Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

Das, was Sie bislang unterbreitet haben, ist weder konkret noch verlässlich. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Krauße zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sicher, mit der Frage Wasser, Abwasser, mit Beiträgen und Gebühren beschäftigen wir uns eigentlich schon seit zehn Jahren extrem intensiv. Das kann ich zumindest für unseren Arbeitskreis Umwelt und den Landesfachausschuss sagen. Viele Dinge, die jetzt vorgeschlagen wurden und die zugegebenermaßen in dem Gesetzentwurf der PDS aufgeschrieben sind, diskutieren wir auch schon sehr lange. Wir wissen aber auch, und wir wissen es deshalb so genau, weil wir uns mit den entsprechenden Leuten in der Praxis intensiv verständigt haben - mit Geschäftsführern, mit Werkleitern, mit Verbandsvorsitzenden -, dass es sehr, sehr große Probleme in der Umsetzung gibt. Dessen sind wir uns völlig bewusst.

Wenn ich heute Morgen die Redebeiträge so verfolgt habe, dann ist unterm Strich - wie jetzt bei Herrn Dittes auch wieder - eigentlich nur festzustellen, in dem einen Satz sagt man, das geht alles nicht und im nächsten Satz sagt man, das, was alles nicht geht, müssen wir aber ganz schnell machen. Wir wissen doch ganz genau, dass die der Frage der kommunalen Selbstverwaltung und ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung eine Sache ist, die nicht ganz einfach bewerkstelligt werden kann. Wir brauchen die Zeit, mit den Spitzenverbänden zu reden, und da meine ich nicht nur den Gemeinde- und Städtebund, da meine ich auch den Mieterbund, da meine ich Haus und Grund und da meine ich vor allen Dingen auch Vertreter der kommunalen Verbände. Man kann sich hier

nicht hinstellen und so tun, als wäre das Verbandsgebilde in Thüringen oder die Verbände in Thüringen eine homogene Masse, wo überall alles schlecht läuft.

Herr Dittes, wenn Sie sagen, der Mieter ist nicht betroffen, dann scheint der Vorsitzende des Mieterbunds ganz anderer Auffassung zu sein. Dann geistern Zahlen von Verdoppelungen der Gebühren im Trinkwasserbereich durch den Blätterwald. Wir haben natürlich Verbände, die das alles ohne Beitragserhebung schaffen, die auch gut gearbeitet haben und bei denen oftmals auch die Bedingungen sehr gut sind. Das ist in Ordnung und das ist vorbildlich. Aber wir haben natürlich auch Verbände, bei denen funktioniert es eben nicht. Wir müssen, wenn wir das Kommunalabgabengesetz ändern wollen, auch noch einige andere Rechtsvorschriften sicher mit ändern.

Ich habe Ihren Gesetzentwurf durchgelesen und ich muss Ihnen sagen, es ist zwar vom Grundsatz her alles aufgeschrieben, aber allein an dem Satz, den Sie hier als Abs. 10 in § 7 b vorschlagen, merkt man doch, dass Sie selber Ihrer Sache nicht zu 100 Prozent sicher sind. Da schreiben Sie: "Werden diese in Satz 1 genannten Grenzwerte überschritten, sollen die Gemeinden und Aufgabenträger für die anteiligen Investitionsaufwendungen, die zur Grenzwertüberschreitung führen, auf die Erhebung von einmaligen Beiträgen verzichten." Das ist im Grunde genommen genau das, was wir jetzt auch schon haben. Sie sollen, aber sie müssen nicht.

Schreiben Sie hinein "müssen", greife ich hier 100-prozentig in die kommunale Selbstverwaltung ein und dann besteht ein Erstattungsanspruch, den Sie dann in Absatz 11 allerdings auch schon wieder mit reingeschrieben haben: "die aus den Absätzen 1 bis 10 entstehenden Kosten einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Land." Das heißt aber wiederum, dass wir die Allgemeinheit, nämlich den Steuerzahler, insgesamt dafür verantwortlich machen, denn letztendlich müssen wir das Geld irgendwo hernehmen. Auch das Land muss das Geld irgendwo hernehmen. Aus diesem Grund sage ich Ihnen klipp und klar, wir wollen dieses alles umsetzen. Und ohne irgendwelche Wahlkampfsprüche sage ich Ihnen auch: Das, was wir hier aussagen, dafür stehen wir auch. Ich gehe davon aus, dass viele Abgeordnete dieses Hauses in der nächsten Wahlperiode wieder hier in diesem Landtag sitzen werden und einen kollektiven Gedächtnisschwund in dieser Sache, den werden die Bürgerinitiativen mit Sicherheit verhindern.

