Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Selbst das Nachwuchsproblem haben Sie selbst geschaffen. Statt zu sparen, verschwenden Sie das Geld der Bürger für Leistungen, die Sie mit ein bisschen Intelligenz billiger haben könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Im vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, haben Sie die Gelegenheit, Ihre Irrtümer einzugestehen und umzukehren, zurück zu einer soliden Personalpolitik. Die Kompetenzen, deren das Land ständig bedarf, sollen nach diesem Antrag wieder in den Ministerien und nicht in externen Beraterfirmen gebündelt werden.

Frau Präsidentin! Wir beschäftigen uns in dieser verbundenen Debatte mit einem Antrag von Abgeordneten der AfD auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der ebenfalls auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss abzielt - -

Herr Knöchel, darf ich Sie kurz unterbrechen? Sie brauchen sich nicht ganz so zu beeilen. Sie haben ebenfalls 15 Minuten Redezeit. Das Display zeigt eine falsche Zeitangabe.

Ich weiß. Es ist aber viel, was ich sagen möchte, Frau Präsidentin.

Daneben hat meine Fraktion einen Antrag gelegt, der als einziger die Konsequenzen aus diesem unwürdigen Spiel zieht, das die Fraktionen von

CDU und SPD in den letzten Wochen aufgeführt haben.

Stimmen Sie dem zu, können Sie dieses Spiel beenden und zum Wohle unseres Landes die richtigen Konsequenzen aus den Verfehlungen der letzten Regierung Haseloff ziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch stattdessen setzen Sie an zu einem neuen Akt im unwürdigen Spiel, in dem es nur wenig um die letzte Regierung Haseloff geht, sondern dessen Spielregeln das ganz gewöhnlich Mobbing der jetzigen Regierung Haseloff sind.

Die AfD hat einen Untersuchungsausschuss beantragt, um aufzuklären, welche Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Ministerium der Finanzen und der Investitionsbank über Beratungsleistungen bestehen. Zweck des Vertrages war - das hat die Akteneinsicht schon auf der Seite 1 einer E-Mail offenbart - die Fortführung von Beraterverträgen mit dem isw über die Investitionsbank.

Das Ganze spielte sich im Jahr 2013 ab, welches uns nicht nur wegen des Hochwassers, sondern vor allem wegen der Sparpolitik der damaligen Landesregierung in Erinnerung geblieben ist. Damals sollten Hochschulen und Universitätsklinika erhebliche Summen einsparen. Bei der Kultur- und Jugendarbeit, bei den Vereinen und Kommunen wurde ungeniert gekürzt. Selbst den Schwächsten der Gesellschaft, nämlich den Blinden in die Tasche zu greifen, entblödeten sich diese Regierung und die sie tragenden Koalitionsparteien nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Während die Herren Haseloff und Bullerjahn, aber auch der damalige Fraktionsvorsitzende Schröder den Blinden, also unverschuldet in Not geratenen Menschen, erklärten, für sie sei kein Geld da, genehmigte sich der Finanzminister Beraterverträge für 900 000 € im Jahr.

Das, meine Damen und Herren, ist der Skandal. Das macht uns so wütend.

(Beifall bei der LINKEN)

Möglicherweise in einem Anflug von Restscham entschloss sich der Finanzminister, diesen Skandal am Parlament vorbei zu organisieren - gegen den Rat seiner Mitarbeiterinnen, gegen geltendes Haushaltsrecht und gegen bestehende Beschlüsse des Landtages zur Vorlage von Beraterverträgen.

Der unheilbare haushaltsrechtliche Verstoß ist der, dass der Finanzminister seinen Staatssekretär den Vertrag vor Beschlussfassung des Landtages über den Haushalt unterzeichnen und in

Kraft setzen ließ. Dass er die im Geschäftsbesorgungsvertrag verankerten Beraterverträge nicht zur Genehmigung dem Finanzausschuss vorlegte, begründete den Verstoß gegen die Landtagsbeschlüsse.

Das alles kam ans Licht, als der Landesrechnungshof die Beraterverträge prüfte. In seinem Bericht und in den auf unseren Selbstbefassungsantrag vom Juni vorgelegten Akten ist alles nachlesbar, der ganze Skandal in all seinen Fassetten.

