Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

(Beifall bei der CDU)

wo immer dieses sinnvoll und möglich erscheint. Da weise ich nur darauf hin, wir hatten im vergangenen Jahr mehrere Veranstaltungen der kommunalen Spitzenverbände. Dort ist, ich glaube, von der Sparkassenversicherung extensiv geworben worden für den Einbau von Brandmeldern. Der eine oder andere Abgeordnete dürfte sich ein solches Modell mit nach Hause genommen haben, das einem dort zur Verfügung gestellt wurde. Interessant wäre die Abfrage, wer von Ihnen sich denn dieses Modell an die Zimmerdecke gehängt hat und also schon im vorbeugenden Brandschutz wirksam geworden ist. Frau Doht hat es. Sie geht mit gutem Beispiel voran.

Wir werden ja gerade angesichts der jüngsten Brandkatastrophen weitere Anstrengungen unternehmen, die Rauchmelder im Bewusstsein der Bevölkerung stärker zu verankern. Die Initiative der Wohnungswirtschaft geht ja in diese Richtung bei ihrer Veranstaltung Anfang Mai dieses Jahres. Wichtig ist auch, Vorbeugung und Aufklärung zu betreiben, um Brände zu vermeiden. Das gilt ja insbesondere gegenüber Kindern, denn ein nicht geringer Teil der Brände, die dann zu solchen tragischen Opfern führen, wie sie uns vor Augen stehen bei dieser Diskussion, sind ja durch Kinder selbst verursacht. Darum freue ich mich, dass der Thüringer Feuerwehrverband und die Sparkassenversicherung Hessen/Thüringen in diesem Jahr umfangreiche Aktionen zum Thema "Rauchmelder retten Leben" durchführen werden, wie im Übrigen auch das Thüringer Innenministerium. Unter anderem sind Werbeaktionen der Thüringer Feuerwehren vor Ort vorgesehen und für Thüringen wird die bundesweite Feuerwehraktionswoche, die ebenfalls unter diesem Motto

steht "Rauchmelder retten Leben" am 12. Mai dieses Jahres an der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Bad Köstritz eröffnet - ein sowieso merkendes Datum, weil dort die Landesfeuerwehrschule den 10. Jahrestag ihrer Gründung feiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach unserer Auffassung ist dieser Weg, nämlich der Weg des präventiven Brandschutzes durch Aufklärung der Bevölkerung gegenüber einer gesetzlichen und damit den Bürger ja letztlich bevormundenden Regelung zu bevorzugen. Natürlich werden auch wir die weitere Diskussion im Rahmen der Bauministerkonferenz weiter verfolgen und ich kann bei Gelegenheit dem zuständigen Innenausschuss über den Gang der Dinge berichten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Redemeldungen liegen nicht vor, ich kann damit die Aussprache schließen. Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, so kommen wir zur unmittelbaren Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3/1338. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist die Mehrheit. Und die Stimmenthaltungen? Bei einer Mehrheit von Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen ist dieser Antrag abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 5

Sonderprogramm Ost Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/1377 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/1423

Da die Landesregierung den Sofortbericht angekündigt hat und die einreichende Fraktion keine Begründung, bin ich jetzt in der großen Verlegenheit in die Reihen der Landesregierung zu blicken, damit mir signalisiert wird, wer den Sofortbericht hält. Also, ich nahm an, dass das der Ministerpräsident tut, der in einer Minute, in einer Sekunde den Saal betritt. Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie um den Sofortbericht.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gelegentlich wird man durch die Schnelligkeit der Arbeitsweise des Thüringer Landtags überrascht.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte um Vergebung, dass ich damit nicht gerechnet hatte. Ich möchte mit einem Zitat eines deutschen Philosophen beginnen. Er sagt: "Alle Mängel im menschlichen

Leben sind keine Veranlassung zu weinerlicher Klage, sondern eine Aufgabe." In der Tat wir haben meines Erachtens keinerlei Veranlassung zu weinerlicher Klage. Wir haben keinen Grund zur Larmoyanz, sondern allen Grund zu Optimismus. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung lässt sich alles in allem eine sehr positive Bilanz ziehen. Dank außergewöhnlicher Leistungen und Anstrengungen der Menschen in den jungen Ländern und Dank außergewöhnlicher Unterstützung aus den alten Ländern sind wir auf dem Weg zu vergleichbaren Lebensbedingungen ein gutes Stück vorangekommen.

