Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Er gilt als Sehnsuchtslandschaft und mystischer Ort. Dieses romantische Waldbewusstsein setzt sich übrigens bis heute fort. Bis heute ist der Wald als typisch deutsche Kulisse in Folklore und Medien bekannt und sogar institutionalisiert.

Doch wer vom deutschen Wald spricht, der darf nicht vergessen, dass ohne das Eingreifen des Menschen seit dem Mittelalter durch Rodungen,

um Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung zu schaffen, Deutschland fast vollständig von sommergrünen Laubwäldern bedeckt wäre. So jedoch ist heute bundesweit nur gut ein Drittel der Fläche mit Wald bedeckt, in Sachsen-Anhalt sind es nur 26 % der Landesfläche. Der überwiegende Anteil ist Nadelwald und nicht Laubwald.

Neben der kulturellen Bedeutung hat der Wald jedoch zahlreiche weitere wichtige Funktionen. Ich glaube, diese sollten wir uns vor Augen führen. Er ist wichtiger Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten. Er schützt den Boden vor Erosion, filtert Luft und Wasser, speichert Wasser und sorgt für die Grundwasserneubildung. Er produziert Sauerstoff, speichert Kohlenstoff, schafft günstige mikroklimatische Bedingungen durch hohe Luftfeuchte und geringere Sonneneinstrahlung.

Er reduziert Lärm. Erholungssuchende finden in ihm Ruhe und Entspannung. Neueste Forschungen in Finnland haben die Bedeutung des Waldes für Stressabbau und Blutdrucksenkung nachgewiesen.

Er ist auch Bildungsort.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Der Wald prägt und gestaltet das Landschaftsbild und bewahrt historische Kulturzeugnisse. Er ist natürlich auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, vor allem aufgrund des vielseitig einsetzbaren nachwachsenden Rohstoffes Holz. Er ist damit Arbeitsplatz für Försterinnen und Förster, Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter und dient so der regionalen Wertschöpfung.

So weit, so gut. Doch spätestens seit den Stürmen im Jahr 2017, dem Orkan Friederike sowie der Dürre im Jahr 2018 und den in deren Folge auftretenden Kalamitäten ist klar: Dem hiesigen Wald geht es nicht gut, er hat Stress.

Trotz der bisher geleisteten Aufarbeitung des Holzes aus dem Windwurf haben es Landesforst und Waldbesitzer trotz immenser Anstrengungen mit weiter zunehmenden Schadholzmengen zu tun, da mehrere Generationen des Borkenkäfers aus dem letzten Jahr und nun auch die erste Generation aus diesem Jahr den Waldbestand bedrohen. An dieser Stelle ist es die Aufgabe, aufgearbeitetes Holz möglichst zügig aus dem Wald zu bringen. Doch offenbar ist das leichter gesagt als getan.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage ist: Wie könnte das Land Körperschafts- und Privatwald stärker unterstützen, damit der Befall eingedämmt werden kann? Wäre es denkbar, von Landesseite Holz aufzukaufen, weitere Nasslager anzubieten, beim Abtransport

des Totholzes aus dem Wald stärker zu unterstützen? - Das sind nur ein paar wenige Optionen. Ich glaube, in dieser Frage besteht weiterhin Diskussions- und vor allem Handlungsbedarf. Aber Frau Ministerin hat diesbezüglich schon Optionen vorgestellt und Vorschläge unterbreitet. Das sollten wir weiter verfolgen.

Doch während noch immer zahlreiche Schäden aufzuarbeiten sind, hat auch die Wiederaufforstung herbe Rückschläge erlitten. Durch die Dürre sind Neupflanzungen und Naturverjüngungen vergangener Jahre ebenfalls stark geschädigt worden. Neupflanzungen im letzten Jahr stehen zum Teil als Komplettverlust in der Bilanz.

(Guido Heuer, CDU: 5 Millionen!)

Auch Verluste durch Waldbrände spielen eine Rolle. Dies hat natürlich spürbare Auswirkungen auf den bisherigen Waldumbau, der klimapolitisch nicht nur gewollt, sondern eben unausweichlich ist. Auch der Waldumbau für eine naturgemäße Waldbewirtschaftung wird dadurch zunehmend gefährdet.

Im Waldzustandsbericht für Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2018 werden weitere Schadbilder im Baumbestand infolge der Dürre aufgezeigt, zum Beispiel ein verschlechterter Kronenzustand, insbesondere bei Laubbäumen, und eine wesentlich höhere Sterberate bei Bäumen im Vergleich zum langjährigen Mittel.

