Frau Vizepräsidentin, meine Damen und Herren, Sachlichkeit, das ist eine ganz wichtige Sache. Ich bin erst einmal dankbar, dass die Frau Abgeordnete Zitzmann uns in ihrer ersten Rede noch einmal das Gesetz erklärt hat. Aber da ist eigentlich auch ein kleiner Haken dran, denn gerade diese Erklärung war noch einmal notwendig, weil wir die erste Lesung weggelegt haben und wir durch die CDU-Fraktion und im Ausschuss ein, sagen wir einmal, man sagt ja Änderungsantrag, man sagt auch Neufassung, aber wir haben doch quasi ein neues Gesetz auf den Tisch gelegt bekommen. Deshalb sage ich einfach, wir machen quasi auch heute eine erste Lesung und nicht schon eine zweite Lesung.
Ich muss auch sagen, das Problem Arroganz und Demokratie, das sind ja Dinge, die zusammenpassen wie Feuer und Wasser, aber was ich heute gehört habe, besonders auch vom Kollegen Wehner, das ist auch ein gan
zes Stück Arroganz. Denn er hat nicht gesagt, warum wir denn eigentlich ausgezogen sind. Wenn man das Protokoll der Ausschuss-Sitzung noch einmal liest und verfolgt, was da drinstand, da haben wir unsere Gründe exakt fixiert, denn wir haben erst zwei Tage vor dieser Ausschuss-Sitzung ein umfangreiches Gutachten der Landtagsverwaltung bekommen. Das ist Tatsache, auch das ist Sachlichkeit. Wir haben an demselben Tag, als die Ausschuss-Sitzung war, auch den umfangreichen Änderungsantrag, Neufassung oder neuen Gesetzentwurf erhalten. Wenn man dann sachlich und intensiv berät - und ich denke, wir als Abgeordnete sind verpflichtet, auch umfangreich und intensiv zu beraten -, dann waren wir an diesem Tag nicht in der Lage, das umfangreich und sachlich zu tun. Diesen Grund hat man nicht akzeptiert. Deshalb sahen wir uns auch nicht in der Lage, an dieser Ausschuss-Sitzung weiter mit teilzunehmen. Das möchte ich hier zur Sachlichkeit noch einmal genannt haben. Danke.
Es liegen aus den Reihen der Abgeordneten keine weiteren Redemeldungen vor. Es hat sich Ministerpräsident Dr. Vogel zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine PDSAbgeordnete hat vor einigen Minuten hier die Behauptung aufgestellt, ich hätte das Parlament beschmutzt, und was dieser Aussage nicht nachsteht, Sie hat mich mit Machthabern einer Diktatur verglichen. Ich bin jetzt über 35 Jahre parlamentarisch tätig. Einen so unglaublichen, ehrverletzenden Vorwurf habe ich in diesen 35 Jahren noch nicht gehört.
Ich werde mich an die Frau Präsidentin wenden und bitten, dass sich mit diesem Vorfall der Ältestenrat beschäftigt, und ich behalte mir alle weiteren Schritte vor.
Zur Sache: Die Thüringer CDU hat auf ihrem Landesparteitag im Juli 1999 vor den Landtagswahlen die Zusage gegeben, wenn sie dazu die Mehrheit hat, einen Bürgerbeauftragten zu schaffen. Sie hat das getan, damit sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen, Anregungen und Anliegen direkt und ohne Umwege an ihn wenden können und bei ihm Hilfe und Unterstützung finden können. Ausgangspunkt dieser Zusage ist die Erfahrung, dass sehr viele Menschen Probleme haben, mit denen sie allein nicht fertig werden, mit denen sie sich
nicht verstanden fühlen, dass sie oft nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen, dass sie in ihrer Not - vor allem ältere Menschen - sich nicht zurechtfinden und dass sie nicht wissen, wer für sie zuständig ist. Wer täglich Briefe bekommt wie ich, wer, wo er steht und geht, mit solchen Schicksalen konfrontiert wird, weiß, wovon ich spreche. Die Adresse muss ein Gesicht haben und es muss jemand da sein, der zuhört, wo der Schuh drückt. Die neue Landesregierung hat sich diesen Wunsch der Mehrheit zu Eigen gemacht und in meiner Regierungserklärung im Oktober zu Beginn der Legislaturperiode habe ich das Vorhaben zu einem der ersten gemacht, das wir auf den Weg gebracht haben, und wir haben ein Gesetz zur Schaffung eines Bürgerbeauftragten vorgelegt. Ich habe angekündigt, dass der Bürgerbeauftragte dem Landtag zugeordnet werden solle. Heute soll das Gesetz verabschiedet werden. Die Zusage wird eingelöst, das Wort wird gehalten. Wenn es so kommt, bin ich dafür dankbar und freue mich darüber. Ich hoffe, dass die Einrichtung sich so bewähren wird, wie sie sich insbesondere in den skandinavischen Ländern seit Jahrzehnten bewährt, aber auch in einigen Ländern der Bundesrepublik, und dass sie bald im Freistaat Thüringen zum Alltag gehört.
