Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

Vor zwei Tagen las ich in der Zeitung, dass eben das gleiche Berufsförderwerk, die z.B. für Arbeitslose, auch um so eine gewisse Hemmschwelle abzubauen, den so genannten Internet-Führerschein anbietet. Das ist keine Einführung von Thüringen, das kommt von der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch da ist es so, dass sich gar nicht genügend Leute melden. Da muss man sich doch mal fragen, warum ist das so, und da sage ich, aktive Arbeitsmarktpolitik ist gut, aber aktivierende ist besser.

(Beifall bei der CDU)

Das können Sie auch, wenn Sie in den Arbeitsämtern sind, immer wieder hören, das sind eben keine Einzelfälle mehr. Und wir werden das mit Sicherheit, ich werde sicher einige am Montag treffen, da haben wir ein Arbeitsmarktgespräch in Jena beim Arbeitsamt, da werden wir diese Dinge sicher auch ansprechen. Im Übrigen gilt das Gleiche für die Frauen, es gibt da jetzt diese schönen Werbespots für die neue soziale Marktwirtschaft, wo die Busfahrerin auftritt oder die schon etwas ältere Frau, die am Computer sitzt. Ich denke, das ist der richtige Weg. Ich finde das schon gut, und was ich genauso bemerkenswert fand, das fällt mir gerade ein bei dem Gespräch mit der Parität, dass dann ge

sagt wird, dass in den großen Wohlfahrtsverbänden es mittlerweile Probleme gibt in der Besetzung von Stellen im Management. Da werde ich gefragt: Ja wo soll man denn die Frauen hinqualifizieren? Da habe ich gesagt, alles, was die modernen Berufe sind, und dazu gehört auch BWL und alles solche Dinge. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass selbst diese großen Träger mittlerweile Probleme haben bei der Besetzung von hoch qualifizierten Stellen, und das muss man sich dann schon mal überlegen.

Meine Damen und Herren, ich denke, der Weg, den wir gehen, ist richtig und es geht nicht nur darum, Herr Gerstenberger, Strukturen zu verändern oder Zuständigkeiten zu ändern, ja natürlich, eben, wir wollen auch Inhalte ändern und da sind wir gerade dabei, das habe ich ja gerade versucht zu erklären, aber ob Sie es begriffen haben, ich weiß es nicht, aber vielleicht wollen Sie es auch gar nicht. Nur, ich meine, es ist ja bemerkenswert, der Herr Henkel und der Herr Bundeskanzler Schröder mögen sich ja, das ist ja unbestritten und der Herr Henkel hat ja neulich einen guten Vorschlag gemacht, den würde ich voll unterstützen. Mal sehen, ob das der Herr Schröder auch so sieht oder bzw. er sieht es mit Sicherheit so, aber ob er sich durchsetzen kann. Herr Henkel fordert nämlich, das BMA aufzulösen und die ganzen Arbeitsmarktfragen dem Wirtschaftsminister zuzuordnen. Ich fände das eine ganz interessante Idee.

(Beifall bei der CDU)

Und noch mal zu dem Antrag der PDS zurück, es ist ja schon bemerkenswert, also nun haben wir diesen Zwischenbericht verlangt und die PDS schiebt den Antrag nach, aber schreibt in der Begründung des Antrags schon, dass wir ihn eigentlich gar nicht brauchten, weil sie ja vorher weiß, dass sowieso alles schlecht ist. Das ist letztendlich der Tenor ihres Antrags. Was Ihre Forderung zur Verzahnung anbelangt, dann stelle ich doch mal ein paar Fragen: Hat das nichts mit Verzahnung zu tun, wenn z.B. Altstandorte rekultiviert werden, sage ich mal, unter Zuhilfenahme von SAM? Hat das nichts mehr mit Verzahnung zu tun, wenn das die LEG oder die Liegenschaftsgesellschaft machen? Hat das nichts mit Verzahnung zu tun, wenn wir bei Ansiedlungen, die über GA gefördert werden, ganz gleich, ob das eine Neuansiedlung oder eine Erweiterung von einem Betrieb ist, wenn dort für diese Firma, speziell für diese Firma arbeitslose Menschen wirklich passgenau qualifiziert werden, um dann in diesem Betrieb anzufangen? Hat das nichts mit Verzahnung zu tun? Ich denke schon und genau das wollen wir. Es hat auch was mit Verzahnung zu tun, und da komme ich wieder auf den sozialen Bereich zurück, wenn wir - wir haben mittlerweile eine gute Sozialinfrastruktur - die Träger dieser Struktur, also sprich die Wohlfahrtsverbände insofern unterstützen, dass sie natürlich auch die Möglichkeit haben, über arbeitsmarktfördernde Maßnahmen Menschen einzustellen. Ich denke, gerade in den Wohlfahrtsverbänden ist es ja sehr wohl gelungen, daraus feste Arbeitsplätze werden zu lassen. Und wenn mir dann diese Leute sagen, betrachtet uns doch mehr als Arbeitge

