Protokoll der Sitzung vom 07.05.2004

Lassen Sie mich noch eins sagen, weil das immer wieder aus Ihrem Munde so klingt. Verbote allein werden das Problem nicht lösen, unabhängig was die Frage angeht von Rauchen, von Alkohol und von anderen Drogen. Wir brauchen Aufklärung, brauchen Prävention - ein ganz wichtiger Aspekt -, wir brauchen die Umsetzung und Einhaltung des Jugendschutzgesetzes,

(Beifall bei der SPD)

auch da bin ich mir mit Ihnen völlig einig, aber das muss man nicht immer nur proklamieren. Da muss man dann selber mal die Hand heben auf irgendeiner Kirmes oder einem anderen Volksfest oder bei anderen Dingen, ob denn tatsächlich nur an diejenigen, die es auch schon dürfen, Alkohol und anderes abgegeben wird. Wenn Sie ganz ehrlich wissen und Sie haben vorhin - ich weiß nicht mehr genau, wer - auch auf den Bereich Amerika verwiesen, nur durch Verbote das praktische Handeln dann so zu stärken, dass der Alkohol nur nicht mehr sichtbar ist, weil er in

brown bag steckt oder in der braunen Tüte, damit haben wir dann nichts gekonnt. Insofern würde ich Sie wirklich herzlich bitten, mit dem, was wir in unserem Programm festgehalten haben, ehrlich und ernsthaft umzugehen und nicht den politisch anders Denkenden zu verunglimpfen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Dittes, bitte schön.

Herr Panse, gestatten Sie mir vielleicht eine persönliche Bemerkung zum Abschluss meiner parlamentarischen Tätigkeit. Nicht die PDS hat mich nicht wieder aufgestellt, vielleicht wäre es so gekommen, aber ich habe von mir aus

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Das ist kaum zu glauben!)

bereits 1999 erklärt, das zehn Jahre Landtag genug seien. Sie können aus anderen Gründen ähnlicher Auffassung sein. Herr Panse, allerdings wundere ich mich, wenn Sie schon meinen Beitrag aus dem Internet zur Drogenpolitik gelesen haben, warum Sie dann hier einen solchen Unfug verbreiten. Dann hätten Sie sich nach dem Lesen einfach die Zeit nehmen sollen, das nachzuprüfen, was dort steht oder vielleicht auch darüber nachzudenken. Da steht, das habe ich, glaube ich, auch hier deutlich gesagt, dass wir Abhängige von harten Drogen, von abhängigkeitspotenten und langfristig gesundheitsschädigenden Drogen wie Kranke auch in diesem Sinne behandeln müssen. Das heißt natürlich, den Konsum straffrei zu gestalten und d.h. Entkriminialisierung des Gebrauchs so genannter harter Drogen während wir - diesen rechtlichen Unterschied müssen Sie schon zulassen - bei den weichen Drogen - ich habe vorhin genannt, welches die weichen Drogen sind - eine Legalisierung vorschlagen, die es im Übrigen in Holland auch nicht gibt. Wenn ich schon Menschen, die von harten Drogen abhängig sind, behandeln will, dann heißt das nicht, dass ich sie vordergründig auf den kalten Entzug setze, sondern d.h. eben auch, dass ich das Produkt, von dem sie abhängig sind, ihnen zur Verfügung stellen muss. Das kann ich entweder durch ein Substitut machen, das kann ich aber auch durch das Original machen. Da fordern wir - Herr Panse, und da hätten Sie auch richtig zitieren müssen - eine Expertinnenkommission, die genau dafür binnen eines halben Jahres - weil wir viel mehr Zeit uns nicht nehmen dürfen - Modelle für eine derartige Abgabe an Kranke tatsächlich erarbeiten, damit wir den Einstieg wie in zahlreichen Ländern, aber auch schon in einigen Kommunen geschehen, dahin gehend bringen, diese Menschen auch menschenwürdig zu behandeln und ihnen einen Weg aus der Abhängigkeit zu ermöglichen, zu eröffnen. Das kann nicht dadurch geschehen, indem ich

sie mit dem Strafrecht von dem Produkt, von dem sie abhängig sind, fernhalte.

