Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Pidde beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt.
Zu Frage 1: Die Geschäftszahlen der Thüringer Arbeitsgerichte gehen seit geraumer Zeit kontinuierlich zurück. Nur mit der Zusammenfassung bestehender Standorte kann auf Dauer eine gleichermaßen qualifizierte und annähernd wirtschaftliche Verfahrensbearbeitung gewährleistet werden. Die Auswahl des Standorts Gotha beruht auf der derzeit überproportionalen Standortdichte der Arbeitsgerichte im Bereich Gotha, Erfurt, Eisenach und Mühlhausen. Anders als bei einer hypothetischen Schließung etwa der Arbeitsgerichte Suhl, Nordhausen, Gera oder Eisenach
bleibt bei der Schließung des Standorts Gotha der aus Sicht des Bürgers vorrangige Grundsatz der Erreichbarkeit und guten Verkehrsanbindung seines Heimatgerichts auch nach der beabsichtigten Neugliederung gewahrt.
Zu Frage 2: Mittel- und langfristig werden Sach- und Personaleinsparungen erzielt. Da an größeren Gerichten Vertretungsfälle wie Urlaub, Krankheit oder Schwangerschaft und Schwankungen im Geschäftsaufkommen vom vorhandenen Personalbestand leichter bewältigt werden können, sind Personaleinsparungen, insbesondere im nachgeordneten Bereich, möglich. Im Ausstattungsbereich können z.B. die Aufwendungen für Bibliothek, EDV und Systempflege des Standorts Gotha eingespart werden, die überwiegend an die Zahl der Standorte und im wesentlich geringeren Umfang an die Größe der einzelnen Standorte gebunden sind.
Zu Frage 3: Die bislang von dem Amtsgericht Gotha und in geringerem Umfang auch von dem Arbeitsgericht Gotha genutzte landeseigene Liegenschaft Justus-Pertus-Straße in Gotha wird derzeit vom Land Thüringen saniert. Nach Sanierung und Ausbau des Dachgeschosses kann in der Liegenschaft nicht nur das Amtsgericht Gotha, sondern gegebenenfalls auch eine weitere Behörde untergebracht werden. In Gotha sind neben dem Arbeitsgericht weitere Behörden, darunter zwei Justizbehörden, ansässig, die zurzeit nicht in landeseigenen Liegenschaften, sondern in angemieteten Objekten untergebracht sind. Mit einem Umzug einer dieser Behörden in die landeseigene Liegenschaft könnte ein Mietvertrag, der derzeit den Landeshaushalt belastet, gekündigt werden.
Herr Staatssekretär, sind in die Bilanzbetrachtungen auch einbezogen worden die Baukosten, die Umzugskosten und auch die Mehrkosten, die für die ehrenamtlichen Richter entstehen? Das ist die erste Frage. Und zweitens: Wie hoch beziffern Sie denn die Einsparungen an Sachkosten und an Personalkosten oder gibt es noch keine Möglichkeit der Bezifferung?
Das Vorhaben der Schließung des Arbeitsgerichts Gotha ist Gegenstand des Haushaltbegleitgesetzes. Ich gehe davon aus, dass im Rahmen der Beratung des Haushaltbegleitgesetzes diese einzelnen Punkte alle besprochen und diskutiert werden können. Im Übrigen, konkrete Zahlen kann ich Ihnen dazu noch keine nennen, weil ich ja schon ausgeführt habe, dass die Personaleinsparungen zum großen Teil erst in den Folgejahren quantifiziert begründet werden können.
Ja. Dann schaue ich erst noch mal, ob es weitere Nachfragen gibt. Das ist nicht der Fall. Bitte, Herr Abgeordneter Pidde.
Das werden wir abstimmen. Wer für die Überweisung der Mündlichen Anfrage an den Justizausschuss stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das ist ausreichend, die Frage ist überwiesen. Wir kommen zur Frage 3/972 der Abgeordneten Buse, Klaubert, Ramelow und Zimmer. Herr Buse, Sie tragen vor?
1. Wie viele Gerichtsverfahren gegen die Landesregierung des Freistaats Thüringen sind seit wann anhängig?
2. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen die Landesregierung des Freistaats Thüringen sind zurzeit eingeleitet?
