Nicht nachvollziehbar ist für mich die öffentliche Debatte, dass ein NPD-Verbot allein nicht ausreicht. Meine Damen und Herren, zu keinem Zeitpunkt hat irgendein Verantwortlicher in Deutschland behauptet, dass ein NPDVerbot allein reicht. Also beenden wir endlich diese Debatte, die keiner initiiert hat.
Meine Damen und Herren, wer über die positiven Aspekte der Thüringer Landespolitik redet, und dieses habe ich natürlich nur auszugsweise getan, muss aber auch klar Fehlleistungen in diesem Hause formulieren. Und da steht an erster Stelle: Diese Debatte kommt zu spät. Der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen, Herr Michael Siegel, hat es in der Anhörung am 9. November folgendermaßen formuliert, ich zitiere: "Die Empörung hat sich um weitere acht Jahre verspätet. Es ist viel Zeit verstrichen, in der langfristig angelegte Programme hätten wirksam werden können. Schon dies verweist auf ein Grundproblem, die konjunkturelle gesellschaftliche Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus. Auch jetzt dominiert ein hilfsloser Aktionismus, der auf den organisierten und gewalttätigen Rand des Rechtsextremismus fixiert bleibt." Herr Ministerpräsident Vogel, das klingt so ganz ausdrücklich anders, als das von Ihnen heute so generös verteilte Eigenlob. Den Worten des Leiters der Landeszentrale für politische Bildung ist nichts hinzuzufügen.
Was den hilflosen Aktionismus betrifft, hat die CDULandtagsfraktion am gestrigen Tag wieder ein Paradebeispiel dafür geliefert. Wer die Anhörung zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in Thüringen aufmerksam verfolgt hat, muss eines zur Kenntnis genommen haben, die übergroße Mehrheit der Angehörten fordert einen neuen Mix von präventiven und repressiven Maßnahmen. Gestern legte die CDU-Landtagsfraktion erste Vorschläge dafür vor, die lauten ungefähr so, für die Landeszentrale für politische Bildung 100.000 DM mehr, bei Prävention und Bekämpfung von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit an Schulen 200.000 DM mehr, ein neues Programm für Demokratie und Toleranz für 700.000 DM mehr, Förderung von Fanprojekten für 100.000 DM mehr.
Meine Damen und Herren, keiner in diesem Haus kann mir ernsthaft erklären, dass vom Zeitpunkt der Anhörung vom 9. November bis zum gestrigen Tag, also dem 15. November, eine Fraktion in dem Haus in der Lage war, die sehr umfangreiche Anhörung ordentlich auszuwerten und zu diskutieren. Dass keine gemeinsame De
batte und Auswertung in den betreffenden Ausschüssen möglich war, liegt auf der Hand und trotzdem jetzt schon unausgegorene Vorschläge der CDU-Landtagsfraktion. Das ist eben der Aktionismus und ich füge hinzu, der blinde Aktionismus, der uns so nicht weiterführt.
Einer gemeinsamen Anhörung sollte eine gemeinsame Auswertung und eine gemeinsame Grundsatzdiskussion folgen. Dann sind wir in der Lage, wirklich vernünftige Vorschläge, z.B. zur Bildungsarbeit, z.B. für ein Programm für Demokratie und Toleranz zu erarbeiten.
Leider, meine Damen und Herren, gibt es ausdrücklich auch keine Debatte um ein mögliches Landesprogramm zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Und genau bei dieser Frage, meine Damen und Herren, wird deutlich, wie negativ sich die Entscheidungs- und Diskussionskultur in diesem Haus entwickelt hat. Es ist uns zwar gelungen, gemeinsam eine Anhörung mehrerer Ausschüsse zu dieser Problematik zu initiieren, aber noch bevor die Experten angehört wurden, noch bevor diskutiert werden konnte, verkündete der Ministerpräsident, ein Landesprogramm wird es nicht geben. Einige nennen diese Verhaltensweise "Arroganz der Macht", ich füge dem hinzu: Es ist auch grob oberflächlich und es unterstützt eben nicht das angeblich gemeinsame Interesse in dieser Frage.
