Ich möchte vielleicht die Aktion - sie wurde angesprochen -, die die Julis Halle gemacht hat, einmal erklären. Die Julis Halle haben sich
nämlich inhaltlich mit dem Thema Klimaschutz auseinandergesetzt, haben ein Klimaschutzkonzept für die Stadt Halle entworfen und wollten darüber ins Gespräch kommen. Das haben die Aktivisten übrigens abgeblockt. Wie dazu also die Diskursbereitschaft war, sieht man, glaube ich, ganz gut.
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede etwas ganz deutlich sagen: Wir halten weder die Besetzung eines Hörsaals noch Klebeaktionen an Kunstgegenständen oder im Straßenverkehr für geeignete Mittel im demokratischen Diskurs. Nach den langen Einschränkungen in der Lehre aufgrund der Pandemie über mehrere Tage den größten Hörsaal der MLU zu besetzen, scheint ebenso wenig geeignet und in höchstem Maße fragwürdig wie das Provozieren kilometerlanger Staus, um für die Wichtigkeit der Erreichung der politisch determinierten Klimaziele zu demonstrieren. Solche Aktionen lassen vermuten, dass es den Aktivisten zumindest nicht immer um die Sache geht.
Lassen Sie mich deshalb in den nächsten Minuten etwas dazu sagen, um etwas zur Versachlichung der Thematik beizutragen, bevor im nächsten Redebeitrag womöglich Perspektiven wieder etwas ideologiegetriebener vorgetragen werden.
Die Aktivisten, eine Gruppierung von Studenten aus Halle namens „End Fossil: Occupy!“, sind Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung, deren zentrales Ziel es ist - Zitat -, die fossile Industrie zu zerschlagen - Zitatende -, und zwar als ein - Zitat - für alle gut verkraftbarer Weg zur Klimaneutralität.
Ich möchte den Aktivisten freundlich entgegnen, dass wir in der sachlichen Auseinandersetzung und im wissenschaftlichen Diskurs, den die Aktivisten als Studenten der MLU hoffentlich auch kennen, durchaus kritisch anerkennen müssen, dass die erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windenergie aufgrund ihrer vergleichsweise schlechten Energiedichte und den bislang fehlenden geeigneten Speicherlösungen ein großes Manko in der Diskussion um die Energiewende haben.
Während ersteres Problem schlicht den zugrunde liegenden physikalischen Eigenschaften entspringt, liegt das echte Potenzial der erneuerbaren Energien vor allem in neuen effizienten Energiespeichersystemen. Hierbei hoffen wir allerdings auf zukünftige technologische Errungenschaften und Innovationsschübe in Forschung und Entwicklung, die wir als Freie Demokraten im Sinne einer ergebnisoffenen und ideologiefreien Forschung in jeder Art unterstützen.
Fakt ist aber, dass die aktuelle Wind- und Solarenergie noch Lichtjahre von dem Kriterium der Grundlastfähigkeit entfernt ist
und wir so beim freimütig geforderten Verzicht auf Kern- und Kohlekraftwerke noch immer ein sehr reales Back-up-Problem haben.
Das bringt mich zu meinem zweiten Punkt, dem Thema der Nachhaltigkeit. In den präsentierten Verhandlungsergebnissen der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg und von
„End Fossil: Occupy!“ Halle heißt es, man habe sich darauf verständigt, den Diskurs außerhalb des besetzten Hörsaals fortzuführen und auf Augenhöhe gemeinsam mit allen Mitgliedern der Universität an den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu arbeiten. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein zentraler Begriff im vor- liegenden Papier, aber selbstverständlich auch in der gesamten Debatte rund um die Erreichung der Klimaziele, der CO2-Bilanzen und der Energiewende.
Aber was genau heißt das überhaupt? Haben regional angebaute Lebensmittel tatsächlich eine bessere Ökobilanz als Importe aus dem Ausland? Wie sieht es bei der Öko- bzw. Biolandwirtschaft in puncto nachhaltige Produktion gegenüber der konventionellen Landwirtschaft aus? Die Antworten darauf mögen dem einen oder anderen Aktivisten sicherlich nicht gefallen. Sind erneuerbare Energien wirklich nachhaltig? Was die Produktion und die spätere Entsorgung von Solarpaneelen oder Windkraftanlagen als Sondermüll angeht, können wir mit Blick auf die verbauten Verbundstoffe sicherlich noch nicht von Nachhaltigkeit sprechen.
