Herr Staatssekretär, Sie hatten ausgeführt, dass es selbstverständlich nicht möglich ist, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen, auch nicht aus edlen Motiven. Stimmen Sie mir zu, dass dies für alle Personen und Personengruppen in diesem Land gilt?
Dann frage ich erst einmal, gibt es noch weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Danke, Herr Staatssekretär. Herr Abgeordneter Kretschmer, bitte.
Das werden wir sofort abstimmen. Wer für die Überweisung an den Justizausschuss stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ja, das nötige Quorum ist erreicht. Die Frage ist überwiesen. Es war gleichzeitig für heute die letzte Frage. Ich beende also den Tagesordnungspunkt 15.
a) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Auswirkungen der beabsichtigten Änderungen der Förderung der Kindertageseinrichtungen in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/1014
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Zukunftsprogramm der CDU für Thüringen steht zu lesen: "Alle Überlegungen der Bundesregierung, familienpolitische Leistungen wie das Baukindergeld und das Erziehungsgeld zu streichen, lehnen wir entschieden ab." Dieser Satz
ist wie eine Farce, betrachtet man das jetzige Vorhaben der Landesregierung, 17 Mio. DM weniger Landeszuschüsse für Kindertageseinrichtungen. Diese Sparmaßnahmen werden besonders die Familien treffen. Danach wird dann die Höchstgrenze der Elternbeiträge bis zu einem Drittel der Gesamtkosten, das sind geschätzt 285 DM, betragen, laut Sozialminister.
Meine Damen und Herren, auf meinem Schreibtisch häufen sich die Protestbriefe von betroffenen Eltern; bei Ihnen sicherlich auch. Die Empörung zieht sich aber auch durch die gesamte Thüringer Bevölkerung. Der Nerv des Volkes ist getroffen. An dieser Stelle möchte ich bereits sagen, mit der SPD-Fraktion ist eine Erhöhung der Kindertagesstättengebühren nicht zu machen. Für viele sind die jetzigen Gebüh
ren bereits an der Schmerzgrenze und wir unterstützen das Bündnis gegen soziale Ungerechtigkeit in Thüringen.
Meine Damen und Herren der CDU, eine Frage würde mich schon interessieren: Hat der zuständige Minister überhaupt mit seinen Fraktionskolleginnen und -kollegen zuvor über Änderungen gesprochen, oder entscheiden die Minister bei Ihnen unter sich, ohne ihre Fraktion zu befragen? Diesen Eindruck habe ich, wenn ich lese, dass selbst CDU-Mitglieder in der Öffentlichkeit gegen die Entscheidungen der eigenen Partei protestieren. Das scheint ihre einzige Möglichkeit zu sein. Die Träger wurden bestenfalls bisher scheibchenweise informiert. Haben Sie sich, meine Damen und Herren, schon mal in die Lage eines Kindes versetzt, dass gern in den Kindergarten gehen möchte, es aber nicht darf, weil der Kindergarten ihm verschlossen ist, weil die Eltern die Beiträge nicht mehr aufbringen können. Durch meine regelmäßigen Kontakte zu den Kindergärten ist mir bekannt, dass eine Anzahl von Eltern, vor allem die allein erziehenden Mütter und Väter, sich bereits jetzt nur schwer einen Kindergartenplatz leisten können. Dabei geht es um die Einkommensgrenzfälle und auch die Familien, die ein durchschnittliches Einkommen haben. Auch solche Familien können oft nur unter äußerster Anstrengung zahlen. Bei einer Gebührenerhöhung ginge auch der Bedarf zurück. Und wie in der TA von heute zu lesen, Frau Präsidentin, ich zitiere: "Wir haben zwei Jungen. Ich bin Verkäuferin eines 630-DM-Jobs. Wenn wir an die 500 DM für den Kindergarten bezahlen müssen, lohnt es sich für mich nicht mehr, arbeiten zu gehen. Was nützt mir dann ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz!" Erwähnen möchte ich noch, dass zu den Beiträgen immer noch das Essengeld gezahlt werden muss.