Hier überwiegt doch seitens der Landesregierung einzig und allein parteipolitisches Denken. Es darf eben nicht sein, dass die Opposition einen sachlichen Vorschlag macht und die CDU hier im Hause erkennen muss, dass dieser Vorschlag in der Sache hilft. Peinlich wird die Situation für die Landesregierung, die wohlgemerkt die Sinnhaftigkeit eines solchen Programms nicht einmal diskutieren will, wenn man die Liste derer durchgeht, die ein solches Landesprogramm befürworten. So unterstützen unsere Forderung nach einem Landesprogramm unter anderem: Dr. Volkhard Knigge, Nils Lund Chrestensen, Wolfgang Nossen, Dr. Martin Straub, Prof. Horst Fliege, Bernd Kauffmann, Prof. Machnik, Achim Stachelhaus, Landolf Scherzer, Lutz Rathenow, Prof. Dr. Wolfgang Frinte, Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Ullrich Ballhaus und, und, und. Alles Persönlichkeiten, die, wenn sie von dieser Landesregierung gebraucht werden, auch gelobt werden, aber die Fähigkeit zum Hinhören, wenn diese Gelobten einen Rat geben an dieses Haus, diese Fähigkeit ist vollkommen unterentwickelt.
Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion möchte sich mit Ihnen allen hier in diesem Haus über ein zivilgesellschaftliches Programm unterhalten. Wir wollen uns über Vernetzung der vielen Aktivitäten vor Ort
unterhalten. Wir wollen die positiven Erfahrungen auch aus anderen Bundesländern nutzen. Wir wollen mit Ihnen über mobile Beratungsstellen diskutieren. Wir wollen die besten Ideen, unabhängig von wem sie kommen, zu einem Landesprogramm zusammenfassen, aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sagen einfach nur Nein.
Meine Damen und Herren, eine weitere kritische Frage kann ich Ihnen nicht ersparen: Wer überprüft in dieser Regierung, ob die einzelnen Maßnahmen dazu wirklich geeignet sind, Rechtsradikalismus zurückzusetzen, Demokratie voranzutreiben? Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Der 9. November war, und das ist gut so, für viele in Thüringen und in Deutschland ein Tag des Widerstandes gegen Rechtsradikalismus und ein Tag der Ausländerfreundlichkeit. Alles, was in der Thüringer CDU Rang und Namen hatte, erklärte, dass man von Seiten der Politik alles nur Mögliche tun werde. Am gleichen Tag schloss eben aufgrund der verfehlten Politik dieser Landesregierung das offene Jugendhaus in Wutha-Farnroda. Diese Problematik ist schnell erklärt. Die für dieses Projekt notwendige SAM wurde nicht verlängert. Begründung des entsprechenden Jugendamtes: Durch die Kürzung der Jugendpauschale der Landesregierung und die Kürzung bei den SAM-Maßnahmen kann diese Stelle nicht verlängert werden. Das nun geschlossene offene Jugendhaus "Krokodil" arbeitete mit einer Zielgruppe von ca. 120 Jugendlichen. Mindestens 40 Jugendliche im Alter ab 12 Jahren waren regelmäßig Gast in diesem Haus. Als ich es spät abends besuchte, räumten die Verantwortlichen gerade das Inventar aus dem Haus. Man hatte Angst, dass die enttäuschten Jugendlichen aus Zorn Aktionen gegen das jetzt leer stehende Haus planen. Was die dort seit Jahren tätigen Sozialarbeiter dann zur Landespolitik erklärten, darf ich aus Anstandsgründen in diesem Haus nicht wiederholen. Stellen Sie sich einmal vor, wie es dem jungen Menschen geht, der erfährt, dass sein Jugendhaus geschlossen wird und der sich dann abends vor den Fernseher setzt, die Nachrichten sieht und die Sonntagsreden der Thüringer Landespolitiker hört.
Der Wirtschaftsminister in diesem Haus nennt das "Neujustierung des zweiten Arbeitsmarkts". Er redet ständig nur von einer Brücke, die in den ersten Arbeitsmarkt geschlagen werden müsste. Aber wer in der Landesregierung achtet eigentlich darauf, dass solche Dinge wie im Jugendhaus in Wutha-Farnroda nicht mehr geschehen? Und sie werden überall in Thüringen geschehen, wenn dem nicht Einhalt geboten wird.
