Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig muss man aber auch einmal ganz öffentlich sagen, das geht auch an viele Eltern, es ist auch keine Schande, eine Stufe nach unten zu treten, wenn man von dort aus klarere Bilder sieht und dann besser ins Leben starten kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich rede an dieser Stelle ganz bewusst erneut einer frühzeitigen Differenzierung in Form unterschiedlicher Schularten das Wort. Grundschule bis Klasse 4 und dann Wechsel in die entsprechende Schulart. Das hat sich bewährt, das muss deshalb auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Stangner, dass Schüler keinen Abschluss erlangen, das hat mit dieser Sache überhaupt gar nichts zu tun. Ihre Intentionen laufen für mich darauf hinaus, dass es um ein Absenken des Bildungsniveaus geht, um ein Absenken der Abschlüsse. Wir halten es für besser, den Betroffenen innerhalb der Regelschule und an den Förderschulen zu helfen. Deswegen sind solche Angebote wie Praxisklassen oder freiwilliges 10. Schuljahr weiterhin auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Ich behaupte, unsere Regelschule ist ein hervorragendes Modell, welches man sich, wie auch unser achtjähriges Gymnasium, in den alten Ländern ruhig einmal etwas eingehender betrachten sollte, denn Hauptschul- und Realschulgang ergänzen sich. Die im bundesweiten Vergleich kleinen Klassen helfen differenziert zu unterrichten. Ich sage, kleine Klassen, ja, aber keine kleinen Regelschulen, sondern mehrzügige Schulen mit breit gefächertem Angebot müssen die Devise sein. Das läuft Ihrer Aussage von der kleinen Regelschule gar nicht entgegen, denn es gibt durchaus kleine Regelschulen, wo es funktionieren kann. Es gibt auch Standorte, wo es sehr sinnvoll ist, kleine Regelschulen zu machen, aber es kann nicht die Masse unserer Schulen sein. Das würde das Niveau insgesamt absenken.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das ist ganz logisch.)

(Beifall bei der CDU)

Die Masse der Schüler besucht in Thüringen die Regelschule. Deshalb muss die Regelschule eine starke Schule sein. Ein Baustein dazu ist und bleibt, der Realschulabschluss kann nur an einer Regelschule erworben werden. Bloßes Absolvieren der 10. Klasse am Gymnasium ist nicht Befähigung genug.

(Beifall bei der CDU)

Für die Kinder mit besonderem Förderbedarf haben wir ebenfalls sehr viel getan. In einer technisierten und auf Wissen abgestellten Welt gehört die besondere Aufmerksamkeit den Lernbehinderten. Auch sie müssen im Interesse eines funktionierenden Gemeinwesens ihre Chancen haben. Dazu muss ihre Ausbildung heimatnah und eng verzahnt mit der regionalen Wirtschaft erfolgen.

Zweitens, um diese Vielfalt erreichen zu können, brauchen wir Lehrer, die bereit sind, sich zu engagieren.

(Beifall bei der CDU)

Das beginnt beim öffentlichen Bild des Lehrers. Sprüche wie, Lehrer werden geboren, haben Ferien und gehen in Rente, sind für manchen vielleicht witzig - und wir haben Ähnliches auch schon von anderer Seite hier im Bil

dungsausschuss gehört, ich darf da ja leider nicht zitieren -, aber den Job machen, den wollen ja dann die Witzelnden meistens weniger. Wie sonst ist die viel zu geringe Zahl von Bewerbern z.B. an beruflichen Schulen oder Förderschulen zu erklären? Lehrer sind nicht faul, sie haben nur andere Arbeitszeiten. Während der andere sich am Abend vergnügt, sitzen sie über Vorbereitungen und Korrekturen. Nicht wenige engagieren sich in Chören, in Vereinen, im Sportverein, in der Trainingsgruppe und anderswo, und das im Ehrenamt. Ich behaupte, die Masse der Pädagoginnen und Pädagogen tut dies.

(Zwischenruf Abg. Zitzmann, CDU: Genau.)

(Beifall bei der CDU)

Wegen negativen Beispielen, die es überall gibt, kann man nicht eine ganze Berufsgruppe in den Dreck ziehen.