Lassen Sie uns also - wie Herr Dittes sagte - nicht oberflächlich, sondern auf konkreter Grundlage an die Gesetzesänderungen herangehen. Nehmen wir uns die Zeit, schauen wir, was in dem Gesetzentwurf steht, schauen wir genau hin, was eventuell fehlt, was geändert werden muss und dann werden wir das Kommunalabgabengesetz und die dazu anderen nötigen rechtlichen Verordnungen so ändern, wie es eben einfach notwendig ist, aber es muss handwerklich sauber und es muss gerichts

fest sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Ramelow, PDS-Fraktion.

Werter Kollege Krauße, ich habe mich jetzt noch mal zu Wort gemeldet, weil meine intellektuelle Kraft nicht ausgereicht hat zu verstehen, was Sie eigentlich sagen wollten. Wir haben als PDS-Fraktion, und das haben wir heute Morgen begründet und klargelegt, ein Gesetz vorgelegt, das der Ministerpräsident vorgeschlagen hat. Ich verstehe jetzt Ihre ganze Kritik und die Detailkritik überhaupt nicht. Wir haben eins zu eins aufgeschrieben, was der werte Herr Ministerpräsident Althaus am 1. Mai in Apolda in der Brauerei dem CDU-Parteitag verkündet hat. Wir sind der Meinung, es reicht eben nicht, darauf zu vertrauen, ob der kollektive Gedächtnisschwund à la Schuster, wie ich es heute Morgen begründet habe, von 1994 wieder einsetzt. Da waren von der CDU 5.000 DM Kappungsgrenze bei Beiträgen und 8,80 DM pro Kubikmeter zugesagt. Das sind klare Zahlen gewesen, die sind vom Innenministerium damals deutlich verkündet worden und die Bürgerinnen und Bürger sind darum betrogen worden, sonst würden sie gar nicht auf der Straße stehen.

(Zwischenruf Abg. Schuster, CDU: Nicht bei Beiträgen.)

Dann würden die ganzen Beitragsbescheide, die Herr Ministerpräsident heute benannt hat, gar nicht existieren, wenn 1994 die Politik zügig umgesetzt worden wäre.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn Sie von dem Schnellschuss und heißer Nadel bei dem Gesetzentwurf reden - ja, ich gebe zu, wir haben diskutiert in der Fraktion, ob es sich wirklich gehört, dass wir den Ministerpräsidenten ernst nehmen und ihm Gelegenheit geben, auf dieser Basis ein Gesetz noch zu verabschieden. Ob das unsere Aufgabe als Opposition ist, ist die eine Frage, und das Zweite ist, normalerweise lassen wir uns mehr Zeit. Aber die 180-Grad-Wende in der Abwasserbeitragspolitik hat nun mal Ihr Ministerpräsident jetzt eingeleitet und da kann ich nur sagen, wenn er sich auf dem richtigen Weg befindet, dann wollen wir ihn dabei unterstützen. Von der Nationalen Front will ich hier gar nicht reden, aber da, wo er Recht hat, hat er Recht. Also muss man doch ganz klar sagen, wenn beim Trinkwasser diese Umsteuerung jetzt gemacht wird, muss das vor dem 13. Juni sauber geregelt sein, damit es ordentlich in Gesetzen gegossen vorliegt und die Bürger sich darauf verlassen können, einen einklagbaren Anspruch darauf haben und genau wissen, was sie in die Tüte bekommen.

