Die private Verschuldung der Menschen in Sachsen-Anhalt betrug mehr als 7 Milliarden €, bundesweit sind es übrigens 200 Milliarden €. Das sind in Sachsen-Anhalt pro Schuldnerin und Schuldner 30 000 € und betrifft etwa 240 000 Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter.
Auch wenn die absolute Zahl der Schuldnerinnen und Schuldner und die Pro-Kopf-Verschuldung im Vergleich zu den Vorjahren leicht gesunken sind, so ist die Schuldnerquote in Sachsen-Anhalt dennoch gestiegen.
Jeder achte Einwohner in Sachsen-Anhalt ist überschuldet. Das heißt, diese Personen können ihren Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen und haben keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt durch Vermögen oder Kredite zu decken.
Mit diesen Zahlen rangiert Sachsen-Anhalt bundesweit auf dem vorletzten Platz. Regional lassen sich dabei deutliche Unterschiede erkennen: So führen Halle mit 16 % und Magdeburg mit 15 % die Liste in Sachsen-Anhalt an.
Diese Zahlen beruhen auf Statistiken der Insolvenz- und Schuldnerinnen- und Schuldnerberatungsstellen. Sie dürften tatsächlich noch weitaus höher liegen, weil nicht jeder und jede Betroffene eine Insolvenz beantragt oder eine Beratungsstelle aufsucht.
Dies wird deutlich, wenn man sich die Hauptursachen für Überschuldung ansieht: Trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen ist Arbeitslosigkeit immer noch eine der Hauptursachen für Überschuldung.
Hinzu kommen Krankheit und Unfälle, aber auch Trennung und gescheiterte Selbstständigkeit. Doch ein nicht zu übersehender Grund gerade auch hier in unserem Land sind längerfristiger Niedriglohn und daraus resultierende Niedrigrente.
Hier geht es massiv um das Problem der Altersarmut. Wie sollen Menschen ständig steigende Lebenshaltungskosten stemmen, wenn die Mietbelastung 30 bis 40 % des Haushaltsnettoeinkommens beträgt? Und gerade der aktuelle Monat Januar, in dem zum Beispiel Autoversicherungen fällig werden, verschärft die Situation der Betroffenen.
Die damit einhergehende psychische, wirtschaftliche und soziale Belastung der Betroffenen ist immens und führt dazu, dass diesen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wird.
Hilfe können die Betroffenen bei den Schuldnerinnen- und Schuldnerberatungen und bei den Insolvenzberatungen finden. Dabei geht es ausdrücklich nicht um die finanzielle Unterstützung zur Schuldentilgung, sondern um Hilfe zur Selbsthilfe, um Unterstützung bei der Verhandlung mit den Gläubigern und der Umschuldung bei Banken.
Zwar gibt es in Sachsen-Anhalt eine Beratungslandschaft, die diesen Menschen zur Seite stehen soll, aber die Hürden für deren Inanspruchnahme sind hoch. So besteht nur ein Rechtsanspruch auf Schuldnerinnen- und Schuldnerberatung für Menschen, die Leistungen nach SGB II und XII beziehen, dazu gehören jedoch Rentnerinnen und Rentner ausdrücklich nicht. Diese können sich theoretisch an das Sozialamt wenden, aber einerseits ist die Scham, diese Hilfe und Beratung zu nutzen, sehr groß, andererseits können auch die Sozialämter diese Leistung personell gar nicht stemmen.
damit nicht private Beraterinnen und Berater und Unternehmen aus der Notlage der Betroffenen auch noch Geld schlagen. Dazu ist es dringend
erforderlich, dass die kommunalen Schuldnerinnen- und Schuldnerberatungsstellen und die vom Land finanzierten Insolvenzberatungsstellen stärker unterstützt und finanziell sowie personell angemessen ausgestattet werden.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Halten Sie Ihren Koalitionsvertrag ein. Dort ist auf Seite 59 zu lesen - ich zitiere -:
„Wir werden das derzeitige Angebot der Verbraucherzentralen sichern und fördern, um eine flächendeckende, qualitätsgesicherte und fachlich versierte persönliche Beratung in Sachsen-Anhalt gerade auch für ältere Menschen ermöglichen zu können. Zudem werden wir in Kooperation mit den Kommunen Schuldnerberatungsstellen stärker unterstützen. Gleiches gilt für die Förderung der vom Land finanzierten Insolvenzberatungsstellen. Durch mehrjährige Förderverträge werden wir diesen Planungssicherheit geben.