(Beifall bei der CDU)

Die gegenwärtige Diskussion über den Stellenabbau an den Grundschulen verdeckt die in Wirklichkeit auf uns zukommenden Probleme, denn schon heute fehlen uns vor allem Berufsschullehrer - ich sage einmal, in zehn Jahren gibt es vielleicht Prämien für jeden, der einen solchen Beruf noch ergreifen will. Die unabhängige Studie an der Pädagogischen Hochschule rechnet uns trotz einer guten Lehrer-Schüler-Relation und einem flächendeckenden Netz von Schulen einen Überstand von Lehrern und Erziehern vor. Die Haushaltslage des Freistaats zwingt zum Stellenabbau und zum Abbau überschüssigen Personals. Ich sage, die Dimensionen des Haushaltsplans sind absolut korrekt bemessen. In der Wirtschaft sind Kündigungen eine ganz normale Sache, das wird dort auch zu Recht gesagt. Man darf aber nicht verkennen, dass durch betriebsbedingte Kündigungen eine sehr ungünstige Altersstruktur in den Schulen entsteht, die den Anforderungen an eine moderne, flexible und innovative Schule konträr gegenüberstehen. Ich habe in diesem Punkt auch Einigkeit hier entdeckt. Aber es ist doch so, das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst führt dazu, dass eben ein Überhang an älteren Lehrern entsteht. Dieses Arbeits- und Dienstrecht und was da sonst noch alles etwas damit zu tun hat, das gilt es deutschlandweit aufzubrechen. Das hemmt uns in Thüringen, aber es hemmt in ganz Deutschland, deswegen muss die Diskussion in ganz Deutschland geführt werden.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen fand ich es ja richtig, dass Herr Döring auch darauf eingegangen ist. Ich sage nachher auch noch einmal etwas zu Leistungen an Schulen und anderen Dingen. Aber wenn wir nicht gemeinsam diese Sache angehen - und man sagt ja gerade der SPD gute Kontakte z.B. zu den Gewerkschaften nach -, dann kann es auch nicht gelingen, das aufzubrechen. Das muss eine gemeinsame Aufgabe sein. Ich freue mich, dass Sie das ebenfalls so erkannt haben.

Das Dienstrecht steht dem also entgegen. Wir werden einen Überhang an alten Lehrern haben. In einigen Jahren gehen diese Kollegen dann jedoch geschlossen in Rente. Ob dann genügend Absolventen zur Verfügung stehen, das ist fraglich. In der Zwischenzeit fehlt uns die Kraft der jungen Kollegen an jeder Schule bereits jetzt schmerzhaft. Leider ist es so, dass sich finanzieller Schaden durch überalterte Lehrer und später auch vielleicht fehlende Lehrer nicht berechnen lässt. In den weiteren Verhandlungen der Tarifpartner sollte deshalb nach für beiden Seiten akzeptablen Lösungen für noch weiter reichende Möglichkeiten für einen vorzeitigen Ruhestand gesucht werden. Es ist doch so, in den alten Ländern geht ein Lehrer durchschnittlich mit 57 Jahren in Pension. Das erscheint ja gegenüber anderen Arbeitnehmern irgendwo ungerecht, jedoch zeigt das Leben, dass viele Lehrer mit Ende 50 einfach ausgebrannt sind. Ein ausgepowerter Lehrer nützt uns jedoch nichts. Der Schülerrückgang trifft in den nächsten zwei Jahren die anderen Schularten. Ich selbst bin fest entschlossen, dafür zu kämpfen, dass dann Beendigungskündigungen nicht zur Rede stehen, und das aus zwei Gründen:

1. Die Alterspyramide würde auch hier auf den Kopf gestellt werden.

2. Es sind häufig die engagiertesten Lehrer, die wegfallen würden.

Es ist so, entgegen dem Glauben vieler unserer Kollegen ist es leider eben nicht die Leistung, die entscheidet, sondern es sind allein der rechtliche Kündigungsschutz und soziale Kriterien. Das ist aber geltendes Recht, an das sich das Ministerium derzeit zu halten hat. Das muss geändert werden. Ich bin allerdings für die Lehrerinnen und Lehrer an Regelschulen und Gymnasien sehr optimistisch, denn hier liegen die Dinge anders als bei den Grundschulen. Der Bedarf und die Stellensituation sind in einem günstigeren Verhältnis. Die Schulträger legen derzeit ihre Schulnetze weitestgehend fest. Damit kann und muss das Kultusministerium frühzeitig Maßnahmen treffen, die das allerletzte, aber auch wirklich allerletzte Mittel von Beendigungskündigungen ausschließen müssen. Es darf keine weiteren Beendigungskündigungen geben.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Und der Haushalt? Ein Nachtragshaushalt?)

Herr Döring, haben Sie denn wieder nicht zugehört. Ich habe vorhin schon etwas zum Haushalt gesagt. Ich denke, wir können dem Haushalt mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, gerecht werden. Der Abbau der vorgesehenen 1.700 Stellen nach Haushalt kann und muss auf anderen Wegen erfolgen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Erzählen Sie einmal die Wege. Das ist spannend.)

