Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Heym zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich war Vorsitzender einer Verwaltungsgemeinschaft im Landkreis Schmalkalden-Meiningen und eine der Mitgliedsgemeinden hat zu der Zeit, als Sie, Herr Dewes, Innenminister waren, einen Bürgerentscheid durchgeführt zu der Frage, Verbleib in dieser Verwaltungsgemeinschaft oder Gang nach Suhl. Das ist damals angestrebt worden. Ich muss Ihnen sagen, es beeindruckt schon, wie Sie jetzt hierher kommen und für dieses Mehr-Demokratie-Verständnis werben. Die Gemeinde Dillstedt hat von Ihnen nicht einmal eine Eingangsbestätigung für diese Bürgerbegehren bekommen und es ist schwer verständlich, wie man nun jetzt hier versucht, für dieses Begehren zu werben.

Ich möchte einen zweiten Fakt anschließen: Erklären Sie mir, wie das gemeint ist, wenn der Landesgeschäftsführer Ihrer Partei in der Zeitung "Vorwärts" zu diesem Thema schreibt, dass Volksbegehren in den nächsten vier Jahren die einzige Möglichkeit bieten würde, der mit absoluter Mehrheit regierenden CDU mal hier auf die Sprünge zu helfen. Das ist jetzt nicht wörtlich, aber so sinngemäß ist das der Text. Meine Frage ist: Wie gehen Sie mit den demokratischen Elementen, denen wir uns zurzeit noch verschrieben haben, um? Und wie ist Ihr Verständnis, wie ist das gemeint: Könnte es sein, dass Sie dieses Volksbegehren "Mehr Demokratie" instrumentalisieren, um über die Hintertür vielleicht hier Ihre SPD-Politik durchzusetzen?

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Birkmann, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abgeordneter Schemmel, man könnte in Abwandlung eines Karnevalliedes sagen: Ach, wären Sie doch in Thüringen geblieben und nicht nach Island gefahren.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Ich denke, dann hätten Sie sich solche Überlegungen und etwas weit hergeholte Überlegungen ersparen können. Sie haben als Begründung angegeben, die Aktualität liegt auf der Hand, schwindende Akzeptanz, aber am Schluss sind Sie dann, so wie der Abgeordnete Dr. Dewes dann auch, doch herausgerückt und haben gesagt: Unterstützen Sie doch das laufende Volksbegehren. Das scheint Ihnen, aus meiner Sicht populistisch, das Anliegen zu sein, hier am heutigen Tag diese Aktuelle Stunde durchzuführen. Und ich wollte an sich nur auf zwei Gesichtspunkte grundsätzlicher Art hinweisen, sehe mich aber doch jetzt veranlasst aufgrund der Ausführungen von Herrn Dr. Dewes und Herrn Schemmel, den Abgeordneten, kurz inhaltlich darauf einzugehen.

Herr Abgeordneter Dewes, wir reden ja nicht über eine Senkung der Quoren von 14 Prozent auf 12 Prozent oder, wenn Sie uns Bayern vorführen wollen, auf 10 Prozent, sondern hier geht es ja um 5 Prozent. Wenn Sie sich einmal die jüngste verfassungsrechtliche Rechtsprechung anschauen, dann sagt man dort zur Funktion von Quoren: "Quoren haben die Funktion, Volksbegehren und Volksentscheide dem Test der Ernsthaftigkeit zu unterwerfen und zu verhindern, dass Anliegen, die nur für eine Minderheit in der Bevölkerung von Bedeutung sind, Gesetz werden können." Das heißt, wenn Sie auf 5 Prozent heruntergehen, dann verschaffen Sie Minderheiten die Möglichkeit, Gesetze zu initiieren und letztendlich auch, jetzt mit Blick - und da komme ich zu Ihnen, Herr Schemmel, das ist verfassungsmäßig schon sehr problematisch, wenn Sie sich einmal anschauen, was Ihnen im Volksbegehren zu Artikel 82 vorgeschlagen wird, nämlich zuzulassen, dass finanzwirksame Gesetze immer dann, wenn die finanzwirtschaftliche Ausgewogenheit gegeben ist, zuzulassen. Damit unterlaufen Sie ganz entscheidend das Budgetrecht des Parlaments. Das ist ein elementarer Einschnitt in unsere Verfassungslage. Wenn Sie dann einmal schauen, wie es ist mit Verfassungsänderungen, dass dort vorgesehen ist, dass es ausreicht, dass 25 Prozent der Stimmberechtigten genügen, um eine Verfassung zu ändern, dann frage ich mich: Wie sehen Sie sich als Abgeordneter, wenn Sie hier zwei Drittel der Mehrheit benötigen? Ich denke, das sind schon gravierende Dinge, die man bei diesem Vorhaben sehen muss,

(Beifall bei der CDU)

und da kann man nicht sagen, machen wir mal und lassen wir laufen, dann schauen wir mal, wie es weitergeht.

