Die Weltnaturkonferenz, die derzeit in Montreal stattfindet, soll eine Trendwende einläuten, eine Trendwende von der Zerstörung hin zur Wiederherstellung der Natur. Dazu wollen die Staaten der Welt eine neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt bis 2050 verabschieden. Die Vereinbarung soll alle Ursachen aufgreifen, die zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Dazu zählen unter anderem die Zerstörung und Ausbeutung der Natur, die veränderte Nutzung von Land und Meeren, die Folgen der Klimakrise, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.
In den letzten Tagen wurde viel über die Ambitionen Deutschlands berichtet. Es ist gut, dass Bundesumweltministerin Steffi Lemke als bekanntlich verhandlungsstarke und fachlich versierte Politikerin die deutsche Delegation anführt und dort die Verhandlungen begleitet.
Hauptziel für die Konferenz ist, dass die dort zu beschließende globale Vereinbarung einerseits ehrgeizige, messbare Ziele enthält und andererseits effektive Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Ziele auch kontrolliert umgesetzt werden und dass eine angemessene Finanzierung erfolgt. Die Bundesregierung verfolgt dabei drei Prioritäten: mehr und vor allem besser gemanagte Schutzgebiete, weniger Verschmutzung und die Wiederherstellung der Natur.
Selbstverständlich müssen die Beschlüsse und die globale Vereinbarung dann auch in Deutschland umgesetzt werden. Auf der Bundesebene wird dies gebündelt in der Neuauflage der nationalen Biodiversitätsstrategie. Themen wie eine naturverträgliche Energiewende, Insektenschutz oder Meeresnaturschutz, die bisher in der Strategie fehlten oder zu kurz gekommen sind, werden darin ergänzt.
Ich erwähne die Strategie der Bundesregierung deshalb, weil ich es für wichtig halte, Zusammenhänge zu erfassen und daraus abzuleiten, wie wir uns hier im Land aufstellen müssen, um unseren Teil dazu beizutragen, die Ziele zu erreichen, aber auch um vorbereitet zu sein, um von den zahlreichen Förderprogrammen mit geeigneten Projekten partizipieren zu können.
Mit einem Anteil von 16,58 % an strengen Schutzgebieten und einem Anteil von 40,83 % an schwachen Schutzgebieten können wir in Sachsen-Anhalt ein gutes Netz an Schutzgebieten vorweisen. Doch auch hier nimmt
die Artenvielfalt ab. Die Kernforderung der Bundesregierung nach mehr und besser gemanagten Schutzgebieten lässt sich auch auf Sachsen-Anhalt übertragen. Um den natürlichen Schatz zu bewahren, weiterzuentwickeln und auszuweiten, brauchen wir eine Professionalisierung im Naturschutz. Viele der immer wiederkehrenden Aufgaben werden über Projekte von Naturschutzverbänden und -vereinen, in vielen Fällen von ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützern erledigt. An dieser Stelle möchte ich diesen ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützern für ihre Arbeit und ihr Engagement ganz herzlich danken.
Hier braucht es weiterführende Strukturen, um diese wiederkehrenden Arbeiten besser zu koordinieren und sie finanziell besser auszustatten. Wir brauchen dringend eine Initiative zur Gewinnung von Fachleuten, die in der Lage sind, Arten zu bestimmen.
In den nächsten Jahren geht hier enormes Know-how verloren. Wir brauchen ein Netz an Naturschutzstationen, um Naturschutz in der Fläche effektiv zu managen.
Übertrage ich die zweite Kernforderung, nämlich die nach weniger Verschmutzung, auf Sachsen-Anhalt, ist auch hier noch einiges zu tun. Mein besonderer Blick richtet sich dabei auf unsere Gewässer. Erst kürzlich wurde wieder das Einleiten von Chlorid in die Bode genehmigt, Tausende von Tonnen pro Jahr, obwohl wir genau wissen, dass die Bode unter-
halb der Einleitstelle mehr oder weniger tot ist. BUND und der Landesanglerverband klagen derzeit gegen diese Genehmigung, und es wird Zeit, dass wir hier umdenken.
Das ist kein Wirtschaften mit, sondern ein Wirtschaften gegen die Natur. Dieses Wirtschaften zerstört unsere Landschaft und das kann und darf nicht unser Ansinnen sein. Wir dürfen das nicht zulassen.