(Beifall bei der CDU)

Es vollzieht sich für jeden sichtbar ein konsequenter Strukturwandel. Unser Freistaat beispielsweise hat nach der Konjunkturdatenanalyse der IHK Erfurt im IV. Quartal 2000 sehr erfreuliche Wirtschaftsdaten zu verzeichnen. Seit Januar 2000 hat sich die Inlandsnachfrage um 9 Prozent erhöht und die Auslandsaufträge sind sogar um 35 Prozent gestiegen. Bei der Bruttowertschöpfung im arbeitenden Gewerbe lag Thüringen mit einer realen Steigerung um 11,3 Prozent höher als alle anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland. Die IHK Erfurt rechnet im Jahre 2001 mit rund 12.000 neuen Arbeitsplätzen in der Industrie. Gleichwohl, so erfreulich diese Perspektiven auch sind, die Schere zwischen Ost und West, die sich in den Jahren 1994 bis 1996 langsam zu schließen begann, geht seit einigen Jahren wieder auseinander. Die wirtschaftliche Entwicklung in den jungen Ländern bleibt hinter der wirtschaftlichen Entwicklung in den alten Ländern zurück. Dafür drei Beispiele: Das Wirtschaftswachstum betrug in den alten Ländern im Jahr 2000 3,4 Prozent, in den jungen Ländern 1,3 Prozent. Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr - also für 2001 ein reales Wachstum von durchschnittlich 2,75 Prozent, einen Durchschnitt, den wir in den jungen Ländern allen Fachgutachten zufolge auch nicht annähernd erreichen werden, zumal nach jüngsten Prognosen, wie Sie alle wissen, die Wachstumszahlen weiter nach unten korrigiert werden müssen. Und Drittens und vor allem ist die unterschiedliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Ost und West beunruhigend. Die Arbeitslosigkeit betrug im Februar in der gesamten Bundesrepublik 10,1 Prozent. Im Westen betrug sie 8 Prozent, im Osten 18,9 Prozent. Diese drei Zahlen sagen im Grunde alles aus. Und es kommt hinzu, dass seit dem Februar 2000 die Arbeitslosigkeit im Westen um 6,2 Prozent abgenommen hat und die Arbeitslosigkeit im Osten zugenommen hat. Dieser Trend ist gefährlich und dieser Trend darf sich nicht fortsetzen; dieser Trend muss gestoppt werden. Deswegen muss es vorrangiges Ziel bleiben, durch eine Verbesserung der Infrastruktur die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und die bedrohliche Abwanderung vor allem von Fachkräften und von jungen Leuten zu stoppen. Wenn wir eine Angleichung der Lebensverhältnisse erreichen wollen, müssen wir schneller wachsen als der Westen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, warum ich ein Sonderprogramm Ost vorgeschlagen habe - ein Programm, das für die Jahre 2001 bis 2004 ein Volumen von insgesamt 40 Mrd. DM umfasst, also 10 Mrd. DM pro Jahr, und das gezielt im infrastrukturellen Bereich ansetzt - nicht im investiven Bereich, im infrastrukturellen Bereich. Wegen dieser Zielsetzung ist es ein Programm, das logischerweise vom Bund finanziert werden muss, denn er ist der Träger der gesamtstaatlichen Verantwortung zur Beseitigung der teilungsbedingten Schäden und nicht die Geschädigten dürfen die Last dazu tragen, sondern die Gesamtgemeinschaft der Deutschen.