Ich wollte mich melden und, Herr Dr. Hahnemann, Sie haben das so abgetan, das finde ich nicht gut: die Erfahrungen, die wir gemacht haben, insbesondere unsere Väter gemacht haben mit den Erfahrungen der Weimarer Republik. Ich sehe tatsächlich in einem Volksbegehren der vorliegenden Art die Gefahr, dass aktive Minderheiten auf Dauer die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft zerstören könnten. Es muss ja nicht sein, dass nur demokratisch gesinnte Gruppen sich der Instrumentarien des Volksbegehrens und des Volksentscheids bedienen. Gerade jetzt, wo die Bekämpfung des Rechtsextremismus ein zentrales Anliegen der Politik ist und es insoweit auch einer gewissen Gleichgültigkeit oder sogar teilweisen Sympathie mit manchen rechtsextremen Auffassungen in Teilen der Bevölkerung entgegenzuwirken gilt, wird deutlich, welche Gefahren hier bestehen. Wer will denn ausschließen, dass rechtsextreme Gruppierungen nicht nur wie bisher mit Demonstrationen auf ihr Anliegen aufmerksam machen wollen, sondern dies auch mittels Volksbegehren und -entscheid durchzusetzen versuchen. Hier können zu geringe Hürden, sprich Quoren, sehr gefährlich sein. Selbst wenn die Hürden nicht genommen werden, bieten diese Hürden schon einen Platz des Aktionismus und da möchte ich gerade auf die Erfahrungen der Weimarer Republik verweisen. In der Weimarer Republik hat es eine Vielzahl von plebiszitären Vorgängen gegeben, die zwar niemals von den Nationalsozialisten gewonnen worden sind, aber ihnen das Terrain gegeben haben, sich darzustellen und dann in Wahlen zu gewinnen. Und es war ja schon so, dass die Väter unserer Verfassung, Konrad Adenauer, Carlo Schmidt, Theodor Heuss, ich nenne von den drei großen Parteien, die damals dort mitgewirkt haben, die Repräsentanten, sie alle haben gerade mit Blick auf die Erfahrungen mit der Weimarer Republik davon abgesehen, grundsätzlich plebiszitäre Elemente in unser Grundgesetz aufzunehmen, mit Ausnahme der Länderneugliederung. Und auch die Abgeordneten dieses Hauses, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, haben bei der Arbeit im Verfassungsausschuss dies so gesehen. Ich muss sagen, ich wundere mich schon und das, finde ich, ist eine Frage nach dem politischen Fingerspitzengefühl, dass man heute, eine Woche nach dem 9. November und nicht einmal eine Woche, nachdem man im Bundesrat sich verständigt hat, Thüringen jedenfalls sich mit verständigt hat, gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht vorzugehen, dies hier heute aktualisiert. Denn Sie wissen doch, dieses Volksbegehren wird von der NPD unterstützt und deshalb ist es für mich sehr, sehr fragwürdig, dies hier heute zu behandeln.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen auch sagen, wie wir die Notwendigkeit, stärkeres politisches Engagement anzustreben, realisieren wollen. Sie haben hier zu Recht auf die Studie hingewiesen, die heute Morgen vom Ministerpräsidenten zitiert worden ist und ausgeteilt worden ist, die Studie der Friedrich-Schiller-Universität. Es ist richtig, dass