Die Initiative der Landesregierung, die in der ersten Beratung grundsätzliche Zustimmung fand von Frau Zimmer, von Frau Ellenberger - Frau Ellenberger, damals haben Sie es etwas freundlicher formuliert als heute.
Herr Abgeordneter, Sie werden sich wundern, ich lege Wert darauf, dass ich hier meine Meinung sagen darf. Frau Ellenberger hat damals freundlicher formuliert.
Natürlich hat auch Frau Zitzmann diese grundsätzliche Zustimmung ausgedrückt. Der Gesetzentwurf hat eine lebhafte Diskussion in allen Fraktionen und auch in der meinen ausgelöst. Der Gesetzentwurf hat Veränderungen erfahren. Wie das so ist, erfährt ein Gesetzentwurf der Landesregierung keine Veränderung, dann schreit die Opposition "Kopfnicker", erfährt ein Gesetzentwurf Veränderungen, dann schreit Sie "Querelen in der Fraktion".
Meine Damen und Herren, das können Sie sich aussuchen. Das gehört zu den keineswegs von den Zuhörern und Zuschauern sympathisch gefundenen Spielchen. Die Sache ist diskutiert worden und die Idee ist genauso erhalten geblieben, wie sie am Anfang von uns vorgelegt worden ist. Am lautesten haben die geschrien, die die Idee gar nicht hatten und nie daran dachten, eine solche Gesetzesvorlage hier vorzulegen, weil sie das, was einmal in der 1. Legislaturperiode diskutiert worden war, längst vergessen hatten. Ich erlaube mir, in einigen Punkten Anmerkungen zu der Diskussion zu machen.
Der Vorschlag der Landesregierung war ein Bürgerbeauftragter, dem Landtag zugeordnet. Dabei ist es geblieben, ich halte das für ganz selbstverständlich wegen der notwendigen Unabhängigkeit. Es gab eine Diskussion im Verhältnis zum Petitionsausschuss. Ich habe gewisses Verständnis dafür, dass der Petitionsausschuss sich die Sorge machte, was hat das für unsere Arbeit für eine Bedeutung, zumal jeder weiß, dass der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags gute Arbeit geleistet hat, seit Johanna Köhler bis zum heutigen Tag.
Das Petitionsrecht wird weder in Frage gestellt, noch wird jemand daran gehindert - im Gegenteil, das Petitionsrecht steht in der Verfassung in Artikel 65. Petition aber heißt "Bitte" und heißt, dass ich etwas als Bitte an den Landtag vortrage in Angelegenheiten, für die der Landtag zuständig ist - nicht mehr und nicht weniger. Und dafür ist der Bürgerbeauftragte kein Ersatz, weil er Ansprechpartner für Sorgen und Nöte ist, die unter Umständen mit Petitionen nicht das Geringste zu tun haben. Deswegen ist er auch kein Gremium, sondern eine Person, die ins Land hinausgeht, Sprechstunden abhält und als Partner derer, die Sorgen haben, ansprechbar ist. Natürlich ist Kooperation mit dem Petitionsausschuss notwendig und selbstverständlich; sie ergänzen sich, aber sie behindern sich nicht gegenseitig. Dann ist die Behauptung aufgestellt worden, zum Teil findet sich das auch in den Anträgen, er dürfte nicht von der Regierung vorgeschlagen werden und er müsse mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Meine Damen und Herren, ich habe ja Verständnis, dass es der Minderheit in diesem Haus schwer fällt zu begreifen, dass sie die Minderheit ist. Aber ich habe etwas gegen den untauglichen Versuch, bei jeder Gelegenheit das Wählervotum umfunktionieren zu wollen.
Die Verantwortung ist der Mehrheit übertragen, so ist das in einer Demokratie. Ich habe nicht die Absicht, mich daran zu beteiligen, durch die Hintertür das, was der Wähler abgelehnt hat, wieder hereinzulassen. Wir sind hier keine Allparteienkoalition, sondern wir sind Mehrheit und Minderheit und beide haben ihre Rechte und Aufgaben.
Und, lieber Herr Kollege Dewes, lassen Sie doch die Kirche im Dorf, alle wichtigen Funktionen werden mit qualifizierten Mehrheiten bestimmt. Ich habe bis zum heutigen Tag und zu Ihrer Rede die Funktion des Ministerpräsidenten auch zu den wichtigen Funktionen im Lande gezählt. Der wird mit einfacher Mehrheit gewählt und nicht, weil er eine wichtige Funktion ist, mit Zweidrittelmehrheit, wie Sie es gerne hätten, weil Sie dann noch in der Regierung säßen, wo Sie aber nicht mehr hingehören, weil Sie weggewählt worden sind.
