Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

Für weitere Schritte auf der Landesebene bitte ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag sowie zur Beschlussempfehlung des Ausschusses. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)

Danke, Herr Teßmann. - Für die AfD Herr Köhler, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es vergeht wohl keine Sitzung in der deutschen Parlamentslandschaft, in der nicht das Thema der Fachkräfte zumindest angeschnitten wird, und zwar völlig zu Recht. Denn in vielen Bereichen drohen massive personelle Engpässe mit weitreichenden Konsequenzen für jeden Einzelnen. Mal ist man direkt betrof-

fen, wenn es vielleicht um einen Facharzttermin geht, und mal auch indirekt. Ich denke dabei an den Lehrermangel als ein omnipräsentes Thema im Bildungsausschuss, wir reden häufig über das Problem des Nachwuchsmangels im Handwerk, ich denke an den medizinischen Bereich, wenn es um Pflegefachkräfte geht, oder es geht, wie in der heutigen Debatte, um das Fachpersonal in den Kindertagesstätten.

Bevor wir also über den Antrag reden, sollten wir an dieser Stelle einmal grundsätzlich werden. Das Grundproblem ist der - gern verniedlichend so bezeichnete - demografische Wandel, der letzten Endes nichts anderes bedeutet, als dass die Bevölkerung vergreist und wegstirbt. Im vergangenen Jahr gab es im Bundesland Sachsen-Anhalt insgesamt 14 500 Geburten. Das ist ein Tiefstand seit 1994. Dem gegenüber standen im letzten Jahr 37 000 Todesfälle. Das bedeutet letzten Endes nichts anderes, als dass eine Kreisstadt wie Burg still und leise aus Sachsen-Anhalt verschwunden ist. Das heißt nichts anderes, als dass die Fachkräfte, über die wir so häufig im Plenum reden, nie geboren wurden. Zur Wahrheit gehört auch: Mittels Schlauchboot werden keine neuen Fachkräfte kommen. Das muss als Wahrheit einmal gesagt werden.

(Zustimmung bei der AfD - Guido Kosmehl, FDP: Aah!)

Dennoch sind wir angehalten, uns wieder mit einem dieser Symbolanträge zu befassen, in welchem die Folgen und der Istzustand zwar aufgegriffen und beschrieben werden, aber keinesfalls die Ursachen benannt werden.

Zurück zum Antrag. Ja, es fehlen Erzieher. Das ist ein ernstes Problem. Auch, wie im Antrag beschrieben, wissen wir nicht, wo das ausgebildete Fachpersonal abbleibt. Im Antrag selbst wird auch gefordert, Wünsche und Bedürfnisse

der entsprechenden Zielgruppen zu identifizieren und daraus Konsequenzen bzw. Handlungsleitfäden abzuleiten. Das kann selbstverständlich unterstützt werden. Die praxisintegrierte Ausbildung bewerten auch wir als AfD-Fraktion positiv und unterstützen grundsätzlich den Gedanken einer weiteren finanziellen Verstetigung in den damit verbundenen weiteren Ausbildungsjahrgängen.

Zu der im Antrag erwähnten Anerkennung der ausländischen Fachkräfte. Ja, in den überschaubar geringen Mengen, in denen diese tatsächlich vorhanden sind, ist das unter größter Sorgfalt zu erledigen. Das gleiche gilt für die Nichtschülerprüfung. Denn auch in dieser schwierigen Situation dürfen wir nicht an der Qualität sparen und müssen sicherstellen, dass wir an klaren Standards festhalten.

