Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Wir haben den größten Chemiepark Deutschlands bei uns. Wir haben insgesamt fünf Chemieparks. Wenn man mit den Arbeitgebern spricht, dann sagen sie immer wieder, dass sie das in Sachsen-Anhalt auch spüren, wenn es darum geht zu investieren, wenn es darum geht,

neue Unternehmen hierher zu holen, und wenn es darum geht, neue Mitarbeiter zu finden. Hier gibt es keine Demonstrationen gegen ein neues Chemieunternehmen und keine Bürgerinitiativen, die sagen: Wir wollen das nicht. Denn die Bürger wissen, wie wichtig die chemische Industrie ist. Es gibt in Sachsen-Anhalt viel Rückhalt. Deswegen gibt es auch dieses Netzwerk. Der Abg. Krause hat es gerade ein Stück weit beschrieben; das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen.

Ich will aber sagen, dass das ein Baustein, ein Instrument ist, das auch von uns aus SachsenAnhalt heraus initiiert wurde, um die chemische Industrie zu unterstützen. Es gibt chemiepolitische Dialoge. Ich habe im letzten Jahr mit meinem Kollegen Wirtschaftsminister aus Brandenburg dazu eingeladen. Wir werden das auch in diesem Jahr in Brüssel wiederholen und jeweils einmal im Jahr ein großes Forum zur chemischen Industrie auf den Weg bringen. Wir haben viele Dialogformate auf Bundes- und Landesebene initiiert, zuletzt in der Landesvertretung in Berlin. Warum? - Weil die chemische Indu- strie insgesamt vor großen Herausforderungen steht und weil wir diese Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen können.

Wir sind mit ECRN auch Mitglied in verschiedenen Arbeitsgruppen in Brüssel, bspw. in der „Just Transition Platform“, in der Plastics Alliance, im Pact for Skills und einigen weiteren. Das ist für uns deshalb wichtig, weil wir nur dort eine entsprechende Lobbyarbeit machen können. Wir arbeiten - das ist das Wichtigste - auch mit dem ECRN in der GROW, also in der Generaldirektion, die für das Thema Wachstum zuständig ist, mit. Das ist wichtig, weil wir dort auf Themen wie den „Net-Zero Industry Act“, auf REACH oder auf die Rohstoffinitiative - um nur einige zu nennen - Einfluss nehmen können im Sinne unseres Bundeslandes Sachsen-Anhalt.

Ich will noch ein paar Worte zu der Zusammenarbeit mit Berlin sagen. Wir haben sehr inten- siven Kontakt mit dem Verband der Chemischen Industrie, VCI, Nordost. Wir haben über die Chemieparks auch die Möglichkeit, regelmäßig mit den Unternehmen Initiativen zu organisieren, um zu schauen, wie wir unsere Region noch weiter voranbringen können. All das haben wir letztlich mit ECRN auf den Weg gebracht. Deshalb ist es wichtig, dieses Netzwerk, diese Plattform zu unterstützen. Ich mache das auch regelmäßig bei meinen Besuchen in Brüssel. Ich bin dort regelmäßig genau mit diesem Thema befasst und freue mich, dass der Landtag sich heute mit dieser Thematik in einer Debatte auseinandersetzt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Schulze, vielen Dank. - Wir steigen ein in die Debatte. Der erste Debattenredner ist Herr Lizureck.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einer kleinen Bestandsaufnahme zum Thema. Die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt ist seit mehr als einem Jahrhundert das industrielle Rückgrat der mitteldeutschen Wirtschaft. Zur Historie dieses Industriezweiges gehören die Förderung von Kalisalzen und Kupferschiefer sowie die Erfindung der Synthese zur Erzeugung der Faser Perlon und der Kunststoff- und Kautschuksynthese im mitteldeutschen Chemiedreieck. Noch heute ist das Chemiedreieck weit über die Landes- grenzen hinaus bekannt.