Die dritte Kernforderung nach Wiederherstellung der Natur beschreibt die Zukunftsaufgabe, der wir uns auch in Sachsen-Anhalt stellen müssen. Die Renaturierung von Flüssen und Mooren, die Wiederherstellung unserer Wälder, aber auch die Begrünung unserer Städte stehen hierbei besonders im Fokus. Die Bundesregierung reagiert mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ und rund 4 Milliarden € auf diese Aufgabe. Es reicht nicht aus, Herr Minister Willingmann, sich allein auf dieses Programm zu verlassen. Wir müssen hier im Land die Weichen dafür stellen, um von diesem Programm profitieren zu können. Ich befürchte, wir gehen bei diesem Programm leer aus, weil hier weder entsprechende Projekte vorbereitet sind, noch finanzielle Mittel zur etwaigen Kofinanzierung im Haushalt stehen.
Um diesen drei Kernforderungen in SachsenAnhalt gerecht zu werden, erwarten wir deutlich mehr Engagement vom Umweltminister. Warum ist es so wichtig, mehr zu tun? - Biologische Vielfalt ist überlebensnotwendig.
Jeden Tag bringt die Natur überlebensnotwendige Leistungen für uns Menschen - zuverlässig und kostenlos. Gesunde Böden, Insekten und vielfältige Pflanzen sind die Grundlage für eine funktionierende Landwirtschaft und die Ernährung der Weltbevölkerung. Doch die biologische Vielfalt ist in der Krise, und deshalb ist es unverständlich, weshalb im Haushalt die Artensofortförderung erneut gekürzt wurde. Artenschutz wird an dieser Stelle mit Füßen getreten; denn ein adäquater Ersatz für diese Kürzung ist im Haushalt nicht zu erkennen. Natürlich werden wir hier mit einem Änderungsantrag um die Ecke kommen und ich hoffe auf Unterstützung aus den Reihen der Koalition.
Meine Damen und Herren! Den Status quo zu halten oder gar Mittel zu kürzen, können nicht der Weg sein; denn alle Ambitionen um die gesteckten globalen Ziele werden nichts bringen, wenn nicht wir die Weichen dafür stellen, die Artenvielfalt zu erhalten und die Lebensräume entsprechend auszuweiten und zu schützen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Aldag, für die Einbringung. - Für die Landesregierung hat Herr Prof. Willingmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich zunächst erfreut darüber zeigen, dass die Mikrofonanlage wieder funktioniert und ich nicht gezwungen bin, an vielen Stellen dieses Hauses auf Sie einzureden.
Herzlichen Dank für diesen Antrag, für die Möglichkeit, über das Thema Klimaschutz und Weltnaturkonferenz in Montreal zu reden. Allein, gestatten Sie den Hinweis: Sie ist noch nicht beendet. Vor diesem Hintergrund hätte man möglicherweise noch vier Wochen zu- warten können, um über die Ergebnisse, um die es dort geht, konkreter reden zu können.
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Fünf Jahre lang wurde dieses Ressort Umwelt unter grüner Regie geführt und Sie fordern ein Jahr nach Abgabe des Ressorts die Professionalisierung der Arbeit. Das muss mich dann schon verblüffen.
Aber das sind nur die Vorbemerkungen. Bei allem anderen, lieber Herr Abg. Aldag, sind wir ganz nahe beieinander. Es ist völlig richtig, dass sich das Artensterben und der weltweite Verlust an Biodiversität beschleunigen. Heute ist jede achte Tier- und Pflanzenart vom Aussterben bedroht. 150 Arten, so schreibt die „FAZ“, drohen täglich verloren zu gehen. Deshalb ist es wichtig, dass über die Wissenschaft die fünf zentralen Treiber für den Verlust biologischer Vielfalt herausgearbeitet werden. Wir kennen an erster Stelle dabei die Umnutzung des Landes, die Flächenversiegelung und den
Rohstoffabbau, an zweiter Stelle die Übernutzung von Ökosystemen und Arten, an dritter, vierter und fünfter Stelle die Erderwärmung, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.
Was kann man also tun? - Es reicht nicht, der deutsche Musterschüler zu sein. Es ist erforderlich - darin haben Sie völlig recht -, international zu handeln und das Thema Klimaschutz und Biodiversität möglichst breit aufzustellen.
Das ist gerade die Idee der Veranstaltung in Montreal, die coronabedingt mit Verzögerung stattfindet und in den nächsten Tagen ein Ende finden soll.