Verehrter Kollege Schemmel, wenn Sie meinen, dass der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, ein Scherz sei, wenn Sie das so qualifizieren nicht ernst zu nehmen, wenn Sie das meinen, dann meinen Sie damit, dass das, was der Ministerpräsident am 1. Mai verkündet hat, ein Scherz ist, weil wir 1 : 1 aufgeschrieben haben, was er gesagt hat. Wenn Sie der Meinung sind und wenn Sie jetzt noch zustimmend nicken, dann darf ich mich für die klare Aussage der SPD bedanken, weil wir das mit den Bürgerinitiativen kommunizieren. Die Bürgerinitiativen sagen, wenn man Herrn Althaus bei dieser Aussage ernst nehmen kann, was er gesagt hat und es kein Wahlkampfgetöse ist, sondern wirklich umgesetzt wird, dann findet das die Zustimmung der Bürgerinitiativen. So habe ich die Bürgerinitiativen verstanden, also verstehe ich im Moment die Situation so, dass der größte Teil im Thüringer Landtag der Meinung ist, bei Trinkwasser können wir auf die Beiträge verzichten, nur die SPD nicht. Das heißt, Sie sind weiter in der Zeit von Richard Dewes angekommen und vertreten weiterhin die Fehler, die Sie selber gemacht haben und lernen überhaupt nichts aus dem, was tatsächlich überall an Katastrophen eingetreten ist und warum die Bürger sagen, es treibt ihnen die Wut und den Angstschweiß ins Gesicht, wenn sie ihre Beitragsbescheide bekommen. Ich sage noch mal, um die Zweckverbände, in denen ordentlich gearbeitet worden ist, darum geht es überhaupt nicht, da kann man nur Lob und Anerkenntnis sagen, aber den Zweckverbänden, die längst umgesteuert haben, also die 40 Aufgabenträger, die längst zu anderen Ergebnissen gekommen sind, denen darf man auch nicht entgegentreten und sagen, das ist alles falsch, was ihr macht. Da muss man sich jetzt auch mal entscheiden. Die SPD kann sich offenkundig nicht entscheiden und weiß auch jetzt wegen der Steilkurve, die der Ministerpräsident gemacht hat, nicht so genau, wie schnell sie sozusagen ihre Argumentationsmuster ändern sollen. Nein, wir sagen, auf der Basis dessen, was der Ministerpräsident gesagt hat, möchten wir, dass das Gesetz verhandelt wird. Und wenn Sie handwerkliche Probleme noch in Details haben, dann sollten Sie die jetzt in die Ausschussberatung einbringen. Wir haben ja gehört, Ausschussüberweisung wird von Ihrer Fraktion empfohlen. Wenn damit aber gemeint ist, das in den Ausschüssen vergammeln zu lassen, um es der Diskontinuität anheim zu stellen, und der Eindruck entsteht ein bisschen, wenn das der Eindruck ist und Sie nicht auf der Ebene des Gesetzentwurfs arbeiten wollen in dieser Legislatur, dann werden wir auch das kommunizieren, weil dann auch die Bürger ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, dass das, was angekündigt worden ist, eben doch nur ein Zerrbild oder ein Trugbild oder, ich weiß nicht, ein Schillern am Horizont ist, aber nicht ernst gemeinte wirkliche Grundansage eines Politikwechsels.

Eine letzte Bemerkung: Herr Krauße, an den Stellen, Sie haben eben aus unserem Gesetzentwurf zitiert, an denen das Land das Geld in die Hand nehmen muss, hat sich Herr Ministerpräsident heute Morgen schon klar positioniert, welche Gelder vom Land zu übernehmen sind. Las

ten Sie das bitte nicht uns an, dass wir das dann aufgeschrieben haben, dass wir das dann ernst meinen, dass tatsächlich das Land das Geld zu übernehmen hat. Die Haushälter werden sich freuen über das, was da an zusätzlicher Belastung auf das Land zukommt. Ich weiß nicht unbedingt, woher es finanziert werden soll, aber wenn der Ministerpräsident diesen Weg so gehen will, muss er sich das ja dazu überlegt haben. Wir sind auch darauf gespannt, wie dann die weitere Debatte ist. Ich denke nur, wenn man eine Kehrtwende in der Beitragspolitik bei Trinkwasser und eine grundhafte Veränderung auch bei dem Umgang mit Zweckverbänden jetzt auf den Weg bringen will, nehmen Sie bitte die Ängste der Bürger ernst, machen Sie es jetzt gesetzlich, dazu sind Sie und wir Parlamentarier, damit es hier im hohen Hause geschieht. Lassen Sie zu, dass die Anhörung, von der Sie gesprochen haben, Herr Krauße, noch in den nächsten 14 Tagen erfolgt. Die Geschäftsordnung der Landesregierung gilt für uns nicht. Herr Trautvetter hat es heute Morgen gesagt, der Innenausschuss arbeitet da immer sehr zügig, alle Anzuhörenden können angehört werden, können ihre Position einbringen und ihre Hinweise können dann qualifiziert bearbeitet werden, so dass noch vor dem 13. Juni der Landtag zusammentreten kann. Wir haben noch einen Reservetermin, wir könnten ansonsten auch eine Sondersitzung machen. Es wäre möglich, diesen Teil, der eine politisch grundsätzliche Bedeutung hat und ein Richtungswechsel durch Ihre Partei, durch Ihren Parteivorsitzenden angekündigt worden ist, den sollten wir auch mit einem gesetzlichen Rahmen jetzt qualifizieren. In dem Sinne würde ich mir Kraft und Mut von Ihnen wünschen und nicht eine vorgegaukelte Wahlkampfstrategie, bei der man nur Beruhigung über den 13. Juni will. Wir möchten von Ihnen vorher Taten sehen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Nun gibt es keine weiteren Redeanmeldungen mehr. Ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung. Danke schön. Die Überweisung ist damit an den Haushalts- und Finanzausschuss geschehen.

