Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 45. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der achten Wahlperiode. Ich begrüße Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Wir setzen nunmehr die 22. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Prioritätenblock, den Tagesordnungspunkten 4 bis 9. Danach wurde einiges verändert. Alle haben festgestellt, dass es einen neuen Zeitplan für heute und morgen gibt, da wir einiges von gestern aufzuholen haben.

Ich erinnere daran: Frau Weidinger ist heute ganztägig entschuldigt und Frau Grimm-Benne bis ca. 17 Uhr.

(Markus Kurze, CDU, meldet sich zu Wort)

- Herr Kurze.

Herr Präsident, ich möchte daran erinnern, dass wir bereits im Ältestenrat darüber gesprochen haben, den Tagesordnungspunkt 31 - Zahnärztliche und kieferorthopädische Unterversorgung verhindern - auf heute vorzuziehen. Auch wenn die Tagesordnung sehr opulent aussieht, haben wir im Vorfeld besprochen, den Tagesordnungspunkt 31 heute mit abzuhandeln. Darum möchte ich im Namen der Parlamentarischen Geschäftsführer bitten. - Danke schön.

Sie sind Herr des Verfahrens. Wenn Sie das wünschen, dann stimmen wir darüber ab und dann wird das so gemacht. Ich leite das nur.

Wer möchte, dass der Tagesordnungspunkt 31 vorgezogen wird, den bitte ich um das Hand- zeichen. - Dann ist das so beschlossen. Wir behandeln Tagesordnungspunkt 31 als letzten Tagesordnungspunkt. - Selbstverständlich

komme ich Ihren Wünschen nach. Das ist meine Aufgabe hier vorn. Das haben wir gerade noch rechtzeitig eingebaut.

(Unruhe)

- Ich bitte wirklich um Konzentration. Wir haben heute ein starkes Programm. Es ist nicht schön, wenn es laufend Zwischengeräusche gibt. Dann kann man sich schlecht konzentrieren.

Wir steigen ein mit dem

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung

Führerschein-Zuschuss für Sachsen-Anhalts Auszubildende

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/2795

Herr Lieschke bringt den Antrag ein.

(Zustimmung bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Nach den aufregenden Wahlen

gestern jetzt ein schönes Sachthema. Der Führerschein geht uns alle an. Wie aus einer aktuellen IHK-Umfrage hervorgeht, konnten bei rund 40 % der befragten Firmen im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden. Gut 80 % der betroffenen Unternehmen beklagten zudem, dass keine geeigneten Bewerbungen eingingen. Erschwerend kommt hinzu, dass fast jeder dritte Auszubildende seine Berufsausbildung abbricht.

Wichtiger denn je ist es daher, die Attraktivität der Berufsausbildung zu steigern. Ein geeignetes Mittel, um die Attraktivität der Ausbildungsberufe zu erhöhen, ist der in dem Antrag ge- forderte Landeszuschuss zur Förderung der Mobilität von Auszubildenden.

Wie aus der Auswertung der diesjährigen Umfrage unter Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr des Ausbildungsjahres 2022/2023 der 15 Industrie- und Handelskammern hervorgeht, sind lange Fahrzeiten zur Berufsschule nach wie vor ein riesengroßes Thema. Knapp die Hälfte aller Auszubildenden fährt länger als eine Stunde von der Wohnung zur Berufsschule. Das ist schlichtweg viel zu weit. Daher fordern wir einen Führerscheinzuschuss für Sachsen-Anhalts Auszubildende, egal ob diese einen Beruf in einer betrieblichen Ausbildungsstätte oder an einer berufsbildenden Schule in Sachsen-Anhalt erlernen.

(Beifall bei der AfD)

Für viele Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden bedeutet der Führerschein ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit. Gerade im ländlichen Raum steht dieses Stück Plastik für noch mehr: Junge Menschen erlangen durch den Erwerb der Fahrerlaubnis mehr Mobilität und mehr Flexibilität; denn oftmals wird die Strecke zwischen Wohnort und berufsbildender Schule bzw. Ausbildungsstätte durch den

öffentlichen Nahverkehr nicht ausreichend bedient. Hierzu liefere ich Ihnen gern konkrete Zahlen.

Eine Umfrage des Bundesagrarministeriums aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Mobilität auf dem Land vor allem eines heißt: mit dem Auto zu fahren. Für 84 % der Landbewohner sind Autos und Motorräder das Verkehrsmittel der Wahl. In Ballungsgebieten - die Zahl möchte ich noch nachliefern - fahren 71 % Bus und Bahn; im ländlichen Raum sind es lediglich 42 %. Woran liegt das? Ich werde es Ihnen sagen. In der Realität ist es noch immer so: Je weniger eine Region besiedelt ist, desto geringer ist auch das ÖPNV-Angebot. Lediglich 32 % der Befragten im ländlichen Raum gaben an, dass die Taktung von Bussen und Bahnen im ländlichen Raum gut ist.

