Vielen Dank. - Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Antrag in der Drs. 7/5068 der Fraktion DIE LINKE - Verurteilung der völkerrechtswidrigen militärischen Invasion in Syrien - sowie den Antrag in der Drs. 7/5088 der Fraktion der AfD - Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beenden, Waffenexporte in die Türkei stoppen, keine deutschen Truppen nach Syrien entsenden - hat der Landtag in der 83. Sitzung am 24. Oktober 2019 zur alleinigen Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überwiesen.
Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien befasste sich in der 33. Sitzung am 13. Dezember 2019 mit den Anträgen und verständigte sich darauf, zu beiden Anträgen eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten.
Mit 8 : 0 : 1 hat der Ausschuss in derselben Sitzung die Ihnen in Drs. 7/5539 vorliegende Beschlussempfehlung angenommen.
In der 34. Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien am 24. Januar 2020 verständigte sich der Ausschuss zudem darauf, der Beschlussempfehlung folgenden Titel voranzustellen: Völkerrechtswidriger Militäreinsatz der Türkei in Nordsyrien.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen des Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien bitte ich um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung mit dem neuen Titel „Völkerrechtswidriger Militäreinsatz der Türkei in Nordsyrien“. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Sturm für das Vortragen der Beschlussempfehlung. In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je
Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Stahlknecht. - Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der AfD haben zur Landtagssitzung im Oktober letzten Jahres zwei sehr unterschiedliche Anträge zur Situation in Syrien eingebracht. Die einen forderten den sofortigen Ausschluss der Türkei aus der NATO oder sogar die Suspendierung der deutschen Mitgliedschaft. Die anderen wollten den Einsatz deutscher Soldaten in Syrien verhindern. Beiden Anträgen waren gemein die Verurteilung einer völkerrechtswidrigen militärischen Invasion und die Forderung nach der Beendigung von Waffenlieferungen an die Türkei.
Die Landesregierung verurteilt den Angriff der türkischen Armee in Nordsyrien. Kein Land hat das Recht, die Souveränität eines anderen Staates zu missachten, um eigene Interessen durchzusetzen. Weltpolitisch betrachtet ist der türkische Angriff eine große Herausforderung für die europäischen Länder und damit auch eine Herausforderung, angemessen darauf zu reagieren.
Der geopolitische Diskurs mit den Verbündeten der Kurden, das Einschreiten von russischen Truppen in Syrien und das Militärbündnis der Kurden mit Regierungstruppen von Assad ordnen die Machtverhältnisse im arabischen Raum neu. Auch der Machtanspruch der Türkei führt zu einer dramatischen Verschiebung der Kräfte, wodurch Europa zugewandte Länder, wie beispielsweise Saudi-Arabien, unter Zugzwang gebracht werden.
Um die Sicherheit der Bevölkerung in den arabischen Staaten weiterhin zu gewährleisten sowie die wirtschaftliche Lage zu verbessern, muss sich Europa als geeinte Kraft der Türkei entgegenstellen und Einhalt gebieten. Ein Bündnispartner der NATO muss seine eigenen und die Grenzen anderer Länder akzeptieren.
Die Bundesregierung hat bereits 2016 eine sehr restriktive Linie für Rüstungsexporte nach Ankara umgesetzt; insbesondere nach der türkischen Militäroffensive auf die nordsyrische Region Afrin. Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien wird die Bundesregierung für alle Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, keine neuen Genehmigungen erteilen.
Damit ist erkennbar, dass bereits weitgehende Maßnahmen getroffen wurden, um die Waffenlieferungen einzuschränken. Die Einschränkung der Waffentransporte durch die Bundesregierung ist ein wirksames Mittel, um eine weitere Eskalation in Syrien zu verhindern.