Gleiches gilt für die Elektromobilität. Vom ökologischen Fußabdruck eines E-Autos möchte ich erst gar nicht sprechen.
Sind all diese Ansätze und Bestrebungen deshalb falsch? - Selbstverständlich nicht. Es steht außer Frage, dass wir uns Gedanken um die Zukunft unseres Planeten machen müssen. Wir müssen dies aber mit Augenmaß tun und im kritischen Diskurs faktenbasiert argumentieren. Fakt ist: Die Stärkung der Wissenschaft und eine ergebnisoffene Forschung sind aus der Sicht der Freien Demokraten genau der richtige Ansatz, um die technologischen Heraus-
forderungen zu meistern; denn ohne Technologie- und Innovationsschübe werden wir nicht klimafreundlicher werden.
Ich möchte jetzt noch etwas zu der Protestform, nämlich der Besetzung, sagen. Ein Aspekt, der mich hierbei ganz massiv stört, ist der Umgang der Universität damit. Bereits einige Tage vor der Besetzung wurde das Ziel der Besetzung auf Instagram veröffentlicht und auch am Tag selbst wurde einige Stunden vor der Besetzung bereits der Treffpunkt dafür gepostet.
Die Universität hat einen Auftrag, nämlich sowohl Forschung als auch Lehre sicherzustellen. Aus meiner Sicht braucht es Konzepte, die sicherstellen, dass die Universitäten diesem Auftrag nachkommen und dass der Lehrbetrieb ohne Störung stattfinden kann. Hierfür hätte es aus meiner Sicht größere Bemühungen erfordert. Darüber werden wir aber mit Sicherheit auch noch sprechen.
Herr Willingmann, ich muss Ihnen widersprechen: Wenn die Lehre kurzfristig von Präsenz auf Digital umgestellt werden muss, dann ist das eine Störung des Lehrbetriebs.
Die Universität hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gegen eine ergänzende digitale Lehre gesträubt und nun hat es bei der Besetzung problemlos funktioniert. Das wirft bei mir Fragen auf.
Für den Diskurs zu einer klimafreundlicheren Hochschule gibt es demokratisch legitimierte Gremien, welche sich an der Universität direkt damit beschäftigen. Sinnvoller ist es doch, sich
dort einzubringen. Mit solchen Aktionen wie der Besetzung schadet man am Ende dem Ziel des Klimaschutzes.
Im Übrigen können - das möchte ich auch einmal erwähnen - anerkannte Hochschulgruppen an der Universität kostenfrei Räume bei der Universität beantragen, um solche Veranstaltungen z. B. selbstständig zu organisieren, den Diskurs zu fördern und ins Gespräch zu kommen. Es zeigt sich aber auch an den Reaktionen auf die Besetzung, dass damit dem Ziel des Klimaschutzes eher geschadet wurde.
Auf mich sind viele - sonst eher unpolitische Studentinnen und Studenten - zugekommen, die sich über die Einschränkungen geärgert haben, die kein Verständnis dafür hatten und deren Verständnis, für den Klimaschutz zu streiten, nach dieser Besetzung deutlich abgenommen hat. Eine breite Debatte wurde von den Besetzerinnen und Besetzern auch gar nicht gewünscht. Ich hatte es bereits gesagt: Es gab eine Telegram-Gruppe der Gruppierung, in welche auch Externe eintreten konnten. Dort wurden auch Klimaschutzkonzepte, welche nicht aus der rot-grünen politischen Richtung kamen, eingestellt. Die Personen, die das gemacht haben, wurden ohne große Diskussion aus der Gruppe entfernt.
So, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht kein demokratischer Diskurs. Diesen sollten wir beim Klimaschutz führen. Wenn versucht wird, politische Forderungen durch Erpressung durchzusetzen, ist das gefährlich und darf nicht legitimiert werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt wirklich merkwürdige Aktuelle Debatten. Die Rede von Dr. Tillschneider ist mit dem Begriff „bizarr“, glaube ich, richtig umschrieben.