Als Zweites ist die Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Gibt es in diesem Fall nicht. Damit ist die Überweisung an den Innenausschuss geschehen.

Weiterhin ist an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es hier

Gegenstimmen? Es gibt 1 Gegenstimme. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Es ist an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt überwiesen.

Es ist beantragt worden, an den Justizausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Es gibt 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen. An den Justizausschuss ist damit überwiesen.

Nun haben wir noch über die Federführung abzustimmen. Es ist beantragt worden, dass die Federführung beim Innenausschuss liegt. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen. Die Federführung liegt beim Innenausschuss.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt neu 5 a und rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf

Verwaltungsstrukturen und Verwaltungsreform in Thüringen Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung - Drucksachen 3/3242/3464 - auf Antrag der Fraktion der SPD dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/4170

Ich bitte als Ersten für die PDS-Fraktion den Abgeordneten Dittes.

Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, Sie wissen, ich habe immer sehr viel Respekt und sehr viel Achtung vor Ihrer Arbeitsleistung in den vergangenen zehn Jahren gehabt, auch diesmal. Das, was ich am Montag in der Badewanne geschafft habe, dafür brauchten Sie zehn Monate, die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung zu lesen. Aber wahrscheinlich ganz ernsthaft, Sie haben sich damit sehr gründlich auseinander gesetzt. Sie haben umfangreich in der Fraktion die Antworten der Landesregierung diskutiert, ein eigenes Konzept zur Verwaltungsreform in Thüringen entwickelt, das wieder gegengelesen, mit vielen Verbänden diskutiert, dann mit den Positionen anderer Parteien verglichen, so beispielsweise mit den beschlossenen Leitlinien für eine Verwaltungsreform in Thüringen der PDS, die die im September 2003 in Lobenstein beschlossen haben. Jetzt sind Sie zum Ergebnis gekommen, wir müssten doch mal im Mai 2004 über die Antwort der Landesregierung aus dem Juli 2003 reden. Da frage ich natürlich, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, warum ist es Ihnen nicht möglich gewesen, wenigstens Grundlagen, Grundsätze aus Ihrem Konzept für eine Verwaltungsreform in Thüringen im Thüringer Landtag vorzulegen? Mit dem hät

ten wir uns dann hier konkret auch auseinander setzen können, warum nur die Beratung. Ich weiß nicht, welchen Sinn diese Beratung für Sie hat, welchen politischen Sinn diese Beratung für den Landtag hat und welchen Sinn diese Beratung auch für die öffentliche Debatte in Thüringen haben kann. Ich weiß es nicht.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SDP: Das erläutere ich Ihnen genau!)

Ich weiß es nicht, auch wenn Sie anderes gewollt haben, Herr Schemmel, Sie mimen mit Ihrem Antrag im Wahlkampf nur noch den Verwaltungshasen, der sich gleich von mehreren Igeln sagen lassen muss, wir sind all hier, nämlich mit konkreten Konzepten, die längst in der Öffentlichkeit sind.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Da war- ten Sie doch erst mal die Rede ab. Ich kann doch nichts dafür, dass Sie etwas aufgeschrie- ben haben und ich dann nach Ihnen reden werde.)

