Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

Wir müssen uns mit dieser teilweise ideologischen Meinung innerhalb der Bevölkerung auseinandersetzen. Bürgerinnen und Bürger mit abweichenden Meinungen aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben auszuschließen, sie zu stigmatisieren, halten wir weder für zielführend noch für richtig.

An uns Parlamentarier sei mir folgender Hinweis erlaubt, meine Damen und Herren: Nur wer die Sorgen und Ängste der Bevölkerung wahrnimmt, ihnen Raum und Zeit des Zuhörens gibt, wird diese mit seiner Überzeugung und den Wertvorstellungen der Gesellschaft auch erreichen.

Ich zitiere an dieser Stelle Konrad Adenauer:

„Politische Tageserfolge können im Bewusstsein eines Volkes verblassen. Was aber bleibt und weiterwirkt, ist die Kraft und Geschlossenheit einer Haltung,“

- er meinte damit die zur Demokratie -

„hinter der eine Idee steht“.

Wir müssen unsere Haltung, die Idee geschlossen und entschieden in die gesamte Bevölkerung hinein kommunizieren und dabei ein Verständnis für die Prinzipien unseres Staates, nämlich Demokratie und Rechtsstaat, vermitteln. Für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit lohnt es sich, tagtäglich in die kommunikative Auseinandersetzung einzutreten. - Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Ro- bert Farle, AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Borgwardt. Sehen Sie es mir nach, dass ich Sie nicht erwähnt habe. Dennoch haben Sie dann sofort die Möglichkeit. Aber vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass

dann alle aufmerksam wurden und auf Ihren Redebeitrag gespannt waren.

In allem ist etwas Gutes, Frau Präsidentin.

Genau. Wir haben eine Wortmeldung, Herr Abg. Borgwardt, und zwar hat sich der Abg. Herr Raue zu Wort gemeldet.

Doch bevor ich Herrn Raue das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Johann Friedrich Walkhoff in Gröbzig hier bei uns im Hohen Hause zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Raue, Sie haben das Wort.

Ich will zu allererst etwas von uns weisen. Wir haben keine Truppen, die Straftaten begehen. Wir rufen nicht zu Straftaten auf, Herr Borgwardt, und bitte nehmen Sie uns dafür nicht regelmäßig in Mithaftung. Zu Straftaten rufen vielleicht die Linken auf; wir machen das nicht und wir haben das auch noch nicht gemacht. Wir distanzieren uns ganz klar davon.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das Zweite. Die Provokation geht doch in erster Linie von Ihnen aus. Sie als Regierung provozieren die Bevölkerung

mit Masseneinwanderung und Grenzöffnung, langjährig.

(Zurufe von der LINKEN - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Mit Nicht-Grenzschließung!)

Bis 2010 war es die einhellige CDU-Auffassung, dass Multikulti gescheitert ist. Jetzt setzen Sie Multikulti unter allen Umständen durch. Ich frage mich: Wem dienen Sie?

(Zustimmung bei der AfD - Lachen bei der LINKEN)

Und ein Drittes, das mir sehr wichtig ist: Es kann doch nicht sein, dass das Maß der zulässigen verbalen Zuspitzung derart herabgesetzt wird, dass sie als Kritik nicht einmal mehr wahrnehmbar ist und somit einflusslos bleibt. Das Wort „Masseneinwanderung“ soll die Menschenwürde ver

letzen? - Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das kann auch nicht der Ernst von Herrn Stahlknecht sein. Sagen Sie mir: Welches Wort soll ich sonst gebrauchen?

Herr Abg. Borgwardt.

Ich fange einmal mit dem ersten Punkt an. Möglicherweise ist es nicht besonders klug, dass Sie jetzt diesen Einwand vorgebracht haben. Ich rede von den Truppen; ich habe nicht gesagt, dass die AfD zu Gewalt aufruft. Ich habe auch nicht gesagt, DIE LINKE ruft zu Gewalt auf. Ich habe gesagt: in dem Block der Antifa. Eigentlich war das ein Argument, um nicht eine Stigmatisierung der AfD - - Aber das haben Sie wahrscheinlich nicht verstanden. Es ging um die Relativierung an sich.

Wenn Sie sagen: „Mit den Truppen, die dort waren, haben wir nichts zu tun, das waren die“, dann kann ich die Meinung weder bestätigen noch widerlegen. Ich würde auch nicht sagen, dass Sie damit etwas zu tun haben. Aber im Umkehrschluss: Wenn ich nur das Gute sehe an der antifaschistischen Bewegung,

(Matthias Büttner, AfD, lacht)

aber Berlin und anderes ausblende, dann ist das ebenfalls eine Relativierung, die ich in diesem Maße für genauso falsch halte, wie wenn Sie sagen: Mit denen haben wir nichts zu tun. Das ist völlig klar. Sie verweisen dann noch auf das gesunde Volksempfinden, das dabei zum Ausdruck kommt, wenn Sie sich wehren. Das haben wir ja auch schon gehört.

(André Poggenburg, fraktionslos: Das ist ein schlimmer Begriff!)

- Ja, ja. - Es war eigentlich ein Argument, um zum Nachdenken als Demokrat anzuregen, dass beides, Appelle und Stigmatisierungen, nicht helfen. Diese führen eher dazu, dass man die Argumente der jeweils anderen verstetigt, die dadurch meinen, eine Rechtfertigung für das eigene Handeln zu haben. - Das war der erste Punkt. Ich meinte das eigentlich eher in dem Sinne, dass das von beiden Seiten falsch ist.

Der zweite Punkt. Richtig ist - da messen Sie die Meinung der CDU-Fraktion an einer Entscheidung, an der weder das Land Sachsen-Anhalt noch irgendein Bundesland mitgewirkt hat; wir reden von der Entscheidung im Jahr 2015 -, dass wir, auch unser Ministerpräsident - wir hatten dazu auch nicht nur freudige Kommentare -, klar gesagt haben, dass wir konkrete und eindeutige Regelungen brauchen, dass wir für eine Obergrenze sind, nämlich eine Integrationsobergrenze.

Den Shitstorm danach können Sie in mehreren Zeitungen lesen, von Leuten, die da monatelang unterwegs waren, einschließlich eigener Parteigruppen. Das ist völlig unstrittig. Dass da Fehler gemacht wurden, das bestreiten zumindest wir nicht. Es gab zum Teil einen Kontrollverlust, das ist unbestritten. Das ist zum Teil auch ein Grund dafür, dass die Mehrheit von Ihnen hier sitzt, ohne Frage, weil Sie den Leuten suggeriert haben, dass Sie der Heilsbringer sind

(Lydia Funke, AfD, lacht)

und dass es, wenn Sie drankommen, diese Unsicherheiten nicht mehr gibt.

(Alexander Raue, AfD: Das stimmt ja auch!)

- Ja, ja. Das ist völlig klar. - Ich will damit jetzt nur noch einmal sagen - ich komme gleich zum Ende -, dass dieser Teil stimmt, aber die Schlussfolgerung ist falsch, dass wir deswegen jetzt meinen, hier wird von Multikulti, hier wird von denen - - Ich glaube, es ist unsere Verantwortung als Politiker in diesem Land - -

Die Politiker, die bei uns die Regierung stellen, haben im Land Sachsen-Anhalt als Erste dafür gesorgt, dass unsere Turnhallen - übrigens als erstes aller Bundesländer - leer waren, weil wir berechtigte Konfliktpotenziale gesehen haben zwischen der Bevölkerung und denen, die bei uns subsidiären Schutz oder Asyl suchen. Wir haben unsere Hauptkonzentration darauf gelegt, die Probleme zu mindern und zu verändern.

Und eines ist auch unbestritten: Es gibt seit der Zeit damals keine Masseneinwanderung mehr, Sie sagen aber trotzdem nach wie vor: die Masseneinwanderung.

(Alexander Raue, AfD: 200 000!)

Es gab damals eine unkontrollierte, aufgrund einer getroffenen Einzelentscheidung - möglicherweise wird das auch noch einmal verfassungsrechtlich bewertet; schauen wir einmal, ob es da bei uns irgendeine Bewertung gibt -, das ist völlig klar. Aber man kann eben nicht - -

Weil man damit auch Dinge in der Bevölkerung bedient, die eben nicht mit einem rechtsstaatlichen Verhalten gemäß unserem Grundgesetz vereinbar sind. Und wenn Sie das ständig machen, müssen Sie sich auch sagen lassen, dass wir uns davon distanzieren. Deswegen unterstützen wir diese Position nicht. Wir sind aber sehr dafür, das in einem geregelten Verfahren zu tun.

Sie wissen auch, wer klar für die Abschiebung und für die Dinge, die rechtsstaatlich passieren, steht, das sind nämlich wir. Deswegen sind wir als Demokraten trotzdem gut beraten - letzter Satz -, uns auch in der verbalen Äußerung eindeutig und

klar im Rahmen von Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen betrifft, zu bewegen. Genau das versuchen wir. Wir können nur anmahnen, dass all die, die das nicht machen, davon abrücken. Deswegen gibt es für uns nicht mehr - damals ja, aber jetzt nicht mehr - das Wort „Masseneinwanderung“.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Somit sind wir am Ende des ersten Themas der Aktuellen Debatte angelangt. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages nicht gefasst.

Wir kommen zum zweiten Thema der Aktuellen Debatte

Zugausfälle bei Abellio - ein Beispiel fehlgeschlagener Privatisierung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/3880

Es wurde die folgende Reihenfolge vereinbart: DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und CDU. Zunächst hat für die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, der Abg. Herr Henke das Wort. Sie haben das Wort, bitte.