Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 94. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie alle auf das Herzlichste.
- Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Gespräche einstellen würden, damit wir ordentlich beginnen können.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, gestatten Sie mir, ein paar Worte an Sie zu richten. Ich möchte Sie bitten, Platz zu nehmen, damit ich damit beginnen kann. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Am Abend des 19. Februar 2020 verübte ein 43-jähriger Deutscher auf eine Shisha-Bar in der Hanauer Innenstadt sowie rund um einen Kiosk mit angeschlossener Shisha-Bar im Hanauer Stadtteil Kesselstadt zwei rassistisch motivierte terroristische Anschläge.
Neun junge Hanauer - drei mit deutscher, zwei mit türkischer, einer mit bulgarischer, einer mit rumänischer, einer mit bosnien-herzegowinischer
Staatsangehörigkeit sowie einer mit der deutschen und der afghanischen Staatsangehörigkeit - wurden gewaltsam mitten aus dem Leben, aus ihren Familien gerissen. Auch seine Mutter tötete der Täter, bevor er sich selbst tötete.
Diese neun Opfer des Terrors waren Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien, mit verschiedenen Geschichten, mit sehr individuellen Talenten, mit Stärken und Schwächen, mit ganz persönlichen Erwartungen an das Leben. Sie waren ganz individuelle Menschen wie Sie und ich. Was sie einte, war ihr Migrationshintergrund.
Dass der rechte Terror von Hanau für Menschen mit Migrationsgeschichte keine Überraschung, sondern das Gegenteil davon ist, wirft einen langen Schatten auf unsere Gesellschaft. Die Tat von Hanau war rassistisch motivierter Terror, wie die Tat von Halle am 9. Oktober 2019 antisemitisch und rassistisch motivierter Terror war. Hanau ist der dritte rechtsterroristische Anschlag innerhalb weniger Monate.
Durch unser Land zieht sich eine Blutspur des Rechtsextremismus. Zivilgesellschaftliche Initiativen zählen seit 1990 knapp 200 Todesopfer rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland - eine erschreckende Zahl.
Die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds, die Morde an der Synagoge und am Döner-Imbiss im Paulusviertel in Halle, der Mord an dem Politiker Walter Lübcke, die dieser Tage ausgehobene rechtsextreme Terrorgruppe mit mutmaßlich zwei Mitgliedern aus Sachsen-Anhalt beschreiben diese Spur.
Wir wollen und werden religiös motivierten oder den Linksextremismus nicht ignorieren. Aber wir müssen es zur Grundlage unseres Handelns machen, dass aktuell vom Rechtsextremismus, vom Antisemitismus und vom Rassismus die mit Abstand größte Gefährdung für Staat und Gesellschaft ausgehen.
Ich danke dem Bundesinnenminister, dass er diese Realität so offen artikuliert hat. Dies kann und muss die Grundlage des staatlichen Handelns sein.
Meine Damen und Herren! Es wird in diesen Tagen oft auf eine unter Umständen vorhandene psychische Erkrankung des Täters, auf seinen Wahn abgestellt. Aber das Ausleben wahnhafter Dispositionen ist oft durch den Zeitgeist geprägt. Hier droht eine Saat aufzugehen. Nein, hier ist eine Saat aufgegangen.
Rechte Täter setzen die in unserer Gesellschaft und nicht zuletzt auch in den Parlamenten weitverbreitete verbale Gewalt in reale Gewalt um. Sie nehmen all jene tatsächlich ins Visier, die andere lautstark als die Ursache tatsächlichen oder vermeintlichen Übels ausmachen. Das ausgrenzende Wort und der extremistische Mord stehen in einer unheilvollen Beziehung zueinander.
Trotz Halle und Hanau leben wir im freiheitlichsten Deutschland, das es je gab. Noch, möchte man in großer Sorge hinzufügen. Denn die Mörder von Migrantinnen und Migranten, von Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens, von engagierten Politikern und anderen mutigen Menschen greifen dieses freiheitliche Deutschland an.
Aber nicht nur sie greifen es an. Das tun auch jene, die zwischen „uns“ und „denen“ Grenzen ziehen, die den Staat, seine Repräsentanten und seine Organe verächtlich machen. Das tun auch jene, die Menschen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe ablehnen und ausgrenzen. Und das tun auch jene, die Menschen allein wegen ihrer körperlichen Eigenheiten verunglimpfen, wie zuletzt auch in diesem Saal geschehen. - Das ist die Saat, die aufgegangen ist.
Wir alle tragen dafür eine Verantwortung. Sollten wir dieser Verantwortung nicht gerecht werden, wird unser Land ein anderes sein, für uns alle. Das lehrt auch unsere Geschichte. Der Staat, unser Staat, ist gefordert. Das allein wird aber nicht reichen. Jeder und jede Einzelne steht hier in der Pflicht.
