Protokoll der Sitzung vom 16.03.2001

Herr Minister Gnauck, gestatten Sie eine Anfrage.

Am Ende, Frau Präsidentin.

Es gibt im Übrigen auch keinen Automatismus zwischen guter Verkehrsinfrastruktur und Wirtschaftsentwicklung. Das würden wir uns manchmal wünschen, dann würden unsere Standortvorteile noch viel größer sein. In den nächsten Jahren wird es deshalb vornehmliche Aufgabe der Landesplanung sein, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Standortvorteile, die durch neue Verkehrswege entstehen, auch voll wirksam werden können.

Zum ländlichen Raum und den genannten Zahlen kann ich nur eines sagen: Ich warne dringend davor, hier Horrorszenarien an die Wand zu malen. Auch insofern kann man sich darum bemühen, einen Standort niederzureden, was wir zumindest in diesem Hause nicht tun werden. Ich hatte Sie und das hohe Haus bereits darauf hingewiesen: Noch vor der Sommerpause wird die Landesregierung eine Novellierung des Thüringer Landesplanungsgesetzes vorlegen. In dieser Novellierung werden Sie neben der notwendigen Anpassung an das geänderte Rahmenrecht des Bundes auch die Basis für moderne und effektive Raumordnungspläne finden. Die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms hingegen, dies stammt aus dem Jahre 1993, wird zügig, aber ein Stück weit danach erfolgen. Sie können davon ausgehen, dass wir die Zukunft der ländlichen Räume mit den Instrumentarien der Raumordnung sichern werden. Ein Schwerpunkt wird dabei gerade die Stärkung der kleinen Zentren im ländlichen Raum in ihrer Versorgungsfunktion und in ihrer Siedlungsentwicklung sein. Aber wie sehr sich Theorie und Praxis unterscheiden, hat ja der Abgeordnete Wunderlich sehr anschaulich beschrieben. Auf der einen Seite wird häufig dem kleinen Dorfladen das Wort geredet und vor Ort wird dann in die großen Supermärkte auf der grünen Wiese gefahren, weil es dort eben günstiger ist. Das ist ein Stück weit der

Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Für die neue Generation der regionalen Raumordnungspläne wird dies bedeuten, langfristig eine Siedlungsstruktur zu sichern, die Arbeitsplatz- und Versorgungsangebote in angemessener Nähe zu den Wohnorten aufweist, und ich hoffe sehr, dass die Bevölkerung dies auch annimmt. Dann klang noch in einigen Beiträgen, sowohl von Ihnen, Herr Dr. Botz, wie auch von Herrn Kummer, die Problematik Städteverbund/Städtedreieck an. Das Beispiel Städteverbund hatten wir in diesem hohen Hause schon einmal erörtert. Die Landesregierung, Kollege Köckert und ich, warten auf konkrete Projekte aus Südthüringen für den Städteverbund - die Betonung liegt aber auf: konkreten Projekten - und dann wird man alle Unterstützung von der Landesregierung bekommen. Es geht eben bei der Frage Städteverbund nicht darum, bloß ein Etikett und eine Überschrift oder eine Bezeichnung zu verleihen, sondern man muss die Zusammenarbeit tatsächlich auch leben. Und da, Herr Botz, ist ein hervorragendes Beispiel des Städtedreieck am Saalebogen zwischen Blankenburg, Rudolstadt und Saalfeld, wo man in weiten Teilen dies schon vorlebt, und es wirkt sich natürlich dann automatisch auch bei positiven Förderentscheidungen des Landes aus. Verschiedene Dinge wären nicht dort oder nicht so schnell gebaut worden, wenn nicht die drei Kommunen sich dafür entschieden hätten zusammenzuarbeiten. Vielleicht können Sie ja mal dem Abgeordneten Kummer einen Ortstermin verschaffen, dann weiß er, was man in Südthüringen noch machen müsste.