Der Fachausschuss hat daher richtigerweise eine Beschlussempfehlung für den Landtag vorgelegt, nach der der Landtag von Sachsen-Anhalt den völkerrechtswidrigen Militäreinsatz der Türkei in Nordsyrien verurteilt und alle diplomatischen Aktivitäten zur Beendigung der Krise begrüßt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich dem Minister für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Daniel Rausch. Herr Rausch, Sie haben das Wort.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die uns heute vorliegende Beschlussempfehlung ist der Minimalkonsens aus dem Antrag der Fraktion DIE LINKE und unserem AfD-Antrag mit dem Titel „Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beenden,
Im federführenden Ausschuss konnten wir uns fraktionsübergreifend darauf einigen, den Militäreinsatz der Türkei in Nordsyrien als völkerrechtswidrig zu verurteilen. Leider konnten sich die Regierungsfraktionen der CDU, der SPD und der GRÜNEN nicht auf einen von uns geforderten Stopp der Waffenexporte einigen. Auch von möglichen Sanktionsmaßnahmen, die von einigen Rednern in der Debatte gefordert wurden, kann man in der Beschlussempfehlung nichts lesen.
Der NATO-Partner Türkei hat eine große Verantwortung und muss eine klare Ansage bekommen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Türkei offensichtlich und offen gegen das Völkerrecht verstößt. Glücklicherweise haben alle Kriegsparteien mit Zurückhaltung reagiert und der NATOBündnisfall ist - Gott sei Dank - nicht eingetreten.
Für die AfD-Fraktion ist klar, dass kein Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages eingetreten wäre; denn mit diesem völkerrechtswidrigen Angriff hat die Türkei keineswegs irgendwelche legitimen Sicherheitsinteressen vertreten. Im Gegenteil: Erdoğan will sich als Regionalmacht in Stellung bringen. Er hat in Nordsyrien Fakten geschaffen und versucht damit natürlich auch, sein Kurdenproblem zu lösen. Wir alle dürfen nicht vergessen, dass die Kurden einen großen Anteil an der Zerschlagung des IS haben.
Wie wir aktuell sehen können, betreibt Herr Erdoğan weiterhin ein Spiel mit dem Feuer. Anfang Januar beschloss das türkische Parlament ein Gesetz, in dem es heißt, der Konflikt in Libyen bedrohe türkische Interessen in Nordafrika und im Mittelmeerraum. Ein Jahr lang kann nun Präsident Erdoğan nach eigenem Ermessen Soldaten und Waffen nach Libyen schicken.
Die Aussicht auf große Gasfelder beflügelt die neoosmanischen Fantasien der türkischen Führung. Schließlich hatte Libyen bis zum Jahr 1912 zum Osmanischen Reich gehört.
Erdoğan spielt sein eigenes Spiel nach seinen eigenen Regeln. Er wird sich nicht von Deutschland und Europa in die Schranken weisen lassen. Europa ist erpressbar und überweist ihm frisches Geld, um die Flüchtlinge zurückzuhalten. Mit dem Geld kann er munter Waffen kaufen und es schließt sich der Kreis.
Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Ich befürchte, der arabische Raum wird uns noch länger beschäftigen, aber, so hoffe ich, nicht in einen Krieg hineinziehen. Wir können hier keine Außenpolitik betreiben, sondern nur verurteilen, und das tun wir mit dieser Beschlussempfehlung.
Die AfD-Fraktion wird der Beschlussempfehlung zustimmen. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE geht uns zu weit. - Danke.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Rausch für den Redebeitrag. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Hövelmann. Herr Hövelmann, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Hohes Haus! In meiner Rede zu diesem Thema im Oktober vergangenen Jahres habe ich davon gesprochen, dass sich die Situation vor Ort, in Nordsyrien, mit einer ungeheuren Dramatik verändert und uns noch lange beschäftigen wird. Leider hat sich diese Einschätzung bewahrheitet. Der Krieg nimmt kein Ende. Militärisch und auch politisch ist die Lage ausgesprochen unübersichtlich. Ein Einlenken des türkischen Präsidenten ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Er treibt die Besiedlung der neu besetzten Gebiete voran.