Ja, wer wollte, konnte sogar im Vorfeld nachlesen, was der Landesrechnungshof ans Licht brachte, nämlich in den Kleinen Anfragen meiner Kollegin Angelika Klein. Amüsant bei der Akteneinsicht war übrigens die Akribie, mit der die Mitarbeiter des Ministeriums die Kleine Anfrage beantwortet haben, wie sie um jede Formulierung gerungen haben. Damit war ganz klar, im Finanzministerium herrschte Unrechtsbewusstsein.

Dass dieser Vertrag übrigens eine Angelegenheit der gesamten Landesregierung und nicht nur des Finanzministeriums war, darauf deutet ein in den Akten befindlicher Vorgang hin, in welchem eine Staatssekretärin des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums ihren Anteil an den Beratungsleistungen einfordert.

Auch im Haushaltsplan für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 ist die Veranschlagung der Gelder für das Statistische Landesamt nachzulesen, die dieses vom isw bekam, durch das Innenministerium. An dieser Stelle schließt sich der Bogen zu meinen Eingangsbemerkungen. Das Statistische Landesamt war fachlich jederzeit in der Lage, der Landesregierung die geforderten Daten zu liefern, aber es war besser, sie mit Steuergeldern über das isw noch einmal vom Statistischen Landesamt einzukaufen.

Ein vernünftiges Personalkonzept für diese so wichtige Behörde von Minister Stahlknecht hätte dem Land viel Geld ersparen können. All das war der Regierung Haseloff einst bekannt und im Übrigen war es zu erahnen. Wozu also, meine Damen, meine Herren von der AfD, einen Untersuchungsausschuss? Können Sie nicht lesen oder waren Sie zu faul dazu?

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss ist ein Instrument, um aufzuklären, was im Dunkeln liegt. Der Sachverhalt, den Sie aufklären wollen, liegt aber so was von im Hellen, dass er Sie fast blenden sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Untersuchungsausschuss ist das scharfe Schwert der Opposition. Er wird zur stumpfen Waffe, wenn Sie damit blind ins Gras hauen. Der zu untersuchende Sachverhalt ist bekannt und eine richtige Opposition fordert an dieser Stelle

Konsequenzen, wie Sie in unserem Antrag nachlesen können. Sie wollen Verantwortliche ermitteln, die bekannt sind, um vermutlich nach zwei Jahren Untersuchungsausschuss den Rücktritt von Jens Bullerjahn zu fordern. Lächerlich!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben sich damit auch zu ungeniert einem Teil jenes Spiels machen lassen, welches die Koalition in diesem Saal aufführt. Exemplarisch dafür, dass es mehr Spiel als tatsächliche Aufklärungsarbeit ist, steht der von der Justizministerin, die zugleich dem Gleichstellungsressort vorsteht, geschlossene Vertrag zur Umsetzung von Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter, der im Dezember 2015 geschlossen wurde.

Zunächst zum Sachverhalt. Das Gleichstellungsministerium schloss einen Werk- und Dienstleistungsvertrag zur Umsetzung der Gleichstellungsstrategie der EU. Ziel waren Unterstützungsleistungen beim Abbau der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und soziale Infrastruktur. Der Vertrag hatte einen Umfang von 1,9 Millionen € und sollte in den Jahren 2016 bis 2022 umgesetzt werden. Das im Vertrag verankerte Ziel war Gegenstand zahlreicher Debatten in diesem Haus.

Die Herangehensweise der vormaligen Landesregierung lässt sich regelmäßig als halbherzig und defizitär beschreiben. Was für die Gleichstellungspolitik galt, galt auch für das Vergabe- und Vertragsabschlussverfahren. Es wurde eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, obwohl eine europaweite erforderlich war, im Vergabeverfahren wurden unzulässige Nachfragen getätigt, und obwohl der Vertrag umfangreiche Beratungsbestandteile enthielt, wurde er dem Finanzausschuss nicht zur Genehmigung vorgelegt. Das, was als symptomatisch für die einstige Regierung Haseloff gelten kann, traf auch hierauf zu: Vergaberecht und Landtagsbeschlüsse wurden umgangen bzw. nicht einmal in Erwägung gezogen.

Frau Kollegin Kolb, selbst wenn Sie es gut gemeint haben sollten, gut gemeint ist nicht gut gemacht; im Gegenteil: Sie haben dem Anliegen des Vertrags durch die schlampige und rechtswidrige Vorgehensweise erheblichen Schaden zugefügt und Ihrer Nachfolgerin den Weg eröffnet, so zu handeln, wie sie gerade handelt.