Diese Debatte kostet den Rahmen der Absurdität schon ziemlich aus. Da gehen also AfD- Abgeordnete - ihres Zeichens bekennende und engagierte Leugner des Klimawandels und furchtlose Kämpfer gegen den Klimawahn - zu einer Aktion von Klimaschützern und werden dort - das kommt nun völlig überraschend, wer konnte es ahnen? - unfreundlich empfangen. Nun gut, am 10. Januar 2023 war keine Verhandlung möglich. „Der Hörsaal muss sofort geräumt werden“ hatten Sie gefordert. Dass man Sie da nicht reingelassen hat, ist mir ein Rätsel. „Skandal“ - daraus muss man doch etwas machen können. Klar, im Landtag kann man sich mal als Opfer politischer Verfolgung präsentieren und die Knechtung anprangern. Das ist billiger Budenzauber und letztlich eine gezielte Provokation.
Ich könnte an diesem Punkt mit meiner Rede aufhören und mich hinsetzen. Das mache ich jetzt aber nicht. Da ich nun schon mal hier vorn stehe, kann ich mich dem Protest auch anschließen
und einmal selbst das Rednerpult okkupieren, und zwar nur im Rahmen der mir zustehenden Redezeit; nicht, dass der Präsident unruhig wird.
Befassen wir uns zunächst mit dem Grundanliegen der jungen Audimax-Besetzerinnen, nämlich dem Klimawandel.
Die AfD-Fraktion wittert Klimaextremisten am Werk. Um das einzuordnen, muss man sich dazu allerdings die AfD-Position vergegenwärtigen. Nach Auffassung der AfD-Fraktion gibt es eine weltumspannende Verschwörung, an der die meisten - faktisch alle - sich mit dem Thema befassenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt sind. Obwohl auf der Erde alles total idyllisch ist und wir keinerlei Probleme haben, kommen sie böswilligerweise zu der Auffassung, da würden sich aktuell oder in nächster Zeit die klimatischen Bedingungen radikal ändern. Sie sprechen von ernsten Auswirkungen auf viele Facetten unseres Lebens, die neben den negativen Wirkungen auf Ernährung, Gesundheit etc. auch erhebliche Wohlstandsverluste mit sich bringen würden.
Der Hintergrund der Verschwörung ist etwas unklar und auch der AfD-Fraktion rätselhaft. Wahrscheinlich ist es wohl so, dass die Bündnisgrünen und das Streben nach der Weltherrschaft damit irgendetwas zu tun haben.
Nun könnte man natürlich auch - ich weiß, ein verwegener Gedanke - auf die Idee kommen - also rein hypothetisch -, dass das vielleicht gar keine Verschwörung ist. Könnte es sein, dass dann, wenn man in ein oder zwei Jahrhunderten die kompletten fossilen Rohstoffe der Welt verbrennt, die sich zuvor in Jahrmillionen gebildet haben, sich das in irgendeiner Weise auf die
Atmosphäre auswirkt? Kann das spurlos bleiben? Kann es sein, dass der im Jahr 1713 in der Forstwirtschaft eingeführte Begriff der „Nachhaltigkeit“, also dass man mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auskommen muss und nicht die der nächsten Generation mit verbrauchen darf, seine Berechtigung hat? Sollten die Daten der Wissenschaft nicht Lug und Trug sein, sondern - die sind sich beunruhigend einig - Ausdruck der Tatsache, dass wir das im Jahr 1713 erkannte Prinzip nicht berücksichtigen und dafür die schlichten naturgesetzlichen Folgen zu tragen haben werden? - Ich meine: ja.
Dabei geht es jetzt nicht um moralische Aufgeregtheit und den Weltuntergang. Der Planet pellt sich auf die Durchschnittstemperaturen, den Meeresspiegelanstieg, die Wüstenausdehnung, die Artenvielfalt, die Flüchtlingsbewegung, die gesellschaftlichen Konsequenzen etc. ganz gepflegt ein Ei. Der fällt irgendwann in ein neues ökologisches Gleichgewicht und gut ist. Ob uns dieses Gleichgewicht allerdings gefällt und ob es uns Menschen als gute Lebensgrundlage taugt, das steht auf einem anderen Blatt.
Die Anforderungen, die die aktuelle Situation an uns stellt, sind eigentlich nicht schlimm. Unsere Industriegesellschaft kann weiter-
machen, wir müssten aber bereit sein, die im Jahr 1713 postulierte Maxime umzusetzen. Wir können weiterhin ordentlich Energie verbrauchen, wir müssen sie halt nur regenerativ erzeugen. Wenn wir Rohstoffe einsetzen, müssen wir über ihre Rückgewinnung nachdenken. Wenn wir unsere Umwelt gestalten, müssen wir es so tun, dass wir unserem biologischen