Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

Richtig ist: Aktuell gibt es weltweit mehr als 100 Millionen Vertriebene. Im Jahr 2022 wurden in Europa rund 72 % mehr Asylanträge gestellt als im Vorjahr. Deutschland hat rund 52 % mehr Menschen aufgenommen als im Vorjahr. An der Westbalkanroute sind die Zahlen aktuell rückläufig. Es wurden aber bis Anfang Dezember insgesamt rund 128 000 irreguläre Grenzübertritte oder Grenzübertrittsversuche gezählt. Das sind rund 170 % mehr als in dem Vorjahrszeitraum, wobei man diese Zahl mit Vorsicht behandeln sollte, da von den Grenzbehörden kein Unterschied zwischen versuchten, mehrfach versuchten und erfolgreichen Grenzübertritten gemacht wird.

Vorbereitend haben Bund, Länder und Kommunen ein gemeinsames digitales Portal für den fachlichen Austausch über verschiedene Unterbringungslösungen angestoßen. Die Länder sollen im Jahr 2023 finanzielle Mittel in Höhe von rund 1,5 Milliarden € vom Bund als Unterstützung für die Ausgaben für Geflüchtete aus der Ukraine erhalten. Darüber hinaus erhalten die Länder und die Kommunen Mittel in Höhe von 1,25 Milliarden € jährlich als Unterstützung für die Versorgung der Geflüchteten aus anderen Ländern. Richtig sind auch die von Ihnen zitierten Geflüchtetenzahlen für Sachsen-Anhalt, die wir in der Begründung zu dem Antrag auf Durchführung dieser Aktuellen Debatte gelesen haben.

Vor dem Hintergrund, dass Russland seit Wochen vermehrt kritische Infrastruktur in der Ukraine zerstört und somit einem großen Teil der ukrainischen Bevölkerung kein Strom und keine Heizung in den kältesten Wintermonaten zur Verfügung steht, müssen wir uns auch in Sachsen-Anhalt auf ein Szenario vorbereiten, in dem mehr Menschen aus der Ukraine bei uns Schutz suchen werden. Es bedarf jetzt also schneller Antworten des Landes.

Tragen Sie Ihre politischen Kämpfe innerhalb der Koalition in dieser Situation bitte nicht auf dem Rücken der Kommunen aus. Sorgen Sie dafür, dass die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Stendal noch vor 2025 in Betrieb gehen kann. Sorgen Sie dafür, dass bis dahin andere geeignete Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Heben Sie die Restriktionen auf, denen Asylsuchende bei der Auswahl der Unterkunft begegnen. Dies würde auch eine bessere Verteilung und Entlastung der Zentralen Aufnahmeeinrichtungen mit sich bringen.

Entlasten Sie endlich Ihre Behörden. Nehmen Sie Abstand von den vielen Duldungen light und holen Sie die Menschen aus dem Sozialleistungssystem heraus. Setzen Sie endlich eine Vorgriffsregelung für das Chancen-Aufenthaltsrecht um und schieben Sie über die Weihnachtstage keine Menschen ab, die ab Januar einen Anspruch auf ein Chancen-Aufenthaltsrecht oder ein dauerhaftes Bleiberecht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)

Nutzen Sie die Ressourcen doch lieber für die schnellere Bearbeitung der Asylanträge. Die Bearbeitungszeiten innerhalb der Ausländerbehörden in Sachsen-Anhalt sind außer Kontrolle geraten. Begegnen Sie der Überlastung endlich mit einer Einstellungsoffensive, einer qualifizierten Fortbildung der Mitarbeitenden

und einer Verschlankung von Verwaltungsabläufen. Hier liegen die Stellschrauben. Und anerkennen Sie bitte endlich - ich sehe es hier schon wieder -: Deutschland ist ein Einwanderungsland.

(Zurufe von der CDU und von der AfD: Nein! - Weitere Zurufe)

Diese CDU, die 16 Jahre lang die Bundesregierung geführt hat, muss sich ehrlich machen. Es ist gut, dass Sie Zeit dafür in der Opposition haben. Nutzen Sie diese Zeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)

Herr Striegel, es gibt eine Frage von dem Abg. Herrn Heuer.

Herr Striegel, erst einmal: Schon nach Ihrer Entgleisung bei Twitter - schnelleres Sterben mit CDU und FDP - muss ich sagen: Ihre Entgleisungen habe ich jetzt langsam satt.

Sie haben uns eben gerade unterstellt, dass wir aus rassistischen Gründen

(Michael Scheffler, CDU: Hass und Hetze! - Zurufe: O, ja! - Unglaublich! - Eine Frechheit! - Zuruf von Tim Teßmann, CDU - Unruhe)

Zuwanderer vom Arbeitsmarkt fernhalten. Herr Striegel, Sie sitzen in zwölf Landesregierungen. Sind diese Beteiligungen, diese grünen Partner in den Landesregierungen auch Rassisten?