4. Gibt es gegen einzelne Personen der Landesregierung aufgrund ihrer Einzelverantwortung Gerichts- bzw. Ermittlungsverfahren?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Ich habe die Anfrage nach ihrem Wortlaut und Sinn in der Weise interpretiert, dass nur diejenigen Gerichts- und Ermittlungsverfahren von Interesse sind, die sich ausdrücklich
gegen die Landesregierung als oberstem Organ der vollziehenden Gewalt im Sinne des Artikel 70 der Verfassung des Freistaats Thüringen bzw. gegen einzelne Mitglieder, also den Ministerpräsidenten oder die Minister richten. Eine Auflistung sämtlicher gegen den Freistaat Thüringen gerichteten Gerichts- und Ermittlungsverfahren würde den Rahmen einer Mündlichen Anfrage sprengen.
Wenn wir allein an die verwaltungsgerichtlichen Verfahren, aber auch die Arbeitsprozesse bzw. Staatshaftungsvorgänge denken, wäre eine Vielzahl von Vorgängen zu benennen. So jedoch kann ich Ihre Fragen Nr. 1 und 2 mit Stand von Freitag, 6. Oktober 2000, jeweils mit "Keine" beantworten. Frage Nr. 3 ist somit gegenstandlos. Gegen einzelne Mitglieder der Landesregierung werden keine Gerichts- und Ermittlungsverfahren geführt.
Gibt es Nachfragen? Danke schön, Herr Staatssekretär. Die Frage ist damit beantwortet. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/974. Herr Abgeordneter Kretschmer bitte.
In der Presse wurde berichtet, dass die so genannte Mondscheinfrisörin Ilka Brückner am Morgen des 19. September verhaftet und inhaftiert worden war. Nachdem in der Öffentlichkeit Kritik an diesem unverhältnismäßigen Handeln laut wurde, wies Justizminister Birkmann die Staatsanwaltschaft Meiningen an, die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen.
1. Wie, wann und durch wen hat der Justizminister von der Inhaftierung oder bereits vorab von der geplanten Inhaftierung Ilka Brückners erfahren und ist dem Ministerium vorab berichtet worden?
2. Handelte es sich bei der Entscheidung des Justizministers über die Freilassung der Betroffenen um einen Gnadenerweis und wenn nein, worauf gründet die Entscheidung?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Otto Kretschmer beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Über die geplante Inhaftierung Ilka Brückners ist der Justizminister von der Strafrechtsabteilung unseres Hauses vorab informiert worden. Der Vollzug der Inhaftierung ist ihm am 19.09.2000 berichtet worden.
Zu Frage 2: Um diese juristisch komplexe und schwierige Materie verständlich zu machen, ist es geboten, etwas weiter auszuholen und den zugrunde liegenden Sachverhalt kurz zu skizzieren. Das Amtsgericht Suhl hatte mit Urteil vom 8. April 1998 gegen Frau Brückner wegen Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz in zwei Fällen Bußgelder in Höhe von 200 DM und 400 DM festgesetzt. Dieses Urteil des Amtsgerichts Suhl erlangte am 21. Oktober 1998 Rechtskraft, nachdem das Oberlandesgericht Jena die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil mit Beschluss vom 20. Oktober 1998 als unbegründet verworfen hatte. Für die Eintreibung der Geldbuße ist die Staatsanwaltschaft Meiningen als Vollstreckungsbehörde zuständig. Auf schriftlichen Stundungsantrag von Frau Brückner vom 5. April 1999 billigte die Staatsanwaltschaft dieser eine Zahlungsfrist bis zum 30.06.1999 zu. Nachdem kein Zahlungseingang zu verzeichnen war, mahnte die Staatsanwaltschaft Meiningen die Zahlung der Geldbußen an, wobei Frau Brückner auch auf die Möglichkeit der zwangsweisen Beitreibung mittels Erzwingungshaft hingewiesen wurde. Mit Datum vom 2. November 1999 erteilte die Staatsanwaltschaft als Gläubigerin der noch immer ausstehenden Geldbußen der zuständigen Gerichtsvollzieherin einen so genannten Vollstreckungsauftrag, um die Geldbußen einzutreiben. Die am 5. Januar 2000 versuchte Zwangsvollstreckung verlief fruchtlos, wie die Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 11. Januar 2000 der zuständigen Staatsanwaltschaft mitteilte. Pfändbare Gegenstände seien nicht vorgefunden worden. Das Friseurgeschäft habe die Betroffene Anfang 2000 auf ihren Sohn übertragen. Um der Betroffenen Gelegenheit zu geben, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu offenbaren, was gegebenenfalls zur Einstellung des Vollstreckungsverfahrens nach § 95 Absatz 2 OWiG führen kann, hat die Staatsanwaltschaft sodann das zivilrechtliche Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung betrieben. Die Betroffene wurde daher für den 3. August 2000 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bei der Gerichtsvollzieherin geladen. Dieser Ladung kam sie nicht nach, so dass am 19. September 2000 der zwischenzeitlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft Meiningen ergangene Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vollstreckt und die Betroffene in die JVA Gera eingewiesen wurde. Und nur um diesen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung geht es im derzeitigen Stadium des Verfahrens. Das von der Staatsanwaltschaft Meiningen als Gläubigerin betriebene zivilrechtliche Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sollte der Betroffenen eine "goldene Brücke" bauen, zugleich aber auch einen "Schuss vor den Bug" bedeuten. Hätte Frau Brückner freiwillig die eidesstattliche Versicherung abgegeben und sich darauf deren Vermögenslosigkeit herausgestellt, wäre die Angelegenheit durch Einstellung des Vollstreckungsverfahrens erledigt gewesen.