Eine große Schwäche des vorliegenden Antrages ist der Versuch, aus anderen Bereichen wie Bildung, Erziehung oder Gesundheitswesen Personal abzuwerben. Natürlich ist es aus der Sicht der Kindertagesstätten sinnvoll, Logopäden, Sozialarbeiter oder Heilpädagogen abzuwerben. Das würde aber letztlich zur Folge haben, dass wir in einer der folgenden Plenardebatten wieder Anträge bspw. aus der Sicht der Schule oder dem medizinischen Bereich sehen würden, woher wir dann wiederum diese Fachkräfte bekommen. Das wird nur wieder unnötig an anderen Stellen Löcher aufreißen, und zwar in sensiblen Bereichen, in denen bereits ein Fachkräftemangel vorliegt. Das führt letztlich nur zu einer Verlagerung der Probleme und damit ist am Ende keinem geholfen.

Die Lösungen müssen in der Bevölkerungsentwicklung liegen und danach können wir Schwerpunkte auf Attraktivität und Ausbildung legen. Gleichwohl möchte ich hier den Vorschlag machen, etwa Möglichkeiten zur nebenberuf- lichen Ausbildung parallel zu einem bestehen-

den Anstellungsverhältnis durchaus weiter zu eruieren. Menschen, die mitten im Leben stehen, lassen sich wohl eher für einen Spurwechsel motivieren und in den Bereich der Kindertagesstätten einbinden, wenn ihr Lebensstandard dadurch nicht gekippt wird.

Kurzum: Wir halten den Antrag in der jetzigen Form für ungeeignet, das Problem zu lösen, würden aber einer Ausschussüberweisung dennoch grundsätzlich zustimmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl. - Bitte.

Herr Köhler, ich habe eine Frage. Ihre Haupt- lösung ist ein Bevölkerungszuwachs. Stimmen Sie mir zu, dass wir, wenn wir diese Lösung jetzt weiter verfolgen würden und wenn wir jetzt plötzlich mehr Geburten hätten, frühestens in 18 bis 19 Jahren möglicherweise Personen zur Verfügung hätten, die dann zu Fachkräften werden könnten, und dass wir damit das Fachkräfteproblem, das wir jetzt haben, nicht lösen können?

(Zurufe von der AfD)

Pst!

Herr Kosmehl, ich würde es vielleicht so beantworten: Vielleicht stimmen Sie mir zu, dass seit

vielen Jahrzehnten die etablierte Politik die Bevölkerungsentwicklung nicht auf dem Schirm hat und sie einfach total versagt hat. Deswegen reden wir heute an dieser Stelle über genau dieses Problem.

(Zustimmung bei der AfD)

Für die Fraktion der FDP Herr Pott. - Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Situation in der Kindertagesbetreuung in Sachsen-Anhalt und der Fachkräftemangel aufgrund einer Steigerung der Qualität in diesem Bereich beschäftigen den Landtag jetzt nicht das erste Mal und werden mit Sicherheit in dieser Legislatur- periode noch das eine oder andere Mal diskutiert werden.

Frühkindliche Bildung und Kindertagesbetreuung sind die Grundlage dafür, dass Kinder wichtige Grundlagen erlernen können, Freunde und Freundinnen gefunden werden können oder aber eben innerhalb des Bereichs der frühkindlichen Bildung erste Erfahrungen gesammelt werden können. Auch die Zahlen der Schuleingangsprüfungen zeigen, wie wichtig die frühkindliche Bildung insgesamt ist.

Doch auch für die Eltern ist ein gut ausgebildetes Kindertagesbetreuungsangebot ein wesentlicher Entlastungsfaktor. Gerade wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, ist das ein wichtiger Punkt.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich glaube, den sollten wir nicht außer Acht lassen. Damit ist frühkindliche Bildung auch ein Wirtschaftsfaktor.

Zur aktuellen Situation können wir festhalten, dass Sachsen-Anhalt ein breites Angebot an Kindertagesbetreuung hat, seien es die Krippe, der Kindergarten oder nach der Schule der Besuch im Hort. Ein solch umfangreiches Angebot in der Fläche ist in kaum einem anderen Bundesland so vorhanden wie in Sachsen-Anhalt. Auch das muss man hier einmal erwähnen. Ich glaube, wir können auch durchaus stolz darauf sein, dass wir es dort schaffen, die Eltern entsprechend gut zu entlasten.