Doch die Erfolgsgeschichte bröckelt zu-

nehmend. Hohe Rohstoff- und Energiepreise,

gepaart mit einer schwankenden Versorgungssicherheit, belasten zusehends die Ertragskraft der deutschen Chemie. Die Folge ist, dass die Wettbewerbsnachteile gegenüber der interna- tionalen Konkurrenz immer weiter zunehmen. Der VCI-Präsident Markus Steilemann sagte im Mai zur konjunkturellen Lage der Chemie- branche Folgendes - ich zitiere -:

„Deutschland ist als Industriestandort international immer weniger wettbewerbsfähig. Die Gefahr ist groß, dass in der energieintensiven Chemie Investitionen und Arbeitsplätze immer stärker ins Ausland abwandern.“

Nun zu Ihrem Antrag. Im Jahre 2023 kommen nun die CDU, die SPD und die FDP mit einem Antrag, der den ganzen Jammer offenbart. Seien Sie doch ehrlich: Sie können Initiativen gründen, wie Sie wollen, das packt die Probleme aber nicht an der Wurzel des Übels. Im Vergleich mit anderen Standorten sind die Rahmenbedingungen für die europäische Chemieindustrie momentan doch alles andere als optimal.

Ich gebe Ihnen gern ein Beispiel dafür. Das europäische Wettbewerbs- und Beihilferecht führt aktuell dazu, dass Europa als Ganzes im Wettbewerb zurückfällt. Die Ideale des freien und fairen Wettbewerbs und Binnenmarkts nutzen doch nichts, wenn andere Regionen auf der Welt diesen Spielregeln nicht folgen. Zur Erinnerung: Handel und Wirtschaft erfolgen in diesen Tagen global. Während die Marktanteile asiatischer und US-amerikanischer Konkurrenten in rasantem Tempo wachsen, ging die Produktion in der deutschen Chemiebranche im ersten Quartal 2023 zurück. Auch die Umsätze waren in fast allen Sparten rückläufig. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Es ist daher kein Wunder, dass der VCI angesichts der anhaltend schwierigen Lage für die Branche für das Geschäftsjahr 2023 weiterhin

von einem Produktionsrückgang um 5 % ausgeht. Für die Chemieproduktion, ohne Pharma gerechnet, rechnet der Verband mit einem Minus von sage und schreibe 8 %. Um sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld wie der Chemieindustrie behaupten zu können, müssen sicherlich neue Wege beschritten werden, aber - das sage ich Ihnen ganz klar - garantiert nicht mit dem Märchen vom grünen Wasserstoff.

Sachsen-Anhalt bezeichnet sich selbst als Vorreiter, wenn es um den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft geht. Dass ich nicht lache! Sie feiern sich ständig und vergessen dabei, dass Sie so gut wie nichts gebacken bekommen. Siehe die Digitalisierung. Im europäischen Ranking belegt Deutschland den vorletzten Platz und Sie sprechen schon seit Jahrzehnten davon.

Ich komme zurück zum Thema. Was meinen Sie, welche Menge an Wasserstoff an welchen Standorten aktuell in Sachsen-Anhalt produziert wird? Dazu zitiere ich natürlich gern aus der im Nachgang zur 13. Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt übermittelten Antwort:

„Der Landesregierung liegen keine gesicherten Daten zu Produktionsmengen für Wasserstoff auf Landesebene vor.“

Weiter heißt es im Text:

„Die wichtigsten Standorte zur Herstellung von Wasserstoff liegen dabei in Leuna [...], Bitterfeld-Wolfen [...], Schkopau [...], Bernburg [...] und Lutherstadt Wittenberg [...].“

Auch hierzu kommt wieder der gleiche schnöde Verweis - ich zitiere abermals -:

„Zur Auslastung der Produktionskapazitäten liegen der Landesregierung keine Informa- tionen vor.“

Aber wir sind Vorreiter.

So lustig geht es weiter. Interessant wird es bei der Beantwortung der Frage, ab wann der erste Wasserstoff in die Kavernen von Bad Lauchstädt eingelagert werden soll. Hierbei muss ich mir echt das Lachen verkneifen. Laut dem Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt soll der Realbetrieb zur Einlagerung von grünem Wasserstoff in Bad Lauchstädt in den Jahren 2027, 2028 beginnen. Ich gebe dazu einmal einen gut gemeinten Rat: Fangen Sie erst einmal an zu rechnen, bevor Sie das Geld des Steuerzahlers verschwenden. Ich kann Ihnen schon heute verraten, dass mit Wasserstoff keine marktfähige Energiebasis in Deutschland aufgebaut werden kann.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber mit dem wollten Sie doch sonst immer Auto fahren!)

