Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

Im Unterschied zu anderen Bundesländern haben unsere Ausländerbehörden trotz technischer Probleme die Registrierungen in einem überschaubaren Zeitraum gemeistert. Jobcenter und Jugendämter haben den Ansturm gleichfalls mit großem Einsatz bewältigt.

Doch die Sozialgesetzgebung macht es Letzteren nicht gerade einfach. Ich will zwei Beispiele nennen. Wenn Ukrainerinnen mit 57 Lebensjahren vom Rechtskreis des SGB II in die Grundsicherung im Alter, also in das SGB XII, wechseln, dann leuchtet mir das zumindest nicht ein. Wenn sich eine 57-jährige Deutsche im Hartz-IV-Bezug um Arbeit bemühen muss, eine 57-jährige Ukrainerin das jedoch nicht mehr tun muss, dann schürt das Fremdenfeindlichkeit unter den Ärmsten in unserem Land, und das muss einfach nicht sein.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Warum Jugendämter den Versuch unternehmen müssen, im Rahmen des Unterhaltsvorschusses Titel an säumige Unterhaltszahler in der Ukraine zuzustellen, während die Leute möglicherweise im Schützengraben im Donbass liegen, ist für mich nicht verständlich und für die Mitarbeiterinnen der Jugendämter sicherlich auch nicht.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Durch das Engagement in den Schulen und Kitas hat die Aufnahme der ukrainischen Kinder nach zugegebenermaßen erheblichen Anlaufschwierigkeiten mittlerweile ganz gut funktioniert. Auch wenn die Herausforderungen noch immer groß sind, hat die Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge deutlich gemacht, dass wir aus der Krise im Jahr 2015 gelernt haben.

Rein zahlenmäßig waren die Herausforderungen im Frühjahr 2022 größer als im Herbst 2015 und es hat niemand in Zelten übernachten müssen und es waren nur wenige Notunterkünfte belegt. Dafür gebührt allen Beteiligten in den staatlichen und den kommunalen Behörden und auch in der Zivilgesellschaft unser großer Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb würde ich es begrüßen, wenn hohe Repräsentanten der Ukraine diese Leistung auch einmal würdigten. Der neue ukrainische Botschafter hat am Wochenende ein ganz- seitiges Interview in der „Welt am Sonntag“ gegeben und hat es tatsächlich geschafft, die Aufnahmebereitschaft unseres Landes mit keinem einzigen Wort zu würdigen. Das fand ich unangemessen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Zum zweiten Teil des Antrages, also zu der Problematik Asyl. Hierin bestätigt die antragstellende Fraktion, dass Sachsen-Anhalt insgesamt den aktuellen Herausforderungen gewachsen ist und man sich auf eine Verkomplizierung der Lage eingestellt hat. Dafür gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der ZASt und in den Landratsämtern unser großer Dank.

Doch einen wunden Punkt will ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Die Situation bei uns wäre deutlich entspannter, wenn die zweite ZASt in Stendal nicht weiter auf sich warten ließe.

(Ulrich Siegmund, AfD: 60 Millionen €!)

Erst wurde sie als unverzichtbar dargestellt und sieben Jahre später ist eine Fertigstellung noch immer nicht in Sicht. Das Problem kann man nicht nach Berlin und nicht an die Ampel delegieren, wie es die Vorrednerinnen und Vorredner bei anderen Punkten gemacht haben. Deswegen sollten wir mögliche Angebote, uns weitere Bundesliegenschaften zu überlassen, dankend ablehnen, wenn wir die Sache in Stendal nach sieben Jahren noch nicht hinbekommen haben.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Die Kritik, lieber Kollege Schulenburg, an der aktuellen Bundesregierung kommt ja auch eher kleinkariert daher. Ich will aus dem Antrag zitieren. Darin ist davon die Rede, dass der Bund entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung nach § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes keine verlässlichen Zugangsprognosen bereitstelle. Dazu muss ich schon einmal die Frage stellen: Wie viele verlässliche Zugangsprognosen gab es in der Zeit der Regierungsverantwortung der Union?

(Guido Kosmehl, FDP: Keine!)

Denn diese Kritik ist doch wirklich sehr kleinkariert. In den letzten 17 Jahren hat die Union 16 Jahre lang den Bundesinnenminister gestellt.

(Zustimmung bei der SPD, bei der AfD und bei den GRÜNEN)

Und in dieser Zeit wurde nicht ein einziges migrationspolitisches Problem in unserem Land nachhaltig gelöst. Das jetzt zu kritisieren ist schon etwas kleingeistig.

(Zustimmung bei der AfD)

Es ist aber wahrscheinlich das Argumentationsschema des Friedrich Merz. Doch es verfängt nicht, weder bei der Migrationspolitik noch bei den Mängeln in der Bundeswehr noch bei der Energiesicherheit.

