Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

(Unruhe bei der CDU)

Eines muss ich Ihnen auch sagen, die Begründung zu diesem Antrag, da sieht es schon wieder anders aus, das gefällt mir wesentlich besser als der eigentliche Antragstext, denn da ist zumindest ein Ansatz von Substanz zu erkennen. Aber, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, das sei besonders Ihnen gesagt, diese Begründung hat einen ganz entscheidenden Nachteil. Sie ist für die Landesregierung überhaupt nicht verbindlich. Es sind lediglich Platitüden

und Allgemeinplätze, an die sich diese Landesregierung weder zu halten braucht noch hält. Eigentlich ist der Begriff der Modernisierung in unserer Zeit positiv besetzt, aber diese Thüringer Landesregierung hat es in den zwölf Monaten ihrer Regentschaft allerdings geschafft, diesen Begriff durch einen rein fiskalischen Ansatz zu pervertieren. Ich will Ihnen dafür Beispiele nennen. Nehmen wir doch nur einmal das von Ihnen als solches deklarierte Personalentwicklungskonzept. Mit ganzen 11/2 Seiten begründen Sie gegenüber dem Parlament das Schicksal von 8.000 Mitarbeitern. In Ihrer Begründung zu diesem Antrag steht etwas von einer umfassenden Aufgabenkritik, ja wo soll denn die stehen, ich kann diese nicht erkennen. Oder nehmen wir den neu geschaffenen Landesbetrieb, das Thüringer Liegenschaftsmanagement. Vom Ansatz her eine gute Sache, von der SPD gefordert und wird auch unterstützt, aber eine rechtzeitige und umfangreiche Einbindung der Belegschaft in die personellen Entscheidungsprozesse - Fehlanzeige; die Folge - gerichtliche Auseinandersetzungen. Und jetzt, das ist ganz neu, allerdings konnten Sie das bei Ihrer Antragseinbringung ja noch gar nicht wissen, dieser Antrag datiert vom 24.07. und die Überlegungen der Landesregierung zur Verwaltungsstraffung, -kürzung und -abschaffung datieren vom 6. September: Sie wollen eine ganze Reihe von Behörden zusammenlegen, abschaffen, wie auch immer. Eine Straffung ist unumgänglich. Das wird auch von uns nicht bestritten, aber bitte schön auf nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen und nicht nur, Herr Trautvetter, weil der Haushaltaufstellungserlass eine prozentuale Einsparung fordert.

Herr Köckert, Ihr Staatssekretär hat bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verwaltungsmodernisierung behauptet, das Innenministerium habe die Federführung bei den Bemühungen zu dieser Verwaltungsmodernisierung. Glauben Sie denn das eigentlich selbst? Vielleicht ist ja die derzeitige Demontage des Landesamts für Verfassungsschutz, an der Sie ja nicht ganz unbeteiligt sind, nur der Versuch, dem Finanzminister zu beweisen, wie schnell man eine Behörde zur Selbstauflösung bringen kann.

(Beifall bei der SPD)

Das können wir doch wirklich nicht begrüßen in diesem hohen Hause. Eine sich ändernde Gesellschaft, meine Damen und Herren, muss auch nach Auffassung der SPD zwangsläufig einen Wandel in der öffentlichen Verwaltung nach sich ziehen. Das ist ganz klar und wir müssen auch, das wurde schon betont, den Dienstleistungscharakter der Verwaltung weiter stärken. Dazu gehören motivierte und nicht verunsicherte Mitarbeiter. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Nach Ihrer letztwöchigen Veröffentlichung über Verwaltungsabschaffungen war in meinem Wahlkreisbüro eine Mitarbeiterin des Versorgungsamts in Suhl, die sich mit der Auszahlung des Landeserziehungsgeldes befasst. Sie haben aus der Presse entnommen, dass ihre Behörde kommunalisiert wer

den soll. Sie haben nicht entnommen - wann, sie haben nicht entnommen - wie. Das Ergebnis, selbst die Leiter wissen nicht Bescheid, in diesen Behörden herrscht Angst und Verunsicherung. Das ist eine Tatsache und Ihr Ansatz, sozusagen von oben herab eine Verwaltungsreform zu verordnen und zu praktizieren, geht an den Beteiligten und den Hauptbeteiligten, nämlich den Mitarbeitern, völlig vorbei. Er geht aber auch, und damit erklären wir und ich uns absolut nicht einverstanden, am Parlament vorbei, da uns wichtige Informationen für einen Entscheidungsfindungsprozess nach wie vor vorenthalten werden. Ich fordere deshalb von der Landesregierung:

1. als Grundlage für alle weiteren Stufen einer Verwaltungsreform eine umfassende und nachvollziehbare Aufgabenanalyse, wobei die Betonung hier wirklich auf "nachvollziehbar" liegt;

2. eine umfangreiche Beteiligung der Personalvertretungen und Gewerkschaften und

3. eine bessere Beteiligung und Information des Parlaments als bisher.

Unter diesen Voraussetzungen, da können Sie sicher sein, unterstützt auch die SPD die Bemühungen zu einer Modernisierung der Thüringer Verwaltungen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Als weitere Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Groß, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Werte Frau Präsidentin, werter Herr Innenminister, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dittes, Ihren Ausführungen habe ich entnommen, dass Sie bisher keine große Verwaltungserfahrung haben, sonst hätten Sie,

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist bei einem Blick auf meine Biografie auch nicht so schwer.)

wenn auch zähneknirschend, den Bericht des Innenministers wohlwollend zur Kenntnis nehmen müssen. Aber vielleicht war ja auch Ihr Diskussionsbeitrag schon fertig, bevor Sie den Bericht des Innenministers gehört haben.