(Beifall bei der CDU - Hannes Loth, AfD: Ja, klar! - Guido Kosmehl, FDP: Ja! - Weitere Zu- rufe)

Herr Heuer, das System der Kettenduldung ist ein zutiefst rassistisches System.

(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der CDU)

- Das ist es.

(Ulrich Thomas, CDU: Mein Gott! - Unruhe)

Es sorgt nämlich dafür, dass Menschen ohne deutschen Pass auf Dauer in einem verwaltungsbürokratischen Limbo landen, nicht vorwärts und nicht zurück kommen.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Das muss beendet werden.

(Guido Kosmehl, FDP: Sie bekommen Geld!)

Diese Praxis kritisieren wir als GRÜNE bereits seit vielen Jahren.

(Guido Kosmehl, FDP: Das hat doch nichts mit Rassismus zu tun!)

Wir ändern sie jetzt und wir sorgen endlich dafür, dass Menschen auch in den Arbeitsmarkt integriert werden können. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD - Tim Teßmann, CDU: Eine Frage!)

Herr Teßmann, das geht nicht. Sie können keine Frage mehr stellen, wenn der Redner schon auf eine Frage geantwortet hat. Das muss während der Rede passieren.

(Tim Teßmann, CDU: Das war eine Frage an ihn!)

- Ja, aber das ist nur bei der Rede möglich und nicht, wenn er dann selbst reagiert hat.

Wir sind am Ende der Debatte angelangt. Bevor hier vorn ein Wechsel durchgeführt wird, möchte ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Thomas Müntzer“ in Sangerhausen auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich freue mich, dass Sie den Weg nach Magdeburg gefunden haben und sich hier den Parlamentsalltag ansehen. Herzlich willkommen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen fort mit

Tagesordnungspunkt 9

Aktuelle Debatte

15. Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) in Montreal. Chancen und Auswirkungen für SachsenAnhalt

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1987

Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden. - Herr Aldag legt los.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wir Menschen dringen immer weiter in natürliche Lebensräume von Tieren und Pflanzen vor. Wir zerstören, zerschneiden und versiegeln sie. Dadurch gehen jeden Tag Arten unwiederbringlich verloren, Ökosysteme werden stark gestört. Dem gilt es entschieden entgegenzuwirken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit einem länderübergreifenden Nationalpark, drei Biosphärenreservaten, fünf Naturparks, drei Feuchtgebieten von internationaler Bedeutung, dem Grünen Band als Nationalem Naturmonument, zahlreichen Natur- und Landschaftsschutzgebieten, Naturdenkmälern, geschützten Landschaftsbestandteilen, mit der Goitzsche-Wildnis, einem Schutzgebiet, mit dem Sachsen-Anhalt bewiesen hat, dass man bei der Tagebaurekultivierung Maßstäbe setzen kann, mit aktuell vier Naturschutzgroßprojekten besitzt dieses Land einen enormen Schatz, den es zu bewahren und zu vermehren gilt. Ziel unseres Handelns und unserer Entscheidungen muss es daher sein, den Naturschutz im Land weiterzuentwickeln und zu professionalisieren.

(Frank Otto Lizureck, AfD: Aber nicht mit den GRÜNEN!)

Wir brauchen dringend eine Trendwende. Nach der ernüchternden Bilanz des soeben zu Ende gegangenen Weltklimagipfels gilt das umso mehr für den Weltnaturgipfel in Montreal. Nötig ist eine verbindliche globale Vereinbarung

historischen Ausmaßes zum Schutz der Natur. Sie muss den Rahmen setzen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, mit und nicht gegen die Natur zu wirtschaften und geschädigte Natur wiederherzustellen -

(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)

das sagt Dr. Christof S., der Geschäftsführer der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft und Träger des Umweltpreises 2022.

In der sogenannten Frankfurter Erklärung fordert ein Bündnis aus deutschen Wissenschafts- und Nichtregierungsorganisationen den Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für naturpositives Unternehmenshandeln. Dabei bieten sie ihre Expertise zur Lösung der dringendsten Herausforderungen der Menschheit an, der Zwillingskrise aus Biodiversitätsverlust und Klimawandel.

Die Weltnaturkonferenz, die derzeit in Montreal stattfindet, soll eine Trendwende einläuten, eine Trendwende von der Zerstörung hin zur Wiederherstellung der Natur. Dazu wollen die Staaten der Welt eine neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt bis 2050 verabschieden. Die Vereinbarung soll alle Ursachen aufgreifen, die zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Dazu zählen unter anderem die Zerstörung und Ausbeutung der Natur, die veränderte Nutzung von Land und Meeren, die Folgen der Klimakrise, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.