Was hat den Justizminister nun bewogen, die Staatsanwaltschaft Meiningen zu veranlassen, kurz nach der Inhaftierung von Frau Brückner die Aufhebung des Erzwingungshaftbefehls zu erwirken? Dazu ist Folgendes zu sagen: Natürlich gilt unsere Rechtsordnung grundsätzlich für Jedermann gleichermaßen. Der Einzelne kann und darf sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen, auch nicht aus einem edlen Motiv heraus. Der Justizminister hatte und hat jedoch die Hoffnung, dass sich Frau Brückner ihre Festnahme und den Haftaufenthalt in der JVA Gera und die damit verbundenen Umstände zur Warnung gereichen lassen wird und dass sie in Zukunft versuchen wird, das von ihr angestrebte Ziel, nämlich sich für eine gute Sache zu engagieren, im Einklang mit unserer Rechtsordnung verfolgen wird. Schließlich bietet unsere Rechtsordnung jedem Bürger ausreichend Gelegenheit, sich mit legalen Mitteln für besondere Belange einzusetzen. Dies gilt auch für das höchst ehrenwerte Engagement, sich für eine gute Betreuung krebskranker Kinder einzusetzen. Dass es sich hierbei um einen einmaligen Sonderfall handelt, braucht wohl in diesem Zusammenhang nicht weiter betont zu werden. Diese Überlegungen haben unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Veranlassung gegeben, die weitere Vollstreckung abzubrechen und die Staatsanwaltschaft Meiningen zu ersuchen, den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückzunehmen und die Aufhebung des Erzwingungshaftbefehls zu beantragen. Die Betroffene ist daraufhin unverzüglich freigelassen worden. Ich betone ausdrücklich, dass diese Verfahrensweise keinen Verzicht auf die Beitreibung der Geldbußen darstellt. Hier liegt es an Frau Brückner, das Notwendige und Richtige zu tun.
Nur der Vollständigkeit halber noch ein Zusatz: Bereits unter dem 1. Februar 2000 beantragte die Staatsanwaltschaft Meiningen beim Amtsgericht Suhl die Anordnung der Erzwingungshaft wegen der Geldbußen. Mit Beschluss vom 30. März diesen Jahres ordnete das Amtsgericht Suhl entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft Erzwingungshaft von 6 und 12, also insgesamt 18 Tagen an. Diese Erzwingungshaft könnte nach wie vor unter Beachtung der Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 OWG vollstreckt werden.
Zu Frage 3: Da die Entlassung Ilka Brückners aus der Erzwingungshaft zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keinen Gnadenerweis darstellt, wurden auch keine anderen Stellen entsprechend der Thüringen Gnadenordnung beteiligt.
Danke schön. Wird nun der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weiter betrieben oder nicht?
Die weitere Betreibung der Vollstreckung obliegt der Staatsanwaltschaft Meiningen. Ob die Staatsanwaltschaft Meiningen die Haft anordnet, z.B. auch die 18 Tage Erzwingungshaft anordnet, ob sie die Gerichtsvollzieherin noch einmal zur Vollstreckung schickt, das obliegt der Staatsanwaltschaft Meiningen.
Herr Abgeordneter Kretschmer, wie soll ich die Frage jetzt beantworten? Sie haben selbst unlängst schon mal gesagt, es ist schwierig.