Auch diese notwendige Koordinierung der Landespolitik ließe sich in einem Landesprogramm für Demokratie und gegen Rechtsextremismus regeln, aber diese Lan
Meine Damen und Herren, unbestritten ist, dass die Repressionspolitik eine wichtige Aufgabe bleiben muss. Da, wo Vorbeugung und Vernunft nicht greifen, wo Gewalt und Brutalität auftritt, gibt es nur eine Maxime: Der Staat hat mit aller Gewalt sein Gewaltmonopol durchzusetzen. Wer prügelt, wer andere verletzt, wer bombt, wer brandstiftet, wer mordet oder solches versucht, gehört erst vor ein Gericht und dann hinter Gitter. Jede Sozialromantik und jede Schöndiskutiererei ist hier fehl am Platz. Aufgepasst werden muss aber auch, dass hier nicht die falschen Bilder produziert werden und so falsche Signale ins Land gesendet werden. Ich denke insbesondere an solche Bilder, wo maximal 20 geknebelte oder gefesselte angebliche Mitglieder der Antifa auf dem Straßenboden liegen und nicht einmal 20 m weiter marschiert der braune Pöbel zu Hunderten mit Fahnen und Trommelstöcken bewaffnet durch die Stadt.
Dass der Verfolgungsdruck gegen diesen braunen Pöbel merklich erhöht wurde, dass Treffpunkte der Thüringer Rechtsextremisten verschärft kontrolliert werden, begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich. Das alles aber bleibt Stückwerk, wenn die Polizeizahlen nicht dementsprechend erhöht werden. Auch hier gibt es Vorschläge der SPD-Fraktion, die nicht umgesetzt werden, ausschließlich aus dem Grund, weil es Vorschläge der SPD-Landtagsfraktion sind.
Meine Damen und Herren, wer die Arbeit dieses Hauses und der Landesregierung zu der gestellten Problematik bewertet, muss feststellen, dass neben vielen Dingen, die in den letzten Jahren richtigerweise auf den Weg gebracht worden sind, es noch vieles gibt, was im Argen liegt. Dies behaupte ich ausdrücklich auch angesichts der Mahnung des Präsidenten des Jüdischen Zentralrats, Herrn Spiegel. Dieser hat auf der beeindruckenden Berliner Demo die Politiker aufgefordert, nicht mit Worten zu zündeln. Auch das passierte hier in diesem Haus. Unvergessen bleibt da der Vergleich des CDU-Abgeordneten Fiedler von Ausgaben in der Landespolitik für Asylbewerber mit Ausgaben für die Feuerwehr. Natürlich, und ich sage leider, steht diese Landesregierung auch weiterhin zu den Aktionen des Ministerpräsidenten von Hessen, Herrn Koch, in der vergangenen Landtagswahl. Ich meine die viel kritisierte Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in Hessen, die verbal oft mit einer Unterschriftensammlung gegen Ausländer gleichgesetzt wird. Solange dieses so bleibt, wird es keine Erfolge, keine durchschlagenden Erfolge im Kampf gegen Rechtsradikalismus in Thüringen geben.
Dass Sie, Herr Vogel, den Begriff "Leitkultur" nicht verwenden, ehrt Sie ausdrücklich. Aber es ist ausdrücklich auch falsch, den Gegnern dieses Begriffes andichten zu
wollen, sie verhängen ein Diskussionsverbot. Es ist auch nicht richtig, dass Herr Merz damit eine Diskussion angestoßen hat. Diese Diskussion gab es lange vor Herrn Merz und diese Diskussion wird es lange nach Herrn Merz geben. Die Zeichen sind ja nicht so schlecht, dass das nicht allzu lange dauert.
Verwerflich aber bleibt, dass dieser viel interpretierbare Begriff "deutsche Leitkultur" bewusst in diese Diskussion geworfen wurde, um, wie es Herr Spiegel sagt, zu zündeln.