Herr Abgeordneter Schemmel, Sie sind gleich dran mit ihrer Redemeldung. Herr Abgeordneter Dittes, Sie können Ihre Rede fortsetzen.

Herr Schemmel, ich kann ja Ihre Erregung verstehen, aber wenn es Ihnen denn so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie doch auch mit der Präsidentin reden können oder auch mit den anderen Fraktionen. Wir und ich hätten Ihnen das ja gerne eingeräumt, Ihre Position dazu zu hören. Ich weiß es nach wie vor nicht und deswegen muss ich Ihnen das einfach sagen, weil es sich eben nicht für uns erschließt und es erschließt sich auch nicht aus dem Antrag. Weil wir natürlich durch diesen immensen Zeitverzug bei dieser Beantwortung der Großen Anfrage - Verwaltungsstrukturen/Verwaltungsreform - auf einer zum Teil überholten Grundlage eine Diskussion führen müssen, weil beispielsweise Vorhaben im Bereich des Dienstrechtes in der Zwischenzeit umgesetzt worden sind in Thüringen. Da andere Strukturmaßnahmen sich auch vollzogen haben, werde ich mich in meiner Darstellung auf wesentliche strategische Ansätze der Landesregierung beziehen, nicht ohne aber zumindest auch eine Bemerkung zu den konkreten Fragestellungen der SPD-Fraktion zu machen. Insbesondere betrifft dies den Teil 2 - Ergebnisse vollzogener Strukturmaßnahmen. Nach 12 vollzogenen Strukturmaßnahmen interessieren Sie ausschließlich die finanziellen Einsparungen, wie viele Stellen abgebaut worden sind, ob Bedienstete entlassen worden sind, ob Kosten und in welcher Höhe entstanden sind und was mit den frei gewordenen Immobilien unter Umständen passiert. Meine Damen und Herren der SPDFraktion, hier, gerade bei den vollzogenen Strukturmaß

nahmen, wäre es doch möglich und auch notwendig gewesen, zu fragen, welche qualitativen Veränderungen in der Aufgabenbewältigung durch die Verwaltung es denn durch die vollzogenen Strukturmaßnahmen gegeben hat. Aber das unterlassen Sie in Ihrer Fragestellung, insbesondere im Teil 2 - Ergebnisse vollzogener Strukturmaßnahmen. Da muss ich in diesem Punkt der Landesregierung ausdrücklich Recht geben, wenn sie antwortet, dass eine numerische Zusammenfassung zählbarer Vorgänge noch nichts über eine qualitative Bewertung der Aufgabenwahrnahme in der Landesverwaltung aussagt. Aber, meine Damen und Herren der Landesregierung, auch der Umfang einer Antwort, hier immerhin 190 Seiten, sagt noch nichts über die Qualität der Beantwortung aus. Wir haben natürlich bei dieser Beantwortung nicht immer zufrieden stellend reagiert, aber das liegt eher in anderen inhaltlichen Positionen, auf die ich im Einzelnen noch eingehen werde.

Unter dem Stichwort "Personalmanagement" verweist die Landesregierung in ihrer Antwort auf den Leitfaden "Permanent" und führt aus, ich zitiere: "Weiterentwicklung der Mitarbeiter als der wichtigsten Ressource des öffentlichen Dienstes ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer modernen Verwaltung." Meine Damen und Herren, an dieser Stelle kann man durchaus den Altbundeskanzler Helmut Kohl zitieren: "Die Realität ist in Wirklichkeit ganz anders." Wenn man die Reaktionen auf den Leitfaden "Permanent" der Gewerkschaften zur Hand nimmt, dann gehen die über: es wird kein klares Leitbild zugrunde gelegt; konkrete Zielvorstellungen fehlen; es fehlt der Bezug zur Realität in der Landesverwaltung; der konzeptionelle Ansatz bleibt unklar; unklar ist die Umsetzung; es fehlt an Verbindlichkeit; es fehlt ein ganzheitlicher Ansatz; es gibt keine konzeptionelle Verknüpfung der Leitgedanken Gender Mainstreaming, Förderung von Frauen und schwer behinderter Menschen. Das sind die Kritikpunkte von ver.di und DGB, aber der wichtigste Kritikpunkt bei allen Zuschriften aus den Vertretungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst war die mangelnde Beteiligung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Das heißt, meine Damen und Herren, doch nichts anderes, als dass die auch nach Ihrer Auffassung wichtigste Ressource der öffentlichen Verwaltung bei der Umgestaltung zu einer modernen Verwaltung bei der Erarbeitung der Leitgedanken außen vor bleibt. Die wichtigste Ressource bleibt außen vor. Dass das aber nicht so bleibt, meine Damen und Herren, deswegen brauchen wir in Thüringen ein modernes Mitbestimmungsrecht, ein anderes Verständnis von Mitbestimmung.