(Beifall bei der CDU)

Es geht vor allem darum, Maßnahmen zu verwirklichen, deren Planungen bereits abgeschlossen sind. Es nützt uns gar nichts, neue Ideen in die Welt zu setzen und die drei Jahre zu planen und dann im vierten Jahr vielleicht damit zu beginnen, sondern Maßnahmen, die sofort begonnen werden können. Zusätzliche und schnell wirksame Impulse zur Verbesserung der Standortqualität Ost ist erforderlich. Und wir brauchen dieses Sonderprogramm jetzt für die letzten vier Jahre des Solidarpakts I, nämlich für 2001, 2002, 2003 und 2004. Alle Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich ab 2004 und für den Solidarpakt ab 2005 sind davon nicht betroffen, die gehen selbstverständlich weiter, und zwar so, wie sie konzipiert und wie sie in der Gemeinschaft der Länder und insbesondere der ostdeutschen Länder angelegt sind. Wir fordern den Bundeskanzler und die Bundesregierung auf, jetzt etwas zu tun, weil jetzt die Schere auseinander geht, zumal der Bundeskanzler den Aufbau Ost ausdrücklich zu seiner Sache und ausdrücklich zur Chefsache gemacht hat.

Ich habe, meine Damen und Herren, fünf konkrete Projekte benannt, alle mit dem Ziel, die Infrastruktur in den jungen Ländern zügig zu verbessern.

Das erste Projekt, Investition in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur: Hierfür haben wir im Programm insgesamt 18 Mrd. DM, das heißt 4 mal 4,5 Mrd. DM, vorgesehen. Das ist erforderlich, um den beschleunigten Ausbau der Schienenverbindungen, der Autobahnen und der Bundesstraßen einschließlich der notwendigen Ortsumgehungen zu realisieren und insbesondere, um die begonnenen Verkehrsprojekte Deutsche Einheit schnell voranbringen zu können. Das ist das erste Projekt.

Das zweite Projekt, die Schaffung einer Infrastrukturpauschale, nicht einer Investitionspauschale, einer Infrastrukturpauschale zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur in Höhe von 8 Mrd. DM, das heißt 4 mal 2 Mrd. DM. Wir wollen damit Investitionen in die kommunale Infrastruktur ermöglichen, beispielsweise nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Die Kommunen sollen in die

Lage versetzt werden, die Cofinanzierung zu sichern. Wie wichtig das ist, zeigt das Beispiel des kommunalen Straßenbaus. Viele Gemeinden sind eben nicht in der Lage, den 75-prozentigen Investitionszuschuss in Anspruch zu nehmen, weil sie die restlichen 25 Prozent nicht bereitstellen können.

Das dritte Projekt soll ein Pilotprojekt zum Abbau regional spezifischer Defizite in Höhe von 8 Mrd. DM sein, 4 mal 2 Mrd. DM. Es soll zur Beseitigung besonders gravierender regionaler Missstände dienen, z.B. für Städtebauförderprojekte und Vorhaben der wirtschaftsnahen Infrastruktur und der Technologieeinrichtung. Für Thüringen nenne ich als Beispiel den Raum Artern und den Raum Altenburg, füge allerdings immer hinzu: Was wir als besonders benachteiligt bewerten, ist in dem an Artern angrenzenden Land die Regel. Die Arbeitslosigkeit von Artern ist für Thüringen extrem hoch, für Sachsen-Anhalt ist sie der Durchschnitt. Ähnliches gilt für die Tatsache, dass im Raum Altenburg sächsische Arbeitslosenverhältnisse herrschen und leider keine, wie wir sie im Schnitt in Thüringen haben.

Das vierte Projekt ist die Bildung von Innovations- und Kompetenzzentren und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Hierfür sind 4,6 Mrd. DM von uns vorgeschlagen, das heißt 4 mal 1,15 Mrd. DM. Damit soll der Nachteil beseitigt werden, dass wir kaum Großunternehmen und schon gar nicht deren Forschungsabteilungen in den jungen Ländern besitzen und dass deswegen Nachwuchs in den jungen Ländern nachhaltig auf andere Weise eben durch die Bildung dieser Innovations- und Kompetenzzentren gefördert werden soll.