dort gesagt worden ist, dass die Untersuchungen ergeben haben, dass die Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit der Demokratie den Vorzug gibt und dass es ein starkes Bedürfnis gibt, sich zu beteiligen, sich zu engagieren. Deswegen ist unser Ansatz der, dass man diese Möglichkeiten besser nutzen muss. Und wer hat sie denn zu nutzen nach unserer Verfassung? In Artikel 21 steht, es sind die politischen Parteien, die bei der Willensbildung mitwirken, und deswegen sind wir der Auffassung, dass der bessere Weg der ist, dieses Engagement in die politischen Parteien hineinzuholen, das hat sich bewährt, unsere Verfassung gibt es seit 50 Jahren, 40 Jahre in der alten Bundesrepublik und seit 10 Jahren gemeinsam, das hat sich bewährt und warum nehmen wir die Chance nicht wahr, dieses Interesse, was da ist, in die Parteien hineinzuholen. Da folge ich Ihnen, Herr Dr. Dewes, die Parteien müssen sich öffnen, sie müssen dieses Potenzial stärker nutzen. Ich meine, das sei unser aller Anliegen, dort diese Kräfte zu bündeln und nicht durch eine Abstufung der Hürden für die unmittelbare Demokratie auch den Demagogen ein Betätigungsfeld zu eröffnen. Deswegen glaube ich, dass dies der bessere Weg ist. Die Landesregierung hat die Bedenken, die auch von Herrn Abgeordneten Wolf vorgetragen worden sind, insbesondere mit Blick auf dieses Volksbegehren von seinem Inhalt her. Danke schön

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank! Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde angekommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und wir fahren fort mit dem Tagesordnungspunkt 4, den wir ja vorhin durch die Mittagspause unterbrochen haben. Ich rufe auf den Abgeordneten Lippmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn meiner Ausführungen erlaube ich mir noch einmal auf unseren eigenen Antrag in dieser Angelegenheit zurückzukommen und einige Vergleiche anzustellen, auch wenn Sie ihn abgelehnt haben. Es hat ja bei nüchterner Betrachtung sowohl Gemeinsames als auch Kontroverses gegeben. Der Satz 1 Ihres Antrags lautet, ich zitiere Ihren eigenen Antrag: "Die Landesregierung wird ersucht, eigene Anstrengungen zur Ausbildung von Fachkräften in Thüringen zu verstärken." - zu verstärken also. Es gibt zwei Ebenen der beruflichen Ausbildung in Sonderheit im IT-Bereich, aber auch in anderen Branchen ist das so. Die erste Ebene ist die berufliche Ausbildung einschließlich der beruflichen Weiterbildung, ich betone das, weil das im späteren Verlauf und in dieser Branche eine besondere Rolle spielt. Diese Aufforderung geht auch und ganz besonders an die Wirtschaft und deren Verbände, also mehr auszubilden, vielleicht auch anders und weniger konventionell auszubilden.

Die zweite Ebene der Ausbildung ist die schulische und hochschulische Ausbildung. Diese Aufforderung geht an das Land und an die Landesregierung. Sie erkennen in Ihrem Antrag Defizite, offenbar ist das so, denn sonst bräuchten Sie ja den Antrag nicht gestellt zu haben und hier sind wir der gleichen Auffassung. Die Debatte zur ersten Lesung im April hat zumindest in folgenden Punkten Übereinstimmung erzielt, ich nenne sie noch mal, weil ich es für wichtig halte, dass wir das Gemeinsame in dieser Sache herausstellen sollten.

1. Die Informations- und Kommunikationstechnik ist im Grunde genommen die Wachstumsbranche des 21. Jahrhunderts. Das ist unbestritten so.

2. Es ist aber genauso unbestritten, dass Deutschland, in Sonderheit die deutschen Länder, noch nicht umfassend darauf vorbereitet sind. Das betrifft sowohl die berufliche als aber auch die schulische Ausbildung gleichermaßen, sicherlich sehr unterschiedlich regional bezogen.

3. Eine dauerhafte Lösung, ich betone das ausdrücklich, eine dauerhafte Lösung - mittel- und langfristig gesehen dieser Misere auf diesem IT-Markt kann nur über eigene Ausbildungsanstrengungen erfolgen, vielleicht auch außerhalb des konventionellen Ausbildungsrituals, und ich betone das ausdrücklich, wie sich später zeigen wird.