Herr Höhn, Ihnen hätte ich eigentlich etwas mehr zugetraut. Unser Antrag ist Ihnen qualitativ nicht gut genug. Das ist sicherlich Ihre Auslegung, wir nehmen das einfach mal so zur Kenntnis. Aber Verwaltungsmodernisierung muss auch qualitativ gemacht werden und wir denken, es ist wichtig, dass wir im Parlament auch darüber unterrichtet werden.

Ich danke Ihnen, Herr Innenminister, dass Sie zu unserem Antrag berichtet haben und nicht nur berichtet, sondern auch perspektivische Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt haben. Verwaltungsmodernisierung und -reform sind Worte, die man landauf und landab überall hört. Unsere Fraktion und, wie ich aus den anderen Redebeiträgen entnehmen konnte, auch fraktionsübergreifend möchte man informiert sein, wie die Modernisierung in unserer Thüringer Landesverwaltung voranschreitet. Wenn auch...

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Wir möchten nicht nur informiert werden, sondern auch beteiligt sein.)

Ja, Herr Dittes, das ist schön, aber wenn wir es noch gesetzlich regeln, Herr Dittes, dann regeln wir langsam alles kaputt. Es ist selbstverständlich, dass es sich hier um einen Prozess handelt, der zum Glück nicht erst jetzt begonnen hat und auch nicht morgen zum Stehen kommen wird. Herr Innenminister, Sie erwähnten, dass hier dauerhafte Aufmerksamkeit und ständiges Engagement gefordert ist. In den vergangenen 10 Jahren wurde eine leistungsfähige Verwaltung aufgebaut. Doch in Zeiten knapper Kassen ist der erforderliche Finanzbedarf gerade jetzt in den Haushaltsberatungen auf den Prüfstand zu legen. Hier liegt meines Erachtens die Verantwortung des Parlaments. Es war informativ, dass Sie, Herr Köckert, in Ihrem Bericht Beispiele für bereits durchgeführte Veränderungen gegeben haben. Unser Hauptaugenmerk müssen und werden wir zukünftig auf den fortschreitenden Prozess der Modernisierung der Verwaltung legen. Wir brauchen in den Verwaltungen mehr Selbstverantwortung, ständig anwachsende Qualität der Arbeitsergebnisse und mehr Bürger- und Kundenorientierung. Die Verwaltungsmodernisierung, die in manchen Punkten ohne finanziellen Mehraufwand ansetzen kann, ist trotz allem nicht losgelöst von den Haushaltsberatungen zu sehen.

Die Landesregierung hat in der letzten Woche ein 27Punkte-Programm zur Strukturänderung veröffentlicht. Diese Änderungen sollen zum einen finanzielle Einsparpotenziale bringen, aber was, so denke ich, noch wichtiger ist, eine höhere Effizienz und Flexibilität in der Verwaltung. Es liegt nun an uns Parlamentariern, die Dinge im Einzelnen zu prüfen und abzuwägen. Zurzeit höre ich von einigen Abgeordneten der Oppositionsparteien Aufschreie, obwohl z.B. die SPD-Fraktion einen Teil der Vorschläge der Landesregierung befürworten müsste. So hat bereits im Jahre 1997 der damalige finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Herr Dr. Pidde, Vorschläge unterbreitet. Ich möchte hier nur einige nennen: der Abbau von Verwaltungsstellen, die Auflösung der Landesanwaltschaft, die Aufstellung eines Gesamtpersonalkonzepts mit dem Ziel, die Stellen des Landes zu verringern. Aber scheinbar waren diese Vorschläge in der großen Koalition nicht durchzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das stimmt genau.)

Erfreut habe ich zur Kenntnis genommen, dass im Prozess der Verwaltungsmodernisierung der Dialog gesucht wird, der Dialog mit der Wirtschaft und den kommunalen Spitzenverbänden. Unseren Antrag zur halbjährlichen Information, haben Sie, Herr Innenminister, bereits befürwortet. Lassen Sie uns in den Haushaltsdiskussionen auch Akzente für die Verwaltungsmodernisierung setzen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam das Ziel, eine leistungsstarke und lernfähige, effizient arbeitende, effektive und finanzierbare öffentliche Verwaltung des Freistaats Thüringen erreichen und verbessern werden. Sie muss im Wettbewerb der Bundesländer und der EU-Region aus sich selbst heraus innovationsfähig und in der Lage sein, bürgernahe Dienstleistungen schnell, kostengünstig und rechtsbeständig zu erbringen. Ich denke, dazu sind wir auf einem guten Weg und viel Erfolg uns. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Redewünsche mehr vor. Ich kann damit zunächst feststellen, dass gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Berichtsersuchen erfüllt ist, falls keiner widerspricht und es widerspricht keiner. Und zum Weiteren haben wir einen Antrag vor uns liegen in der Drucksache 3/852. Zu diesem gab es einen Antrag auf Überweisung an den Innenausschuss. Wer der Überweisung des Antrags an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Danke schön. Bei einer Mehrheit von Neinstimmen, einigen Jastimmen und einigen Enthaltungen ist die Beratung des Antrags im Innenausschuss abgelehnt. Damit kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag der CDU in der Drucksache 3/852. Wer diesem Antrag der CDU zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? War das eine Stimmenthaltung? Bei 1 Stimmenthaltung und einer Mehrheit von Jastimmen ist dieser Antrag angenommen. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 9 und den heutigen Plenarsitzungstag und verweise noch einmal auf den parlamentarischen Abend, der nicht hier im Haus ist, sondern im Christianenheim stattfindet.

E n d e d e r S i t z u n g: 19.56 Uhr