Stichwort Europa: Es ist richtig und Thüringen tritt nachhaltig dafür ein, dass sehr schnell die EU-Osterweiterung kommt. Ich denke, dass wir dies gerade Polen und Ungarn gegenüber schuldig sind. Dass das automatisch Einfluss darauf haben wird, ob die neuen Länder auch nach 2006 noch Ziel-I-Gebiet sind, liegt auf der Hand. Sie liegen aber offensichtlich mit Ihren Parteifreunden, Herr Abgeordneter Dr. Botz, mit Herrn Kommissar Verheugen, etwas auseinander, was die Frage Ziel-I-Gebiet nach 2006 anbetrifft. Er geht bei den verschiedenen Szenarien noch davon aus, dass es durchaus denkbar wäre, dass man auch nach 2006 noch Ziel-I-Gebiet sein könnte mit Blick auf den 75-prozentigen BIP-Durchschnitt in Europa. Sie haben eben etwas schwarz gemalt in dem Zusammenhang, das will ich doch noch einmal darstellen. Die Kontakte brauchen Sie uns auf europäischer Ebene nicht herzustellen. Ich weiß nicht, ob die SPD-Landtagsfraktion schon einmal in Europa oder Brüssel war, aber die geschlossene CDU-Landtagsfraktion war das im letzten Jahr und hat mit beiden deutschen Kommissaren, sowohl mit Herrn Verheugen als auch mit Frau Schreier, und auch mit dem zuständigen Generaldirektor Wettbewerb gesprochen. Sie sehen also, wir sind bestens im Gespräch und ich kann die ja schön grüßen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden anhand des zweiten Kohäsionsberichts auswerten, welcher Weg möglich erscheint. Dass die Lan

desregierung für eine maximale Ziel-I-Förderung, zumindest aber nicht für ein schieres Abreißen sofort nach 2006 eintritt, brauche ich nicht besonders zu betonen.

Stichwort Arbeit im Ausschuss der Regionen: Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Mitarbeit im Ausschuss der Regionen vom früheren Thüringer Vertreter, dem Abgeordneten Kretschmer, ich sehe ihn leider auch im Moment nicht, etwas intensiver wahrgenommen worden wäre. Ich gebe zu, wir haben seit 1. Oktober 1999 eine sehr viel offensivere Europapolitik gemacht und es ist uns gut bekommen. Mittlerweile weiß man, wie man über Europa in Thüringen denkt. Da brauchen Sie keine Angst zu haben, dass das schlechter wird. Das wird noch viel besser in den nächsten Jahren.

Stichwort Solidarpakt II: Auch da können Sie sicher sein, dass die Landesregierung diesmal in Funktion des Chefs der Staatskanzlei ein Auge darauf hält, dass wir einen anständigen Solidarpakt II bekommen. Die Bundesregierung hat aber auch an dieser Stelle, Herr Abgeordneter Dr. Botz, etwas Nachhilfe gebraucht.

(Beifall bei der CDU)

Hatte der Kanzler ursprünglich noch versprochen, dass man einen mindestens 10-jährigen Solidarpakt II mittragen würde und dass selbstverständlich eine Anschlussregelung kommen müsste, fand sich genau dieser Umstand nicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung über das Maßstäbegesetz wieder, sondern man wollte es nach einer einmaligen Verlängerung ersatzlos abreißen lassen. Und nur, weil dies seitens der Landesregierung reklamiert worden ist, ist zwischen dem 1. und 2. Kabinettsdurchgang auf Bundesebene der Begriff "letztmalig" gestrichen worden. Sie sehen, wir brauchen auch da keine Unterstützung; wir können selber lesen und wir treten nachhaltig für Thüringer Interessen ein.

(Beifall bei der CDU)

Zusammenfassend: Wir sind auf gutem Wege, auch wenn das die Fragesteller vielleicht nicht wahrhaben wollen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie hatten erstens zugesichert, der Frau Abgeordneten Dr. Klaus eine Frage zu beantworten, und Herr Abgeordneter Kummer hat das vorhin schon einmal signalisiert. Gestatten Sie die Anfrage auch?

Selbstverständlich.

Dann Frau Abgeordnete Dr. Klaus und dann Herr Abgeordneter Kummer.

Herr Gnauck, es ist ja nur eine Kleinigkeit, aber weil Sie darauf herumreiten, möchte ich das ganz genau wissen mit den Schildern im Nationalpark, dass das naturgemäß an der Autobahn nicht die von Ihnen erwähnten großen Holzschilder sein können, ist ja wohl, glaube ich, klar. Ich frage Sie noch einmal: Seit wann stehen diese entsprechenden Hinweisschilder - ich hatte das verglichen mit der Landesgartenschau - an der Thüringer Autobahn A 4? Ich weise Sie auch darauf hin, dass ich das in den nächsten Tagen nachsehen werde.

