Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Prof. Willingmann, es gibt eine Frage von dem Kollegen Keindorf.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, es tut mir leid, dass Sie die Rede jetzt nur verlesen. Ich möchte die Frage trotzdem an Sie richten. Sie können sich vorstellen, dass ich persönlich diesem Antrag recht aufgeschlossen gegenüberstehe, erhöht er doch die Mobilität unserer Auszubildenden.

Ich muss aber in Richtung der AfD sagen: Mit diesem Antrag versucht die AfD, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.

(Oh! bei der AfD - Zuruf von der AfD: Was?)

Denn ich weiß, dass bereits im letzten Jahr Gespräche des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks mit dem Bundes - -

(Frank Otto Lizureck, AfD: Dann steigen Sie doch einfach mit ein in den Zug, und fertig ist! - Zurufe von der CDU und von der SPD - Tobias Rausch, AfD: Da passiert doch gar nichts! Ihr erzählt immer nur!)

Der Zug fährt schon. - Bitte.

Ich weiß, dass dort Gespräche mit Christian Lindner bezüglich dieser Frage stattgefunden haben. Folgende zwei Varianten wurden er- örtert: eine Bezuschussung des Führerscheins oder eine anteilige Übernahme der Kosten durch den Ausbildungsbetrieb. Beides birgt steuerliche Probleme: In dem einen Fall geht es um einen geldwerten Vorteil, in dem anderen um die Möglichkeit, dass ein Ausbildungsbetrieb die entstehenden Kosten als Betriebsausgabe geltend machen kann. Herr Lindner hat uns eine Prüfung zugesagt. Meine Frage aufgrund Ihres Drahtes nach Berlin lautet: Welche Möglichkeiten sehen Sie dafür, diese Prüfung zu beschleunigen?

(Daniel Roi, AfD: Ihr Zug fährt anscheinend viel zu lange! - Weiterer Zuruf von der AfD: Nein, der fährt in die falsche Richtung!)

Herr Abg. Keindorf, wir haben uns in der letzten Legislaturperiode über verschiedene Wege unterhalten, wie wir die Ausbildung attraktivieren können. Die Praktikumsgutscheine und Ähn- liches waren dabei Modelle, mit denen wir das gemeinsam auch schon nach 2016 durchgeführt haben. Ihre konkrete Frage allerdings adressiert nun ausgerechnet zwei Kolleginnen, die Ihnen dazu viel besser Auskunft geben können als ich: selbstverständlich die Sozialministerin, deren Rede ich verlesen durfte, aber auch die Kollegin Hüskens, der eine gewisse Nähe zum Bundes- finanzminister nicht abzusprechen ist.

(Lachen)

Deshalb überfordern Sie mich ein bisschen, wenn Sie mich fragen, wie die Prüfung dort aus-

gehen wird. Ich gehe davon aus, dass auch Kollegin Hüskens Ihrem Beitrag gelauscht hat. Wir nehmen das dann mit. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Willingmann. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Redlich. - Bitte.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift des Antrags „Führerscheinzuschuss für Sachsen-Anhalts Auszubildende“ klingt gut. Danach folgt aber zunächst - - Ja, was eigentlich? Mit „Der Landtag möge beschließen: I. Der Landtag stellt fest: …“ leitet die AfD eine einseitige Prosa ein, die im Kern eine Istsituation beschreiben soll.

Ja, wir haben es gehört, die Zahl der Ausbildungsverträge ist rückläufig. Diesen Fakt muss der Landtag aber nicht feststellen. Doch was ist denn der Hauptgrund dafür? Ist es eine fehlende Attraktivität der Berufsausbildung, wie es der Antragstext der AfD suggeriert? Oder ist es vielleicht der Umstand, dass sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der jungen Erwachsenen im Hauptausbildungsalter zwischen 15 und 20 Jahren von rund 175 000 auf 87 000 halbiert hat, wie es Prof. Willingmann auch schon erläutert hat? Ich vermute ja, Letzteres könnte einen Einfluss haben. Aber in Ihrem Antrag liest man von einem Geburtendefizit nichts.

Selbst in der Begründung fabuliert man lieber in AfD-Manier gegen Arbeitsmarktmigration.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Ihr Antragstext legt gleichzeitig dar, dass Parlament und Regierung sich der bestehenden Herausforderungen angenommen haben und handeln. In Ihrem Beschlusstext soll der Landtag feststellen, dass wir als Deutschland-Koalition einen Antrag eingebracht haben, um eine wohnortnahe Beschulung aufrechtzuerhalten. In der Begründung zu Ihrem Antrag verweisen Sie auf Wirtschaftsminister Sven Schulze und dessen Initiativen und zählen von uns bereits eingeleitete Maßnahmen wie Praktikumsgutscheine auf. Kurioser geht es kaum, aber vielen Dank für diese Anerkennung unserer Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein konkreter Antrag ist auf den ersten anderthalb Seiten nicht zu erkennen. Am Ende des ersten Teils heißt es lediglich, der Landtag möge feststellen, dass eine Förderung des Individualverkehrs die Attraktivität von Ausbildungsbe- rufen erhöhen würde. Studien und Analysen gingen zwar bisher davon aus, dass Arbeitsmarktperspektiven, Berufsanforderungen, die Vielfalt der Ausbildung und vor allem die Verwendungsmöglichkeiten danach sowie Verdienstmöglichkeiten und das Image eines Be- rufes die wesentlichen Faktoren sind, die die Attraktivität von Berufsfeldern bestimmen. Aber eines stimmt natürlich: Ganz besonders in ländlichen Regionen ist die eigene Mobilität ein wichtiger Faktor, um insbesondere junge Menschen vor Ort zu halten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Kommen wir zu den inhaltlichen Forderungen. Unter Punkt II Nr. 1 fordern Sie die Einführung eines Führerscheinzuschusses - Herr Lieschke hat es erläutert: 50 %, maximal 1 500 € - für Auszubildende. Ich betone ausdrücklich: für alle Auszubildenden mit Wohnort in Sachsen-Anhalt, sofern sich deren Ausbildungsstätte auch hier befindet.

Soziale Faktoren finden sich in Ihrem Antrag aber nicht. Die Kosten schätzen Sie auf 15 Mil- lionen €. Woher Sie diese Mittel nehmen wollen, wenn Sie dem Haushalt nicht einmal zustimmen, ist fraglich. Fakt ist, dass derzeit mehr als 80 % der jungen Menschen in unserem Land auch ohne einen solchen Anreiz einen Führerschein erwerben. Viele davon leben eben auch in ländlichen Regionen.

Ich befürchte, Ihr Zuschuss produziert dadurch vor allem Mitnahmeeffekte. Die existierenden Fehlanreize haben Sie selbst erkannt. In der Antragsbegründung fordern Sie - eigentlich hätte das in den Antragstext gehört, aber lassen wir das und konzentrieren wir uns auf den inhalt- lichen Aspekt -, den - ich zitiere - „Zuschuss an eine Beendigung der regulären Ausbildungszeit zu knüpfen“. Das Ansinnen klingt logisch und soll dafür sorgen, dass die Ausbildung nicht vorzeitig abgebrochen wird. Doch kann dieses Ziel, wie Sie es formulieren, erreicht werden? Denn in der regulären Ausbildungszeit kann man mit der Ausbildung fertig sein, man muss es aber nicht. Die reguläre Ausbildungszeit kann zudem zwei, drei oder auch dreieinhalb Jahre betragen.

Die steuerlichen Fragen eines geldwerten Vorteils hat der Kollege Keindorf bereits aufgeworfen. Und was ist, wenn ein Auszubildender seine Ausbildung in einem Betrieb beginnt und in einem anderen abschließt?

(Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)

Insgesamt scheint mir ein Führerscheinzuschuss, wie ihn die AfD hier vorschlägt, mit sehr viel Aufwand, aber einem vergleichsweise geringen Nutzen verbunden zu sein. Die Überschrift klingt gut. Die Idee ist nicht neu. Als CDUFraktion sehen wir aber die von Ihnen geschätzten 15 Millionen € plus die Verwaltungskosten bei diesem Projekt mit Blick auf die Effektivität und Effizienz eher kritisch. Zur Lösung der Kern-

probleme haben wir als Koalition andere, zielgenaue und wirksame Maßnahmen bereits eingeleitet.

(Tobias Rausch, AfD: Aha! Welche denn?)