Und das fünfte Projekt dient einer Verbesserung der Laborausstattungen allgemein bildender und berufsbildender Schulen. Dafür haben wir 1,4 Mrd. DM geplant, 4 mal 360 Mio. DM. Ziel ist, das Ausstattungsniveau der Schulen in den jungen Ländern dem Ausstattungsniveau der westdeutschen Schulen anzugleichen. Es sollen junge Menschen bereits während der Schulausbildung für technische und naturwissenschaftliche Fächer interessiert werden, um dadurch langfristig dem Mangel in technischen Berufen entgegenzuwirken.

Das sind die fünf Projekte mit einem Gesamtvolumen von 40 Mrd. DM. Weil wir keine Rückkehr zur Finanzpolitik von Oskar Lafontaine wollen, haben wir es nicht bei der Benennung dieser Projekte belassen, sondern präzise und konkret Vorschläge für die Finanzierung des Programms gemacht, Vorschläge, die in Bund und Ländern nicht zu einer Erhöhung der Neuverschuldung führen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, es ist die Absicht des Bundes, in wenigen Jahren überhaupt keine neuen Schulden mehr zu machen. Mit aller Anstrengung haben wir in Thüringen nur das Ziel, die Neuverschuldung zu senken. Davon, dass wir erreichen, was der Bund und viele Länder erreichen wollen, keine Neuverschuldung

mehr zu machen, sind wir, wie jeder weiß, aus zwingenden Gründen weit entfernt. Wir sind überzeugt, für die Länder und für den Bund ist der Konsolidierungskurs richtig. Vorschläge, die diesen Kurs stören, sind nicht in unserem Interesse. Hier bin ich mit dem Bundesfinanzminister Hans Eichel völlig einig. Deswegen haben wir sechs Finanzierungsvorschläge, die dieser Notwendigkeit Rechnung tragen, gemacht, um diese 40 Mrd. DM gegenzufinanzieren.

Ich will diese sechs Vorschläge nennen: Die Deutsche Bundesbank hat im Jahr 2000 völlig überraschend Gewinne in Höhe von 16 Mrd. DM erwirtschaftet; mit 7 Mrd. DM war gerechnet worden. Diese sollen wie vorgesehen verwendet werden, aber die überschießenden 9 Mrd. DM sollen nicht zur vorfristigen Tilgung des Erblastentilgungsfonds, sondern zur Finanzierung des von mir vorgeschlagenen Sonderprogramms Ost dienen. Damit bleibt der Erblastentilgungsfonds in der vorgesehenen Tilgungsform, aber die zusätzlichen Mittel sollen zur Finanzierung unseres Sonderprogramms Ost dienen.

2. Im Bundeshaushalt 2001 ist ein zusätzlicher Bundeszuschuss von 1,2 Mrd. DM für die Bundesanstalt für Arbeit vorgesehen. Da die Arbeitslosigkeit im Westen gesunken ist, wird dieser Zuschuss dafür nicht verwendet werden müssen. Ich folge einem Vorschlag von Frau Engelen-Kefer und schlage vor, diese 1,2 Mrd. DM mit zur Finanzierung des Sonderprogramms Ost zu verwenden.

3. Die Bundesregierung hat vor, die Deutsche Ausgleichsbank zu veräußern. Experten gehen von einem Erlös zwischen 2,7 und 4,1 Mrd. DM aus. Diese Erlöse sind im Bundeshaushalt nicht eingestellt. Wir haben aus den beiden Zahlen einen Zwischenwert von 3,5 Mrd. DM gebildet und ihn ebenfalls zur Finanzierung des Sonderprogramms vorgesehen.

4. Inzwischen liegt der Abschluss des Bundeshaushalts 2000 vor. Dieser Abschluss und beabsichtigte Änderungen im Kreditmanagement ergeben bei den Zinsausgaben für die Jahre 2001 bis 2004 Einsparungen von jährlich 2 Mrd. DM, insgesamt also 8 Mrd. DM.

5. In den noch nicht vorliegenden Bundeshaushalten für 2002, 2003 und 2004 muss es nach unserer Meinung möglich sein - das Volumen beträgt, wie Sie wissen, 450 Mrd. DM -, durch Umschichtungen jeweils einen Betrag von 2 Mrd. DM für das Programm einzusparen und aus Privatisierungserlösen insgesamt im Zeitraum 8,3 Mrd. DM zu erschließen.