Meine Damen und Herren, als einen sozialen Rückschritt sehe ich die Kürzung des Fachpersonalkostenzuschusses für integrative Gruppen mit behinderten Kindern an. Welcher Träger wird sich eine solche Gruppe dann noch leisten können? Die Konsequenz wird sein, dass behinderte Kinder nur noch ungern oder etwa gar nicht in einen Kindergarten aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, für Thüringen, das einst stolz auf sein Kindertagesstättengesetz war und bis jetzt noch ist, wäre diese Entwicklung geradezu tragisch. Und meine Damen und Herren, Kindergärten, Kinderkrippen sind keine bloßen Verwahranstalten, sie erfüllen einen eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag. Sie ergänzen und unterstützen die Erziehung der Kinder in der Familie und das ist gerade jetzt umso wichtiger, als wir es bis jetzt eigentlich schon so gesehen hatten. Ich frage mich, meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie nicht auch das Gefühl, dass 17 Mio. DM ein Klacks gegenüber der teuren Spaßbadförderung in Thüringen sind. Die SPD lehnt die Gebührenerhöhung der Kindertagesstätten ab. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich wollte ich den etwas ungewöhnlichen Weg wählen und auch bei einer Aktuellen Stunde nach der Einbringung als Erster ans Mikrofon gehen, um einiges klarzustellen. Meine Damen und Herren, auch deswegen, dass die Herren und Damen - Frau Bechthum konnte ich davor nicht mehr bewahren, aber ich befürchte, ich werde den Nächsten auch nicht davor bewahren können - hier Zahlen nennen, Horrorszenarien aufbauen, wider besseres Wissen; entweder aus Unwissen,
oder weil Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ich bin gerade draußen gewesen, ich weiß, dass große Unsicherheit herrscht bei den Eltern, aber große Unsicherheit herrscht, weil sie offensichtlich auch nicht ausreichend informiert sind.
Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Wochen mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit der Liga, mit Mitgliedern des Landesjugendhilfeausschusses, mit Mitgliedern des Landesjugendringes gesprochen und ich habe feststellen können, dass man Verständnis in weiten Bereichen aufgebracht hat, am wenigsten allerdings bei den kommunalen Spitzenverbänden, das muss ich auch sagen, und der Brief - Herr Fraktionsvorsitzender Althaus hat ihn ja vorhin vorgelesen.
Meine Damen und Herren, auch Frau Bechthum, entweder schrecken Sie nicht davor zurück, oder haben den gleichen Fehler gemacht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, Durchschnittszahlen mit Höchstzahlen zu vermischen, aktuelle Zahlen mit Hochrechnungszahlen der Zukunft zu vermischen. Meine Damen und Herren, dieses kann nur Unruhe bedeuten und ich habe manchmal den Eindruck, dass diese Unruhe verbreitet werden soll. Glauben Sie allen Ernstes, dass ich in meiner Regierungserklärung vom 15. September hervorhebe, wie wichtig mir die Unterstützung von Familien und Kindern ist und ich wenige Wochen später dann hier ein Gesetz mache, wo wirklich die Landschaft im Kindergartenbereich gefährdet ist. Meine Damen und Herren, bisher habe ich es so gehalten, dass ich mein Wort halte und ich werde es auch in Zukunft halten.
Und es bleibt dabei, dass ich mich für eine bezahlbare und auch qualitativ hoch stehende Kindergartenbetreuung einsetzen werde, meine Damen und Herren.
Beides ist erforderlich. Es geht nicht nur um einen Kurswechsel, es geht überhaupt nicht um einen Kurswechsel, wie Herr Dittes gestern in Arnstadt gesagt hat. Es geht um Bezahlbarkeit, es geht auch um die Verschuldung des Landes in der Zukunft und es geht damit um die Zukunft der Kinder, die heute im Kindergarten sind. Denen können wir doch nicht solche Schulden hinterlassen, wie wir im Augenblick haben, meine Damen und Herren.