Damit erschöpfen sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten dieser beiden Anträge. Die unterschiedlichen Auffassungen gab es dann zur Greencard selbst, der Initiative der Bundesregierung und der deutschen IT-Wirtschaft, kurzfristig 20.000 IT-Fachleute aus dem nichteuropäischen Ausland nach Deutschland zu holen und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland zu geben. Die Greencard entspricht in etwa dem H-1B-Visum der USA. Im letzten Jahr haben das allein 2.500 IT-Fachleute aus Deutschland in Anspruch genommen. Die kurzfristigen Defizite sind also unbestreitbar vorhanden und eigentlich auch nicht mit dem Hinweis abzubügeln, es gäbe ja genügend arbeitslose IT-Fachleute bei uns auf den Arbeitsämtern. Wie wir sehen werden - es sind im Übrigen zwischen 2 und 5 Prozent, das ist im Arbeitsamt sehr unterschiedlich angelegt -, ist dieser Hinweis oder die Bemerkung gerechtfertigt. Also noch einmal: Anwerbung kann Ausbildung nicht ersetzen, sie kann sie aber unterstützen. Übrigens, die Zentren der Informationstechnologie, also der Anfall von IT-Fachleuten am Gesamtbestand, sind auf sehr wenige Regionen konzentriert. Es hat kürzlich eine Erhebung gegeben mit dem "üblichen Ranking", danach liegt München an erster Stelle, gefolgt von Frankfurt, Hamburg und Berlin. Das wäre nicht interessant, war auch zu vermuten; allerdings das, was jetzt kommt, das erschreckt dann schon ein wenig, der erste ostdeutsche Standort, nämlich Dresden, kommt erst an Stelle 18. Das ist bedauerlich.

Zu diesem Thema hatten wir nun im Parlament eine Anhörung beschlossen, die hat auch im Ausschuss für

Wissenschaft, Forschung und Kunst unter Beteiligung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik und des Innenausschusses stattgefunden und hat durchaus interessante, aber nicht immer einheitliche Ergebnisse geliefert, wenn man sich das Wortprotokoll dieser Anhörung noch einmal vornimmt. Ihren Angaben zufolge haben wir vor allen Dingen - das, was die IHKVertreterin Frau Weidhaas gesagt hatte - in Thüringen etwa 1.500 IT-Unternehmen. Allerdings verfügen 90 Prozent dieser 1.500 Unternehmen über weniger als 20 Arbeitskräfte, haben nur 1 bis 20 Beschäftigte, also ausgesprochen klein strukturiert, was durchaus nicht negativ in dieser Branche zu sein braucht, allerdings mit Folgen für die Gestaltung der Arbeitsverträge, der Bezahlung und vor allen Dingen mit fatalen Folgen für die Ausbildung, wie wir gleich sehen werden. Die Kleinunternehmen können natürlich nicht in dem Maße und nicht in dieser Qualität ausbilden, wie das einem größeren Unternehmen möglich ist.

Die IHKs schätzen das momentan gesuchte und nicht zur Verfügung stehende Potenzial an IT-Fachleuten mit ca. 500 ein, obwohl dies - das wurde auch von Frau Weidhaas gesagt - keine verbindliche Größe sein kann, weil die Erhebung nicht auf der Basis von Einzelbefragungen erfolgt ist. Im Übrigen, und das hat mich ganz besonders berührt, weil wir schon mehrfach darüber gesprochen haben in diesem Haus, es wurden von sehr vielen der Anzuhörenden ausdrücklich und übereinstimmend schwere schulische Defizite im Bereich Mathematik, den physikalischen Fächern, ja sogar in den eigenund fremdsprachlichen Bereichen festgestellt. Das wird immer wieder gesagt, sowohl von den Handwerksmeistern, aber auch von der Wirtschaft.

Der Beitrag von Frau Weidhaas, also vom Verein der Industrie- und Handelskammern in Thüringen, enthielt einen sehr wichtigen Hinweis, und zwar einen Hinweis, der uns auch von den IHKs empfohlen worden ist, nämlich eine Studie der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Diese Studie heißt "Fachkräfte in der IT-Branche, Personal- und Qualifizierungsbedarf im Wirtschaftsraum Köln" und stammt vom Mai diesen Jahres. Ich möchte eigentlich nur deshalb darauf eingehen, weil auch für uns gültige Ergebnisse und Schlussfolgerungen gezogen werden und weil es zweitens bei uns Adäquates nicht gibt. Mit dieser Untersuchung verfolgt die IHK Köln das Ziel, vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um diese Greencard-Geschichte Aufschluss über den tatsächlichen Fachkräftebedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu bekommen. An der Befragung haben sich im Übrigen weit über 2.300 Unternehmen beteiligt. Davon sind 1.190 IT-Unternehmen gewesen.