Zusammengefasst ist der Individualverkehr nach wie vor das Mittel der Wahl, um nicht von einem schlechten öffentlichen Nahverkehr abhängig zu sein. Daher wird die Landesregierung aufgefordert, erstens einen Landeszuschuss in Höhe von 50 % der Kosten, maximal 1 500 €, für eine Fahrerlaubnis der Klassen B, A2, A1 oder AM für Auszubildende einzuführen, deren Wohnort sowie deren betriebliche Ausbildungsstätte oder berufsbildende Schule sich im Bundesland Sachsen-Anhalt befinden, und zweitens zeitnah eine entsprechende Förderrichtlinie auszuarbeiten, um dies regelkonform umzusetzen.

Zu Punkt 1 unseres Antrags ist Folgendes zu sagen. Ein exakter Preis für einen Führerschein lässt sich nicht pauschal beziffern. Fahrschulen unterliegen keiner Gebührenordnung. Das heißt, jede Fahrschule darf ihre Preise für den nötigen Vorbereitungslehrgang zum Erwerb der Fahrerlaubnis selbst bestimmen. Für Pkw benötigt man den Führerschein der Klasse B. Dieser ist in meinen Augen sehr, sehr teuer. Die Kosten für die Fahrerlaubnis liegen in Deutschland

derzeit zwischen 2 600 € und 3 500 €. Gerade für Auszubildende ist dies eine stolze Summe.

An dieser Stelle könnten Sie mich fragen, warum wir in unserem Antrag einen Landeszuschuss in Höhe von lediglich 50 % der Kosten, maximal 1 500 €, fordern. Gern greife ich dem vor. Etwas, das man umsonst hinterhergeworfen bekommt, ist in den Augen vieler nichts wert. Deshalb haben wir uns für einen Zuschuss in Höhe von 50 % entschieden.

Darüber hinaus ist es wichtig, Fehlanreize zu vermeiden und den Zuschuss an feste Bedingungen zu knüpfen. So soll der Förderbetrag von bis zu 1 500 € an die erfolgreiche Beendigung der Ausbildungszeit gekoppelt sein. Wer also den restlichen Anteil aus seinem Portemonnaie beisteuert und die Ausbildung erfolgreich absolviert, der kann am Ende stolzer Besitzer eines geförderten Führerscheins sein. Übrigens nehme ich hierbei durchaus auch die Betriebe mit in die Verantwortung; denn jeder Betrieb, der Auszubildende sucht, könnte sich durchaus dazu bereit erklären, die anderen 50 % aus seiner Tasche beizusteuern, um Auszubildende anzuziehen.

Ausgehend von der Zahl von 10 000 Azubis, die im Jahr 2021 einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, und einem Förderbetrag in Höhe von bis zu 1 500 € ergibt sich für den Führerscheinzuschuss rechnerisch eine maximale Belastung von 15 Millionen € für den Haushalt.

Klar ist auch, dass diese Mittel eine sehr vernünftige und nachhaltige Ausgabe wären. Ein Blick in den Haushaltsplan zeigt, dass Gelder in viele unsinnige Projekte fließen; für den Führerscheinzuschuss wären die Mittel endlich einmal ordnungsgemäß angelegt.

Unser Antrag wird die Attraktivität der Berufsausbildung steigern und entsprechende Anreize setzen, sich für eine Ausbildung zu entscheiden.

Schlussendlich bleibt mir nur noch eines zu sagen, meine sehr verehrten Abgeordneten: Lassen Sie uns eine gute Tat für unseren Nachwuchs, unsere Azubis vollbringen.

Ich würde diesen Antrag in Richtung des Wirtschaftsausschusses schieben. Ich denke, dorthin gehört er. Bei der Liste der anschließenden Redner sehe ich: Da ist Bildung, da ist Infrastruktur, da ist alles drin. In meinen Augen ist dieser Antrag so ähnlich wie die Meistergründungsprämie, die seinerzeit auch sehr attraktiv war, als sie eingeführt wurde. Ich glaube, diese 1 500 € für den Führerschein liegen auf der gleichen Linie. Deswegen bin ich der Meinung, der Antrag sollte zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Das beantrage ich hiermit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Für die Regierung spricht Herr Willingmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich stehe heute Morgen vor Ihnen, und vermutlich nicht das letzte Mal, in Vertretung von Kollegin GrimmBenne, die zur Stunde an den Bund-Länder-Gesprächen in Berlin teilnimmt mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sie wissen, es geht um die Krankenhausreform und vor allem

um deren Finanzierung. Niemand könnte das für Sachsen-Anhalt besser vertreten als Kollegin Grimm-Benne. Ich erlaube mir daher, ihre Rede zu Gehör zu bringen.