Es geht dabei um 1.400 Einrichtungen, in denen rund 75.000 Kinder betreut werden. Wir haben in diesem Bereich inhaltlich vier gesetzliche Änderungen vorgenommen und ich will versuchen, Ihnen die möglichst sachlich zu erläutern. So wurde der Zuschuss des Landes an freie Träger von 50 auf zukünftig 40 DM je Platz und Monat reduziert. Das sind 50 DM zusätzlich gewesen, die kommunale Träger nicht hatten
und es sind 50 DM gewesen, die wir Anfang der 90er Jahre in das Kindertagesstättengesetz hineingeschrieben haben, weil wir einen Anreiz haben wollten, dass Kommunen ihre Kindergärten in freie Trägerschaft geben.
Eine Absenkung im Jahr 2001 um 10 DM ist nach meinem Dafürhalten sachgerecht und hinnehmbar. Und noch immer erhalten die freien Träger im Unterschied zu kommunalen Einrichtungen zusätzlich pro Platz 480 DM jährlich; das ist ein Gesamtbetrag im Thüringer Landeshaushalt von 17 Mio. DM.
Meine Damen und Herren, das soll so bleiben, und es ist eine Frage der Ehrlichkeit, auch einmal festzustellen, dass diese 50 DM in aller Regel nicht den freien Trägern zusätzlich zu ihren Gesamtkosten zur Verfügung standen, sondern dass diese 50 DM durchaus verrechnet worden sind mit den Zahlungen, die die Kommunen an die Träger geleistet haben. Ein Absenken kann nur zu einer Erhöhung der Elternbeiträge führen und, ich denke, auch moderat, wenn freie Träger sie sofort im vollen Umfang auf die Eltern umlegen und sich die Wohnsitzgemeinden daran nicht beteiligen würden. Des Weiteren haben wir die Finanzierungsanteile des Landes in Abhängigkeit von der Steuerkraftmesszahl neu festgelegt. Es gab bisher eine Einteilung 40, 45, 47,5 Prozent und 50 Prozent. Meine Damen und Herren, angesichts der Tatsache, dass sich die gemeindliche Steuerkraftmesszahl pro Einwohner seit 1994 fast verdoppelt hat, denke ich, ist das eine sachgerechte und eher überfällige Maßnahme gewesen und auch eine Maßnahme, um Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten zu senken. Nach wie vor bleibt natürlich berücksichtigt, dass einige Kommunen ganz erheblich unter der durchschnittlichen Steuerkraftmesszahl liegen und damit einer herausgehobenen Förderung bedürfen. Diese Gemeinden bekommen
Meine Damen und Herren, wenn dann draußen vor der Tür mir entgegengehalten wird, was passiert, wenn sich die Tarifentwicklung nach oben bewegt; wir bezahlen nicht einen bestimmten Betrag an Personalkosten, sondern wir bezahlen in Prozenten. Wenn sich der Tarif nach oben bewegt, bewegen sich auch die Kosten, die wir übernehmen, nach oben. Horrorszenarien, wo man hinhören kann, meine Damen und Herren.
Ich meine, hier bedarf es weiterer dringender Aufklärung. Mit der dritten Änderung haben wir den Personalschlüssel der zu fördernden Stellen bei integrativen Gruppen an die Entwicklung der Gruppenstärken angepasst. Frau Abgeordnete Bechthum, auch Kindergärten werden sich in Zukunft integrative Gruppen leisten, denn wir werden auch in Zukunft Kindergärten mit integrativen Gruppen eine halbe, nicht eine ganze, aber eine halbe Fachkraft zusätzlich zur Verfügung stellen.
Nicht ein bisschen schwanger, sondern das ist eine kräftige Unterstützung. Ich würde Sie bitten, einmal in anderen Bundesländern zu suchen, wo dieses überhaupt passiert.