(Zustimmung bei der FDP)

Jedoch kommen - das möchte ich gar nicht abstreiten - neben den positiven Aspekten eben auch immer wieder negative Belastungen auf die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung zu; seien es weitere Regenerationstage mit Aus- wirkungen auf den Personalschlüssel oder aber der Fachkräftemangel, den ich eben schon erwähnt habe und der dann auch einen Einfluss auf die Schließzeiten hat.

Der Fachkräftemangel ist in allen Sektoren in Sachsen-Anhalt spürbar, sei es in der Pflege, dem Handwerk oder eben in der Kindertagesbetreuung. In Sachsen-Anhalt schließen jährlich um die 1 000 Schüler die Ausbildung ab, verbleiben dann aber entweder nicht im Bereich der Kindertagesbetreuung oder nicht im Land. Wir dürfen aus meiner Sicht als Politikerinnen und Politiker nicht zu sehr in den Entscheidungsprozess eingreifen, den Absolventinnen und Absolventen nach einer abgeschlossenen Ausbildung durchlaufen. Wir müssen vielmehr versuchen, die richtigen Rahmenbedingungen zu finden, damit die Absolventen im Land bleiben und das Land Sachsen-Anhalt attraktiver wird.

(Zustimmung bei der FDP)

Die Bindung der Fachkräfte kann nicht allein durch das Land und die Politik geregelt werden. Wir müssen dazu in einen Dialog mit den Trägern der Einrichtungen eintreten. Die müssen wir in den Prozess involvieren und gemeinsam in einen Austausch gehen. Zusammenarbeit sollte dabei im Fokus stehen.

Grundsätzlich gilt es auch, über den Bereich der Ausbildung zu diskutieren und, wenn nötig, auch dafür über Attraktivitätssteigerungen oder mögliche Attraktivitätssteigerungen zu sprechen. Damit können wir möglichst viele Menschen zur Ausbildung bewegen. Auch das werden wir mit Sicherheit brauchen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch die praxisintegrierte Ausbildung. Sie steigert die Attraktivität der Ausbildung und erhöht die Bindung der Auszubildenden an den Ausbildungsbetrieb.

Weitere Möglichkeiten zum Entgegenwirken stellt die Ausbildung für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger dar. Sie ermöglicht es, die benötigten Vorpraktika zu fördern und die Betroffenen zu unterstützen und somit den Zugang zur Ausbildung zu erleichtern. Auch die Schulgeldfreiheit der Erzieherausbildung trägt maßgeblich zur Attraktivitätssteigerung bei.

Ich möchte es trotzdem noch einmal betonen: Wir brauchen jede einzelne Fachkraft und wir müssen über vielfältige Möglichkeiten

sprechen, um die Ausbildungsattraktivität zu steigern.

(Zustimmung bei der FDP)

Abschließend möchte ich eines noch einmal kurz festhalten: Sachsen-Anhalt besitzt ein breit aufgestelltes Angebot an Kindertagesbetreuung, das es in kaum einem anderen Bundesland

in Deutschland so gibt und welches förderlich für die Kinder, aber eben auch entlastend für Eltern ist. Das wollen wir natürlich beibehalten, aber in Zukunft stärker den Aspekt der Qualität mit den Blick nehmen und möglichst für Qualitätssteigerungen sorgen, sodass wir den Beruf sowie die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher attraktiver gestalten. Gerade mit Blick auf ein gutes Bildungsangebot müssen wir bereits den frühkindlichen Bereich stärker in den Fokus nehmen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Gerade die aktuellen Zahlen bei den Schuleingangsprüfungen, die ich erwähnt habe, geben mit Sicherheit Grund zur Sorge. Wir müssen diesen Bereich stärker in den Fokus nehmen.