Ich wollte Sie fragen, Herr Panse, als Sie vorhin die Wirkung von Cannabis sehr theatralisch geschildert haben, nach wie viel Stunden die Wirkung dann wieder abklingt. Das, was Sie geschildert haben - da kennen Sie sich offensichtlich besser aus als ich, ich hätte auf vier Stunden getippt, sie sagten zwei - sind die unmittelbaren Wirkungen des Cannabis-Konsums. Wenn wir jetzt mal dem gegenüberstellen die unmittelbaren Wirkungen des Alkoholkonsums, insbesondere auch harter Drogen und wir zählen dann noch mal die Symptome zusammen,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

die sich am Morgen vielleicht nach einer durchzechten Nacht einstellen, dann werden wir eine ähnlich dramatische Liste aufstellen

(Beifall bei der PDS)

und das macht diese Produkte im ersten Blick natürlich auch zu Drogen. Aber die Unterscheidung, ob hart oder weich, macht sich eben nicht fest an der unmittelbaren Wirkung, sondern an der Langzeiteinwirkung und macht sich an der Herausbildung einer physischen Abhängigkeit fest.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Das habe ich nicht gesagt.)

Wenn wir über die Langzeitwirkung diskutieren, dann Herr Panse, ich habe mir das doch nicht ausgedacht. Glauben Sie, ich setze mich abends auf die grüne Wiese mit einem Joint in der Hand und dann denke ich mir mal irgendwie die Langzeitwirkung von Cannabis aus. Ich kann doch nur auch verantwortlich arbeiten, indem ich mich auf das stütze, was veröffentlicht, was erforscht ist. Da sage ich Ihnen auch, was die im Auftrag der CSU-Gesundheitsheitsminister erarbeitete Studie zum Ausdruck brachte. Tatsächlich Cannabinuide üben in vielfältiger Weise Einfluss auf die Plasmaspiegel verschiedener Hypophysenhormone aus. Diese Effekte sind jedoch reversibel. Das sind also tatsächliche Wirkungen, die sich im Laufe dann natürlich auch wieder zurückbilden können. Weiterhin wurde für die Mehrzahl der pharmakologischen Effekte von Cannabis bei langfristigem regelmäßigem Konsum hoher Dosen eine Toleranzentwicklung festgestellt. Ich bestreite nicht, Herr Panse, dass es eine Grenze gibt zwischen Drogengebrauch und Drogenmissbrauch. Diese Grenze können Sie doch bitte an diesem Flugblatt festmachen, was ich jeden Tag lesen muss, wenn ich mir in der Landtagskantine einen Joghurt hole. Dort steht: Thüringer Weinfrühling - genießen Sie mit allen Sinnen. Dort wird aufgerufen, eine Droge Alkohol, darüber sind wir uns hier im Hause einig, zu genießen. Es gibt also eine Grenze zwischen Genuss und Missbrauch, weil auch hier unbestritten sein dürfte, dass es auch einen Missbrauch von Alkohol gibt. Diese Grenze gibt es natürlich auch bei allen anderen Drogenarten. Über

diese Grenze müssen wir ernsthaft und ehrlich aufklären, über diese Grenze müssen wir aufgrund einer tatsächlichen faktischen Lage informieren, damit Menschen diese Grenze auch in ihrem eigenen Konsumverhalten bedenken können, genauso wie die Aufklärung im Alkoholgenuss bei Jugendlichen zu erfolgen hat.

Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Alkohol ist in diesem Zusammenhang sogar zu den harten Drogen zu zählen und es ist tatsächlich wahr, dass natürlich auch Kleiber zu dem Ergebnis kommt, dass die Atemwege durch das Cannabis-Rauchen beeinträchtigt werden. Er führt dazu aber weiterhin aus, insbesondere der häufige Beikonsum von Tabak führt zu additiven Effekten. D.h., gerade die legale Droge, an der die Bundesrepublik Deutschland auch noch verdient und für die Werbung gemacht wird in Kinos, auf Plakaten, führt tatsächlich zu einer vielfachen Vermehrung des Krebsrisikos und Erkrankung der Atemwege. Das, Herr Panse, sollte zumindest zu medizinischen Gesichtspunkten noch nachgetragen werden. Das sind keine Erfindungen der PDS-Fraktion, die wir uns in der 5. Etage ausgedacht haben, das sind Ergebnisse einer Expertise. Nachdem ich sie Herrn Dr. Zeh empfohlen habe, empfehle ich sie Ihnen auch.

