Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wer könnte etwas dagegen haben, dass die Konjunktur sich belebt. In der Tat, es gibt einen Prozess der konjunktu

rellen Belebung deutschlandweit - auch in Thüringen. Seit Mitte letzten Jahres haben sich Nachfrage und Produktion erhöht und die konjunkturelle Entwicklung hat inzwischen auch Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Dies gilt auch für Thüringen, obwohl bei uns ja die konjunkturellen Effekte durch strukturelle Anpassungsprobleme nach wie vor gebremst werden, siehe Baubereich. Allerdings haben wir deutschlandweit und auch in unserem Lande überhaupt keinen Anlass zum Jubeln. Die Konjunktur ist fast ausschließlich auf weltwirtschaftliche Expansionsentwicklungen zurückzuführen. Und es ist sicherlich so, dass die Antriebskräfte der Konjunktur nicht im Inland angesiedelt sind. Die Leute, die glauben, die wirtschaftspolitischen Aufgaben seien schon zur Hälfte erreicht, denen sei gesagt, dass sich der Aufschwung inzwischen schon wieder abflacht. Herr Botz, man muss halt die Prognosen der Institute, wenn man sie zitiert, auch lesen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Hätten Sie diese nämlich gelesen, dann hätten Sie festgestellt, dass die Institute bereits wieder ein Abflachen für 2001 prognostiziert haben. Dann hätten Sie auch gelesen, dass Deutschland auf einem der letzten drei Plätze liegt, was die konjunkturelle Entwicklung im EU-Raum anlangt, von der Weltwirtschaft ganz zu schweigen. Von einer konjunkturellen Lokomotive, die Deutschland einst war, kann mit Sicherheit nicht gesprochen werden, auch gegenwärtig nicht. Das Beschäftigungswachstum, von dem Sie gesprochen haben, lag zuletzt bei gerade 0,3 Prozent, in anderen Ländern bei über 2 Prozent, Herr Botz. Das sind die Zahlen, bei uns 0,3 Prozent. Steuern und Abgaben haben 1999 ein neues Rekordniveau erreicht, Staatsquote gestiegen auf 49 Prozent und der Euro hat ein Viertel seines Wertes eingebüßt, meine Damen und Herren. Und da gibt es den Bundeskanzler, der dies begrüßt und sagt, damit werde der Export belebt. Natürlich profitiert der Export kurzfristig vom schwachen Euro, aber wer so redet, hat die fundamentalen wirtschaftlichen Wirkungszusammenhänge überhaupt nicht kapiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Er hat noch nichts gehört von den Folgen einer Kapitalflucht und den Auswirkungen, die dies auf die heimische Wirtschaft hat. Meine Damen und Herren, wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um nicht nur von Währungsschwankungen zu leben, sondern von Wettbewerbsfähigkeit her Erfolge zu erzielen. Abgesehen davon, wer sich allein auf die Situation beim Euro verlässt, der kann sehr schnell verlassen sein. Wir brauchen ein stetiges Wirtschaftswachstum, das genährt wird von unserer dauernden Wettbewerbsfähigkeit auf allen Märkten der Welt. Dies ist die Aufgabe, die sich stellt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dass wir in Deutschland unsere Strukturprobleme nicht bewältigt haben, das wird uns alltäglich national und international von allen Experten bestätigt. Aber was ich als besonders fragwürdig ansehe, ist, dass man die Veränderungen im Verhältnis Rentner zu Erwerbstätigen hernimmt, um wirtschaftspolitische Erfolge zu begründen. Meine Damen und Herren, dieses Argument sollten wir nicht in die Wirtschaftspolitik einführen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es wird im Jahre 2001 ein Rückgang der Arbeitslosen von insgesamt 44.000 prognostiziert. Dem steht ein Beschäftigungsrückgang von insgesamt 85.000 gegenüber. Das sind die Fakten, mit denen wir es zu tun haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, und dann kommt bei uns sicherlich das Thema "Bau" dazu, diese spezifischen Anpassungsprobleme. Herr Ramelow, es ist auch falsch zu sagen, der Angleichungsprozess finde zurzeit nicht statt oder sei abgehängt. Wenn man die globalen BiPZahlen nimmt, dann entsteht ein solcher Eindruck, wenn man aber den Bereich Industrie und Gewerbe nimmt, dann stehen wir natürlich im Wachstum deutlich über dem Wachstum der alten Länder. Wenn die Anpassungskrise der Bauwirtschaft eines Tages abgeschlossen ist, wird es zu einem deutlichen Anstieg der gesamten Wachstumsrate kommen. Erst dann wird der Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land bei den wirtschaftlichen Zahlen voll sichtbar. Dies muss man einfach sagen, weil man sonst die Realität, die sich bei uns abspielt, nicht richtig beschreibt.