Gestatten Sie in diesem Zusammenhang, weil hier ausdrücklich natürlich auch die Gegebenheit besteht, zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs zu unserer Klage zum Personalvertretungsgesetz einige Bemerkungen zu machen. Dass sich das Gericht ein obrigkeitsstaatliches Modell einer Verwaltung zugrunde gelegt hat bei seiner Bewertung, sich dabei auf zumindest historisch nicht unproblematischen Formulierungen des Organismus einer

Verwaltung bezogen hat oder Mitwirkung schon als Mitbestimmung in der öffentlichen Verwaltung interpretiert, ist das eine. Das andere aber, meine Damen und Herren, ist, dass das Urteil ausdrücklich nicht die derzeit eingeschränkte Mitbestimmung zum Maßstab auch der künftigen Mitbestimmung von Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung macht. Das Urteil sagt nichts anderes aus, als dass die unterste Grenze der notwendigen Mitbestimmung aus Sicht des Thüringer Verfassungsgerichtshofs noch nicht unterschritten worden ist. Aber das Urteil kommt in seiner Darstellung auch zu dem Ergebnis, dass in vielen Bereichen das Thüringer Personalvertretungsgesetz sehr scharf an dieser untersten Grenze der notwendigen Mitbestimmung angelangt ist. Hier ist der Gesetzgeber in der Verantwortung, im Sinne der wichtigsten Ressource für eine moderne Verwaltung im Sinne der Beschäftigten ein modernes Mitbestimmungsrecht zu schaffen, damit ermöglicht wird, dass Angestellte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Augenhöhe und gleichberechtigt mit ihren Dienstherren über ihre Belange in Verhandlung treten können. Diese Verantwortung, meine Damen und Herren, hat der Landtag nach wie vor und diese Verantwortung hat das Urteil vom 20. April dem Landtag nicht genommen.

Meine Damen und Herren, zum Stichwort "Privatisierung": Als Motive für die Privatisierung wird ausgeführt: "Einführung eines wirtschaftlichen Handelns mit Kostensenkung für den Adressaten der Leistung, Einführung eines effektiven Handelns und Flexibilität der Aufgabenwahrnehmung." Meine Damen und Herren, Herr Trautvetter, aber auch meine Damen und Herren der CDUFraktion, Sie lassen kaum einen Tag aus, wo Sie den Beamten des Freistaats Thüringen nicht für ihre unermüdliche Arbeit und für ihre wichtige Arbeit danken.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Das machen wir.)

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Darstellung allerdings, Motivation für die Privatisierung, bedienen Sie aber ein in der Öffentlichkeit bestehendes Vorurteil, nämlich dass Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes unflexibel sind, unwirtschaftlich arbeiten, uneffektiv arbeiten und zu teuer sind. Wenn die Motivation die ist für eine Privatisierung, die Sie hier aufgeschrieben haben, heißt das im Umkehrschluss, dass Sie einer öffentlichen Verwaltung, die Aufgaben wahrnimmt, genau den gegenteiligen Charakter zuschreiben. Erstens, meine Damen und Herren, bin ich sicher, dass dies nicht sein muss. Dies ist nicht zwangsläufig. Dies ist auch nicht gottgegeben, dass eine öffentliche Verwaltung so agiert. Ich bin mir zweitens so sicher, dass dies in vielen Bereichen schon gar nicht mehr zutrifft. Und drittens, dort wo es unter Umständen noch zutrifft, muss eben eine Verwaltungsreform ansetzen, weil Modernisierung der Verwaltung heißt, Effektivität auch dort einzuführen, wo sie nicht mehr besteht. Verwaltungs