6. Die Zinsersparnisse durch den Verkauf der UMTSLizenzen sind zwar für die kommenden beiden Jahre festgelegt, aber für das Jahr 2004 noch nicht. Wir schlagen vor, diese 4 Mrd. DM im Jahr 2004 ebenfalls diesem Sonderprogramm zuzuordnen.

Meine Damen und Herren, das Sonderprogramm ist ein konkreter Vorschlag, wie wir die insgesamt positive Entwicklung in den jungen Ländern stärken und vertiefen können. Natürlich bedarf der Vorschlag der weiteren Konkretisierung. Ich habe immer wieder gesagt und wiederhole es auch hier vor Ihnen: Er kann ergänzt, er kann korrigiert werden - mir liegt an einer einheitlichen Meinungsbildung. Wir werden in der übernächsten Woche im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz Ost darüber sprechen. Ich lasse mich davon leiten, wenn etwas geschehen soll, muss ein Vorschlag gemacht werden,

(Beifall bei der CDU)

den man diskutieren kann, ein Vorschlag, den man auch verändern kann, aber an dem man diskutieren kann. Nur eines ist sicher, wir müssen schnell handeln und wir sind uns einig, dass der Ausbau der Infrastruktur eine entscheidende Rolle spielt.

Der Bundestagspräsident, Herr Thierse, hat mit seiner These - die These ist das eine, er hat eine viel längere Ausarbeitung vorgelegt, aber die Diskussion beherrscht diese These -, der Osten stehe sozial und wirtschaftlich auf der Kippe, nicht Recht. Ich widerspreche Herrn Thierse aus voller Überzeugung, weil diese These sachlich nicht stimmt, weil sie nicht zwischen den einzelnen Regionen differenziert und weil sie der Aufbauleistung der Menschen im Osten in den letzten 10 Jahren nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU)

Vor allem aber wehre ich mich gegen diese Thierse'sche These, weil sie im Westen den falschen Eindruck erweckt, der Osten sei ein Fass ohne Boden und man könne hineinschütten was man wolle, es bleibe ja doch nichts davon über. Auch dem Unterstützerbrief, den 54 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - von Egon Bahr bis Günter Grass - unterzeichnet haben, vermag ich nicht zu folgen, weil die Damen und Herren die falschen Schlussfolgerungen ziehen und einen falschen Weg weisen. Günter Grass ist bestimmt ein bedeutender Dichter, den Friedenspreis hat er aber nicht für seine ökonomischen Kenntnisse bekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Nun haben viele in den letzten Monaten zu Recht beklagt, dass zu wenig geschehe und sie haben zum Handeln aufgefordert, beispielsweise die Konferenz der SPD-Fraktionsvorsitzenden der ostdeutschen Länder, beispielsweise der DGB-Chef Dieter Schulte, der den Ausbau der Infrastruktur in Ostdeutschland mit Sonderinvestitionen von 1 Mrd. Mark pro Jahr unterstützt sehen möchte, beispielsweise der IG-Metall-Chef Zwickel, der unterstreicht, dass der Aufbau Ost bei der Bundesregierung einen zu geringen Stellenwert einnehme. Und auch meine Kollegen rundum - der sachsen-anhaltinische Kollege betonte, es müsse etwas für den Osten geschehen und

wörtlich: "Man müsse die nötigen Mittel jetzt schnell einsetzen." Der Brandenburger Kollege: "Wir müssen mehr tun mit Blick auf ältere Langzeitarbeitslose, bei der Infrastruktur." Und der Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern: "Wir brauchen weitere Infrastrukturinvestitionen." Und sein Arbeitsminister betont: "Wenn jetzt die Weichen nicht anders gestellt werden, dann droht ein Abriss." Und immer noch der mecklenburg-vorpommernsche Arbeitsminister: "Die Chefsache 'Aufbau Ost' kann ich bei Kanzler Schröder nicht erkennen." Der Thüringer Bundestagskollege Edelbert Richter hat den Bundeskanzler davor gewarnt, die Fortsetzung des Aufbaus Ost nur als gedämpfte Chefsache zu betreiben und er schreibt: "Es muss vor den Wahlen noch zu einer Sonderanstrengung kommen," - dem stimme ich zu. Er fährt fort: "sonst wird der SPD im Osten bei der Wahl die Rechnung präsentiert werden." Meine Damen und Herren, selbst wenn Herr Richter Recht hat, bin ich trotzdem für das Sonderprogramm.