Meine Damen und Herren, weil sich die Verweildauer der Kinder in den Tageseinrichtungen reduziert hat, wird darunter die Qualität der Betreuung der Kinder nicht leiden. In der Anhörung haben die Spitzenverbände, die Liga deutlich gemacht, dass diese Änderung nicht zum 01.01. des nächsten Jahres umsetzbar ist und deswegen wird diese Änderung zum 1. September des nächsten Jahres umgesetzt werden.
Damit bin ich dann bei der letzten von uns vorgesehenen Änderung, die natürlich die meiste Unruhe gemacht hat. Die Finanzierung der Kindertagesstätten ist grundsätzlich eine Aufgabe der Kommunen, das müssen wir erst einmal klar stellen. Das Land unterstützt allerdings den laufenden Betrieb der Kindertagesstätten, und das ist auch wichtig, mit einer Summe künftig von 225 Mio. DM. Das darf immerhin auch einmal gesagt werden, 225 Mio. DM ist ja kein Pappenstiel, meine Damen und Herren.
Dies entspricht rund einem Drittel der notwendigen Gesamtkosten des Betriebs von Kindertagesstätten. Die laufenden Betriebskosten nach unseren bisherigen Feststellungen - in der Tat, sie sind sehr unterschiedlich -, aber die durchschnittlichen Sach- und Personalkosten teilen sich in 60 Prozent Personalkosten und 40 Prozent Sachkosten. Meine Damen und Herren, ein Kindergarten, der nur
20 Prozent Sachkosten hat, der ist mir auch verdächtig, dass da eigentlich etwas wenig für die Kinder getan wird,
wenn dieses von manchen so herausgestrichen wird. Bisher konnten die Eltern insgesamt bis zur Hälfte der Sachkosten über ihre Beiträge beteiligt werden. Das heißt mit anderen Worten, sie konnten an den Gesamtkosten zu etwa 20 Prozent beteiligt werden. Diese bisherige Beteiligung der Eltern ist übrigens ein Durchschnittswert, der durch die soziale Staffelung, die auch im neuen Gesetz festgeschrieben ist, sowohl erheblich über- als auch unterschritten wird. Bisher wurden diese 20 Prozent der Gesamtkosten oder 50 Prozent der Betriebskosten zu gerade etwa 16 Prozent der Gesamtbetriebskosten durch Elternbeiträge erbracht. Das heißt, die Kommunen sind unter dem geblieben, was sie einnehmen konnten. Ich gehe davon aus, dass die Kommunen auch in Zukunft im Interesse der Eltern und der Kinder unter dem oberen Limit bleiben werden. Und das ist ein wesentlicher Unterschied der alten Regelung zu unserer neuen Regelung, wonach 30 Prozent der Gesamtkosten im Höchstfall von dem Einzelnen herangezogen werden können. Und, meine Damen und Herren, da beginnt der erste große Rechenfehler bei vielen. Es wird gesagt, die Kindergartenbeiträge steigen jetzt auf 30 Prozent und dann wird zurückgerechnet: von 900 DM 30 Prozent sind 270 DM. Und dann wird behauptet, jeder müsse jetzt in Zukunft 270 DM bezahlen. Dass dies der Höchstsatz ist bei so genannten Gutverdienenden mit nur einem Kind und dass von da aus die Staffelung nach unten geht, hat zum Ergebnis, dass davon auszugehen ist, dass die Gesamtbeteiligung der Eltern eben nicht bei 30 Prozent liegt, sondern in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent liegen wird. Wir haben dieses einmal hochgerechnet - übrigens mit dem, was jetzt eingenommen werden könnte im Verhältnis zu dem, was in Zukunft eingenommen werden kann - und wir kommen zu einer Steigerung des Kindergartenplatzes in der Größenordnung von etwa 15 bis 30 DM. Da bin ich einmal vorsichtig, es hat mir jemand ausgerechnet 10 bis 25 DM. Ich sage, dass die Kosten zwischen 15 bis 30 DM ansteigen können.