Protokoll der Sitzung vom 28.02.2020

Dies stellt einerseits eine Vergewisserung der Beistandspflicht der Bündnispartner dar, und soll andererseits insbesondere für Europa darstellen, dass die NATO wehrhaft ist. Der Bundesrepublik Deutschland als zentraleuropäischer NATO-Staat, durch welchen zahlreiche wichtige Verbindungslinien verlaufen, kommt bei der Bündnisverteidigung die Rolle als strategische Drehscheibe zu. Damit obliegt Deutschland die gewaltige Verantwortung, die Funktions- und Leistungsfähigkeit dieser Drehscheibe in Zentraleuropa darzustellen. Deutschland unterstützt dies natürlich bei der Verlegung der US-Truppen mit umfangreichen Kräften, nicht nur im Rahmen der Bundeswehr, auch mit der Polizei, mit Logistik usw. - das wurde schon erwähnt.

Im Rahmen des Readiness-Action-Plans der NATO, welcher eine Reaktion auf die neue Sicherheitsherausforderung nach 2014 - wir haben es schon gehört: die Annexion der Krim - war, sind schon in den vergangenen Jahren Truppenbewegungen aus Nordamerika nach Europa vorangegangen. Darüber hinaus waren temporäre Präsenzen der Allianzverbände in Polen und in den baltischen Staaten zur Übung der Verteidigungsfähigkeit der NATO vorhanden. Aber dieser Umfang, den wir jetzt zu verzeichnen haben, erreicht eine ganz neue Dimension. - So weit dazu, was „US Defender Europe 2020“ ist. Genauer kann man natürlich in der Broschüre der Bundeswehr nachlesen, was darunter zu verstehen ist.

Doch wie steht man nun dazu? - Ich persönlich bekenne mich ganz klar zur NATO und verstehe die NATO als strategisches Verteidigungsbündnis für Deutschland.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Für Deutsch- land?)

Ich finde aber auch, dass Militärübungen in einem anderen Rahmen, etwa wie in den 90er-Jahren, hätten stattfinden können: in Nordamerika, im mittel-, nord- oder westeuropäischen Raum und eben nicht an der Grenze zu Russland.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Dass nun diese Übung mit bis zu 37 000 Soldaten und mehr als 1 000 Kettenfahrzeugen vor der Haustür Russlands stattfindet, finden wir nicht

gut, da dies schon klar als Provokation zu verstehen ist.

Wir werden auf der einen Seite von unseren guten Beziehungen zur NATO nicht abgehen, aber auf der anderen Seite wollen wir natürlich um jeden Preis Frieden mit Russland halten. Dass die AfDFraktion für Entspannung mit Russland einsteht, das sieht man zum Beispiel an unseren diversen Anträgen zur Beendigung der Russlandsanktionen. Daher würde ich mir persönlich eine Abrüstung auf beiden Seiten wünschen.

Die neuesten Entwicklungen, die wir jedoch der Presse entnehmen konnten, dass eine außerordentliche NATO-Sitzung zu dem Angriff in Idlib stattfindet, und zwar auf Ersuchen der Türkei hin, sollte uns alle hoffen lassen, dass die Verantwortlichen besonnene Entscheidungen treffen

Herr Rausch.

und dass wir nicht vielleicht doch in einen Bündnisfall eintreten müssen in dem Konflikt zwischen der Türkei und Syrien. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Rausch für den Redebeitrag. - Für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer über die Sicherheit in Europa diskutieren will, der braucht einen nüchternen und realistischen Blick auf die internationalen Gegebenheiten. Den wünsche ich mir auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der LINKEN. Man muss die NATO nicht lieben. Sie ist als westliches Verteidigungsbündnis Mittel von Realpolitik. Über den Kalten Krieg und solche Dinge will ich gar nicht reden. Aber eines ist völlig klar: Sicherheit und Frieden in Europa waren damals und sind heute natürlich auch ein wichtiger Verdienst der NATO und der Bündnissolidarität.

Mir geht es nicht darum, eine Feindschaft in Richtung Russland zu entwickeln oder irgendwie eine Nibelungentreue nach Amerika zu einer Trump-Administration hinzubekommen. Aber ich glaube, dabei ist es auch wichtig zu sagen: Es ist mehr Verbindendes zwischen uns, als ein Präsident kaputt machen kann. Uns verbinden in der NATO eben auch demokratische Werte und Traditionen.

Ich sage eines: Der Duktus Ihres Antrages - das hat der Kollege Erben schon herausgearbeitet - ist nicht meine Sprache. Sie erwähnen zwar die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, ansonsten aber ist das eine Sprache, die mir fremd ist. Die NATO als Provokateur und Aggressor, das geht aus meiner Sicht an der Realität vorbei. Deswegen werden wir den Antrag auch ablehnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wladimir Putin hat schon Ende der 1990er-Jahre im Zuge seines brutalen Krieges in Tschetschenien gezeigt, zu welchen Taten er fähig ist.

(Zuruf von André Poggenburg, fraktionslos)

Spätestens seit dem Krieg in Georgien im Jahr 2018 sieht man eine expansive Außenpolitik, die sich mit großer Macht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischt: Abchasien und Südossetien wurden aus Georgien herausgelöst,

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

die Annexion der Krim, der Krieg in der Ostukraine, der grausame Luftkrieg in Syrien, um das dortige Einflussgebiet zu sichern.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Angesichts dessen kann ich schon verstehen, dass die ehemaligen Sowjetrepubliken des Baltikums den Schutz der NATO gesucht haben. Es gab auch das Versprechen - das wurde ja immer wieder gesagt -, man würde eine NATO-Osterweiterung nicht bis in das Baltikum hinein betreiben, so nicht. Es ist jedenfalls hoch umstritten, ob dazu mit Verbindlichkeit eine Zusage gemacht wurde. Am Ende waren es jedenfalls souveräne Staaten, die sich nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit für den NATO-Beitritt entschieden haben. Und das war und ist ihr gutes Recht.