Im Finanzausschuss berichtet die Gleichstellungsministerin nämlich, dass bereits im Frühsommer die Anwesenheit der Auftragnehmerin bei einer interministeriellen Runde die Aufmerksamkeit der Ministerin geweckt habe. Sie habe sich gefragt, wer die Frau sei, die dort sitze, und ließ prüfen. Monate später, just in dem Moment, als die Causa Investitionsbank in der medialen Aufmerksamkeit zu sinken begann, berichtete die „Volksstimme“ im Frühherbst über diesen Vertrag. Der Name der

Auftragnehmerin, die Vertragssumme, die Vergabefehler und der Umstand, dass nicht einmal der Beauftragte für den Haushalt im Bilde gewesen sei, wurden von gut unterrichteten Kreisen der Presse bekannt gemacht.

Der Punkt mit dem Beauftragten für den Haushalt erwies sich übrigens als falsch. Im Finanzausschuss wurde berichtet, dass dieser nicht nur im Bilde gewesen sei, sondern höchstselbst im Finanzministerium die Mittel beantragt und genehmigt bekommen habe. Auch wurde der Landtag über die außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in einer Drucksache unterrichtet.

Ich erwähne es deshalb, damit klar ist, die Information konnte nicht aus der Fachebene des Ministeriums durchgestochen werden, da Sie eine solche falsche Information nicht verbreitet hätten, Frau Keding.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Oh!)

Interessant, Frau Ministerin Keding, Staatsminister Robra, ist auch der Umstand, dass der komplette Vertrag Gegenstand einer Drucksache wurde, interessant deshalb, weil gerade diese Landesregierung bei der Beantwortung Kleiner Anfragen penibel auf die Beachtung der schutzwürdigen Interessen Dritter drängt - interessant, auffällig und sicher kein Zufall, Frau Ministerin Keding.

Ein Koalitionsabgeordneter brachte es im Finanzausschuss auf den Punkt: Die gleichstellungspolitischen Ziele dieser Koalition sind erreicht, wenn die CDU eine Frau zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden wählt. Das klingt wie ein schlechter Witz, aber in der Zusammenschau mit dem Agieren der Ministerin ist es, so fürchte ich, schlecht bestellt um die Gleichstellungspolitik im Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb, Herr Ministerpräsident, bitte ich Sie zu prüfen, ob dieses Thema bei Frau Ministerin Keding richtig angesiedelt ist. Ich erwarte, dass die Fehler und Versäumnisse behoben und dann in angemessener Form die gleichstellungspolitischen Ziele umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Interessant - ich kann es jetzt nicht mehr ganz ausführen - war auch die Reaktion der CDU beim Thema Minister Webel. Es gab eine Pressemitteilung, die lautete: Na ja, wenn das ein CDU-Minister macht, dann ist das in Ordnung. Schließlich ist es ein technisches Gutachten. Aber - Nachsatz - das, was die SPD macht, das ist schlimm.

Meine Damen, meine Herren! Das ist nun mehr als scheinheilig. Wissen Sie, man versteckt sich hinter einem technischen Gutachten, was es de

finitiv nicht war. Es war ein Gutachten zur Freigabe von Mitteln im Landtag. Es war ein Auftrag des Landtags, den die Landesregierung aus eigener Kraft offensichtlich nicht erledigen konnte und deshalb ein Gutachten in Auftrag gab.

Bemerkenswert an diesem Vorgang war vor allen Dingen, dass Herr Ministerpräsident Haseloff danach die Reißleine zog, Fehler einräumte und Konsequenzen ankündigte.

Ich hätte erwartet, dass die Landesregierung die Vorgänge untersucht, Regelwerke zur Abstellung der Missstände schafft und dem Parlament hiervon berichtet - aber Pustekuchen. Die Landesregierung forderte in der Kabinettspressekonferenz einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Hat es so etwas in Deutschland schon einmal gegeben, dass ein Regierungschef, der über Zehntausende Mitarbeiter verfügt, erklärt, er werde der Lage in seiner Regierung nicht mehr Herr und brauche das Parlament? - Eine Bankrotterklärung klingt nicht anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen hat der Untersuchungsausschuss auch nichts mit Aufklärung zu tun. Aufklärung hat einen Zweck, nämlich Verfehlungen und Missstände aufzudecken, um sie zeitnah abzustellen. Sie dient nicht dazu, um sich im Koalitionsstreit zu munitionieren. Das Wesentliche an der Aufklärung sind also die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.