Es gibt eine große Mehrheit in unserer Gesellschaft, die will, dass unsere freiheitliche Verfassung mit der Menschenwürdegarantie für alle hier lebenden Menschen erhalten bleibt. Daran glaube ich ganz fest. Aber diese Mehrheit ist noch zu still. Sie ist vielleicht zu selbstgewiss, zu selbstsicher.
Dieser Teil unserer Gesellschaft muss deutlicher erlebbar werden als die Mehrheit, die jene in die Schranken verweist, die die Menschenwürde und die Freiheit nur für einen Teil der Menschen bewahren will und sie damit als Grundlage unseres Zusammenlebens letztendlich ablehnt.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben und im Gedenken an die Opfer von Hanau in Gedanken auch hier eine Schweigeminute einzulegen. - Vielen Dank.
Herr Minister Richter ist am Donnerstag, den 27. Februar 2020, bis 15 Uhr aufgrund der Teilnahme an der Finanzministerkonferenz in Berlin verhindert.
Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff ist am Freitag, den 28. Februar 2020, ab 15:30 Uhr aufgrund der Teilnahme am Festakt zur Eröffnung des KurtWeill-Festes in Dessau verhindert.
Zur Tagesordnung. Sehr geehrte Damen und Herren, die Tagesordnung für die 44. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor.
Der Ältestenrat hat in seiner 44. Sitzung in der vorigen Woche die heutige zusätzliche Sitzung beschlossen, um noch in dieser Sitzungsperiode die abschließende Beratung des Gesetzes zur Parlamentsreform zu ermöglichen. Daher werden wir uns heute ausschließlich mit der zweiten Beratung des Gesetzentwurfes befassen, um dann am Freitag in die dritte Beratung eintreten zu können.
Gibt es zur heutigen Tagesordnung Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so verfahren.
Zum zeitlichen Ablauf der 44. Sitzungsperiode. Die morgige 95. Sitzung des Landtages beginnt um 10 Uhr und die darauf folgende 96. Sitzung um 9 Uhr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn ist es mir ausdrücklich ein Bedürfnis, mich bei der Landtagsverwaltung, bei den Abteilungsleitern, beim GBD, namentlich auch bei Herrn V., und bei den parlamentarischen Geschäftsführern ausdrücklich für die sehr konstruktive und gute Zusammenarbeit und dafür zu bedanken, dass wir dieses Reformwerk, das ja formal die Fortführung dessen ist, was wir von 2011 bis 2016 hier gemeinsam beschlossen haben - damals in anderer Zusammensetzung, aber auch mit Oppositionsfraktionen -, noch in dieser Woche werden verabschieden können.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich, heute dem Hohen Hause die Beschlussempfehlung des Ältestenrates - Frau Präsidentin ging bereits darauf ein - zum Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsreform 2020 in der Drs. 7/5746 unterbreiten zu dürfen.
Ich bitte schon jetzt um Verständnis, dass ich aufgrund dessen, dass wir uns geeinigt haben, in der dritten Lesung am Freitag keine Debatte zu führen, und aufgrund des Umfanges dieses Reformwerks jetzt etwas ausführlicher darauf eingehen werde.
Der Landtag hat den von den vier Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsreform 2020 in Drs. 7/5550 in seiner Sitzung am 30. Januar in erster Lesung beraten und in den Ältestenrat überwiesen.
Mit dem Gesetz der Parlamentsreform 2020 soll in Artikel 1 eine Reihe von Verfassungsänderungen erfolgen, die gesellschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahren aufgreifen.
So werden neue Staatszielbestimmungen aufgenommen für den Klimaschutz, für den Tierschutz, für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in unserem Land Sachsen-Anhalt.
Das Merkmal der sexuellen Identität ist jetzt ausdrücklich im Diskriminierungsverbot nach Artikel 7 Abs. 3 der Landesverfassung genannt.
sonders vorbelastet ist, aus der Vorschrift zum Diskriminierungsverbot gestrichen und durch die Formulierung „Verbot der Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden.
Mit Artikel 37a wird eine Regelung in die Verfassung aufgenommen, die den Staat und jede Bürgerin und jeden Bürger des Landes Sachsen-Anhalt verpflichtet, die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, rassistischer und antisemitischer Aktivitäten nicht zuzulassen.
Darüber hinaus werden die Möglichkeiten der Informationsgewinnung mit Artikel 53 Abs. 2a für die Mitglieder des Landtages dadurch gestärkt, dass das Frage- und Auskunftsrecht sowie das Recht auf Aktenvorlage auch jedem einzelnen Abgeordneten zuzustehen ist. Das Recht eines Verlangens auf Aktenvorlage durch eine qualifizierte Minderheit bleibt im Hinblick auf die Ausschusssitzungen unberührt.
Mit Rücksicht auf eine möglichst erfolgreiche Umsetzung der von einer Enquete-Kommission erarbeiteten Lösungsvorschläge zu umfangreichen und bedeutsamen Sachkomplexen sieht Artikel 55 der Landesverfassung künftig vor, dass die Einsetzung als Recht der Mehrheit ausgestaltet ist.