ber, dann tun wir das gern, aber dann muss man sie auch beim Wort nehmen, wenn es einmal um andere Dinge geht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diesen Weg fortsetzen, ich denke, er ist richtig. Eins trägt natürlich nicht dazu bei, dass neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen: Wenn statt Flexibilisierung immer neue Hürden aufgebaut werden, dann schaffen wir es nicht. Pflichtteilzeit oder Zwangsteilzeit, ich sage es mal ganz drastisch, und immer neue Hürden, da kriegen wir keine, da werden wir in Europa das Schlusslicht bleiben und man kann sich eben auch bei Wirtschaftsgutachten der fünf Weisen nicht immer das aussuchen, was einem passt, da muss man schon alles akzeptieren. Da gehört eben auch dazu, dass wir in Bezug auf Deregulierung am Arbeitsmarkt noch ein großes Stück Arbeit vor uns haben. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg und wir kämpfen weiter darum, dass die Arbeitsplätze da entstehen, wo sie hingehören, nämlich in der Wirtschaft und dass diejenigen, die selbst sich wirklich nicht helfen können, gefördert werden. Aber das können wir nur, wenn wir auf der anderen Seite so viele Einnahmen haben, dass man das auch finanzieren kann. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Gerstenberger, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Vopel, ich muss doch noch mal auf Sie eingehen, obwohl das wenig mit dem Antrag zu tun hat. Sie hatten gesagt, Sie haben Ihren Antrag gestellt, weil es viele verunsicherte Menschen in Thüringen gibt.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Nein, das habe ich nicht gesagt.)

Das war Ihre Begründung, Sie können sie im Protokoll nachlesen, wenn es geschrieben ist. Und um diese Verunsicherung zu reduzieren, sollte der Bericht hier gegeben werden. Ich bin jetzt etwas im Zweifel, ob sich nach dem Bericht die Verunsicherung unter der Bevölkerung gegeben hat, aber das werden Sie sicher per Mehrheit dann entscheiden, ob das Berichtsersuchen, so wie es Ihren Vorstellungen entsprach, tatsächlich erfüllt ist. Ich will noch auf zwei Punkte eingehen, weil sie grundsätzlicher Art sind, Frau Vopel, und da liegt auch unser Problem. Sie sagen, ich wäre Statistikfetischist, und sagen, Ihnen wäre die Statistik relativ egal, Sie wissen, dass der Weg richtig ist und dass Sie auf dem erfolgreichen Kurs sind. Wenn Sie jetzt noch gesagt hätten, dass der Klassenfeind gegen Ihre erfolgreiche Politik agiert, hätten Sie die Rede in einer Parteidiskussion der SED von vor 15 Jahren schreiben können, denn genau das, Frau Vopel,

(Beifall bei der PDS)

war es, was dort stattgefunden hat und wogegen angeblich Sie kämpfen. Sie sind heute keinen Deut besser gewesen in dieser Argumentation.

Frau Vopel, das Nächste, was Sie sagten, und das ist auch ein grundsätzliches Problem, wo wir uns, denke ich, auseinander setzen müssen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Mehr ist nicht.)

Mir ist es eben nicht egal, ob man den Thüringer nach Belieben quer oder längs teilt. Das mag mit der Bratwurst gehen, aber mit den Menschen in Thüringen funktioniert das nicht.

(Beifall bei der PDS)

Wenn 300 Unternehmen Anträge für 150 Personen stellen und der Minister das nicht aufklären kann, dann behaupte ich kühn, weil das eben nicht geht, dass er einen Fehler in seiner Rechnung hat.

(Beifall bei der PDS)

Da gibt es zwei Möglichkeiten: Ihm geht es so wie Ihnen, er interessiert sich nicht für die Statistik und hat ein paar Zahlen aufgeschrieben - das unterstelle ich Ihnen nicht. Und wenn er ein paar richtige Zahlen aufgeschrieben hat, dann hat er falsch gezählt. Nichts anderes hatten wir als Problem. Wenn das für Sie die Ausgangsbasis ist, Frau Vopel, dann haben wir in der Ausgangsbasis halt ein paar Differenzen und damit wird das Weitere in der Bewertung schwieriger. Aber ich komme jetzt einmal auf den Antrag und auf das Berichtsersuchen zurück.

"Verzahnung von Arbeitsmarkt mit Wirtschaftspolitik" hieß das Thema einer Regierungserklärung im März 1998. Damals sprachen zwei Minister, der eine etwas kürzer

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Eine Minis- terin.)

und eine Ministerin, Entschuldigung, so viel Zeit sollte sein

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Genau.)

die Ministerin etwas länger zu ihren Vorstellungen zur stärkeren Verzahnung. Stattgefunden hat dann etwas weniger, das hieß dann: nach der Übernahme der Alleinregierung durch die CDU eine grundsätzliche Veränderung, eine grundsätzliche Neuorientierung. Heute haben wir nun eine Erklärung gehabt, da hat ein Minister noch nicht einmal die Hälfte erklärt, insofern haben wir einen gewissen Fortschritt.

Herr Minister Schuster, woher nehmen Sie eigentlich die Gewissheit, dass Arbeitsmarktpolitik etwas mit dem zweiten Arbeitsmarkt zu tun hat?

(Beifall Abg. Dittes, PDS)

Meinen Sie nicht, dass Arbeitsmarktpolitik auch etwas mit Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftsförderung zu tun hätte, wenn wir über Verzahnung von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik reden, dass das Wort "Wirtschaftspolitik" wenigstens hätte einmal vorkommen müssen, dass man wenigstens einmal ein paar Worte sagt zu dem Wirtschaftsförderinstrumentarium des Freistaats, was mindestens doppelt so hoch ist wie das Arbeitsmarktförderinstrumentarium? Aber das kam in einem Bericht zur Verzahnung von Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Strukturpolitik nicht vor. Es gehört nicht zum Verständnis Ihrer Politik.

(Beifall Abg. Dittes, Abg. Nothnagel, PDS)

Dieses, was wir heute gehört haben, wurde offiziell als Neuorientierung bezeichnet und die dabei angestrebte Zielrichtung in mehreren Regierungserklärungen benannt. Es hieß, eine stärkere Ausrichtung am so genannten ersten Arbeitsmarkt - mit dem die Landesregierung seltsamerweise immer nur den Bereich Wirtschaft meinte - eine Verzahnung von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik und eine höhere Effektivität der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Das eigentliche Ziel jedoch sei, so hieß es immer wieder, Arbeitsplätze zu schaffen. Aber wie das so mit Regierungsparteien ist, die in der absoluten Mehrheit herrschen, da schleicht sich schnell so eine gewisse Arroganz der Macht ein,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Darauf haben wir schon gewartet.)

da redet man sich die Ergebnisse schön, Frau Vopel. Da gibt es allerorts die berühmten 99,9 Prozent Zustimmung und die Übererfüllung der Ziele bzw. die Betonung des richtigen Weges, auf dem man sich befinde. Die PDSFraktion möchte deshalb nach 14 Monaten CDU pur in der Arbeitsmarktpolitik eine eigene Zwischenbewertung hier vorlegen.

Eine Arbeitslosenquote, meine Damen und Herren, von 15 Prozent ist zu hoch und kann nicht hingenommen werden, hatte Wirtschafts- und Arbeitsminister Franz Schuster am 16. Dezember 1999 in einer Regierungserklärung zur Arbeitsmarktpolitik geäußert.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Hat er Recht?)

Ja, Herr Kretschmer, die PDS stimmte dem und sie stimmt ihm auch heute dabei zu.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Nur, die macht nichts dafür.)

Nur lag die Quote der registrierten Arbeitslosigkeit, Herr Kretschmer, im Oktober 2000 in den Regionen Artern aber fast bei 22 Prozent und in der Region Altenburg bei fast 20 Prozent.

(Unruhe bei der CDU)

Sie ist zu hoch, trotz - oder sollte man besser sagen - wegen der Neuorientierung, der Verzahnung, der höheren Effektivität oder was sonst noch so alles an Sonntagsreden herbeizitiert wird. Deshalb möchte ich erneut in Deutlichkeit sagen, meine Damen und Herren, solche Zustände, wie wir sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben, sind auch das Ergebnis der Politik, die von Ihrer Fraktion und von dieser Landesregierung hier getätigt wurde, und diese Politik ist für uns unakzeptabel.

(Beifall bei der PDS)

Sie ist eine Bankrotterklärung auf dem Sektor der Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU)

Herr Kretschmer, Sie können dann gern reden. Wie sieht die Realität abseits von regierungs- oder CDU-amtlichen Sonntagsreden aus? Von einer Verzahnung der Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik war bisher, von der Übernahme der Fachabteilung vom Sozial- ins Wirtschaftsministerium abgesehen, nicht viel zu spüren. Strukturveränderungen allein bewirken keine andere und schon gar keine bessere Politik. Sie sind mehr oder weniger plakativ, ob das nun Arbeitsoder Wirtschaftsministerium heißt, Frau Vopel, ist völlig nebensächlich. Wenn die Leute ordentlich ihre Arbeit machen, sich sinnvolle Effekte einfallen lassen, kann die Firma heißen, wie sie will. Ganz im Gegenteil ist es nämlich so, die Erarbeitung aufeinander abgestimmter Programme fand nicht statt, Frau Vopel, und ist auch im Doppelhaushalt nicht absehbar. Schon vor mehr als zwei Jahren, im März 1998 hat Minister Schuster angekündigt, die Gewährung von Fördermitteln an die Schaffung von Arbeitsplätzen zu binden. Doch die Wirtschaftsförderung läuft seitdem weiter wie bisher. Geschehen ist da nichts - fast nichts. Zwei Aspekte möchte ich benennen, wo es tatsächlich Veränderungen gab, meine Damen und Herren.

In der Gemeinschaftsaufgabe wird von Landesregierungsseite geklagt, dass es jährlich um die 50 Mio. weniger wären und das läge irgendwie an den veränderten politischen Verhältnissen in Berlin. Dieser Prozess findet seit vier Jahren statt, Herr Wunderlich, jährlich mit dieser Reduzierung.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU)