Protokoll der Sitzung vom 19.12.2000

Ständiges Wiederholen macht im Übrigen eine falsche Argumentation nicht richtiger.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Eben.)

Sie offenbart nur Ihre Unverfrorenheit, Herr Zeh.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sie müssten mal die Wirtschaft...)

Sie selbst, Herr Finanzminister, greifen hin und wieder auf Studien der renommierten Prüfungsgesellschaft Acer Andersen zurück. Auch ich habe eine Acer-Andersen-Studie parat. Die wird Ihnen aber nicht gefallen, weil Sie Ihre bisherige Argumentation zur Steuerreform Lügen straft. Im Auftrag des Handelsblattes hat, wie gesagt, Acer Andersen die Auswirkung der Steuerreform auf mittelständische Unternehmen untersucht und es wurde festgestellt, dass im Vergleich einer mittelständischen Kommanditgesellschaft mit einer GmbH, hier wird ein Gewinn von 500.000 DM unterstellt,

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Die haben wir doch nicht in Thüringen.)

die mittelständische KG bei allen Stufen der Steuerreform weniger Steuern zahlt als die GmbH, wenn man eine Vollausschüttung der Gewinne unterstellt

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Ein solcher Unsinn.)

lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Minister -, und nur sehr große ertragsstarke Personenunternehmen haben gegenüber Kapitalgesellschaften einen Nachteil bei der Besteuerung. Das sind aber nicht die Unternehmen, die allgemein unter der Bezeichnung Mittelstand gehandelt werden, und die gibt es auch in Thüringen nicht allzu oft. Akzeptieren Sie endlich die Reform wie sie ist, als weiterhin die Thüringer Mittelständler durch Ihr haltloses Geschwätz von einer Schlechterstellung zu verunsichern.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Dann suchen Sie mal die Unternehmen.)

Hören Sie auf, einzelne Schritte der Reform allein zu bewerten, es gibt ein Gesamtkonzept. Die Zeiten des Stückwerks sind vorbei, zumindest auf Bundesebene.

(Beifall bei der SPD)

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie, Herr Dr. Vogel, haben es verpasst, jemals mit dieser Jahrhundertreform positiv in Verbindung gebracht zu werden.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wollen wir mal eine Gedenkminute einlegen?)

Der Zug ist für Sie abgefahren, denn Sie haben sich einer zweifelhaften Parteiräson unterworfen, die dem Ruf Thüringens nachhaltig geschadet hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für all die genannten Reformen war und ist eine Haushaltskonsolidierung auf Bundes- und Landesebene unverzichtbar. Vielleicht beruhigen Sie sich wieder mal. Sie, Herr Trautvetter, haben den Thüringer Doppelhaushalt unter die Überschrift "Sparen und Gestalten" gestellt. Eigentlich gar nicht so weit entfernt von der Überschrift "Konsolidieren und Gestalten", die die Bundesregierung über den Haushalt 2001 gestellt hat. Und doch liegen zwischen den verschiedenen Wegen zur Haushaltskonsolidierung Welten. Dem Konsolidierungskurs der Bundesregierung liegt mit dem Zukunftsprogramm 2000 ein Gesamtkonzept zugrunde. Ich habe vom Kollegen Botz einmal nur die Dokumentation zur Umstrukturierung der Bundesfinanzverwaltung mitgebracht. Schauen Sie sich das an. Meine Damen und Herren, vergleichen Sie mal mit den eineinhalb Seiten Ihres Personalentwicklungskonzepts. Fällt Ihnen da etwas auf?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Ja, Masse ist nicht gleich Klasse.)

Das "Eicheln", also planvolles Sparen verbunden mit nachvollziehbaren Umstrukturierungen - die Betonung liegt auf nachvollziehbar - war aber die Voraussetzung, um trotz drastischer Rückführung der Kreditaufnahme auch im kommenden Jahr die Investitionen und die Mittel des Bundes für die neuen Länder auf hohem Niveau zu halten. In verschiedenen Bereichen gibt es sogar noch Steigerungen, wo anderswo, sprich in Thüringen, gekürzt wird. Ich nenne an dieser Stelle exemplarisch die aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung; hier in Thüringen ist man lediglich aktiv dabei, die Mittel zu kürzen. Auf Bundesebene werden die Regelungen beispielsweise für die Strukturanpassungsmaßnahmen verlängert und das erfolgreiche Jobprogramm "Jump" wird zugunsten des Ostens noch ausgebaut. Die geplante Bafög-Reform wird die Aushöhlung des Bafög endlich stoppen und die Wohngeldreform wird dafür sorgen, dass wieder mehr Haushalte wohngeldberechtigt sein werden.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Auf dem Niveau der Bundesregierung...)

Meine Damen und Herren - ach wissen Sie, Herr Kollege Althaus, Sie haben noch genug Zeit, sich selbst zu loben.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU:... Weih- nachtsmoral...)

Die Einkommensgrenzen beim Bundeserziehungsgeld sind seit 1986 - hören Sie bitte zu - nicht mehr angehoben worden, so dass immer mehr Eltern aus dem Bezug herausgefallen sind, und jetzt stoppt diese Bundesregierung diese Entwicklung und macht das Erziehungsgeld wieder zu einer Leistung, die in Breite beansprucht werden kann. Und, Herr Vogel, hören Sie genau hin, weil Sie schon etwas anderes verbreitet haben, Thüringen erhält im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur im Jahr 2001 noch 120 Mio. mehr als in der letzten Waigel'schen Finanzplanung für dieses Jahr vorgesehen.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das ist ja die Spitze.)

Des Weiteren werden die Mittel für die Infrastrukturförderung deutlich erhöht.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Null Ahnung, wie so was etatisiert wird.)

Meine Herren, Sie können dann alle noch sprechen, wir kommen zur Einzelaussprache in den Einzelplänen. Herr Abgeordneter Höhn, Sie sprechen in der Grundsatzaussprache.

Sie sehen, die Bundesregierung macht vor, wie man einen Haushalt saniert, ohne einen Steinbruch

(Heiterkeit bei der CDU)

für soziale Leistungen zu eröffnen.

(Beifall bei der SPD)

Und was machen Sie? Das Schlimmste, und nun zum dritten Mal angesprochen, Sie konsolidieren ohne Konzepte.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Advents- zeit heißt hier Märchenzeit.)

Ihr einziges Konzept ist die Reduzierung der Neuverschuldung um jeden Preis. Aber das kann es nicht sein und wird der Vielfältigkeit der Probleme im Land nicht gerecht. Ein Kollege von Ihnen, der hat das erkannt, er meinte in der Presse: Wenn man spart, muss man das mit Augenmaß tun. Bravo, Herr Kollege Grob. Doch was machen Sie, Sie kürzen bei den Schulen und Horten so stark, dass eine Unterrichtsgarantie oder der Rechtsanspruch auf Hortbetreuung nicht mehr gewährleistet werden kann. Sie reduzieren im zweiten Arbeitsmarkt so stark, als ob Sie das zu Zeiten der großen Koalition durch die SPD verhinderte Zusammenstreichen dieses Bereichs mit einem Mal nachholen wollen. Herr Schuster, wie Sie mit den entsprechenden Haushalts

titeln umgehen, Sie müssen doch geradezu alles, was mit Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen zusammenhängt, regelrecht hassen. Was ist denn mit Ihrer viel beschworenen Brücke in den ersten Arbeitsmarkt? Ich habe doch nichts dagegen, wenn Unternehmen Geld dafür erhalten, Arbeitslose einzustellen, aber damit allein macht man doch keine verantwortungsvolle Arbeitsmarktpolitik. Es gibt eben doch noch mehr Menschen, als uns lieb ist, die aus den verschiedensten Gründen dem ersten Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können, und in den seltensten Fällen sind die Leute selbst daran Schuld, aber genau diesen nehmen Sie mit ihrem veränderten Prioritätenkatalog die letzte Chance. Das machen wir nicht mit und dafür sollen Sie auch die geballten Proteste entgegennehmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Punkt: Sie kürzen bei den Kommunen in einer Art, als ob Sie alle, die sich auf kommunaler Ebene engagieren, mit einem Mal abstrafen wollen. Die automatische Reduzierung der kommunalen Finanzausgleichsmasse durch eine verringerte Steuerverbundmasse reicht da nicht aus, da hätte man ja nicht mal was einwenden können, weil es das Gesetz so vorsieht. Sie ändern aber noch zusätzlich das Gesetz, womit die Finanzausgleichsmasse zuungunsten der Kommunen neu definiert wird. Aber auch das reicht Ihnen noch nicht, es werden zusätzlich noch Leistungen in den Finanzausgleich verlagert, die vorher außerhalb finanziert wurden. Dadurch wird die Masse noch einmal geschmälert. Der Gipfel der Frechheit ist jedoch die Tatsache, dass Sie sich dafür auch noch feiern lassen. Die zusätzlichen Mittel für Schulcomputer nehmen Sie beispielsweise den Kommunen aus dem Schullastenausgleich weg, das ist doch keine Leistung.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wir haben weniger Kinder, das ist das Problem.)

