Protokoll der Sitzung vom 03.05.2000

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich verweise auf die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung auf diesem Gebiet. Seit 1990 leistet diese Institution kontinuierliche Aufklärungsarbeit. Wir kennen die Bedeutung der Schulen für die Erziehung zu demokratischem Bewusstsein und Toleranz. Das Thema "Verbrechen der NS-Diktatur" ist in den Lehrplänen der

Schulen fest verankert und bereits in den Grundschulen wird das Thema Rassismus und Antisemitismus angesprochen. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien hat Empfehlungen zur Erziehung zu Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden für die Schulen entwickelt. Hierzu wird eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer betrieben und ich verweise auf die Intensivierung des Rechtskundeunterrichts an den Schulen in jüngster Zeit. Ich verweise auch auf die Arbeit der politischen Stiftungen und auf die Arbeit der deutsch-israelischen und anderer Gesellschaften und darauf, dass führende Politiker aus Thüringen sich an der bundesweiten Initiative "Gegen Vergessen - für Demokratie" aktiv engagieren.

Ich verweise auf Weimar 1999. Das Thema war offensiv in unzähligen Veranstaltungen des Kulturstadtjahres eingebunden und es ist Gegenstand unserer Präsentation anlässlich der EXPO in diesem Jahr. Dann verweise ich auch darauf, dass sich die Thüringer Landesregierung Herr Köckert hat das vorhin schon erwähnt - seit Anfang an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des Kampfes gegen den Extremismus an vorderster Front beteiligt hat.

Meine Damen und Herren, auch in den vergangenen fünf Jahren sind vielfältige Initiativen in Zusammenarbeit der Ministerien ergriffen worden. Der frühere Kollege Dr. Dewes hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im August 1999 die umfangreichen Maßnahmen der Landesregierung im Einzelnen erläutert. In der großen Koalition gab es in der Frage der Bekämpfung des Rechtsradikalismus niemals einen Dissens. Herr Dr. Dewes hat es im März von diesem Pult aus gesagt: Wir sind eine harte Linie gefahren. Ich füge hinzu: Wir werden diese harte Linie weiterfahren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wir knüpfen in dieser Legislaturperiode in dieser Sache an dem an, was in den vergangenen Legislaturperioden auf diesem Gebiet geleistet wurde. Bei allem, was bisher getan worden ist, wir müssen wachsam und wehrhaft bleiben und wenn möglich noch mehr tun als bisher. Es gilt nicht zuletzt angesichts der zunehmenden und weltweiten Verbreitung rechtsradikaler Ideen im Internet, auch hier besteht Handlungsbedarf. Der zentrale Ort, meine Damen und Herren, der Auseinandersetzung ist nicht irgendeine zusätzliche Arbeitsgruppe oder dergleichen. Der zentrale Ort der Debatte ist hier, ist der Landtag von Thüringen, deswegen hat die Landesregierung die Absicht, in Zukunft in jedem Jahr vor dem Landtag einen Bericht zu Radikalismus und Extremismus im Freistaat abzugeben. Wir werden dafür auch eigene wissenschaftliche Erhebungen in Auftrag geben.

Meine Damen und Herren, man kann Demonstrationen in Deutschland unter freiem Himmel nicht ohne weiteres verbieten, solange keine Gefahr für Leib und Leben von diesen Demonstrationen ausgeht. Das Grundrecht

auf Versammlungsfreiheit gilt zunächst für jedermann, so bitter das auch ist, es gilt auch für jene, deren politisches Handeln letztlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist. Aber gerade die Bürgerinnen und Bürger in den jungen Ländern wissen auch, dass die Zeiten, in denen Demonstrationen genehmigt werden mussten oder einfach verboten werden konnten, zum Glück vorbei sind. Der Grat zwischen der Gewährleistung des Demonstrationsrechts und dem vorbeugenden Schutz vor möglichen Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen ist außerordentlich schmal. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bekannt, und ich bin gerade deswegen dankbar, dass die Thüringer Gerichte - das Verwaltungsgericht in Weimar und letztinstanzlich das Oberverwaltungsgericht - die Verbotsverfügung für die zum 1. Mai geplanten NPD-Veranstaltungen in Weimar aufrechterhalten haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Land will hier die Verantwortung nicht abschieben. Zusammen mit den Gemeinden und Städten müssen wir auch in Zukunft darauf achten, dass alle Ermessensspielräume zur Verhinderung extremistischer Aufmärsche voll ausgeschöpft werden. Wichtig bleibt, dass Landesbehörden, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Kommunalbehörden eng und intensiv zusammenarbeiten, so wie das beispielsweise in Eisenach und in Weimar geschehen ist, und dass sie damit gewaltsame Auseinandersetzungen verhindern. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, weitere Versuche, durch öffentliche Veranstaltungen aktiv zu werden und aufzufallen, werden weder in den nächsten Wochen noch in den nächsten Monaten unterbleiben. Wir tun gut daran, uns darauf bereits heute einzustellen.

Die SPD-Fraktion hat in ihrem Brief an die Landtagspräsidentin zum heutigen Sitzungstag formuliert - ich zitiere: "Widerstand gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass verlangt den entschiedenen Konsens aller demokratischen Kräfte." Das ist ausdrücklich richtig und das, meine Damen und Herren, ist auch meine Meinung. Wir beziehen gemeinsam mit allen demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürgern Position gegen Gewalt von Rechts und von Links, und zwar eindeutig und klar, aber wir sollen uns bitte nicht gegenseitig vorschreiben, wie wir Position gegen Extremismus zu beziehen haben. Es geht heute eben nicht um Faschismus oder Antifaschismus, es geht um Demokraten und um Extremisten. Es geht um Menschen, die für unsere freiheitliche Verfassung eintreten, und es geht um andere, deren Ziel es ist, diese Verfassung zu bekämpfen oder sie zumindest in Frage zu stellen. Wenn sich die Demokraten über die Behandlung des Extremismus in Thüringen zerstreiten, dann freuen sich die Gegner der freiheitlichen Demokratie. Und genau das, meine Damen und Herren, müssen wir verhindern.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Deswegen ist ein Konsens der Demokraten so bedeutend. Um es, wie ich finde, in der treffendsten Weise mit Theodor Heuss zu formulieren: "Unsere Maxime ist: Keine Freiheit den Feinden der Freiheit, denn die Feinde der Freiheit haben Deutschland im vergangenen Jahrhundert wahrlich genug Unglück gebracht." Es bleibt dabei, der Anschlag auf die Erfurter Synagoge ist verabscheuungswürdig, aber er steht nicht für das geistige Klima im Lande. Polizei und Staatsanwaltschaft haben durch ihre rasche Aufklärung gute Arbeit geleistet. Das zeigt, der Freistaat Thüringen ist eben nicht auf dem rechten Auge blind, und es zeigt, er ist voll handlungsfähig. Unsere jüdischen Mitbürger können sich unserer Solidarität sicher sein, und wir wollen alles Menschenmögliche tun, dass sich ein solcher feiger Anschlag nicht wiederholt.

Gestatten Sie mir als Abgeordneter hinzuzufügen: Ich werde dem gemeinsamen Entschließungsantrag zustimmen - nicht, weil ich ihn für den untersten Level halte, sondern weil der Inhalt meine Zustimmung findet, und nicht nur heute, sondern auch für die Zukunft. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache. Zunächst stelle ich bezüglich des Antrags der SPD fest, dass das geforderte Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfüllt ist.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der PDS in Drucksache 3/627. Ausschussüberweisung ist nicht verlangt worden, wir kommen unmittelbar zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenprobe? Enthaltungen? Damit ist dieser Entschließungsantrag mit einer übergroßen Mehrheit bei 1 Gegenstimme angenommen worden. Ich danke allen Abgeordneten für ihre Mitarbeit und für diese Gemeinsamkeit, die darin zum Ausdruck kommt.

Ich schließe damit die Sitzung. Wir sehen uns wieder am 17. Mai 2000 zur nächsten Plenarsitzung. Danke.

E n d e d e r S i t z u n g: 18.05 Uhr