Aber ich will aus innenpolitischer Sicht noch ein Thema kurz beleuchten. Dann reden Sie bitte auch einmal mit Thüringer Polizistinnen und Polizisten. Sie haben es angesprochen, wir haben keine tatsächliche Legalisierung von weichen Drogen, sondern wir haben in § 31 des BTMG tatsächlich infolge des Urteils von 1994 die Möglichkeit eröffnet, dass Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren oder die Strafverfolgung einstellen, was sie grundsätzlich bei Jugendlichen nicht tun. Das führt dann, wie ich vorhin beschrieben habe, dazu, dass eine Weitervermittlung in die Beratungsstelle erfolgt. Aber was ist denn das innenpolitische Problem dabei? Der Polizeibeamte ist nach der gültigen Rechtslage verpflichtet, es auch als Strafverfahren zu behandeln, wenn jemand im Besitz von 0,5 Gramm Marihuana ist. Das hat zur Folge, dass das komplette Programm, erkennungsdienstliche Behandlung, unter Umständen Wohnungsdurchsuchung, unter Umständen Durchsuchung des Pkw, unter Umständen Durchsuchen von Wohnungen in Wohngemeinschaften, die anderen Personen angehört, Durchsuchen von Wohnungen der Eltern in diesem Bereich aufgefahren wird. Der Polizeibeamte weiß von Anfang an, wenn er diese entsprechenden Maßnahmen eingeleitet hat, die nicht nur ein Vielfaches von Zeit, sondern auch ein Vielfaches von Geld kosten, dass die Staatsanwaltschaft am Ende dieses Verfahren gar nicht eröffnen wird, dass derjenige daraus keine Konsequenzen zu erwarten hat. Da ist doch etwas - auf der einen Seite die Polizei, die handeln muss, die gesetzlich dazu verpflichtet ist und auf der anderen Seite die Regelungen, die die Justiz bevollmächtigt, dieses einzustellen - nicht im Gleichgewicht. Das kann doch nicht dazu führen, wenn Herr Trautvetter jetzt vielleicht nickt oder Sie das wohl auch in diesem Zusammenhang meinten, dass wir wieder die Strafverfolgung einführen, sondern

dass wir auch im Bereich der geringen Mengen für den Eigenkonsum hier sagen, auch ohne Mengenbegrenzung eine tatsächliche Legalisierung ermöglichen, eine tatsächliche Legalisierung einführen, damit wir diesen ganzen Unfug von repressiven Maßnahmen, die keinerlei, aber auch wirklich keine Wirkung auf den justiziellen Bereich haben, uns wirklich sparen können. Wirkung auf das Konsumverhalten haben sie nicht. Wirkung auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen haben Verbote, die strafrechtliche Bewertung nicht. Wir haben vorgeschlagen - und sehr umfassend, Sie haben das nachgelesen - einen Komplex von Forderungen, um Jugendlichen, aber auch Menschen darüber hinaus ein Angebot zu unterbreiten, selbstbestimmt, selbstbewusst und auf der Grundlage von tatsächlichen Fakten über ihren Körper, über ihr Leben zu entscheiden. Das müssen wir tatsächlich in die Wege leiten. Ihre Drogenpolitik hat tatsächlich erst zu diesen Zahlen im Missbrauchsbereich geführt. Ihre Drogenpolitik ist gescheitert.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Vergleichen Sie es - ich wiederhole es für Sie, Herr Dr. Sklenar, noch einmal - mit anderen Ländern.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Gescheitert ist das Modell in Holland.)