Herr Kollege Gentzel wirft sich in die Brust: Das Land braucht einen starken Bürgerbeauftragten! Meine Damen und Herren, als ob die Stärke eines Ministerpräsidenten von der Frage der absoluten oder relativen Mehrheit abhängig ist. So ein Unsinn!
Meine Damen und Herren, und jetzt wird der Vorschlag gemacht: Wenn man nichts anderes mehr weiß, schlägt man eine Kommission vor, eine Kommission mit very honorable people - Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Sportbund, Jugendring, Frauenverbände, Opferverbände, Liga der Wohlfahrtsverbände - meine Damen und Herren, sehr, sehr ehrenhafte Gremien. Ich mache nur darauf aufmerksam, der Bürgerbeauftragte ist ein Beauftragter der Bürger und nicht der Interessengruppen dieses Landes.
Und deswegen wird der Bürgerbeauftragte nach meiner Vorstellung von den Beauftragten der Bürger gewählt und die Beauftragten der Bürger sind die gewählten Abgeordneten, meine Damen und Herren, da gehört das hin.
Im Übrigen, wenn Sie das auch noch hören wollen, was die Bürger tun: Die Bürger schlagen ihren Ministerpräsidenten vor und den wählt dann der Landtag, das ist in Ordnung, aber nicht die Interessenvertreter ein staatliches Organ - wo kommen wir denn da hin. Es wird dann gesagt, dieser Bürgerbeauftragte, dies gewaltige Wesen, müsse vom Landtag zu wählen sein, und zwar nur von solchen, die auch zum Landtag gewählt werden können. Meines Erachtens, meine Damen und Herren, hätte es gereicht, wenn der Bürgerbeauftragte von der Mehrheit Vertrauen findet. Für mich ist die Bindung an das Wahlrecht des Landtags ein etwas kleines Karo - der arme Goethe, der arme Schiller, der arme Luther, die wären alle nicht in Frage gekommen, weil sie kein ständiges
Wohnrecht hier hatten, die armen Menschen. Aber, ob das nun an das Wahlrecht des Landtags gebunden ist oder nicht, eine Gewissensfrage ist das für mich nicht; sei es drum, wenn man diese Bindung will, mag man sie haben. Und die Regierung wird selbstverständlich einen Vorschlag machen, der auch dieses Kriterium erfüllt.
Frau Kollegin Ellenberger, Sie haben vorhin gesagt, so etwas zu Ihnen nicht passend dubios, darüber könne man ja nicht öffentlich sprechen. Alles, was logisch und konsequent ist, darüber kann man auch in der Öffentlichkeit sprechen, Frau Ellenberger. Andeutungen sind immer schwächer als Aussagen.
Was Sie da so an Logik vermissen ließen: Erst war ich der, der den Wunschkandidaten nicht durchgebracht hat, und dann der, der das Gesetz so schnell durchgepeitscht hat - ein merkwürdig geteiltes Wesen. Ich will nur sagen, es ist richtig, dass ich einmal in einer Nebenbemerkung den Namen von Herrn Benner genannt habe. Aber, meine Damen und Herren, es ist auch richtig, dass wir den Vorschlag machen, wenn das Gesetz verabschiedet ist, und ich möchte ausdrücklich sagen, dass, was mit Herrn Benner in der Diskussion geschehen ist, hat Herr Benner nicht verdient,
denn er hat gute Arbeit geleistet. Und ich habe das nicht verdient, weil das auch jeder weiß, dass Herr Benner weder versorgt noch untergebracht werden muss, weil er, wie jeder weiß, wie die Staatssekretäre im Ruhestand von SPD und F.D.P. auch, natürlich nach der Ordnung der Staatssekretäre versorgt ist.
Ja, warum soll denn nicht einmal ein Name fallen? Ihr Name fällt doch auch gelegentlich und Sie freuen sich meistens darüber, wenn er fällt, lassen Sie das doch zu!
Dann ist hier beklagt worden, die Landesregierung habe angeblich Fragen nicht beantwortet. Ich möchte auf diesen subtilen Vorwurf doch klar sagen: Die Landesregierung beantwortet alle Fragen - nur, wenn Fragen gestellt werden mit der Absicht, dass wir das Gegenteil von dem sagen, was wir gestern gesagt haben, dann sage ich Ihnen, wir gehören nicht zur PDS, sondern wir gehören zur Landesregierung und verfahren nicht nach dieser Methode.