Aber lassen Sie uns im Ausschuss gern dazu beraten. Uns ist das Thema wichtig, deswegen werden wir für eine Überweisung stimmen, auch wenn der Antrag handwerkliche und inhaltliche Fehler aufweist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Tobias Rausch, AfD: Das war so eine tolle Rede!)

Danke, Herr Redlich. Die Federführung soll an welchen Ausschuss gehen?

Soziales.

Danke. - Frau Hohmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viel Wichtiges wurde von meinen beiden Vorrednern schon gesagt. Ich kann mich dem eigentlich nur anschließen.

Die AfD legt uns heute einen Antrag auf einen Führerscheinzuschuss für Sachsen-Anhalts Auszubildende vor. Wer ein bisschen recherchiert hat, der hat festgestellt, dass ähnliche Anträge

der AfD bereits in Hamburg und in Sachsen eingebracht worden sind und dort gescheitert sind. In Sachsen hieß der Antrag „Führerschein- Offensive für Sachsens Auszubildende“, in Hamburg trug er die Überschrift „Das Handwerk kommt mit dem Firmenwagen und nicht der U-Bahn - Führerschein-Programm für Hamburger Azubis“. Wir kennen das mittlerweile von der AfD: Man versucht, in den verschiedensten Bundesländern den gleichen Antrag einzu- bringen.

(Tobias Rausch, AfD: Das sagen gerade Sie! Ich lache mich tot!)

Ja, junge Menschen, vornehmlich im ländlichen Raum, haben ein Mobilitätsproblem, im Beruf- lichen wie im Privaten. Aber nur weil jemand einen Führerschein besitzt, ist er noch lange nicht mobil.

(Zustimmung von Matthias Redlich, CDU)

Auch die regelmäßigen monatlichen Kosten eines Autos oder Mopeds sollte man hierbei nicht unterschätzen. Man ist z. B. bei einem Auto, einem Kleinst- oder Kleinwagen, schnell bei monatlich 350 € bis 500 €. Das ist für viele ein Problem. Die einmalige Ausgabe für den Führerscheinerwerb bekommen viele finanziell vielleicht noch gestemmt; doch die Folgekosten sind nicht zu unterschätzen.

Zu hinterfragen ist also, wer eine finanzielle Unterstützung erhalten soll. Nach den Vorstellungen der AfD sollen alle Auszubildenden diese erhalten, auch diejenigen Auszubildenden, die einen gut angebundenen ÖPNV vor Ort haben. Wir betrachten das Ganze etwas differenzierter. Zuallererst sollten die Unternehmen für die Finanzierung bzw. die Kostenübernahme ins Boot geholt werden; denn diese haben auch etwas von den Arbeitsleistungen der Azubis, sie profitieren also davon.

In Fällen, in denen es nachweislich Mobilitätsprobleme gibt, in denen ein Ausbildungsbetrieb nicht über die finanziellen Ressourcen verfügt, in denen eine Finanzierung durch die

Arbeitsagentur oder das Jobcenter nicht erfolgt oder in denen die finanzielle Situation im Elternhaus es nicht ermöglicht, könnte man über eine anteilige Finanzierung durch das Land diskutieren - aber auch nur dann.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Bildungsausschusses haben wir mit Vertretern der IHK Halle-Dessau, der IHK Magdeburg und der Handwerkskammern Halle und Magdeburg ein Fachgespräch geführt. Wir haben dabei auch über die Mobilität diskutiert. Von den Verbänden kam z. B. der Hinweis, die Möglichkeit einer guten, wohnortnahen Beschulung zu gewährleisten und weiter zu forcieren. Davon haben wir in den letzten Sitzungen das eine oder andere schon übernommen. Sie erwähnten auch positiv, dass mittlerweile 10 000 Auszubildende das Azubi-Ticket nutzen. Es gilt, dieses weiter auszubauen.

Wir sollten uns auch die derzeitige Erstattung der Kosten für die auswärtige Unterbringung und der Fahrtkosten dorthin anschauen und diese auf den Prüfstand stellen.

Ich denke, das sind Punkte, auf die wir uns zeitnah konzentrieren sollten. Erste Überlegungen zur Umsetzung sind bereits geplant oder be- finden sich schon in der Umsetzung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD möchte jährlich Landesmittel in Höhe von 15 Millionen € für Zuschüsse zum Führerschein ausgeben.