zial seien. Jetzt berufe ich mich - ich weiß nicht, ob er da ist, doch er ist da - auf den Präsidenten des Landesrechnungshofs, der in seinem Leben, bevor er hier Abgeordneter war, schon mal eine andere Tätigkeit hatte, nämlich auch zuständig war für die Errichtung einer Kläranlage. Wie er mir erzählt hat, ist dort, und das war nicht in Thüringen, keine Beitragsbescheidung vorgenommen worden, sondern eine Gebührenfinanzierung. Offenkundig geht es woanders. Und alles wird hier immer als alternativlos dargestellt.
Herr Ministerpräsident, Sie haben es ja gesagt, in über der Hälfte aller Trinkwasserbereiche gibt es gar keine Beitragsbescheide, und in einem Viertel aller Abwasserbereiche/Zweckverbände gibt es auch keine Beitragsbescheide.
Sind die unsozial, sind die arrogant oder überheblich oder haben die schlechter investiert? Möglicherweise haben die einfach nur vernünftige Regelungen mit ihren Bürgern getroffen. Ich glaube, da muss man wirklich auch mal in die Globalkalkulation rein. Das interessiert uns nämlich auch, nicht uns, aber die Bürger: Wie viel Zinsen werden eigentlich für die Investitionen in die Kalkulation aufgenommen? Ich würde mir mal wünschen, wenn in der Globalkalkulation nur Zinsen mit errechnet würden, wie sie der Bürger auf seinem Sparbuch gutgeschrieben kriegt, und nicht eine Verzinsung, die in die Kalkulation einfließt, von 7 Prozent und ähnliche Größenordnungen, wo ich sage, allein darüber könnte man jede Menge Luft aus der Kalkulation rausnehmen. Da sage ich, von oben nach unten haben wir hier eine Änderung vorzunehmen. Das, was an kommunaler Selbstverwaltung hier hochgehalten worden ist, ist die Entmündigung der Bürger und ist die Benutzung der
Bürgermeister in einer Auseinandersetzung, bei der ganz andere verdienen und verdient haben. Die Gebühren, die eingenommen worden sind, sind die Gebühren der Planer, die die zu großen Anlagen gebaut haben. Die haben sich die Taschen voll gehauen, haben das Zeug in die Landschaft gesetzt und sind dann weitergezogen, und heute haben wir den ganzen Ärger hier auf dem Hals. Haben Sie doch mal den Mut als Thüringer Landespolitiker, nicht nur anzukündigen, dass man es ändert, sondern jetzt vor dem 13. Juni ein Gesetz zu erlassen, bei dem die Bürger wissen, vor dem 13. Juni haben sie für Trinkwasser in Zukunft keine Beitragsbescheide mehr zu erwarten. Aber das muss im Staatsanzeiger dann drin sein.
Meine Damen und Herren, nach dem 13. Juni brauchen wir nicht nur eine Wende in der Abwasser- und Trinkwasserpolitik und in der Beitragspolitik, wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir brauchen eine völlige Neuorientierung, und die orientiert sich an den Überlegungen, die ich hier dargestellt habe. Es geht anders. Und man kann sich an anderen europäischen Staaten, aber auch an westlichen Bundesländern orientieren, dass Beiträge und Gebühren anders kalkulierbar sind. Was wir brauchen, ist Transparenz, ist Offenheit; was wir brauchen, ist eine Abkehr von der Betonpolitik und von dem Größenwahn, der in Thüringen hier eingesetzt hat. Deswegen, meine Damen und Herren, nicht nur ein Wahlkampfgeschenk, das Sie hier machen, um die Wahlen zu gewinnen, sondern tatsächlich den Bürgern jetzt ein Gesetz auf den Weg und in die Hand geben, auf das sie sich verlassen können, deswegen nicht nur Aussetzung der Beitragsbescheide, sondern Aufhebung, Neukalkulation, Transparenz schaffen, die Unterlagen auf den Tisch, Einsicht nehmen lassen und dann in den Zweckverbänden endlich einen neuen Weg gehen. Es wäre Zeit, Herr Ministerpräsident, wirklich mit 14 Jahren dieser schlechten Kontinuität zu brechen,
den Mut haben zu sagen, wir gestehen, dass da viel schief gegangen ist, und jetzt ab sofort gehen wir neue Wege. Aber bitte, ich habe es vorhin gesagt, wie Johann Wolfgang von Goethe gesagt hat, nur was du schwarz auf weiß hast, kannst du nach Hause tragen.