Das lässt mich überleiten zu der Kritik am Bund in Punkt 3 Ihres Antrages. Darin kritisiert die CDU-Fraktion den im Sommer ausgehandelten Solidaritätsmechanismus der EU. Dieser Mechanismus ist der erste Erfolg in einer gemeinsamen EU-Asylpolitik seit Jahrzehnten.

(Zustimmung von Juliane Kleemann, SPD)

An dieser Stelle hat sich Deutschland verpflichtet, 3 500 Menschen vor allem aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Das sind einmalig genau 100 Menschen für Sachsen-Anhalt.

Die CDU-Fraktion kritisiert weiter das Aufnahmeprogramm aus Afghanistan, über welches besonders gefährdete Menschen aufgenommen werden. Ich will nicht verhehlen, dass auch ich noch nicht sehe, wie das funktionieren soll. Aber dabei geht es tatsächlich um eine größere Zahl, nämlich für Sachsen-Anhalt um etwa 30 Personen im Monat.

Schließlich macht die CDU-Fraktion die Bundesinnenministerin dafür verantwortlich, dass - ich zitiere - es zudem noch immer keine Lösung für die illegale Migration über die Balkanroute gebe. Die illegale Migration werde durch die Bundesregierung - Zitat - einfach hingenommen. Eigentlich ist auch das ein Fingerzeig auf

16 Jahre Verantwortung der Union im Bundesinnenministerium.

Doch Sie wissen - Frau Ministerin hat es eben am Rande angesprochen -, dass Letzteres in Bezug auf das Handeln der aktuellen Bundesinnenministerin nicht stimmt. Deutschland oder Österreich können zu Hause viel beschließen, aber gelöst werden kann das Problem nur mit den Staaten des Westbalkans. Deshalb verhandelt die Bundesinnenministerin mit Vertretern der Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.

Sie wissen vermutlich auch, dass sich die Ministerin vor allem Serbien wegen seiner Visapolitik vorgeknöpft hat. Serbien hat bei der Lösung des Problems eine Schlüsselrolle inne.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Und Serbien wird sich entscheiden müssen: Mitarbeit und EU-Beitrittsperspektive oder eben nicht. Das hat die Ministerin klargemacht und sie wird damit erfolgreich sein.

(Zuruf von der AfD)

Nicht viel reden, sondern handeln - das ist die richtige Devise. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Erben. - Als nächste Rednerin kommt Frau Quade nach vorn. - Frau Quade, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass die CDU nach 16 Jahren Regierungsverantwortung im Bund und aus der Regierung im Land heraus über das Thema Migration reden will. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich, mein Eindruck ist, dass es dabei erstens eher um die Tatsache geht, dass die Bundesinnenministerin jetzt von der SPD ist, als um einen ernsthaften Vorschlag.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Und zweitens - das ist noch schlimmer - sind die CDU-Spitzen im Bund und im Land von der aus humanitärer, aber auch aus ganz rational bilanzierender Sicht der dringend notwendigen Modernisierung konservativer Migrationspolitik mit einer klaren Abgrenzung nach Rechtsaußen, wie sie im Burgenlandkreis mit dem Landrat Götz Ulrich gelebt und praktiziert wird, genauso weit entfernt wie in der Vergangenheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wer heute wie Friedrich Merz von „Sozialtourismus“ spricht, weil Frauen und Kinder, die aus der Ukraine flüchten mussten, ihre Familien besuchen und sie unterstützen, oder wer wie Alexander Dobrindt davon spricht, dass der deutsche Pass „verramscht“ werden soll,

(Markus Kurze, CDU: Das ist ja auch so! - Zu- ruf von der AfD: Das ist so!)

und wer glaubt, man müsse Asyl- und Aufenthaltsrecht nur noch restriktiver machen, als sie ohnehin schon sind,

(Zuruf von der AfD)

um rassistischen Kampagnen und Einstellungen den Boden zu entziehen, der hat aus den letzten 30 Jahren nichts, aber auch wirklich nichts gelernt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will auf die in der Begründung der Aktuellen Debatte angesprochenen und auch auf die nicht angesprochenen Punkte zu sprechen kommen. Natürlich war und ist die Flucht von Menschen aus der Ukraine eine große Herausforderung und es ist den Kommunen und unzähligen Engagierten ausdrücklich zu danken.

Ich sage: Der beste Dank an die Kommunen wäre, sich jetzt nicht hier hinzustellen und zu sagen, die Kommunen sind überfordert, wir können keine anderen Geflüchteten mehr aufnehmen, sondern für eine an den tatsächlichen Aufgaben und Bedürfnissen orientierte Finanzierung der Kommunen und z. B. für personelle Verstärkung, wo sie nötig ist, bspw. in den Ausländerbehörden, zu sorgen,

(Beifall bei der LINKEN)

statt - das ist der eigentliche Hammer - mit dem aktuellen Haushaltsplanentwurf Zuweisungen für die Gemeinden für Integration um mehr als 600 000 € zu kürzen.

(Zuruf von der AfD: Das reicht noch nicht!)