Es gibt bereits konkrete Vereinbarungen. Sie haben sie kurz erwähnt. Es gibt die EU-Biodiversitätsstrategie vom 20. Mai 2020 mit ehrgeizigen Zielvorgaben bis 2030 und 2050. Das betrifft sowohl den Schutz von Land- und Meeresflächen als auch die Wiederherstellung von Ökosystemen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt mit 16,5 % Landesfläche als Schutzgebiet so schlecht gar nicht dasteht. Das ist ein schönes Zwischenziel. Aber wir wissen, wir müssen uns hier weiterentwickeln. Nur, lassen Sie uns schauen, wie wir uns, wenn es in Montreal konkrete Ergebnisse gibt, weiter einander annähern.
Bundesregierung so übernommen und mit den drei Kernforderungen eingebracht hat, über die Sie bereits berichtet haben. Ich kann sie also an dieser Stelle entbehren.
uns an, was im Land passiert und was das Land finanziell tut. Es geht um praktische Fördermaßnahmen im Bereich des Naturschutzes. Sie haben die Artensofortförderung angesprochen. Wir setzen sie fort, das ist wichtig. Wir entwickeln sie zielgerichtet. Seit 2019 ist eine ganze Menge passiert: fast 230 Projekte, 9,5 Millionen €. Das war ein gutes Programm und es bleibt ein gutes Programm. Aber, lieber Herr Aldag, das Programm ist etwas volatil in den Bewilligungen, und wir haben festgestellt, dass es im laufenden Jahr deutlich weniger Bewilligungen gab, als wir ursprünglich angemeldet hatten. Das ist die Erklärung für die Reduktion des Ansatzes. Ich finde es selbst- verständlich erfreulich, wenn aus dem parlamentarischen Raum eine größere Notwendigkeit gesehen wird. Gern tragen wir Ihnen dazu noch einmal im Ausschuss vor.
Aber in unserem Land passiert noch mehr: mit den NGO zusammen die Naturschutzgroßprojekte. Sie haben den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon gedankt und dem möchte ich mich gern anschließen.
Gestatten Sie mir, z. B. auf das Thema Elbaue bei Wittenberg und die elbnahe Aue der Schwarzen Elster bei Jessen hinzuweisen. Mit der Heinz-Sielmann-Stiftung sind wir derzeit in der Planungsphase für das Naturschutzgroßprojekt Mittelelbe/Schwarze Elster. 35,5 Millionen € sollen dort von 2019 bis 2033 investiert werden. 75 % davon bezahlt der Bund, 10 % die Heinz-Sielmann-Stiftung und das Land SachsenAnhalt respektable 15 %; im laufenden Haushalt rund 150 000 €, im nächsten auch.
Worum geht es? - Großräumige Revitalisierung der Auenlandschaft, Deichrückverlegungen, Altarmanbindungen usw. Also, es gibt durchaus einiges, was wir tun.
Darüber hinaus sind wir dem Artenschutz verpflichtet und in ganz besonderer Weise mit dem Artenschutz vertraut. Rotmilan, Großtrappe, Feldhamster, verschiedene Insektenarten - sie sollen insbesondere in Sachsen- Anhalt im Blick gehalten werden. Das Ganze geschieht nicht allein aus Landesmitteln. Das können wir uns nicht leisten. Selbstverständlich muss es darüber hinaus insbesondere im Bereich der Agrarflächenüberzahlung aus dem ELER und Strukturfondsmitteln aus dem EFRE finanziert werden. Das kennen Sie. Darüber berichten wir auch immer wieder im Ausschuss. Darauf kommen wir zurück.
Der Bund wird - Sie haben das Aktionsprogramm „Nationaler Klimaschutz“ bereits angesprochen - mit rund 4 Milliarden € den natürlichen Klimaschutz in den nächsten Jahren bis 2026 finanzieren. Er hat noch nicht verraten, wie er es verteilen will. Dazu sind wir also in Verhandlungen. Er hat auch ein Artenhilfsprogramm als Begleiter des Themas Ausbau der erneuerbaren Energien in Aussicht gestellt.
Ich möchte an dieser Stelle den Brückenschlag durchaus einmal wagen. Sie wissen, dass wir durch das Wind-an-Land-Gesetz und durch die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz mehr Möglichkeiten für den Windkraftausbau schaffen und flexibler auf Kollisionsfragen mit dem Naturschutz reagieren können. Das ist auch gut so, sonst kommen wir nämlich nicht voran. Hilfreich ist es auch, dass der Bund an derselben Stelle mit seinem Artenhilfsprogramm versucht, eine Finanzierungsgrundlage zur Verfügung zu stellen, die uns hilft, die Stellen, an denen wir einen reduzierten Natur- und Artenschutz zulassen, um den Windkraftausbau zu beschleunigen, mit entsprechenden Maßnahmen an anderer Stelle zu kompensieren.