Sie können, Frau Dr. Klaus, gerne noch einmal nachlesen, was wir beide im Protokoll gesagt haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Ausschilderung des Nationalparks Hainich da ist, dass große Holzschilder auf diesen Nationalpark hinweisen, und dies bereits seit einigen Wochen. Die lokale Presse feiert dies auch immer mit schönen Bildern in den Lokalteilen, die Sie wahrscheinlich nicht lesen. Dass man von einer Autobahnbeschilderung in diesem Zusammenhang spricht; mir ist nicht bekannt, dass es flächendeckend in Deutschland eine Autobahnbeschilderung gäbe, in der auf Nationalparke hingewiesen würde.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaus, SPD: Da fah- ren sie mal in den Bayerischen Wald.)

Wollen Sie damit tatsächlich behaupten, dass auf die anderen 12 Nationalparke durch Autobahnschilder hingewiesen wird?

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaus, SPD: Wenn Sie an der Autobahn liegen, selbstverständ- lich.)

Das können Sie nicht mit Anstand behaupten. Und selbstverständlich wird man dann im Rahmen der weiteren Entwicklung der Infrastruktur auch zusätzliche Beschilderungen an den Straßen, nicht an den Bundesautobahnen, vornehmen. Das liegt doch auf der Hand. Aber erst einmal fängt man mit den großen Schildern vor Ort an.

Herr Abgeordneter Kummer.

Herr Minister Gnauck, erst einmal möchte ich sagen, dass ich mich freue, dass Sie noch das Wort ergriffen haben. Nun zu meiner Frage. Sie haben vorhin gesagt, ich

(Unruhe bei der SPD)

hätte vergessen, auf den ICE hinzuweisen. Ich habe mich natürlich an unserer Großen Anfrage ein bisschen festgehalten und hatte dabei vermutet, dass der ICE nicht im ländlichen Raum halten würde. Können Sie mir etwas anderes dazu sagen oder stimmt es, dass er nur in Erfurt hält?

Herr Abgeordneter Kummer, der ICE soll möglichst durch Thüringen alsbald durchfahren, aber soll zunächst einmal über Erfurt bis Ilmenau weitergebaut werden. Man kann jetzt darüber streiten, ob Erfurt zum ländlichen Raum gehört. Ich hoffe aber, dass der ICE nicht dauerhaft in Ilmenau hält, sondern dass er weiterfährt.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt jetzt zusätzliche Redezeit und für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Dr. Stangner noch zu Wort gemeldet.

Ihr Stöhnen wird mich auch nicht davon abhalten, hier zu reden.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sie haben noch nie mein Stöhnen gehört, das hört sich ganz anders an.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, Herr Minister, ich will nicht zu einer Segmentierung der ländlichen Räume in Thüringen beitragen, wie Sie heute Morgen, denke ich, richtig vermerkt haben, dass man das nicht tun sollte. Ich denke aber, nach den Antworten auf unsere Große Anfrage und auch nach der heute geführten Debatte sind schon aus unserer Sicht noch ein paar Bemerkungen zur Bildung notwendig.

Eine erste Bemerkung: Es ist im Verlaufe der Debatte und auch in der Anfrage die Frage nach der besonderen Bedeutung der Schulen in den ländlichen Räumen klar und eindeutig mit Ja beantwortet worden. Das Ministerium - bzw. das Ministerium hat im Namen der Landesregierung geantwortet - hat das auch im Einzelnen untersetzt und auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Ihre Auf