Meine Damen und Herren, der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Herr Nossen, hat am 9. November dieses Jahres in seinen Reden mehrfach betont: Es riecht wieder etwas nach 1938. Dies ist ein schlimmes Urteil über den Zustand dieses Landes. Dieses lässt sich auch nicht schönreden mit vergleichsweise niedrigen Zahlen einer Umfrage. Wenn 15 Prozent der Befragten eine ausländerfeindliche Einstellung formulieren, ist dieses schlimm. Wenn 21 Prozent der befragten Thüringer bereit sind, Fremde zu diskriminieren, ist das eine Katastrophe. Wenn jeder Vierte der 14 bis 28-Jährigen Sympathien für eine Partei am rechten Spektrum äußert, ist dieses nicht ausschließlich, aber auch ein deutliches Signal, dass Landespolitik gescheitert ist oder nicht ankommt. Wir in diesem Hause haben eine reelle Chance, diese bedrückenden Zahlen zu verändern, aber eben nur dann, wenn Gemeinsamkeiten nicht nur in Sonntagsreden formuliert werden, sondern nur, wenn in diesem Haus wieder eine Diskussions- und Entscheidungskultur einzieht, die ausdrücklich dem besten Vorschlag, der besten Idee zur Mehrheit verhilft.
Aber auch das allein, meine Damen und Herren, wird nicht reichen. Dieses Land braucht auch weiterhin die Unterstützung durch die Medien. Wir brauchen darüber hinaus auch weiterhin die guten Ideen und vor allem das soziale Engagement der Kirchen, wir brauchen auch weiterhin den guten Rat der Wissenschaft, wir brauchen die Unterstützung aller Organisationen und Verbände, wir brauchen die so viel zitierte Zivilcourage für das klar formulierte Ziel, keinem Rechtsextremisten in Thüringen, egal an welchem Ort, egal zu welchem Zeitpunkt, eine Chance zu geben. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute den ersten Bericht der Landesregierung zu Extremismus und Radikalismus in Thüringen gehört. Die Thüringer Landesregierung und der Thüringer Landtag nehmen damit ihre Verantwortung wahr. Sie zeigen damit auch sehr deutlich, dass sie das Problem des politischen Extremismus und der extremistisch motivierten Gewalt ernst nehmen, sich damit auseinander setzen und nach konkreten Lösungsmöglichkeiten suchen. Ich bin dem Ministerpräsidenten, Dr. Bernhard Vogel, sehr dankbar, dass er seine Regierungserklärung überschrieben hat: "Thüringen sagt Ja zu Freiheit, Demokratie und Weltoffenheit", dies deshalb, weil es deutlich macht, dass die übergroße Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer die wiedergewonnene Freiheit und die damit verbundenen Chancen zum Aufbau der Demokratie schätzen und dass sie auch mit Zivilcourage dafür einstehen. Trotzdem haben die Ereignisse dieses Jahres deutlich gemacht, dass Wachsamkeit notwendig ist. Der schändliche und verbrecherische Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge, die ausländerfeindlichen Vorfälle in Eisenach und Jena und die Aufmärsche extremistischer Gruppen in Erfurt und anderswo sind uns allen in bedrückender Erinnerung.
Die Zahl der extremistischen Straftaten ist weiter ansteigend. War gegenüber 1998 bereits eine Zunahme von 5,1 Prozent auf 1.118 Straftaten zu verzeichnen, so ist die Zahl in diesem Jahr bis Oktober auf Besorgnis erregende 1.420 gestiegen. Extremismus und insbesondere extremistische und rechtsextremistische Gewalt sind Phänomene, die wir deshalb mit aller Konsequenz in den Blick nehmen und Konsequenzen ziehen müssen. Konsequenz in der Bekämpfung ist gefragt und die CDUFraktion im Thüringer Landtag ist ausdrücklich der Thüringer Polizei und der Thüringer Justiz für den Dienst dankbar, den sie bei der klaren Bekämpfung des Extremismus in den letzten Monaten geleistet haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen die Erscheinungen, die Vorfälle nicht ignorieren, nicht banalisieren, wir dürfen aber auch nicht in Hysterie verfallen. So schrecklich und verabscheuungswürdig jeder einzelne Vorfall ist, weil die Menschen angegriffen, beleidigt, verletzt oder auch getötet werden, bei dem Friedhöfe, Gotteshäuser oder andere Einrichtungen geschändet oder beschädigt werden, charakteristisch für das geistige und politische Klima im Land sind diese Vorfälle nicht. Die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat lehnen in der übergroßen Mehrheit extremistische Parteien und extremistisches Gedankengut entschieden ab. Die hohe Teilnehmerzahl bei Kundgebungen und Initiativen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit haben das deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich denke an den 1. Mai in Weimar, an die Unterschriftenaktion "Thüringen tole
All dies macht deutlich, nicht der Extremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft, sondern der entscheidende Widerstand gegen den politischen Extremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft.