Zur Umsetzung des gesetzlichen Auftrages werden wir die angemessene Sach- und Personalausstattung sichern. Dazu gehört auch, das Landesamt für Verbraucherschutz als leistungsfähige, interdisziplinäre Behörde zu stärken und dessen personelle und technische Ausstattung weiter zu verbessern.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie kann es dann aber sein, dass im aktuellen Entwurf zum Haushaltsplan 600 000 € weniger eingestellt sind? Für eine angemessene Personalausstattung und die Bewältigung der vielschichtigen Aufgaben müssen die Beraterinnen und Berater nach unserer Auffassung nach Tarif entlohnt werden.
Wir fordern eine finanzielle Ausstattung, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 des TV-L ermöglicht, damit also mindestens eine Finanzierung auf dem Niveau des Jahres 2019.
Die Beratungsstellen können die vollständige Fördersumme nur abrufen, wenn sie pro Fachkraft auf 102 Beratungen kommen. Meine Damen und Herren! Das ist aber überhaupt nicht zu leisten. Da muss man dann sagen: Hier kann man wohl doch nur Absicht unterstellen, dass die Fördermittel nicht vollständig abgerufen werden können.
Beraterinnen und Berater nicht auf Verschleiß zu fahren. Hier darf doch nicht weggeschaut werden. Dass die Problemlagen der Betroffenen häufig vielschichtiger sind, ergibt sich ja schon aus den verschiedenen Ursachen für die prekäre finanzielle Situation.
Dementsprechend muss es den Beraterinnen und Beratern überhaupt zeitlich möglich sein, die im Familienfördergesetz vorgesehene Kooperation mit anderen Beratungsstellen wie zum Beispiel Sucht- und Familienberatung oder den Beratungsstellen für diverse Erkrankungen umzusetzen.
Meine Damen und Herren! Ein weiterer wichtiger Schritt wäre es, die Entschuldungsfrist für Verbraucherinnen und Verbraucher von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu verkürzen. Diese Entschuldungsfrist gilt derzeit bereits für juristische Personen.
Mit der EU-Richtlinie 2019/1023 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen, Entschuldung und Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entscheidungsverfahren, die im Juni vergangenen Jahres verabschiedet wurde, ist die Restschuldbefreiung nach drei Jahren möglich, ohne dass wie bisher die Gerichtskosten und ein Drittel der Schuldensumme vorab aufzubringen sind. Das befürworten unter anderem der Deutsche Anwaltsverein, die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und die Verbraucherzentrale des Landes.
Diese Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren in bundesdeutsches Recht umzusetzen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für die Anpassung der Entschuldungsfrist für private Schuldnerinnen und Schuldner einzusetzen.
Für die Rückkehr in ein schuldenfreies Leben wäre dies ein wichtiger und vor allem auch würdevoller Schritt für die Betroffenen.
Außergerichtliche Beratungen mit niedrigschwelligen Angeboten statt kostenintensiver Gerichtsverfahren sind sozial und sollen weitere Armut vermeiden. Damit könnten die Beraterinnen und Berater viel stärker präventiv tätig werden, und darauf sollte der Fokus liegen.
Schuldnerinnen-, Schuldner- und Insolvenzberatungen gehen sehr oft fast nahtlos ineinander über. Daher sollte nach unserer Auffassung überprüft werden, und zwar unter Beteiligung der Trägerinnen und Träger, der Kommunen und des Landes, ob und unter welchen Bedingungen eine
Schuldner- und Insolvenzberatungen sind kein Mittel gegen Armut. Trotzdem sind Land und Kommunen mit der Beratungslandschaft und deren angemessener Sach- und Personalausstattung in der Pflicht, Menschen, die in Überschuldung geraten, eine würdige Rückkehr in ein schuldenfreies Leben zu ermöglichen.
Allen Beraterinnen und Beratern, die dies unter den gegenwärtig nicht einfachen Bedingungen aufopferungsvoll leisten, gilt an dieser Stelle unser Dank.
Ich danke Frau Eisenreich für die Einbringung des Antrags. In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne. - Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank, Herr Vizepräsident. - Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag greift im Wesentlichen zwei Aspekte auf: zum einen die Umsetzung der europäischen Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie in nationales Recht und zum anderen die Novellierung der Finanzierung der Verbraucherinsolvenzberatung in Sachsen-Anhalt zum 1. Januar 2019.