Nein, Herr Pietzsch. Da ist Herr Zeh eben auch unehrlich, wenn er sagt, die holländische Regierung sagt, ihr Modell ist insofern gescheitert. Warum ist denn die holländische Regierung unzufrieden mit ihrem Entkriminalisierungsmodell, mit dem so genannten Coffee-Shop-Model? Weil sie eine Insellösung in Europa geschaffen haben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Weil sie seit 1976 eine Insellösung in Europa geschaffen haben und holländische Kommunen in Grenznähe deutsche Konsumenten als Einkäufer anziehen und daraus entwickeln sich Probleme natürlich in Holland. Aber wenn man die Auswirkungen auf den Drogenkonsum betrachtet, dann ist der Rückgang des Konsums weicher Drogen mit der Entkriminalisierung statistisch nachweisbar und er liegt eben auch geringer als in der Bundesrepublik und er liegt geringer als in den Ländern, die die größten Strafandrohungen in diesem Bereich haben. Das können Sie doch tatsächlich nicht verneinen. Angesichts der Zahlen müssen Sie doch auch feststellen, Herr Zeh, dass Ihre Politik entgegen der realen Erfahrungen von Jugendlichen spricht. Ihre Gleichsetzung von harten mit weichen Drogen ist angesichts dieser gemachten Erfahrung von vielen Jugendlichen auch höchst gefährlich. Das sage ich Ihnen noch einmal, weil diese Erfahrung auf tatsächlich gefährliche harte Drogen übertragen werden. Das ist das Problem Ihrer Drogenpolitik. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Es gibt keine weichen Drogen.)

Herr Minister Zeh, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Erstes, Frau Pelke, Thüringen hat eines der besten Beratungsnetze im suchtpräventiven Bereich. Das wird uns von allen bestätigt und das gilt auch noch heute so. Es ist auch noch heute so. Wir haben im Jahre 2002 bis 2003 in der Tat den Ansatz um 4 Prozent gemindert. Aber das ist bei einer dramatischen Finanzsituation, die Thüringen nicht zu verantworten hat, die Finanzsituation ist einer Wirtschaftsentwicklung geschuldet, die die Bundesregierung zu verantworten hat, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei der SPD)

(Beifall bei der CDU)

Dennoch, bei dieser Finanzsituation, die 2004 mindestens noch einmal so dramatisch nach unten gegangen ist, hat die Landesregierung den Ansatz eben nicht geändert, um genau diesen Bereich weiter noch in einem hohen Maße zu finanzieren. Frau Pelke, ich bin Ihrer Meinung, dass die Entkriminalisierung Drogenabhängiger wichtig ist. Drogenabhängige sind krank und sie bedürfen der Hilfe der Gesellschaft. Aber wenn Sie im gleichen Programm schreiben, dass Sie den Eigenbedarf nicht länger kriminalisieren, dann heißt das zu gut Deutsch, Sie legalisieren diesen Eigenbedarf und dagegen wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: So ein Unsinn!)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und die Erde ist eine Scheibe.)

Und Herr Dittes, ich habe nachweislich gesagt, nicht Alkohol als weiche Droge bezeichnen. Ich habe gesagt, Alkohol gehört zu den legalen Suchtmitteln. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Alkoholmissbrauch ist schon schlimm genug, aber dass ich den Alkoholmissbrauch als Argument dafür aufrufe, dass ich Cannabis nun noch legalisieren müsse, das verstehe ich überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, Herr Dittes, Ihre Logik, die kommt mir manchmal so vor: Wenn ein Boot undicht wird und Wasser hineinläuft, dann ist Ihre Logik die, ich bohre ein großes Loch hinein, damit der Wasserzufluss kontrolliert erfolgen kann.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Dittes, das ist nun völliger Nonsens. Wenn ein Boot Löcher hat, dann versuche ich, die Löcher zu schließen und nicht alle Schleusen zu öffnen, denn dann geht das Boot unter und das kann nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mich, meine Damen und Herren, in einem Satz fragen, wie kann man der Verharmlosung des Konsums von Cannabis entgegenwirken? Ich kann nur sagen, ich hoffe für die Thüringer, dass wir von einer rot/rotgrünen Drogenpolitik verschont bleiben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir können die Aussprache schließen und ich frage die Fraktionen: Gibt es Widerspruch, dass dem Berichtsersuchen Genüge getan worden ist? Diesen Widerspruch sehe ich nicht. Dann können wir den Tagesordnungspunkt 9 a abschließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Fragestunde

Wir haben zuerst eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hahnemann in Drucksache 3/4200. Frau Abgeordnete Nitzpon wird sie vortragen. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Atomtransport durch Thüringen

Nach Presseberichten vom 28. April 2004 passierte ein Transport mit unbehandelten Kernbrennstoffen Thüringen. Das lediglich als Gefahrguttransport deklarierte Lastfahrzeug befuhr nach diesem Bericht die Autobahn A 9 auf dem Weg vom Rostocker Hafen zum Atommeiler Isar II.