fassung zur Bedeutung von Schule in besonderer Weise, ich zitiere das, "in besonderer Weise für die ländlichen Räume" gilt. Wenn ich mich an die Definition erinnere, die heute schon mehrfach im Gespräch war, dann gilt das eigentlich für fast ganz Thüringen. Ich will es ausdrücklich sagen, ich kann dieser Auffassung zur Bedeutung von Schule, die im Papier geäußert worden ist, ausdrücklich nur zustimmen. Leider, und das ist dann mein Problem, hebelt die Landesregierung die von ihr formulierte Bedeutung anschließend aus, denn die Schulträger haben ja die Verantwortung für die Schulentwicklungsplanung. Das wissen wir zwar alle, aber in den Antworten betont das das Ministerium immer wieder, es zieht sich quasi wie ein roter Faden durch die gesamte Anfrage. Nun werden aber den Schulträgern die Rahmenbedingungen für ihr Handeln im Hinblick auf die Schulentwicklungsplanung vorgegeben. Diese Rahmenbedingungen, sie betreffen personelle, finanzielle, verwaltungsrechtliche und organisatorische Bedingungen, werden durch die Landesregierung bzw. das Parlament mit den entsprechenden Mehrheiten gesetzt. Und da, Herr Minister Sklenar, Sie haben heute Morgen auf Gefahren für die Entwicklung der ländlichen Räume aus der Richtung des Bundes verwiesen, aber hier an dieser Stelle, Herr Minister, gibt es Gefahren für die ländlichen Räume Thüringens aus dem Land.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich verkenne den Geburtenrückgang keineswegs und ich will ihn auch an dieser Stelle ausdrücklich nicht ausblenden. Schule macht dort keinen Sinn, wo es keine Kinder gibt oder nur sehr wenig Kinder da sind, um schulische Angebote in Qualität unterbreiten zu können. Da, Herr Emde, möchte ich ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Sie vorhin zur Qualität von Schule gesagt haben. Qualität von Schule hängt nicht in erster Linie von der Anzahl der Kinder ab, die in die Schule gehen. Da sollten sie sich bei den Wissenschaftlern kundig machen, die sich mit dem Thema der Qualität von Schule in den letzten Jahren ausreichend beschäftigt haben und - das finde ich erfreulich - deren Erkenntnisse auch in die Lehrplanimplementation gegenwärtig einfließen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Unruhe im Hause)

Frau Abgeordnete Stangner, einen kleinen Moment mal bitte. Ich denke, dass man der Fortberatung dieser Anfrage die nötige Aufmerksamkeit entgegenbringen sollte. Aber hier ist ein Lärmpegel im Raum, dass es wahrscheinlich nicht einmal mehr in den hinteren Bänken verstanden werden kann, was gesagt wird.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Das stimmt.)

Sie tun aber Ihres dazu. Ich glaube, es könnte fortgefahren werden.

Qualität von Schule hat etwas mit Prozessergebnissen, hat etwas mit Prozessverläufen in der Schule zu tun, hat natürlich auch etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun. Herr Emde, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie darauf abstellen wollen, dass aufgrund der Schülerzahlen z.B. in den Regelschulen auch Abschlussklassen gebildet werden müssen, dass es dann keinen Sinn macht, wenn man das nicht tun kann. Aber den Begriff von Qualität in der verkürzten Art und Weise, wie Sie das vorhin getan haben, zu verwenden, halte ich schon für nicht in Ordnung. Dem muss widersprochen werden.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Also: Nicht jede Schule in den ländlichen Räumen wird in den nächsten Jahren aufgrund der Geburtenentwicklung zu halten sein. Aber dort, wo es ausreichend Kinder gibt und wo auch ausreichend Kinder sein werden, muss Schule erhalten bleiben. Herr Minister, Sie haben sogar heute Morgen davon gesprochen, dass Bildung auch ausgebaut werden muss in den ländlichen Räumen. Da will ich Sie aus meiner Sicht gern unterstützen, wenn wir auch Schule darunter fassen können. Es ist aus dem ganz schlichten Grund einfach notwendig, damit wir die Menschen dort halten, wo wir sie brauchen. Also dürfen sich Rahmenbedingungen nicht als beherrschende Fesseln erweisen. Darauf komme ich später noch einmal zurück.

In den Antworten auf die Anfrage wird von demografischen Wellenbewegungen gesprochen. Ich gehe davon aus, dass damit auch die Geburtenentwicklungen gemeint sind, weil die Schüler ausdrücklich aufgeführt werden. Es wird festgestellt, dass diesen Wellenbewegungen durch entsprechende Planung Rechnung getragen wird. Das ist aber in den Antworten zum Teil Bildung nicht erkennbar, obwohl es die Fragen möglich gemacht hätten, darauf eine Antwort zu geben. Ebenso wenig ist es erkennbar in der Regierungserklärung "Zukunft durch Bildung - Bildung der Zukunft", auf die hingewiesen wird. Das ist etwas, was ich eindeutig in den Antworten vermisse. Denn in der Regierungserklärung, das will ich auch noch einmal sagen, wird zwar auf diese Wellenbewegungen abgestellt, wenn man es weiter fasst, aber dort geht es lediglich um die Entlassung von 637 Erziehern und Lehrern,