Wir stimmen dem Alternativantrag der Koali- tionsfraktionen sowie der vorliegenden

Beschlussempfehlung zu. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Danke, Herr Pott. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau SziborraSeidlitz.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erzieherinnen und Erziehern vertrauen wir unser Wertvollstes an. Wir geben unsere Kinder nicht nur zur Aufbewahrung und Betreuung in ihre Hände, sondern sie tragen auch bei zu umfassender, frühkindlich beginnender Bildung, zum Blick in die Welt und auf die Welt, zu Selbstbewusstsein und Bewusstsein für andere. Sie helfen uns, dass aus unseren Kindern Leute werden. Sie tun das umfassend, fundiert ausgebildet und professionell.

Wer einen Beruf erlernt, möchte diesen auch entsprechend seines Berufsethos ausüben, will gelernte Qualitätsstandards umsetzen, will den Ansprüchen wissenschaftlicher Erkenntnis Genüge tun und will seinen Job einfach gut machen. Das gilt erst recht, wenn der Beruf unmittelbar mit der Betreuung, Begleitung und Erziehung von Menschen einhergeht. Man will diesen Menschen gerecht werden. Persönlich kenne ich das aus der Pflege. Wenn knappe Personalressourcen und eng getaktete Zeitabläufe die Arbeit bestimmen und wenn das Gefühl an einem nagt, den überantworteten Menschen nicht gerecht werden zu können und eigene Gütekriterien nicht erfüllen zu können, dann verursacht das Stress und, wenn es dauerhaft stattfindet, eine geradezu existenzielle Unzufriedenheit. Die eigene Arbeit genügt dann einfach nicht. Man bleibt den zu pflegenden oder zu betreuenden Menschen einfach etwas schuldig. Genau das berichten auch Fachkräfte in den hiesigen Krippen, Kitas und Horten. Sie können ihren eigenen Ansprüchen als Fachkraft nicht gerecht werden, weil die Arbeitssituation es nicht zulässt.

Die nötigen Voraussetzungen, damit junge Fachkräfte bei uns in Sachsen-Anhalt bleiben und dauerhaft arbeiten, liegen daher eigentlich auf der Hand: Arbeitsbedingungen, die ihrer hoch qualifizierten Ausbildung gerecht werden. Mehr Fachberatung, mehr Zeit für Fortbildungen und mehr Personal in besonders herausgeforderten Einrichtungen sind die Antworten darauf noch aus der Kenia-Koalition. Es sind Antworten, die weiterhin stimmen. Gerade die Sonderförderung von Einrichtungen mit besonderen Bedarfen ist ein pragmatischer Weg, um gutes Arbeiten zu fördern. Es ist ein Weg, der dringend ausgebaut werden muss. Ehrlich gesagt, ist es egal, ob es dafür Bundesmittel gibt oder nicht. Dieser Weg gehört ausgebaut.

Natürlich ist die grundlegende Lösung eine Verbesserung des Personalschlüssels inklusive der Anerkennung von Vor- und Nachbereitungs- zeiten. Wenn man genau hinhört, dann sind auch im politischen Raum immer wieder einmal Äußerungen zu vernehmen im Ausschuss, im Plenum und in Arbeitsrunden, die das für die nahe Zukunft nicht ganz ausschließen. Das sind zumindest Worte in die richtige Richtung. Lassen Sie ihnen Taten folgen.

Neben guten Arbeitsbedingungen gibt es natürlich auch ganz praktische Gründe, warum junge Menschen nach der Erzieherinnenausbildung im Land bleiben, bspw. wenn sie bereits eine Einrichtung, einen Träger kennengelernt haben. Der - salopp genannt - Klebeeffekt ist nicht zu unterschätzen. Den von der LINKEN geforderten Ausbau der praxisintegrierten Ausbildung

unterstützen wir an dieser Stelle deshalb ausdrücklich. Dann haben nämlich Einrichtungen über die gesamte Zeit der Ausbildung die Möglichkeit, von sich zu überzeugen, für sich zu werben und sich als möglichen, attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren.