziele bei der Strukturentwicklung, bei der Versorgungssicherheit als wesentlichem Punkt, bei dem Klimaschutz als klarem Zielpunkt und dem Strompreisniveau in den Jahren 2023, 2026 und 2029 regelmäßig überprüft werden, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen einer Nachsteuerung bedürfen. Das ist zu begrüßen, da vor allem diese Bereiche in den Revieren sorgfältig austariert sein müssen, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhalten und auch zukünftig zu sichern.
Die Kommission ist damit gerade nicht, wie häufig verkürzend dargestellt wird, eine Kohlekommission, sondern sie eröffnet mit ihren Empfehlungen, ihrem Namen entsprechend, für die Entwicklung der Reviere auch eine Perspektive für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung.
Dafür haben sich insbesondere die Ministerpräsidenten der drei ostdeutschen Kohleländer sowie der Ministerpräsident des Landes NordrheinWestfalens in den vergangenen Wochen und Monaten in der Kommission und bei der Bundesregierung gemeinsam und erfolgreich stark gemacht.
Der Bericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ist somit eine Chance zur erfolgreichen Gestaltung einer Strukturentwicklung.
Braunkohle ist in Sachsen-Anhalt ein wichtiger Rohstoff. Im mitteldeutschen Revier existiert heute eine große Anzahl von hochwertigen und organisierten Industriearbeitsplätzen im Bergbau, in der Energiewirtschaft und der chemischen Industrie sowie von mittelbar verbundenen Arbeitsplätzen in der Ernährungsgüterwirtschaft rund um Zeitz.
Die Kraftwerksstandorte in der Region sind strukturell mit der chemischen und energieintensiven Industrie verbunden. Die Empfehlungen für den Energiesektor und die strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission haben große Signalwirkung. Das betrifft aber nicht nur Sachsen-Anhalt allein. Hierbei bedarf es weiterhin eines koordinierten Vorgehens unter Berücksichtigung von Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Strukturentwicklung über die Landesgrenzen hinaus.
Mit den Empfehlungen der Kommission und deren Umsetzbarkeit müssen sich nun aber zunächst die Bundesregierung und die betroffenen Länder weiter auseinandersetzen. Wir hatten dazu ein über mehrere Stunden andauerndes Gespräch im Kanzleramt mit den zuständigen Bundesministern, den Ministerpräsidenten und den vier Vorsitzenden der Kommission.
Dazu ist auch ein intensiver Diskussionsprozess im Bundestag und im Bundesrat zu erwarten. Denn diese Verfassungsorgane hatten kein Stimmrecht in der Kommission.
Die Aussagen im Bericht der Kommission als gesamtgesellschaftlicher Konsens werden in den weiteren Verhandlungen aber hilfreich sein; zumindest, das kann ich sagen, war Deutschland noch nie so weit, dieses wichtige Thema in einem ganz anderen Zusammenhang und Konsens zu lösen, als es möglicherweise in anderen Ländern bei relevanten politischen Grundsatzthemen der Fall ist.
Ein Bestandteil des Gesetzpaketes, auf das wir besonderes Augenmerk legen werden, ist das von der Kommission empfohlene Maßnahmengesetz, für das der Bund in Abstimmung mit den betroffe
Es wird dazu unter Steuerung des Bundeskanzleramtes und der Staatskanzleien mit den entsprechenden Ministerien in den Landesregierungen in den nächsten Wochen intensiv gearbeitet werden. Bisher sind wir schon gut aufgestellt.
Wir besprechen dieses Thema wöchentlich im Kabinett mit allen Kabinettsmitgliedern und nehmen auch immer wieder eine Abstimmung vor, um die komplexe Umsetzung der Maßnahmen zu koordinieren. Wir werden neben dem bereits arbeitenden interministeriellen Arbeitskreis eine Stabstelle mit fünf Stellen einrichten; das ist schon besprochen worden.
Die Landesregierung wird wie bisher bei der Arbeit der Kommission nun bei den anstehenden Verhandlungen mit der Bundesregierung ihre Kraft dafür einsetzen, dass für das mitteldeutsche Revier eine Entwicklungsperspektive eröffnet wird und die Empfehlungen der Kommission angemessen Berücksichtigung finden.
Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede kommen. Wir wollen diesen Prozess weiterhin zusammen mit den regionalen Akteuren und Unternehmen begleiten und das jetzige Braunkohlerevier als Industriestandort erhalten. Es wird also unmittelbar in dem Revier - die Kreise, die es umfasst, habe ich schon mehrfach benannt - stattfinden. Wir werden dafür sorgen, dass vor allem auch aus der Wirtschaft heraus ein relevanter Beitrag für innovative Lösungen entwickelt wird.
Der seit Januar arbeitende interministerielle Arbeitskreis wird unter der Leitung der Staatskanzlei weiterarbeiten. Die Arbeit im interministeriellen Arbeitskreis erfolgt in enger Abstimmung vor allem mit dem Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, dem Energieministerium MULE und den anderen Landesressorts, die direkt oder indirekt damit befasst sind. Der Arbeitskreis wird die anstehenden Verhandlungen mit dem Bund begleiten.
Der Burgenlandkreis in seiner aktuellen Funktion als Abwicklungspartner im mitteldeutschen Revier wird ebenfalls eingebunden sein, gemeinsam mit den Landkreisen Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld, Saalekreis und der Stadt Halle, genauso wie die Initiative Mitteldeutschland hierbei eine wesentliche Rolle spielen wird.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und würde von meinem Platz aus den gestern überreichten gedruckten Bericht der Kommission in die Luft halten. Ich kann nur sagen: So weit sind wir noch nie gekommen. Wenn wir die Chance nicht genutzt hätten, dann wäre es über viele Jahre hinweg möglicherweise zu einer weiteren Spaltung in der Gesellschaft bei diesem wichtigen Thema
gekommen. Jetzt haben wir die Chance - wenn wir den Bericht ernst nehmen -, diese Dinge gemeinschaftlich und positiv zu lösen. Dazu lade ich auch den Landtag ein. Denn wir werden uns auch mit vielen Umsetzungen im Landtag zu befassen haben. Ich freue mich schon auf die Arbeit auch der Minister sowohl in den Ausschüssen als auch unmittelbar in diesem Hohen Haus. - Herzlichen Dank.
- Machen Sie das; das ist in Ordnung. Aber Sie müssen, außer dass Sie den Bericht hochhalten, auch eine Frage beantworten, und zwar die von Herrn Raue; er hat sich gemeldet.
Katalog, genau. Herr Ministerpräsident, mir stellen sich folgende Fragen. Ist die Stromversorgung in Deutschland nach dem Kohleausstieg noch gesichert?
Steigen die Stromkosten für Bürger und Wirtschaft? Ist für die Wirtschaft zu befürchten, dass es in der internationalen Konkurrenz zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen kommt?
Wird diese Abhängigkeit dazu führen, dass Entscheidungen der Bundesregierung beeinflusst werden, da unsere Souveränität damit nicht mehr in allen Maßen entsprochen wird?