Die Ergebnisse in Stichworten - ich kürze es schon ab, aber ich glaube, es ist schon wichtig, wenn man das einmal Revue passieren lässt.

Erster Punkt: Von den befragten Unternehmen wurde ein kurzfristiger Bedarf von 3.500 IT-Fachleuten gemeldet, der zurzeit nicht gedeckt werden kann.

Zweiter Punkt: Schwerpunkte des Facharbeitermangels waren Programmierung, Internettechnologie, Softwarebetreuung und Netzwerktechnik.

Dritter Punkt: Ein Drittel der Unternehmen registriert geringere Wertschöpfung, das heißt, sie können ihre Aufträge nicht mehr bearbeiten, weil die Leute fehlen.

Vierter Punkt: In der Regel erfolgen Einstellungen - und das ist auch interessant - nicht über die Arbeitsämter, sondern über Abwerbung. Die Unternehmen haben erklärt, über das Arbeitsamt bekommen wir die Leute, die wir brauchen, nicht. Wir müssen sie abwerben. Das wird natürlich mit den Preisen getan, die unsere Unternehmen beispielsweise hier nicht mehr zahlen können.

Fünfter Punkt: Die Unternehmen geben an, dass entscheidend für die Eignung - für mich auch ein wenig überraschend - die praktische Verfügbarkeit von Wissen und Erfahrung ist. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, wo und wie dieses Wissen erworben worden ist. Hochschulabschluss, betriebliche duale Ausbildung, also Ausbildung im dualen System, und fachspezifische Weiterbildung stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das hätte ich, muss ich ehrlich sagen, nicht vermutet. Ich hatte doch eine leichte Präferenz für Hochschulabschlüsse für möglich gehalten.

Sechster Punkt: Die Unternehmen sagen, dass eine abgeschlossene Berufs- oder Hochschulausbildung allein nicht ausreicht, sie legen Wert auf berufliche Weiterbildung. Nordrhein-Westfalen - aber möglicherweise auch andere Bundesländer - hat in diesem Jahr und auch kurzfristig in Reaktion darauf ein sehr umfassendes Programm aufgelegt, das auch finanziell sehr gut ausgestattet ist.

Siebter und letzter Punkt dieser Studie, alle in der Zusammenfassung: 33 Prozent, also ein Drittel der Unternehmen, die Fachkräftemangel melden, bilden aus - nur ein Drittel. Die, die nicht ausbilden, sind meist Kleinstfirmen. Das ist auch deshalb erklärlich, weil wir in Thüringen ausschließlich Kleinstfirmen haben, die Ausbildung diesen Kleinstfirmen selbstverständlich schwer fällt. Wir müssen uns also nicht wundern, wenn unsere ITUnternehmen, die am Markt tätig sind, diese Ausbildungsquoten nicht erfüllen können.

Zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden:

1. Die Studie liefert einen exzellenten und repräsentativen Querschnitt und einen Ist-Standsbericht.

2. Sie zeigt Konsequenzen im Ausbildungs- und Weiterbildungsbereich auf und sie liefert den Beweis, dass mit der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt der Be

darf an IT-Fachleuten jeder Ausbildung nicht gedeckt werden kann.

Die SPD-Fraktion hat nun in der zweiten Sitzung angeregt, die Landesregierung möge sich gemeinsam mit den IHKs - ich glaube, Herr Staatssekretär, Sie waren im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik und Hochschulen eine adäquate Analyse im Sinne der Studie der Industrie- und Handelskammern zu Köln anfertigen lassen. Es wurde uns gesagt - das war am 5. Oktober - man arbeite seit Monaten an der Erstellung des Fragebogens und die Ergebnisse lägen noch nicht vor. Es wurde aber vorsichtig "Ende des Jahres" genannt. Ich hoffe, Sie werden das bestätigen können, Herr Staatssekretär, für mich ein wenig unverständlich, in Köln, die haben sechs Wochen daran gearbeitet und bei uns dauert es jetzt schon vier Monate, wenn die Zahlen, die im Ausschuss genannt wurden, stimmen. Hier würde ich um eine leichte Beschleunigung bitten, denn das Problem können wir nicht auf die lange Bank schieben. Ich habe den Eindruck gewonnen, man habe schon längst alles getan, zumindest wird gelegentlich in der Öffentlichkeit dieser Eindruck vermittelt, um dem Problem abzuhelfen - und übrigens, es gäbe gar kein Problem. Ich stelle fest, dies ist nicht so. Wir sind, mindestens was den Bereich staatlicher Vorsorge anbelangt in dieser Branche - selbstverständlich sind das alles Angelegenheiten der Wirtschaft schon selbst -, deutlich und weiter auf dem Rückzug. Ich sage das nicht gern, weil wir viele Branchen haben, die in der gesamtwirtschaftlichen Bewertung des Osten vorne stehen, aber hier sind wir weiter auf dem Rückzug. Es genügt eben nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Verantwortung ausschließlich auf den Rücken unternehmerischer Möglichkeiten abzuladen, die sehr oft gute Fachkräfte gar nicht bezahlen können. Anstelle eigener Aktivitäten verlangen Sie im zweiten und letzten Satz Ihres Antrags - und jetzt komme ich wieder auf Ihren Antrag, über den heute abzustimmen ist, zurück -, jetzt muss ich aus diesem Antrag zitieren: Sie verlangen von der Bundesregierung "tiefgründige" "tiefgründig" haben Sie geschrieben - "Analysen darüber anzustellen, wie der Fachkräftemangel in Deutschland möglichst aus eigener Kraft gelöst werden kann".

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Gipfel der Ignoranz. Wir brauchen keine tiefgründigen Analysen der Bundesregierung, wir brauchen Handlungen. Sie hat gehandelt, meine Damen und Herren, mit dem Programm der Bundesregierung und der Wirtschaft, nämlich das Programm "Innovation und Arbeitsplätze im 21. Jahrhundert", hat das deutlich und auch sehr großzügig finanziell ausgestattet. Ich vermisse ein solches hier, es ist überflüssig zu sagen, dass wir hier den Antrag ablehnen, so wie er ist. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Schwäblein zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema "Computerfachleute in Thüringen" haben wir bereits im April diesen Jahres thematisiert. Herr Lippmann, wir können durchaus erkennen, dass dieses Thema damals hochaktuell war und es heute immer noch geblieben ist. Dass mittlerweile die Bundesregierung Programme aufgelegt hat, macht unseren Antrag deshalb nicht überflüssig. Aber bitte bedenken Sie bei Ihrer Kritik das Datum der Einreichung. Wir bekennen, dass sich mittlerweile was getan hat, sowohl im Land als auch im Bund. Ich werde darauf eingehen.

Sehr verehrte Damen und Herren, diese IT-Branche erlebt erfreulicherweise einen starken Aufschwung in Deutschland, aber auch in Thüringen. Der Fachkräftemangel - und das ist ja vor Jahren noch glatt in Frage gestellt worden, dass unsere Arbeitsmarktsituation tatsächlich auch Fachkräftemangel zuließe - ist auch hier in Thüringen nicht zu übersehen. Wenn das jetzt von beiden Teilen der Opposition akzeptiert wird, wird damit auch ein deutlicher Fortschritt des Wirtschaftsstandortes Thüringen anerkannt. Immerhin ein Erkenntniszuwachs, den ich zumindest Teilen der Opposition nicht zugetraut hätte, insoweit darf ich mich also revidieren.

Sehr verehrte Damen und Herren, wir haben eine Anhörung zu diesem Thema angestrengt, als Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst initiiert, aber beileibe nicht ein Alleinvertretungsrecht dafür beansprucht, weil es über den Bereich Wissenschaft, Forschung und Kunst hinausgeht. Das ist richtigerweise schon gesagt worden, das berührt auch die Bereiche Wirtschaft und auch die Innenpolitik, hier insbesondere wegen der Greencard-Regelung und der Zuwanderung, die damit verbunden ist. Wir haben bei der Anhörung sehr, sehr viel Nützliches erfahren; wir haben aber auch feststellen dürfen, da kommen wir jetzt zu einem mehrschichtigen Problem, dass wir den Bereich Schule auch hätten einbeziehen sollen. Wenn wir noch mal eine Anhörung in diesem Sinne machen würden, sollten wir, müssten wir die Schulexperten gleich mit dazubitten. Wobei aus den Reihen der Wirtschaft schon bemängelt wurde, dass aus den Schulen Schüler kämen, die der neuen Technik noch nicht aufgeschlossen genug gegenüberstünden und deren Vorfertigkeiten noch nicht ausreichen würden für die Berufspraxis speziell in diesem Bereich.

Nun ist das von der Schule alleine nicht zu leisten. Es hängt doch sehr mit dem gesellschaftlichen Klima zusammen, der Akzeptanz neuer Techniken und möglicherweise ist die Akzeptanz, insbesondere des Internets, heute so weit gediehen, dass man darüber kaum noch

diskutiert. Vor zwei, drei Jahren wurden die Gefahren weitaus mehr - vielleicht auch überbewertet. Die Gefahren sind nicht weg, aber der Nutzen überwiegt bei weitem. Nun dürfen wir aber trotzdem nicht die Augen davor verschließen, dass es nach wie vor noch Erscheinungen von Technikfeindlichkeit und Technikängsten in dieser Gesellschaft gibt. Und wenn das die Bundesregierung selber noch schürt, so muss das heute auch angesprochen werden. Ich komme hier ganz konkret zu dem Versuch, schmutzigen Strom aus Deutschland auszusperren. Wer das je in den Mund genommen hat, weiß nicht, wovon er spricht. Die Wege des Stroms werden sich nie nachvollziehen lassen und wenn der im Ausland billiger ist, wird er den Weg nach Deutschland finden. Es ist ein Unsinn, sich von einer hoch entwickelten Technik zu verabschieden. Das, was man jetzt mit dem Atomkompromiss angeblich Gutes getan hat, haben andere Länder schon längst als Fehler erkannt. Die Schweden sind zurückgekommen zu dieser belastungsarmen Energie und ich vermute mal, wenn wider Erwarten Rotgrün noch einmal gewählt werden sollte, werden sie auch in der nächsten Legislaturperiode davon wieder abrücken müssen. Aber vielleicht geht es ja schneller, wenn der Bürger eine andere Einsicht hat.

Das Klima in dieser Gesellschaft ist in Teilen immer noch technikfeindlich und das macht sich auch an der Akzeptanz bei Schülern für neue Techniken tatsächlich am Ende bemerkbar. Hier bleibt eine Aufgabe für uns: die Risiken von Technik nicht zu leugnen, die Folgen abzuschätzen, aber das Gute daraus zu ziehen und junge Menschen besonders auch für diese modernen IT-Techniken zu begeistern. Nun ist die Schulausstattung nicht ganz losgelöst von den Problemen, die wir haben, aber sie bedingen die Probleme zum Teil mit und hier muss es auch neue Lösungsansätze geben. Es wird nicht leistbar sein von der öffentlichen Hand, den Schulträgern, aber auch mit der Unterstützung des Landes nicht, immer in den Schulen die modernste Technik zu installieren. Wenn man weiß, wie kurz die Verfallsfristen dieser Technik sind, dann ist das Investitionsvolumen von der öffentlichen Hand nicht zu erbringen. Auch die Unterstützung der Wirtschaft wird dort nicht ausreichen. Gleichwohl hilft es, wenn die Wirtschaft erkennt, dass sie Gutes tut, wenn sie die Schulen mit Ausstattung versieht. Aber hier muss es auch andere Lösungen geben. Wenn man schaut, wie es in den Schulen aussieht, da werden die Programme exemplarisch geübt, die Eingabemasken, Problemstellungen werden erprobt, aber es werden nicht ganze Lohnrechnungen gemacht, nicht riesenhafte Formelwerke gerechnet, so dass es also ausreicht, wenn man einen hochleistungsfähigen Rechner in den Klassenraum stellt, die Rechner vernetzt und an den Einzelplätzen das, was auf dem Hauptrechner geschieht, emuliert. Die Terminalserverlösung gibt es bereits; ich rege an, dass man sich auch noch mal seitens der Schulträger damit befasst. Damit lassen sich auch die letzte und vorletzte Rechnergeneration sehr gut integrieren, ohne jetzt komplette Computerkabinette alle

zwei Jahre austauschen zu müssen.