Beherzigen Sie meinen Rat und arbeiten Sie endlich wie ein guter Kaufmann, der nicht in Märchenbüchern liest, um sich seine Inspiration zu holen. Ihre derzeitige Politik führt die Bürger dieses Landes in die Armut und unsere Betriebe in andere Länder.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ganz ehrlich: Es ist an der Zeit, dass der Verstand regiert. - Ich bedanke mich. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Lizureck. - Es folgt als nächster Redner Herr Silbersack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lizureck!

(Frank Otto Lizureck, AfD: Ja!)

Das Thema ist das Vorantreiben von Lobby- arbeit innerhalb Europas. Sie haben versucht, einen Rundumschlag zu machen, aber das ist gar nicht das Thema.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Der redet die ostdeutsche Chemie schlecht!)

Es wäre schön gewesen, wenn Sie einmal in einem Antrag darauf eingegangen wären, dass sich Sachsen-Anhalt um die Stärkung der Lobbyarbeit im Bereich der Chemie kümmert. Selbiges haben Sie nicht getan, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP - Frank Otto Lizu- reck, AfD: Dummerweise stört das die Bewe- gung! Und: Die Wahrheit gehört immer zum Thema!)

Das European Chemical Regions Network ist von Sachsen-Anhalt - das wurde schon gesagt - mit gegründet worden. Warum ist dieses Netzwerk wichtig, und warum ist es wichtig, dass wir es stärken? Es gibt zwei Gründe. Der eine Grund sind die Energiekosten. Die Energiekosten sind für die Chemieindustrie sehr hoch und wir haben natürlich auch das Thema Green Deal bzw. Energiewende. Alles, was energieintensiv ist, ist ein Problem, insbesondere für die Chemieindustrie. Deshalb gibt es die Diskussion in Ludwigshafen, ob sich der Standort noch lohnt. Deshalb wird natürlich nach einer Lösung gesucht.

Der Wissenschaftsminister und auch der Wirtschaftsminister haben in der Vergangenheit das Thema Wasserstoff vorangetrieben. Wer nach Leuna fährt, der sieht gerade bei Fraunhofer, wie man versucht, diese Energie der Wende voranzubringen. Das heißt, dieses Thema

müssen wir in den Griff bekommen. Dieses Problem haben nicht nur wir allein, sondern das haben auch alle anderen Regionen, die in diesem Netzwerk sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns innerhalb dieses Netzwerkes abstimmen und Lobbyarbeit machen.

Das andere Thema, das wir haben, sind Verbote. Es gibt die sogenannte Europäische Chemikalienagentur. Die Chemikalienagentur hat eine Beschränkungsvorlage mit Datum vom 7. Februar 2023 geschaffen, in der mehrere Hundert Chemikalien enthalten sind, die auf die Verbotsliste kommen sollen. Das ist ein Problem.

Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Diese zwei Probleme also - das eine sind die Verbote, das andere sind die Energiekosten - müssen wir in den Griff bekommen.

Deshalb muss man selbstverständlich mit den anderen europäischen Partnern nach Brüssel gehen, wo das angesiedelt ist, und muss dort mit den anderen gemeinsam Lobbyarbeit betreiben, damit diese Verbote durch die Europäische Chemikalienagentur nicht umgesetzt werden. Das macht man dadurch, dass man sich miteinander verbündet und sagt: Das wird so nicht umgesetzt. Das hilft unserer Chemieindustrie, unseren 12 000 Arbeitnehmern, die in Sachsen-Anhalt in diesem Bereich beschäftigt sind, und es hilft der Chemie insgesamt.

Bei dem Thema Energiekosten ist das Problem bekannt. Deshalb müssen wir technologieoffen schauen: Was ist machbar? Es bringt uns gar nichts, wenn wir die Chemieindustrie nicht zukunftsfähig machen. Das ist unsere vordergründige Aufgabe.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Dieser werden wir uns stellen, meine Damen und Herren.

Dieser Antrag dient also dazu, dass wir gestärkt in die Lobbyarbeit in Brüssel hineingehen können, um auf diese Art und Weise den Standort der Chemie in Sachsen-Anhalt zu stärken und zukunftsfähig zu machen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Es gibt eine Intervention von Herrn Lizureck. - Herr Lizureck, bitte.

Herr Silbersack, erkennen Sie doch endlich einmal an, dass Ihre Politik quasi die Ursache für die riesigen Probleme der Chemieindustrie in unserem Bundesland ist.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)