Die Bürger werden sehr genau darauf achten, ob ein ausgesetzter Beitragsbescheid nach der Wahl ihnen wieder präsentiert wird, dann wären sie zum wiederholten Male an der Nase herumgeführt worden, und da hoffen wir, dass es möglich ist, mit der Kraft des hohen Hauses insgesamt ein Gesetz zu verabschieden, das noch in den nächsten Tagen anfängt Klarheit zu schaffen. Wenn Sie eine Anhörung machen wollen, können wir auf die Ladungsfristen verzichten. Wir können uns auf ein verkürztes Verfahren einigen. Sie haben es doch auch fertig gebracht bei einem Gesetz, wie dem Bestattungswesen, es so durch den Landtag zu peitschen, dass Sie es heute noch über die Bühne kriegen wollen,
dann machen Sie es doch mit dem, was Sie am 1. Mai angekündigt haben, ebenso. Verkürzen Sie die Fristen, schaffen Sie Rechtssicherheit, dann würden die Bürger hochschauen zu Ihnen, aber so haben sie das Gefühl, dass sie nur vor der Wahl getäuscht werden sollen. Deswegen sage ich, so lange Sie nicht Taten folgen lassen, die Sie nachlesbar in den Protokollen des Thüringer Landtags auch einklagbar für die Bürger gestalten, und Rechts
sicherheit nicht schaffen, so lange nenne ich Sie den David Copperfield der Thüringer Abwasserpolitik.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Ihre Not muss schon ganz schön groß sein, Ihre Not und vor allen Dingen auch Ihre Angst um den Verlust der absoluten Mehrheit im Lande Thüringen, dass Sie ein solches Papier, ein solches Werk, Sie nennen es Regierungserklärung, hier dem Thüringer Landtag vorlegen. Acht Seiten halbseitig beschrieben, mit Verlaub, Herr Althaus, das ist keine Regierungserklärung, das ist eine Bankrotterklärung.
Ihre Ausführungen, die Sie vorhin dazu noch gemacht haben, die machen die Sache nicht besser, sie verschärfen das Problem eigentlich noch. Sie sind seit einem knappen Jahr Ministerpräsident unseres Freistaats.
Sie haben in dieser Zeit die verschiedensten TalkshowSessel ausprobiert, Sie haben sich als Außenminister Thüringens generiert, Sie haben als Bundesratspräsident die Klaviatur der Bundespolitik gespielt, meist kamen jedoch Misstöne dabei heraus,
Sie sagen immer nur dann, wie es nicht geht. Was machen Sie denn eigentlich für Thüringen? Was machen Sie denn eigentlich in Thüringen, Herr Althaus?
Sie erklären am 3. Juli 2003 in Ihrer Regierungserklärung zu diesem jetzt hier auf der Tagesordnung stehenden Thema "Wasser und Abwasser" in ganzen 13 Zeilen - im
Protokoll so nachzusehen - sinngemäß, es muss etwas geschehen. Jawohl, Herr Ministerpräsident, es muss etwas geschehen und schon nach 10 Monaten, am 1. Mai 2004, da geschieht etwas. Aber was eigentlich, meine Damen und Herren, was geschieht hier eigentlich? Was ist eigentlich in den letzten viereinhalb Jahren geschehen auf dem Gebiet im Freistaat Thüringen?
Wir haben im Sommer 2000 in diesem Haus das Kommunalabgabengesetz geändert. Der § 7 wurde u.a. damals um wesentliche Bestandteile ergänzt, Stundungsregelung etc. Verjährungsfristen wurden zweimal verlängert. Bei einigen Zweckverbänden hat das dazu geführt, dass das Leiden nur verlängert worden ist, aber das nur nebenbei. Und man wusste schon lange, bei den Zweckverbänden stimmt vieles nicht. Sie wurden überprüft, alle 180. Tiefenprüfung nannte sich das, dauerte eineinhalb Jahre. Okay, so was muss gründlich gemacht werden. Am Ende stand ein Abschlussbericht und für jeden Zweckverband - für jeden - eine Handlungsempfehlung. Ziel des Ganzen: die Zweckverbände von ihren teilweise horrenden Schulden runterzubringen, effizienter zu arbeiten. Und wodurch, was ist der Tenor in allen diesen Handlungsempfehlungen? Durch kostendeckende Gebühren und Beiträge. Das war die Politik der Landesregierung in den letzten viereinhalb Jahren. Richtig, sage ich. Ja, ich sage, richtig.