Wie das von Landräten, Oberbürgermeistern bis hin zu den ehrenamtlichen Bürgermeistern bewertet wird, zeigen die unzähligen Briefe, Resolutionen und Entschließungsanträge von Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten. Quer über alle Parteigrenzen hinweg wird dieser Haushalt in der Luft zerrissen; ein Nachdenken, Veränderungen herbeiführen - halbherzig oder gar nicht, meine Damen und Herren. Und dabei ist das Ganze sogar noch steigerungsfähig.

Die Art und Weise des Entstehens und des Umgangs mit dem Haushaltsbegleitgesetz während der Haushaltsberatung ist synonym für die Abgehobenheit Ihrer Regierungspraxis. Ich bin der Meinung, das ganze Land soll hören, wie das abgelaufen ist. Sie bügeln im Landtag einen Antrag der Opposition mit Ihrer Mehrheit ab, der eine Beratung der einzelnen Artikel entsprechend ihrer fachlichen Zugehörigkeit zu den Ausschüssen vorsah. Begründung: Das könne man im Haushalts- und Finanzausschuss tun, da hat ja jeder Rederecht. In der Zwischenzeit geistern durch die Presse die verschiedensten Reparaturvorschläge der

eigenen Leute, weil man hier und da dem öffentlichen Druck nicht mehr standgehalten hat. Übrigens Respekt den Mitgliedern Ihrer Fraktion, die sich das getraut haben.

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

Dann kommt in der Anhörungsphase die bewusste Ausschuss-Sitzung zum Begleitgesetz und wir werden mit der Offerte überrascht: Diskutiert wird darüber jetzt nicht, denn man war sich in der eigenen Fraktion immer noch nicht einig. Die an die Presse lancierten Änderungen lagen noch nicht einmal als Anträge vor, man habe ja noch die abschließende Ausschuss-Sitzung. Und selbst da hat man uns nunmehr mit den "Neuerungen" konfrontiert und als die Diskussion begann unangenehm zu werden, wurde sie mit Mehrheit beendet. So läuft das in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Am Beispiel der Kürzungen der Kindergartenzuschüsse lässt sich gut und exemplarisch das Trauerspiel um das Haushaltsbegleitgesetz schildern. 17 Mio. DM werden in diesem Bereich gekürzt, Änderungen des Kita-Gesetzes bei den Standards inklusive. Die entstehende Protestwelle hatten Sie in dieser Breite wohl nicht einkalkuliert. Und als die Absetzbewegungen innerhalb Ihrer eigenen Fraktion unkontrollierbar wurden, richteten Sie schnell eine Arbeitsgruppe ein. Dem aufmerksamen Beobachter hätte gleich auffallen müssen, dass Vorsitzender dieser Gruppe ausgerechnet ein Haushälter war. Es ging in dieser Arbeitsgruppe von Anfang an nicht um die Suche, wie man den Familien Belastungen ersparen könnte, sondern lediglich darum, wie die CDU in dieser unsäglichen Geschichte das Gesicht wahren konnte. Was dann herausgekommen ist, macht das Ganze noch viel schlimmer als vorher. Weil eine zwangsläufige Erhöhung der Elternbeiträge nicht mehr wegzudiskutieren war, die Kommunen ohnehin neu kalkulieren mussten angesichts der Senkung der Kita-Zuschüsse und sinkender Schlüsselzuweisungen, sie also zwangsläufig an die Obergrenzen ihrer Satzungen gehen müssen, hat man ihnen nun den schwarzen Peter ganz allein zugeschoben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Jetzt soll es überhaupt keine Kostendeckelung der Elternbeiträge mehr geben, aber die Kürzungen, die bleiben. So etwas wird dann noch als Erfolg verkauft. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die mit ihrer Unterschrift die CDU an ihre Wahlversprechen erinnern wollten. Es ist aber auch ein Schlag ins Gesicht unserer Kommunalpolitiker, weil letztendlich dort die Verantwortung für die Haushaltskürzungen abgeladen wird.

(Beifall bei der PDS)