Wenn wir die Wälder Sachsen-Anhalts also fit für Klimaveränderungen machen wollen, ihre wichtigen Funktionen für Luft, Boden, Wasser und den Menschen, aber auch als Wirtschaftsfaktor und damit als Arbeitsplatz für viele Menschen - denen wir im Übrigen für das bisher Geleistete unseren allerhöchsten Respekt zollen -

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Schumann, CDU)

erhalten und den Waldumbau vorantreiben wollen, dann müssen wir als Land alles nur Mögliche zur Unterstützung tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht um Erleichterungen, Fördermöglichkeiten, Förderzugänge, unbürokratische Optionen. Es geht nicht um ein Gewirr von Zuständigkeiten und persönlichen Befindlichkeiten. Vergessen wir dabei nicht, dass die riesigen Aufgaben nur gemeinsam und im ständigen Dialog von Praxis, Verwaltung, Politik und Forschung zu bewältigen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Bereits vor einem Jahr haben wir mit unserem Antrag „Sofort-Maßnahmenprogramm für die Wälder in Sachsen-Anhalt“ Vorschläge zur Umset

zung unterbreitet und durchaus einen sehr interessanten und anregenden Diskussionsprozess im Landtag angestoßen. Manches wird bereits umgesetzt, mehr Personalstellen wurden bereitgestellt, aber ein wesentlicher Baustein sind eben sicherlich die finanziellen Mittel.

Nun hat der Bund im Jahr 2018 zusätzlich 25 Millionen €, verteilt auf fünf Jahre, für die Beseitigung von Waldschäden bereitgestellt. Das ist bei Weitem nicht ausreichend, es geht um das ganze Bundesgebiet. Es ist der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat die Fraktion DIE LINKE im Bundestag für die Sitzung in 14 Tagen einen Antrag eingereicht. In diesem Antrag wird gefordert, ein Sonderprogramm „Soforthilfemaßnahmen für die Forstwirtschaft“ aufzulegen, das der Beseitigung von Sturm-, Dürre- und Brandschäden dient,

(Beifall bei der LINKEN)

und die Förderung aus diesem Programm an die Bedingungen eines Waldumbaus und einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu knüpfen. Dazu sollen - hören Sie gut zu! - 200 Millionen € als Nothilfefonds in den Haushalt eingestellt werden. Daran geknüpft ist eine 50-prozentige Kofinanzierung durch die Länder. Profitieren sollen vor allem kommunale und private Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer mit weniger als 50 ha Wald - also genau jene Gruppe, Herr Daldrup, von der Sie vorhin gesprochen haben und die nach Aussagen der Fachleute die größten Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Schäden und bei einem notwendigen Waldumbau haben.

Ich kann Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, einfach nur aufrufen: Tun Sie den Wäldern und ihren Bewirtschaftern in Sachsen-Anhalt etwas Gutes und fordern Sie Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen im Bundestag auf, für diesen Antrag der Linksfraktion zu stimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Schluss noch eine andere Bemerkung, wenn es um die Finanzen in der Forstbewirtschaftung geht: Ich denke, Sie wissen auch, wer der Finanzminister in diesem Land ist, der bei der Haushaltsaufstellung letztlich ein gewaltiges Wörtchen mitzureden hat.

Ich wünschte mir außerdem, dass Sie sich genauso, wie Sie für den Wald kämpfen, was völlig richtig ist, auch für andere Belange und vor allen Dingen für die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern einsetzen würden und die Diskussion um die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge endlich in eine richtige Richtung lenken. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Abg. Eisenreich. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Der nächste Debattenredner ist für die SPD-Fraktion der Abg. Herr Barth. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der Folgen des Klimawandels, insbesondere der Dürre, die uns im letzten Jahr vor Augen führte, wohin es führen kann, und aufgrund der Sturmereignisse der vergangenen Jahre ist der Zustand des Waldes insbesondere in Sachsen-Anhalt als besorgniserregend einzuschätzen.

Als Folge der Schäden aufgrund von Wetterereignissen breiten sich auch immer mehr Schädlinge aus - nicht nur konkret in den Wäldern. Wer an den Landstraßen Bäume betrachtet, der kann Eichenprozessionsspinner und Miniermotten an Kastanien feststellen. Ein bedeutender Schädling ist für uns aber natürlich der Borkenkäfer. Ein Riesenproblem gerade in den Kiefernwäldern bei mir in der Altmark ist auch der Pilz, also der Diplodia, der zum Triebsterben der Kiefer führt. Ich könnte die Liste mit den Schädlingen, die uns überkommen, sicherlich noch weiterführen.

Allerorts gibt es Meldungen aus den Medien: Der deutsche Wald stirbt. Ich sage an dieser Stelle: sicherlich nicht. Aber wir müssen etwas dafür tun, dass er nicht dahinsiecht. In Sachsen-Anhalt sind wie in keinem anderen Bundesland dramatische Folgen aufgrund der Geschehnisse der vergangenen Jahre zu verzeichnen.

In diesem Hause haben wir schon mehrmals über dieses Thema diskutiert. Auch meine Vorrednerin hat darauf hingewiesen. Wir haben auch in diesem Jahr schon darüber gesprochen. Deshalb kann ich mir die Einzelheiten dazu sparen.

Wichtig ist für uns, dass den Waldbesitzern möglichst unbürokratisch geholfen wird. Damit sind wir bei dem Punkt, den Herr Daldrup angesprochen hat. Frau Ministerin, vielleicht können wir doch einmal überlegen, was wir machen können, damit die Anträge schneller bearbeitet werden und der Abfluss der Geldmittel besser läuft.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Sie haben angedeutet, dass das in der neuen Förderphase der EU der Fall sein soll. Wir müssen wirklich darauf achten, dass diese der Praxis angepasst werden und die Anträge dort vorliegen, damit das Geld auch wirklich abfließt. Ich denke, das ist ein Anliegen, das wir alle haben. Denn wir müssen dafür sorgen, dass unsere Wälder nach diesen Ereignissen wieder aufgeforstet werden. Dafür ist der geforderte

30-prozentige Anteil von Laubbäumen richtig und wichtig.

Ich möchte einen Punkt nicht unerwähnt lassen, den mein Kollege von der CDU schon angesprochen hat und um den Sie, Frau Ministerin, auch wissen. Wir halten es für sehr kontraproduktiv, in dieser Phase eine Umstrukturierung bei den Forstämtern vorzunehmen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir haben Ihnen das schon mehrfach gesagt. Ich als Altmärker sage Ihnen das auch noch einmal sehr deutlich. Es ist nicht gerade ein gutes Signal an die Region um Letzlingen herum, dort das historische Forstamt aufzulösen. Sie wissen auch, dass die Zusammenlegung mit Flechtingen sachlich nicht passt. Denn wir haben vornehmlich Kiefernwälder und in Flechtingen gibt es mehr Mischwald. Die Flächenausdehnung ist auch relativ groß.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Vor diesem Hintergrund wäre es wirklich wenig zielfördernd, wenn wir diese Strukturen veränderten, zumal die Arbeit dort zurzeit wirklich gut funktioniert. Sie reagieren auch auf die Dinge, die vor Ort passieren. Ich erinnere nur an die vergangenen Jahre mit den Schäden, die es in den Kiefernwäldern gab. Es wird natürlich zu Beschränkungen führen, wenn man jetzt Umstrukturierungen vornimmt. Ich denke, das wäre wirklich kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren! Den Waldwegebau sollten wir zukünftig auch mehr im Auge haben. Frau Ministerin hat darauf hingewiesen. Die Ereignisse des letzten Sommers mit den Bränden haben wir hier auch schon thematisiert. Wir müssen zusehen, dass wir die Wege so instand halten, dass die Feuerwehren reinkommen, wir brauchen Löschwasserstellen usw. Ich denke, daran sollten wir zukünftig weiter arbeiten.

Ein kurzer Satz zur Zusammenarbeit. Ich denke, gegenseitige Schuldzuweisungen sind wenig hilfreich in einem Disput. Ich hoffe, dass die Irritationen der Vergangenheit mit den Waldbesitzerverbänden und auch mit anderen Vertretern der Forst aus dem Weg geräumt worden sind. Denn wir sollten die Gespräche lösungsorientiert angehen, um Dinge zu lösen.

Es gibt einen Punkt, der uns im Hohen Haus betrifft. Ich mache keinen Hehl daraus: Es geht nichts ohne Geld. Wir befinden uns wieder in den Haushaltsverhandlungen. Es ist wichtig, dass wir mit dem Doppelhaushalt die Mittel bereitstellen, um unsere Waldbesitzer wirklich in die Lage zu versetzen, die Maßnahmen durchzuführen, die notwendig sind, damit wir zukünftigen Generationen den Wald erhalten.

Dazu ist heute schon ein anderer Punkt angesprochen worden. Die Zusammenarbeit mit dem Landesbeirat Holz sollte verbessert werden. Mit ihm ist ein breites Expertengremium vorhanden, mit dem man gemeinsame Lösungen suchen kann. Es ist wirklich notwendig, dass man dazu noch intensiver ins Gespräch kommt, um die Vorschläge, die aus diesem Gremium kommen, in die Tat umzusetzen.

Ein letzter Aspekt noch. Frau Ministerin, Sie haben es auch angesprochen. Ich denke, dass der Aktionsplan 2025 eine gute Grundlage für unsere zukünftige Arbeit zum Thema Forst- und Holzwirtschaft ist. Wir sollten zügig daran arbeiten, um diesen Plan dann später auch in die Tat umsetzen zu können. Denn der Bürger misst uns nicht an unseren Worten, sondern an unseren Taten. Die sollten wir folgen lassen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.