(Beifall bei der CDU)

Die insgesamt positiven Reaktionen auf meinen Vorschlag über alle Parteigrenzen hinweg und aus allen gesellschaftlichen Gruppen geben uns Recht. Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts in Halle, Herr Pohl, hat den Vorschlag ausdrücklich begrüßt und erst gestern haben sie den besorgten offenen Brief des Erfurter Bischofs an die Landesregierung und alle Bundes- und Landtagsabgeordneten bekommen, in dem er begrüßt und unterstützt, "alle politischen Bemühungen, beispielsweise den Vorschlag der Thüringer Landesregierung für ein Sonderprogramm Ost".

Auch aus dem Nachbarland Sachsen, damit ich nicht einen Kollegen unerwähnt lasse, erhalten wir Zustimmung für unseren Vorschlag. Sogar die Frau Bundesvorsitzende der PDS hat gesagt, die Forderungen Vogels basieren auf der realen Einschätzung der Verhältnisse. Ich schmücke mich sonst nicht mit positiven Aussagen der PDS, aber wenn sie stimmt, kann man sie ja auch erwähnen.

Meine Damen und Herren, niemand bestreitet die Feststellung, dass die Schere zwischen Ost und West bei der wirtschaftlichen Entwicklung auseinander geht. Und so gut wie niemand bestreitet, dass die Bundesregierung jetzt etwas dagegen tun muss. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Angelegenheiten der neuen Länder hat mir geantwortet und hat der Feststellung, dass die Schere auseinander geht, nicht widersprochen. Er signalisiert ausdrücklich Handlungsbedarf. In wichtigen Punkten, nicht in allen, stimmt Schwanitz mit mir überein. Er widerspricht wie ich der Behauptung Thierses, der Osten stehe auf der Kippe, genauso deutlich wie ich. Ich möchte eine wichtige Passage aus seinem Brief, mit Erlaubnis der Frau Präsidentin, zitieren. Er schreibt: "Ich begrüße es, dass in der Zielrichtung der von der Bundesregierung eingeschlagenen Politik und Ihren", das bin ich, "Vorschlägen im Grundsatz Übereinstimmung besteht. In gleicher Weise begrüße ich den Konsens, dass unsere Bemü

hungen den gesamtwirtschaftlichen Erfolg der Haushaltskonsolidierung nicht gefährden dürfen. Sie verbindet" - die Bundesregierung - "ihre Vorschläge mit der ausdrücklichen Feststellung, dass dadurch Sparbemühungen von Bund und Ländern nicht korrigiert werden dürfen." Und ein bisschen weiter unten: "Ein Abweichen vom eingeschlagenen Konsolidierungskurs kommt", und insoweit bin ich wieder bei der gemeinsamen Ausgangsposition, "weder für die Bundesregierung noch für die Thüringer Staatsregierung in Frage." Dies schreibt Herr Schwanitz und ich kann ihm nur völlig zustimmen, ein Abweichen kommt weder für die Bundesregierung noch für die Thüringer Landesregierung in Frage. Das stimmt für Berlin und das stimmt für Erfurt und, meine Damen und Herren, das stimmt auch, wenn ich deswegen sage, eine Aufnahme weiterer Schulden im Landeshaushalt von Thüringen kommt für uns bei der Verwirklichung dieses Programms nicht in Frage.

(Beifall bei der CDU)

Schwanitz greift meine Formulierung von der einheitlichen Meinungsbildung auf und ich sage ausdrücklich, mir ist an dieser einheitlichen Meinungsbildung gelegen und deswegen geht die Diskussion weiter.