Ihr zuständiger Minister hat alles getan, um die Zweckverbände dazu zu bringen - oder Ihre zuständigen Minister, es waren ja mehrere auf diesem Gebiet -, wozu sie nach wie vor in Thüringen verpflichtet sind, nämlich ihre Investitionen über Beiträge zu refinanzieren. Und was machen Sie, Herr Althaus? Sie schmeißen im Handstreich sämtliche Bemühungen Ihrer eigenen Regierung und der Beteiligten vor Ort über den Haufen und verkünden das auf Ihrem Wahlkampfauftakt Ihrer Partei sozusagen als einen vollkommenen Paradigmenwechsel in der Wasser- und Abwasserpolitik.
Warum tun Sie das eigentlich? Haben wir etwas verpasst? Liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich seit dem 1. Mai 2004 etwa die Rechtslage geändert in Thüringen oder in der Bundesrepublik Deutschland? Nein, es war etwas anderes. Es protestieren zig tausende Menschen gegen horrende Beiträge. Zu Recht tun sie das, meine Damen und Herren, aber diese horrenden Beiträge haben klar definierte Ursachen. Anstatt aber diesen Ursachen nachzugehen - und da nützt es gar nichts, wenn Sie hier die einzelnen Beispiele auflisten, ich könnte Ihnen noch genauso viele und noch mehr Beispiele mit noch viel höheren Beträgen hier darlegen - aber anstatt diesen Ursachen nachzugehen - ich weiß, das ist schwer, Herr Alt
haus, und man muss den Menschen komplizierte Zusammenhänge erklären -, da gehen Sie her und beseitigen mit einem Schnitt einfach die Symptome in einem nie gekannten Populismus.
An dieser Stelle, mit Verlaub, Herr Ministerpräsident, ich erkenne da erschreckende Parallelen zwischen Ihnen und dem, was die PDS in den letzten Monaten zu diesem Thema hier uns offeriert hat. Auch Herr Ramelow hat jetzt dieses leider wieder bestätigt. Gnadenloser Populismus sind diese Vorschläge, sind diese Maßnahmen, die Sie am 1. Mai verkündet haben.
Ich will Ihnen mal was sagen, ganz persönlich, Herr Althaus: Wir hätten es uns einfach machen können, wir von der SPD, wir sind - ist Ihnen ja besonders recht gewesen damals - seit 1999 in der Opposition, wir hätten uns auch hinstellen und sagen können, jawohl, das muss alles weg, das ist alles ungerecht. Wir haben - und ich persönlich - in den letzten eineinhalb Jahren, seitdem ich dieses Thema beackere, immer so argumentiert und immer solche Vorschläge auf den Tisch gelegt, als müsste ich das selbst morgen in Verantwortung umsetzen. Leider ist das
bei Ihren Vorschlägen offensichtlich jetzt nicht der Fall. Nun kann ja jeder spekulieren, welche Gründe das haben mag. Aber nichtsdestotrotz, ich will Ihnen,
damit Sie sich noch mal in Erinnerung rufen, was da jetzt eigentlich passiert, noch mal ein Zitat von unserer Landtagssitzung vom 1. April, also ziemlich genau vor einem Monat, als auf unseren Antrag das Thema hier auf die Tagesordnung kam, offerieren. Dann vergleichen Sie mal dieses Zitat mit dem, was - ich nehme an, Sie waren alle da - Sie am 1. Mai in Apolda auf Ihrem Parteitag gehört haben. Ich zitiere, Frau Präsidentin, aus dem Protokoll, aus der Rede von Innenminister Trautvetter: "Ich bin an dieser Stelle dankbar, dass in dem Antrag der SPDFraktion nach der Einschätzung der Belastungen durch Beiträge und Gebühren gefragt wird, denn das ist genau der Punkt, der in den Diskussionen der letzten Wochen zum Teil übersehen wurde. Wenn von einigen, wie ich meine, rein populistisch und wider besseres Wissen die gänzliche Abschaffung von Beiträgen gefordert wird, dann wird verschwiegen, dass dies zu einer Erhöhung der Gebühren führen muss, und diese hohen Gebühren sind dann nicht nur jetzt, sondern die nächsten 10, 20, 30 Jahre von den Gebührenzahlern zu tragen. Genau das soll man
aber auch jenen Bürgern sagen, die Mieter sind, und die dann durch erhöhte Gebühren die eingesparten Beiträge zusätzlich tragen müssten.
Die Erhebung von Beiträgen und Gebühren ist deswegen auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit bei der Abgabenerhebung." Recht hat er, der Mann, der Herr Trautvetter, Recht hat er. Und das will schon was heißen, wenn ich das sage.
Ja, Herr Trautvetter, Sie sagen hoi, ich will Ihnen mal was ganz anderes sagen, was ganz Persönliches im Hinblick auf diese Dinge: Sie sind ein Südthüringer wie ich auch. Man sagt uns nach, wir sind ein stolzes Völkchen.