Protokoll der Sitzung vom 05.04.2019

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Geschäftsord- nung!)

Das dazu.

Herr Tullner, Sie haben noch einmal die Möglichkeit zu antworten.

Ich mache es kurz, weil wir in der Zeit schon vorangeschritten sind.

Ich glaube, dass für eine Allgemeinbildung im besten Sinne das Wissen um historische und ge

schichtliche Zusammenhänge mindestens genauso wichtig ist - auch geisteswissenschaftliche; das hat Herr Tillschneider umfangreich zitiert. Dass diese wichtig und relevant sind, das halte ich schon für unbestritten.

Noch einmal: Es wird keine rückwärts- oder vorwärts- oder seitwärtsgewandte Islamkunde gelehrt. Wir machen Ethikunterricht, Ethikunterricht für alle, der wertebildend und von der Verfassung abgeleitet ist - nicht mehr und nicht weniger.

(Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Herr Tullner, es gibt noch eine Frage von Herrn Dr. Tillschneider. - Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Herr Minister Tullner, ich kann sehr gut verstehen, dass man sich aus einem Interesse für das Fremde mit dem Islam beschäftigt. Das habe ich auch selbst jahrelang gemacht.

Sagen Sie mir aber einmal, was von der islamischen Ethik unseren Schülern beigebracht werden soll. Geben Sie mir ein Beispiel dafür, was sich in der islamischen Ethik dazu eignet, um unseren Schülern die grundlegende Wertorientierung zu vermitteln, die der Ethikunterricht leisten soll. - Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage: Sie haben geprüft, ob es nötig ist. Das Gutachten hat ergeben, es ist nicht nötig. Ich hätte das Gutachten gern einmal gesehen. Als es durch die Presse ging, hat die „MZ“ geschrieben: ein Gutachten, das uns vorliegt. Ich habe dann den Referenten losgeschickt, um das Gutachten zu besorgen. Dann hieß es: Ja, das ist im Koalitionsausschuss und wird erst einmal nicht herausgegeben. Bis heute haben wir es nicht bekommen. Daher die Frage: Ist das jetzt der neue gute Stil im Umgang mit der Opposition, dass man so wichtige Dokumente auch für das Handeln der Opposition an die Presse durchsticht, aber der Opposition vorenthält?

(Zustimmung bei der AfD - Wulf Gallert, DIE LINKE: Das war schon immer so!)

Herr Tullner, Sie haben noch einmal das Wort.

Wir haben demnächst Gelegenheit, im Ausschuss über das Thema zu reden. Das Gutachten können Sie selbstverständlich bekommen; das ist keine Geheimsache. Allerdings muss sich die Regierung erst einmal eine Meinung bilden. Die haben

wir uns gebildet. Dafür gibt es Verfahrensschritte. Die sind abgeschlossen und deswegen ist das Gutachten auch kein Geheimpapier. Das können Sie von mir gern bekommen, wie alle anderen übrigens auch.

Die zweite Frage, Herr Tillschneider, haben Sie eigentlich schon selbst beantwortet. Sie haben auch irgendwann einmal den Drang in sich gespürt, sich mit dem Islam zu beschäftigen. Ich weiß nicht, warum Sie das Recht den anderen absprechen, sich ein paar Kenntnisse anzueignen.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE - Zu- stimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Noch einmal: Wir machen keine Islamkunde und keinen vorwärts-, seitwärts-, rückwärtsgewandten oder wir auch immer gearteten Beglückungsunterricht. Es ist ein wertebildender Unterricht. Ich lade Sie herzlich dazu ein, wenn diese Module fertiggestellt sind, sie sich anzuschauen. Schauen Sie sich auch einmal an, was jetzt im Ethikunterricht stattfindet. Dann wird sich ein Großteil Ihrer Befürchtungen sofort in Luft auflösen und der andere Teil dann, wenn Sie sich damit beschäftigt haben werden. - Vielen Dank.

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Minister Tullner für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Auch ich habe mich gefragt, warum wir uns heute mit diesem Antrag beschäftigen müssen. Der Bildungsminister hat sich ganz klar geäußert. Er hat den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag erfüllt, nämlich zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen gegeben sind, um einen konfessionellen Unterricht oder ein vergleichbares Unterrichtsangebot für muslimische Schülerinnen und Schüler im Land Sachsen-Anhalt einzuführen.

Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, sodass der Anlass, den Sie vortragen, dass die Landesregierung Islamunterricht einführen will, jeder Grundlage entbehrt. Insoweit bedarf es dieses Antrags überhaupt nicht.

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Kat- ja Pähle, SPD - Andreas Schumann, CDU: Abstimmen!)

Wir wissen, dass Sie diese Gelegenheiten immer nutzen, um Ihre Gedanken zu äußern und um uns davon zu überzeugen, dass es ein Integrations

hemmnis aufbaut. Ich will versuchen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen.

(André Poggenburg, fraktionslos: Das hat sich doch in NRW bewiesen!)

Aus unserer Sicht gibt es durchaus Argumente, die dafür sprechen, dass sich die Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen auch mit der islamischen Religion auseinandersetzen sollten.

(Oliver Kirchner, AfD: Auch Steinigungen!)

Unsere Gesellschaft kann doch kein Interesse daran haben, dass Kinder aus muslimischen Familien Informationen über Glaubensinhalte ihrer Religion nur über familiäre Traditionen und über Koranschulen, die teilweise in Hinterhöfen abgehalten werden, erhalten oder durch den Einfluss von Imamen, die weder Deutsch sprechen noch in unserer westlichen Kultur sozialisiert sind und aus ihren Herkunftsländern ein doktrinäres Islamverständnis mitbringen. Das hat einen negativen Einfluss auf Kinder und Jugendliche.

Wir wissen, dass viele Menschen, die aus muslimischen Ländern nach Deutschland gekommen sind, heute ein völlig anderes Verständnis vom Islam haben.

(Tobias Rausch, AfD: Das ist eine Erkennt- nis!)

Insoweit sollten wir einem solchen Umfeld auch im Hinblick auf den Einfluss von islamistischen politischen Strömungen entgegenwirken, weil diese Art der Tradierung des Islams dem Blick des Staates und einer kritischen Öffentlichkeit entzogen ist.

Deshalb ist es aus unserer Sicht grundsätzlich der bessere Weg, wenn in deutschen Moscheen Imame in deutscher Sprache predigen, die an deutschen Hochschulen ausgebildet worden sind. Dies hat nichts mit staatlichen Vorgaben oder politischen Vorstellungen zu tun, sondern es ist die Vermittlung eines aufgeklärten Islamkonzeptes. Aber, wie gesagt, das ist alles Zukunftsmusik; so weit sind wir in Sachsen-Anhalt noch nicht.

Der Koalitionsausschuss hat sich im Februar dieses Jahres mit der Initiative für den Ethikunterricht an den Schwerpunktschulen auseinandergesetzt und den Bildungsminister gebeten, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Ich freue mich, dass dieses Konzept im Juni vorliegen soll. Ich gehe davon, dass wir darüber intensiv im Bildungsausschuss diskutieren werden.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Angela Gorr, CDU)

Ich habe noch eine Bitte. Eine Voraussetzung für ein gutes Miteinander ist die Offenheit und Bereitschaft der islamischen Gemeinden zum Dialog mit den Kultusbehörden und mit der Gesellschaft.

Diese Bereitschaft ist bei den Gemeinden in Sachsen-Anhalt gegeben. Das weiß jeder.

Wir haben in vielen Zusammenhängen das direkte Gespräch gesucht. Ich gehe davon aus, dass diese Bereitschaft zum offenen Dialog und vor allen Dingen zur vorbehaltlosen Diskussion auch vonseiten des Ministeriums besteht und ausgebaut und verstetigt wird. Es ist die Sache wert. Auf dieser Grundlage kann dann tatsächlich ein gutes Konzept für alle entwickelt werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, Herr Raue hat sich zu Wort gemeldet. - Herr Raue, Sie haben das Wort.

Frau Dr. Kolb-Janssen, warum duldet die SPD, dass der türkische Staat über Ditib die Moscheen in Deutschland mit Imamen ausstattet - er schickt sie für fünf Jahre nach Deutschland -, die eigentlich Beamte des türkischen Staates sind und bei uns einen rückwärtsgewandten Islam in türkischer Sprache predigen, die im Übrigen von uns kaum verstanden wird, weshalb wir quasi immer Dolmetscher brauchen? Warum dulden Sie, dass diese Zustände bei uns fortgesetzt werden?

Das wird von der SPD nicht geduldet. Das ist im Moment Faktenlage. Darüber kann man sicherlich noch an passender Stelle reden, allerdings nicht im Landtag von Sachsen-Anhalt. Das hat mit dem Thema Islamunterricht nichts zu tun. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kirchner, möchten Sie als Fraktionsvorsitzender oder als Abgeordneter sprechen?

Ich habe eine Frage.

Dann haben Sie jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie es befürworten, dass man im Ethikunterricht, wenn man über den Islam aufklärt, auch über die Scharia, also über Steinigungen bei Ehebruch bis hin zu Mordversuchen, die es in dieser Religion gibt, aufklärt und diese behandelt? Dies wird meiner Meinung

nach, so wie ich es von den Jugendlichen erfahren habe, nicht behandelt.

Uns geht es natürlich darum, wie man es schon in „Nathan der Weise“ lesen kann, dass die Schülerinnen und Schüler darüber aufgeklärt werden, dass es verschiedene Religionen gibt, dass es dabei keine Wertigkeit und nicht d i e einzige Religion gibt. Dazu gehört natürlich auch, dass man über die negativen Dinge spricht. Dies hat nicht unbedingt immer etwas mit dem Wesen der Religion zu tun, sondern damit, wie bestimmte Religionen von Menschen missbraucht werden. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen für die Ausführungen.