Leider ist auch ein abgestimmtes Vorgehen Europas und der Weltgemeinschaft nicht in Sicht, und das, obwohl eine Entschärfung der Lage und insbesondere eine Verbesserung der humanitären Situation dringend notwendig wären.
Die Lage vor Ort ist dramatisch. Menschen sind auf der Flucht. Sie sind den widrigen Witterungsbedingungen oft schutzlos ausgeliefert. Davor darf die Weltgemeinschaft, davor dürfen wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht die Augen verschließen.
Es ist daher nachvollziehbar, dass die Bundeskanzlerin bei ihrem jüngsten Besuch in der Türkei angekündigt hat, dass sie durch den Bau von Unterkünften für Geflüchtete in Nordsyrien das
Leid der Menschen lindern will. Das ist zwar ehrenwert, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nicht zu einer Relativierung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Türkei in Nordsyrien führen. Hierfür gibt es tatsächlich keine Rechtfertigung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin deshalb froh darüber, dass der Landtag heute einen klaren Beschluss fassen wird, in dem der völkerrechtswidrige Militäreinsatz in der Türkei in Nordsyrien verurteilt und dazu aufgerufen wird, alle diplomatischen Aktivitäten zu nutzen, die zur Beendigung der Krise beitragen können. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein wichtiges Signal, das heute von diesem, von unserem Parlament ausgeht.
Den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE werden wir ablehnen. Ich bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Hövelmann für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Gallert das Wort. Herr Gallert, Sie haben das Wort.
Danke. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilanz der Beratung fällt durchaus gemischt aus. Ja, es ist offensichtlich das erste Mal zumindest seit sehr langer Zeit, dass der Landtag eine eindeutige Positionierung in einer solchen internationalen Frage abgibt. Das ist ein Fortschritt.
Ich will auch ganz klar sagen - ich teile durchaus die Einschätzung meines Vorredners Herrn Hövelmann -, dass eine ganz klare Positionierung dieses Landtags, dies ist ein völkerrechtswidriger Angriff eines - Klammer auf - NATO-Partners - Klammer zu -, eine eindeutige Positionierung und Bewertung ist, und das ist mehr als nichts. Nur - das ist jetzt das Problem - was folgt daraus? Was folgt daraus, dass wir hier feststellen, dass das eine völkerrechtswidrige Invasion der Türkei in Nordsyrien ist? Offensichtlich - das ist das Dilemma, in dem wir uns in diesem Landtag befinden - soll daraus gar nichts folgen.
Die Feststellung allein ist übrigens keine politische Glanzleistung. Das hat sogar der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages als völlig unpolitische Bewertung dieses Prozesses festgestellt. Wir sind aber politisch Handelnde. Was fordern wir jetzt? Was ist unsere logische Konsequenz daraus?
Damals gab es Sanktionen und diese gibt es bis heute. Es gibt bis heute wirtschaftliche Sanktionen. Es gibt bis heute politische Sanktionen gegenüber Russland. Wenn aber der NATO-Partner Türkei einen völkerrechtswidrigen Krieg vom Zaun bricht, dann stellen wir es fest und sagen: Der Nächste, bitte!
Ich sage einmal - darin widerspreche ich Ihnen, Herr Hövelmann -: Diese abgestimmte Ignoranz der Konsequenzen unter den europäischen Partnern, unter den NATO-Partnern, also inklusive der USA, ist letztlich nichts anderes als die stillschweigende Legitimation eines Völkerrechtsbruches.
Sanktionen wegen der Annexion der Krim verteidigen wollen, hier zu schweigen oder zu sagen, welche Sanktionen sie jetzt gegen die Türkei starten wollen. Aber dabei bleibt es still, und zwar aus einem einzigen Grund: Erdoğan sagt, wenn ihr mich in diesem völkerrechtswidrigen Krieg stört, dann schicke ich euch die Flüchtlinge. Das ist sein Erpressungspotenzial. Das ist der Grund, warum alle ruhig sind. Das ist der Grund, warum keine Konsequenzen gezogen werden.