In dem Zeitraum von 2007 bis 2021 hat sich die Zahl der jungen Menschen in Sachsen-Anhalt, die die Schule abgeschlossen haben, ziemlich genau halbiert, von 34 000 auf 17 000. Der Grund: die demografische Entwicklung nach der Wende. Es gab im Land weniger junge Menschen, die die Schule besuchten. Im Bereich der dualen Berufsausbildung hat sich in der Folge seit zehn Jahren die Zahl der neu geschlossenen Ausbildungsverträge pro Jahr zwischen 10 000 und 11 000 eingependelt.

Unser Berufsbildungssystem ist umso wert- voller. Wir sollten die Attraktivität der beruf- lichen Ausbildung für junge Menschen in Sachsen-Anhalt nicht kleinreden. 44 % der jungen Menschen zwischen Arendsee und Zeitz entscheiden sich nach der Sekundarstufe I für eine schulische oder berufliche Berufsausbildung. Diese Zahl liegt weit über dem Bundesdurchschnitt, der derzeit bei 36,3 % liegt. Sachsen-Anhalt ist weiterhin ein Land der Berufsaus- bildung.

Wie stärken wir nun als Landesregierung die Anziehungskraft der Ausbildung? Hierzu möchte ich einige Beispiele anführen. Im Jahr 2021 haben wir als Landesregierung das Azubi-Ticket in Sachsen-Anhalt eingeführt. Es entlastete die Azubis bei der Benutzung von Bussen und Bahnen sowohl auf dem Weg in den Betrieb als auch in die Berufsschule. Inzwischen gibt es das Deutschlandticket, mit dem bekanntlich alle Bevölkerungsgruppen entlastet werden.

Im Jahr 2020 hat der Bund die Mindestaus- bildungsvergütung eingeführt. Dies wirkt insbesondere in Ausbildungsberufen, in denen traditionell eine geringe Ausbildungsvergütung

gezahlt wurde. Diese gewannen damit an Attraktivität. Das betrifft insbesondere auch die Handwerksberufe.

Über das Landesberufsorientierungsprogramm „BRAFO“ werben wir als Landesregierung jährlich bei 11 000 Schülerinnen und Schülern für die Vielfalt der Berufsausbildungen. Die jungen Menschen können sich in verschiedenen Formaten ausprobieren, bspw. in einer Lernwerkstatt, im Betrieb oder in einer sozialen Einrichtung.

Deutlich stärker sollten zudem die Karrieremöglichkeiten in der beruflichen Bildung betont werden. Unterschiedliche Wege der Weiterentwicklung, bspw. bis zum Bachelor Professional und Master Professional, auch ohne Hochschulstudium, machen die Ausbildung für junge Menschen attraktiv. Um sie zu stärken, fördert das Land den Erwerb von Zusatzqualifikationen mithilfe der neu aufgelegten Richtlinie „SachsenAnhalt Weiterbildung“ für Privatpersonen und für Betriebe. In diesem Rahmen soll es auch Fördermöglichkeiten für den Führerscheinerwerb für Lkw, Busse und Zugmaschinen und für die Fahrerlaubnis der Klasse B als Zusatzqualifikation geben, soweit die Fahrerlaubnis nicht Teil der Ausbildung ist, wie es z. B. bei Berufskraftfahrerinnen und -fahrern der Fall ist.

Es kommt bei dieser Fördermöglichkeit darauf an, dass für die inhaltliche Durchführung der Berufsausbildung im ausbildenden Betrieb eine eigenständige Fahrtätigkeit erforderlich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen auf die Stärkung eines guten ÖPNV-Angebotes, welches für die Azubis wie auch für den Rest der Bevölkerung bezahlbar ist. Darüber hinaus setzen wir auf Zukunftsthemen wie die Digitalisierung. Im Jahr 2021 haben die Berufsschulen die Erfahrungen aus dem digitalen Distanzlernen während der Pandemie ausge-

wertet. Auf der Basis der Erfahrungen wird seit 2022 an einer Vielzahl von berufsbildenden Schulen digitales Lernen erprobt. Dieser Einsatz kann die im Antrag benannten langen Fahrwege teilweise reduzieren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)