Wenn es ein solches Bündnis gibt, dann muss ein solches Bündnis auch üben können. Ich glaube, wir alle wünschen uns eine Welt, in der Armeen, stehende Heere nicht mehr notwendig sind. Aber so lange wir sie haben, müssen diese Armeen auch üben können.

(Zuruf von André Poggenburg, fraktionslos)

Bei „Defender“ ist zum Beispiel auch sichergestellt, dass Russland dort mit Beobachtern tätig ist. Es ist also nicht so, dass das irgendwie nicht kontrollierbar ist für die russische Seite.

Wir als Bündnisgrüne haben eine klare Präferenz für zivile Konfliktlösungen, doch zugleich mussten wir uns mit Blick auf unsere Geschichte von ein paar pazifistischen Vorstellungen verabschieden.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Wir stehen noch immer für Frieden und Abrüstung, für kooperative Sicherheit, für eine Kultur der militärischen Zurückhaltung und eine wertegeleitete Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ein. Aber eine Prise Realismus schadet dabei wirklich nicht.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Meine Damen und Herren von der LINKEN, Ihr unlängst zurückgetretener außenpolitischer Sprecher Stefan Liebich gab zum Abschied zu Protokoll, sowohl gegenüber der Bundesregierung als auch in den eigenen Reihen gegen doppelte Standards gekämpft zu haben.

Herr Striegel, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, das ist der letzte Satz. - Mit Blick auf Ihren Antrag muss man sagen: leider erfolglos. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Striegel, Herr Loth hat sich - - Nein, das hat sich erledigt. Herr Striegel, dann danke ich Ihnen für Ihren Redebeitrag. Für die CDU spricht - -

(Volker Olenicak, AfD: Hier gibt es Fragen!)

- Herr Loth wollte dann doch nicht. Das hat sich erledigt. - Herr Krull, jetzt haben Sie das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele von Ihnen werden den lateinischen Ausspruch „Si vis pacem para bellum“ kennen, zu Deutsch: Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor. Natürlich geht es bei „Defender 2020“ nicht um Kriegsvorbereitungen; es geht einfach darum, den Transport von Material und Personal zu üben. Denn bei aller computergestützten Simulation gibt es einfach Verfahren, die man händisch üben muss.

Ja, „Defender 2020“ ist eine Großübung, wie wir sie in Europa schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt haben. Die Zahlen wurden schon mehrfach genannt. Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass dieses Manöver stattfindet. Gerade in jüngster Vergangenheit hat es große Diskussion darüber gegeben, ob die NATO als Verteidigungsbündnis noch eine Zukunft hat.

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Ich denke, eine solche Übung ist ein klares Signal dafür, dass die NATO lebt und bereit ist, genau

diesen Auftrag zu erfüllen, nämlich den Bündnispartnern die Sicherheit zu geben, dass im Bündnisfall die anderen NATO-Partner ihren Verpflichtungen nachkommen.

(Volker Olenicak, AfD: Mit Fantasietruppen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist beileibe nicht so, dass dieses Großmanöver in einer geheimen Runde vorbereitet worden ist. Es gab Konferenzen dazu, unter anderem in Minsk und Moskau. Außerdem werden OSZE-Beobachter bei dieser Übung anwesend sein. Auch die Bundeswehr informiert auf den unterschiedlichsten Wegen über das Vorhaben. So werden nicht nur regelmäßig Presseinformationen gegeben, unter anderem von unserem Landeskommando Sachsen-Anhalt, sondern auch auf der Homepage der Bundeswehr findet sich ein entsprechendes Informationsangebot. Über einen Informationsmangel kann man sich an dieser Stelle also wahrlich nicht beklagen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Geschätzte Antragsteller, Ihre Behauptung, dass sich das Verhalten der NATO gegen den Zweiplus-Vier-Vertrag richtet, ist juristisch mehrfach widerlegt worden. Diejenigen, die diese These unterstützen, würde man in jedem juristischen Seminar als Minderheitsmeinung bezeichnen. Ich verweise nur auf das Interview von Herrn Gorbatschow im Jahr 2014 in der „Zeit“, wo er selbst gesagt hat: Nein, die NATO-Osterweiterung verstößt nicht gegen diesen Vertrag.

Ich frage mich an dieser Stelle auch, warum die Antragsteller an die Bewertung von militärischen Manövern offensichtlich unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Ich kann mich an keinen Antrag Ihrer Fraktion erinnern, als es um das gemeinsame Manöver russischer und weißrussischer Streitkräfte mit der Bezeichnung „Sapad 2017“ im Jahr 2017 ging.

Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass die angegebene Personalstärke mit 12 700 Personen deutlich unter der Stärke von „Defender 2020“ lag. Neutrale Beobachter stellten fest, es waren mehr als 100 000 Militärangehörige und Zivilisten beteiligt. Die Zahl von 12 700 wurde sicherlich auch deswegen gewählt, weil ab einer Zahl von 13 000 OSZE-Beobachter hätten zugelassen

werden müssen. Das sollte offensichtlich verhindert werden.