reform kann nicht heißen, die eigentliche Verwaltung auszuhöhlen, meine Damen und Herren. Die PDS-Fraktion ist nicht grundsätzlich gegen eine Privatisierung von Aufgaben der staatlichen Ebene, aber nur dann, wenn nach sorgfältiger Einzelfallprüfung, auch unter Beachtung der konkreten Privatisierungsform - und da bin ich schon sehr verwundert, dass beispielsweise die Organisationsprivatisierung oder die Beleihung in der Beantwortung durch die Landesregierung überhaupt nicht auftaucht - gesichert ist, dass öffentliche Vorteile auch langfristig und nicht nur kurzfristig die Nachteile überwiegen. Natürlich schließen wir eine Privatisierung gerade gewinnbringender Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung aus, wenn auf der anderen Seite nämlich die kostenintensiven in der Verwaltung bleiben. Dieser Prozess ist tatsächlich oftmals zu beobachten.

Meine Damen und Herren, eines steht auch fest: Im Rahmen der Daseinsvorsorge hat die Kommune keinerlei Ermessen. Sie ist nach wie vor verpflichtet, für das Gemeinwohl wichtige Dienste allen Einwohnern kontinuierlich und vor allem sozial verträglich und damit auch für alle zugänglich anzubieten.

Zum Stichwort Kommunalisierung: Dass die weitere Kommunalisierung staatlicher Aufgaben entsprechend des Subsidiaritätsprinzips und einer umfassenden aufgabenkritischen Untersuchung erfolgt, scheint fraktionsübergreifend Konsens zu sein. Während die SPD noch in Frage 3 nach den möglichen Einspareffekten fragt, bekennt sich die Landesregierung schon dazu, dass eine Kommunalisierung nicht vordergründig Kosten einsparen muss oder einsparen soll. Wir gehen hingegen noch einen Schritt weiter. Bei der Übertragung von Aufgaben auf die kommunale Ebene sind die dafür notwendigen finanziellen Mittel durch den Freistaat bereitzustellen. Das Ganze nennt man, wie Ihnen bekannt ist, Konnexitätsprinzip und ist nicht loszulösen von einer Funktionalreform in Thüringen.

Meine Damen und Herren, man könnte noch viel sagen, so etwa zur Deregulierung, der Streichung nicht mehr angewandter Rechtsvorschriften, nichts dereguliert in der öffentlichen Verwaltung. Man könnte noch sagen, dass der alte Zopf Landesverwaltungsamt abgeschnitten gehört und bisherige von den Mittelbehörden bewältigte Aufgaben grundsätzlich zu kommunalisieren sind und nur, wenn es im Interesse einer zuverlässigen, sachgerechten und zweckmäßigen Erledigung der konkreten Aufgaben erforderlich ist, an oberste Landesbehörden zu übertragen sind. Gleiches gilt natürlich auch bei der Bewertung staatlicher Sonderbehörden. Man könnte noch sagen, dass die jetzigen und künftigen Anforderungen an kommunales Handeln, die sich unter anderem aus den neuen Herausforderungen an die staatliche kommunale Daseinsvorsorge ergibt, aber auch sich ergeben wird aus der Kommunalisierung weiterer Aufgaben, weil dort natürlich auch eine leistungsstarke Verwaltung notwendig ist, dass sich daraus die Notwendigkeit einer weiteren

kommunalen Gebietsreform in Thüringen ableiten lässt. Aber, meine Damen und Herren, eines muss man angesichts der Fragestellung und angesichts der Antwort der Landesregierung mit Sicherheit noch sagen: Eine Verwaltungsreform ist keine, die ausschließlich zum Selbstzweck der Verwaltung durchgeführt wird, sondern sie verfolgt das Ziel und muss sich auch daran messen lassen, dass durch sie die Lebensqualität der in Thüringen lebenden Menschen nachhaltig verbessert wird. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es der grundlegendste inhaltliche Kritikpunkt der PDS-Fraktion an der Frage wie an der Antwort, dass nicht einmal als Kriterien für eine Verwaltungs- und Funktionalreform auf die Prinzipien der Bürgernähe, der demokratischen Mitbestimmung, der Transparenz von Entscheidungsstrukturen oder das Recht auf die Informationsfreiheit verwiesen wurde. In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, haben sich hier wohl gleich zwei Hasen in der Furche der Verwaltungsstrukturen zur Ruhe gelegt. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)