Diesen Widerstand zu stärken, das ist unsere Aufgabe. Der Staat kann den Kampf gegen politischen Extremismus nicht allein führen. Natürlich muss der Staat die Sicherheit aller Bürger schützen und sichern. Aber so wenig er verhindern kann, dass es zu Raub oder Diebstahl kommt, so wenig ist er in der Lage, Gewalttaten extremistischer Täter immer und überall zu verhindern. Polizei und Justiz sind in Thüringen voll funktionsfähig und haben effektiv, schnell und erfolgreich gearbeitet und sie haben es verdient, dass wir zu ihnen stehen und nicht, wie Herr Dittes, sie auch noch beleidigen.
Es gibt keine Nachsicht mit extremistischen Straftätern! Ich erinnere an das hier vorgestellte Extremismuskonzept des Thüringer Innenministers, das auch Wirkung zeigt. Die rechtsextremistische Szene ist deutlich verunsichert und hat ihre Aktivitäten deutlich eingeschränkt. Die Zahl rechtsextremer Aufmärsche und illegaler Skinheadkonzerte ist deutlich zurückgegangen. Die Erfolge auf diesem Gebiet sind unübersehbar, aber, wie gesagt, der Staat kann den Kampf gegen Extremismus nicht allein führen, er ist angewiesen auf die Mithilfe der Bürger, der Familien, aber auch der Vereine, der Verbände, der Kirchen, der Gewerkschaften und aller gesellschaftlich relevanten Gruppen. Alle müssen helfen und ihren Beitrag leisten, unsere freiheitlich-demokratische Ordnung gegen extremistische Angriffe zu verteidigen. Denn eines ist klar, die Extremisten haben es eben nicht nur auf einzelne, mehr oder weniger zufällige Opfer abgesehen, nein, sie wollen letztlich unsere Rechts- und Verfassungsordnung und die ihr zugrunde liegenden Werte bekämpfen. Und genau um diese Werte geht es, unsere Werte der Rechts- und Verfassungsordnung, wir müssen sie mit aller Kraft und allen Mitteln verteidigen.
Die unantastbare Würde eines jeden Menschen, die persönliche Freiheit des Einzelnen, das parlamentarisch-demokratische System sind Grundwerte unserer Verfassung, die wir in den letzten Jahren schätzen gelernt haben und die wir verteidigen. Wer die Würde seiner Mitmenschen verletzt, die Freiheit des Individuums einschränkt oder gar an der Beseitigung des parlamentarisch-demokratischen Systems arbeitet, hat mit unserem schärfsten Widerstand zu rechnen. Darin sind sich alle Demokraten einig und, ich denke, das muss auch unmissverständlich
ausgesprochen werden. An dieser Stelle müssen, wenn Demokraten sich einig sind, sie auch über den parteipolitischen Streit hinweg glaubwürdig und erfolgreich gemeinsam handeln. Genau um diese Glaubwürdigkeit geht es. Die Bürgerinnen und Bürger werden den Staat, die Politik in ihrem Kampf gegen Extremismus, gegen Gewalt, gegen Ausländerfeindlichkeit unterstützen, wenn sie wirklich überzeugt sind, dass sich ihr Einsatz lohnt und dass der Staat, die Politik, die Ängste der Menschen zur Kenntnis nehmen, nicht Debatten tabuisiert. Die Sorgen, die Nöte, vielleicht auch unberechtigte Sorgen, zur Kenntnis nehmen heißt auch, keine Denk- und Redeverbote in Deutschland auszusprechen.
Wer glaubt, mit politisch vorgegebenen Tabus, möglicherweise Diskussionseinschränkungen auch zu Begriffen, diese Debatte glaubwürdig führen zu können, der irrt. Die Glaubwürdigkeit unserer Handlungen und das Mittun der Menschen hängt entscheidend davon ab, ob wir in der Gesellschaft ein Klima der Offenheit, der gemeinsamen Verantwortung, der gemeinsamen Handlung, aber auch der offenen Diskussion aller Denkvorstellungen in der Gesellschaft zulassen. Das ist der Wert der Freiheit. Das ist auch die Aufgabe, in Freiheit diese Diskussion zu führen. Das gehört zu unserer Grundwerteordnung und dazu bekennen wir uns ausdrücklich.