3. Zukunft durch Bildung heißt auch, jungen Menschen Mut machen, den Beruf des Lehrers zu ergreifen. Es ist

nämlich eine sehr schöne Aufgabe, Kinder zu erziehen, ihnen Bildung zu vermitteln und sie auf das weitere Leben vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU)

Den jungen Leuten da oben sei auch gesagt, es ist ein etwas sicherer Job, möchte ich schon meinen, auch wenn wir gerade anderes hören. Es ist auch nicht der schlecht bezahlteste Job. Wer es versteht, mit jungen Menschen umzugehen, der erntet in diesem Beruf auch viel Dankbarkeit, und das ist aus meiner Sicht ganz wichtig für ein erfülltes Berufsleben und nicht zu unterschätzen.

(Beifall bei der CDU)

4. Die Erziehung muss Schwerpunkt in der Schule bleiben. Wie will ich denn vernünftig unterrichten, wenn es keine Werte gibt wie Fleiß, wie Pünktlichkeit, Benehmen, Achtung, Toleranz, Disziplin.

(Beifall bei der CDU)

Mein Großvater, der berichtet noch heute von einer Mutter, die ihren Sohn in die Schule brachte, damit es der Lehrer wieder mal zur Besinnung bringe. Nun gut, die Zeit von Prügelstrafe ist ja Gott sei Dank vorbei. Aber dort, wo gute Worte nicht mehr weiterhelfen, muss es eben auch Strafe geben. Damit meine ich nicht die ganze Palette von Schulstrafen, sondern ich meine damit vielmehr, dass konsequentes Handeln aller Erziehenden die Grenzen aufzeigen müssen. Ein Sprössling, der schwänzt, der prügelt, der randaliert, der muss eben auch zur Verantwortung gezogen werden, da darf nicht weggeschaut werden, und zwar stehenden Fußes muss er sich verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Und ich sage das hier nicht so daher, sondern ich weiß, dass es hier Defizite gibt, und weil mancher Lehrer inkonsequent wird, wenn er statt bestärkt in seinen Erziehungsmaßnahmen von Eltern und Schulleitern noch angegriffen wird. Man kann nicht einerseits vom Lehrer erwarten, dass er sich über den Schultag hinaus um die Erziehung seiner Eleven sorgt und man ihn dann aber im Ernstfall allein stehen lässt.

(Beifall bei der CDU)

Der Hort in Thüringen spielt bei der Erziehungsarbeit an den Grundschulen eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Er ist eben nicht eine Aufbewahrungs- oder Hausaufgabenerledigungsanstalt, sondern vor allem ein Ort, wo nach dem strengen Schulalltag das soziale Zusammenleben trainiert und wo auch einmal intensiv auf das eine oder andere Kind, welches vielleicht im eigenen Elternhaus ein Defizit an Zuwendung erfährt, eingegangen werden kann. Außerdem, die Situation der berufstätigen Familie bedingt die Ganztagsbetreuung und darüber hinaus ist es aber

auch so, dass viele Inhalte und Projekte, die das Profil einer Schule ausmachen, ohne die Arbeit der Erzieherinnen nicht möglich wären. Deshalb sollten wir auch weiterhin an den Horten festhalten.

(Beifall bei der CDU)

5. Zukunft durch Bildung ist nicht denkbar ohne sich fortschreibende Lerninhalte und Didaktik. Die Berufs- und Lebenspraxis verlangt interdisziplinäres Lernen. Naturwissenschaften sind genauso wichtig wie Gesellschaftswissenschaften oder musische Fächer. Auf die Ausgewogenheit in der Stundentafel kommt es an. Was nützt mir denn das beste mathematische Wissen oder das Beherrschen von drei Fremdsprachen, wenn ich die Wurzel meines Herkommens nicht kenne und auch nicht über die soziale Intelligenz verfüge, mich in der Gruppe zurechtzufinden.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht ist es ja so, dass wir aufgrund dessen, dass zu viel Neues auf uns einströmte, zu viel an Inhalten und Methoden in den Unterricht gepackt haben. Der Schüler muss einen Grundstock an Wissen haben und grundlegende Fertigkeiten müssen beherrscht werden. Die Breite des berufsspezifischen Wissens kann Schule in keiner Weise und niemals abdecken. Die Schüler müssen daher lernen, wie man lernt. Denn nicht alles Wissen kann man nun mal in die Schulbücher packen. Sie müssen aber auch begreifen, wie man das Gelernte an den Mann bringt und es richtig einsetzt. Das kann aber mancher Lehrer noch nicht und deswegen sind wir auf diesem Weg erst am Anfang.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch mal eines sagen. Man kann von Fremdsprachen, über Computer, von fächerübergreifendem Unterricht, bis hin zum Seminarfach sehr, sehr viel von Schule verlangen, aber was Schule braucht, ist zuallererst einmal Ruhe und Kontinuität.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)