(Beifall bei der CDU)

Und dann hat Herr Dr. Botz in seiner Wahlrede davon geredet, wir würden hier zusätzliche Probleme für die Beschäftigung produzieren. Herr Dr. Botz, wir hatten im letzten Jahr zusätzliche Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe von 8.000, und dies, obwohl 30.000 Beschäftigte im so genannten zweiten Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, und dies nicht aufgrund Thüringer Entscheidungen, sondern aufgrund von Entscheidungen des Bundes. Das sollten Sie sich mal merken, Herr Dr. Botz.

(Beifall bei der CDU)

30.000 wurden im Arbeitsmarkt aufgenommen und es wurden zusätzlich eben noch 8.000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Natürlich ist die Arbeitslosigkeit angestiegen. Wenn man aber diese ganzen Veränderungen sieht, nicht nur die Nettozahl, nicht nur den Saldo, sondern die Veränderungen, dann stellt sich das Bild bei uns ganz anders dar, als von Ihnen beschrieben.

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei, es müssen die Aufgaben im Lande gemacht werden und diese Aufgaben sind nicht gemacht, wenn man sagt, Herr Ramelow, wir müssen die Binnennachfrage beleben. Wie denn, bitte schön? Wieder durch Keynes'sche Konjunkturprogramme? Herr Botz, ist das der Weg, auf dem Sie die Binnenkonjunktur beleben wollen? Da kann ich nur sagen: Solche Forderungen stammen aus der Mottenkiste.

(Beifall bei der CDU)

Es muss darum gehen, unsere Strukturprobleme zu lösen in Deutschland insgesamt. Steuerreform - wer hat denn die Steuerreform in der letzten Legislaturperiode verhindert, Herr Dr. Botz? Die SPD war es, die eine nationale Aufgabe hinter parteipolitische Überlegungen zurückgestellt hat.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Realität und die Wahrheit.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Lächer- lich.)

Wir könnten die Steuerreform längst haben, wir könnten die Konjunkturbelebung früher gehabt haben, wir könnten die Wettbewerbsfähigkeit auf allen Märkten der Welt erreicht haben, wenn die SPD keine Blockadestrategie praktiziert hätte. Wie steht es mit der Reform der sozialen Sicherungssysteme? Man ist sich einig, dass diese grundlegend reformiert und langfristig finanzierbar gestaltet werden. Nicht Abbau, Umbau ist angesagt in diesem Bereich.

Nun lassen Sie mich ein weiteres Thema aufnehmen die Diskussion um die Greencard. Ich will gar nicht grundsätzlich etwas dagegen sagen, aber eines hat die Diskussion gebracht, nämlich dass fundamentale Defizite im Bereich Ausbildung, Qualifizierung unserer Beschäftigten zu beheben sind. Wenn das geschieht, kann man den Fachkräftebedarf der Wirtschaft auf dem heimischen Arbeitsmarkt weitgehend decken. Auf diesem Feld ist seitens des Bundes vieles vernachlässigt worden.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Richtig.)

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Genau.)

Wenn Sie mir das nicht glauben, dann kann ich Ihnen ja einmal zeigen, was die Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung bisher gebracht haben - herzlich wenig, meine Damen und Herren. Wenn man Reformen durchführen will, dann muss man sie durchführen, wenn die Konjunktur gut ist. In konjunkturell schwierigen Zeiten ist es schwierig, Reformen durchzuführen. Da sind die Besitzstände dann sehr starke Widerstände. Warum nutzen

wir denn diese konjunkturellen Fortschritte nicht zu einer konsequenten Reform zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft? Das ist doch die Aufgabe, die sich stellt. Man kann die Konjunktur nicht als Ausrede benutzen, um fällige Reformen weiter zu vertagen, womöglich in die nächste Legislaturperiode zu verschieben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Das ist langsam unerträglich.)

Meine Damen und Herren, das ist die Aufgabe. Die Konjunktur löst keine Probleme, sie kann keine Ausrede sein, notwendige Strukturreformen zu vertagen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich komme zum Aufruf des - ursprünglich - Tagesordnungspunkts 4

Thüringer Gesetz über den Bürgerbeauftragten (Thüringer Bürgerbeauftragtengesetz - ThürBüG -) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/140 dazu: Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses - Drucksache 3/660 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/668 Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/675 Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/676 ZWEITE BERATUNG

Herr Abgeordneter von der Krone, ich bitte um Berichterstattung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Petitionsausschuss hat mich beauftragt, hier über die Beratung zum Thüringer Gesetz über den Bürgerbeauftragten zu berichten. Der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/140 - wurde in der 6. Plenarsitzung am 16. Dezember 1999 durch Beschluss des Landtags an den Petitionsausschuss - federführend - und den Justizausschuss überwiesen. Der Petitionsausschuss hat in seiner 5. Sitzung am 3. Februar 2000 ein schriftliches Anhörungsverfahren beschlossen. Die Anzuhörenden und

die Fragestellung wurden in der 6. Sitzung am 2. März 2000 bestimmt. Mit Schreiben vom 3. März 2000 wurden die Fragen den Anzuhörenden übermittelt und um schriftliche Stellungnahme bis zum 3. April 2000 gebeten. Eingegangen sind Stellungnahmen des Thüringer Beamtenbundes - Zuschrift 3/43 - und der Landesregierung Zuschrift 3/59 -. Weiter liegen eine bestimmte und unbestimmte Zusage der Abgabe einer Stellungnahme vor. Mit dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion - Vorlage 3/250 -, eingegangen am 3. Mai 2000, wurde die Neufassung des Gesetzentwurfs vorgeschlagen. Der Petitionsausschuss hat in sener Sitzung am 4. Mai 2000 beschlossen, in einer außerplanmäßigen Sitzung am 11. Mai 2000 die Beratung des Thüringer Bürgerbeauftragtengesetzes fortzusetzen. Zur Vorbereitung der Beratung des mitberatenden Justizausschusses wurde diesem der Änderungsantrag der CDU-Fraktion zur Kenntnis gebracht.

Der Petitionsausschuss hat in seiner Sitzung am 11. Mai 2000 beschlossen, den Gesetzentwurf in der von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Neufassung anzunehmen. Der Justizausschuss hat den Gesetzentwurf ebenfalls am 11. Mai 2000 ohne Änderungsvorschläge beraten. Namens meiner Fraktion bitte ich Sie daher, den Gesetzentwurf - Drucksache 3/140 - in der vom Petitionsausschuss empfohlenen Fassung - Drucksache 3/660 anzunehmen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Ellenberger, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will es einmal so zusammenfassend sagen: Das war wohl nichts, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der PDS)

Oder anders ausgedrückt, das war so schlecht gemacht, dass es Ihnen Ihre eigene Fraktion um die Ohren gehauen hat - bildlich gesprochen selbstverständlich, ich will mir ja hier keine Rüge einhandeln.

(Beifall bei der SPD)

Zuerst präsentierten Sie der Thüringer Öffentlichkeit einen Wunschkandidaten für das Amt des Bürgerbeauftragten, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gab. Sie haben dadurch den Eindruck entstehen lassen, dass das von Ihnen geplante Gesetz vor allem für eine ganz konkrete Person gemacht werden soll, aus welchen Gründen auch immer, ich will mich da eventuellen Spekulationen nicht anschließen, die zweite Runde werden

wir ja auch noch miterleben, die dann irgendwann einmal, wenn die Kandidatin, der Kandidat genannt wird, durchgeführt wird. Aber, ich denke, Sie haben durch Ihr Vorgehen dafür gesorgt, dass dieses Amt schon beschädigt wurde, bevor es überhaupt installiert war.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Denn auf diese Art und Weise, meine Damen und Herren, kann überhaupt kein Vertrauen aufgebaut werden, aber Vertrauen, denke ich, wir wissen das alle, ist die Basis für die Aufgabenerfüllung eines Bürgerbeauftragten. Ich kann nur bedauern, wie dilettantisch Ihr Vorgehen gewesen ist. Übrigens, ich will da gar kein Missverständnis aufkommen lassen, meine Kritik richtet sich nur auf das Vorgehen in dieser Sache, auf die Art und Weise, wie Sie versucht haben auch Personen schon ins Spiel zu bringen. Sie richtet sich nicht gegen die Person selber, über die dort diskutiert worden ist.

Meine Damen und Herren, der Dilettantismus, mit dem Sie, Herr Ministerpräsident, ja bekannterweise auch Ihre eigene Fraktion brüskiert haben, ist allerdings damit noch nicht zu Ende. Sie haben, vielleicht um da noch eines draufzusetzen, Ihre Fraktion und uns alle dann hopplahopp mit einem Gesetzentwurf überrascht, der so misslungen war, dass Ihre eigenen Fraktionäre sich genötigt sahen, die Notbremse zu ziehen und dem staunenden Publikum einen im Prinzip ganz neuen Entwurf vorzulegen. Formal gesehen passierte das im Petitionsausschuss. Aber natürlich machte das Ereignis auch draußen gleich die Runde. Es blieb auch nicht verborgen, mit welchem Frust das ganze Problem in der CDU-Fraktion diskutiert worden ist. Vielleicht haben Sie sich, verehrte Kollegen von der Regierungsfraktion, gesagt, wenn wir schon diesen Frust ertragen müssen, dann sollen die Oppositionsfraktionen auch welchen haben,

(Heiterkeit bei der PDS, SPD)