Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

Damen und Herren, wo leben Sie denn eigentlich? Wir haben ein Netzwerk, das bis in die Landkreise hineingeht, bis in die Kommune vor Ort. Was wollen wir denn mit noch mehr Stellen schaffen, wo wir noch besonderes Personal einsetzen wollen? Nehmen wir lieber das Geld und bringen es in die vorhandenen Strukturen mit ein.

(Beifall bei der CDU)

denn wir haben die besten Strukturen vor Ort. Oder wollen Sie unseren Kommunen vor Ort unterstellen, dass sie sich diesem Thema nicht stellen? Ich kann nur sagen und das sind meine Erfahrungen in dem Bereich, wo ich mit zuständig bin, ich rede jetzt nicht von meinem Dorf, sondern ich rede von dem Saale-Holzland-Kreis: Wir hatten gerade vor zwei Tagen, am Mittwoch, auch eingebracht, wie das so üblich ist, von oben nach unten, von der PDS gesteuert, müssen ja dann die Anträge auch in die Kreistage gebracht werden. Dort war seit vielen, vielen Wochen eine Diskussion, ob man ein zusätzliches Landesprogramm oder in dem Falle Kreisprogramm dazu braucht. Es sind die Dinge im Jugendhilfeausschuss, im entsprechenden Bildungsausschuss, im Rechtssicherheits- und Ordnungsausschuss besprochen worden. Man höre und staune, außer einer Dame der PDS kam nach langer Diskussion und nach Auswertung aller Dinge ein gemeinsamer Entschluss heraus, wo gesagt wurde, es werden die vorhandenen Instrumentarien ausgenutzt. Wir werden die Bundesmittel, die angekündigt sind - hoffentlich sind sie bald da, dass sie mit einfließen können, und wir sind dankbar für diese Bundesmittel, die bereitgestellt werden -, dass diese Bundesmittel auch ankommen und dass man die vorhandenen Programme hierzu weiterhin nutzt. Das war ein fast einstimmiger - eine Dame der PDS hat sich dort aus nicht erkennbaren Gründen ausgeschaltet -, das ist dort so Beschlusslage.

Also, meine Damen und Herren, ich kann nur alle Landkreise, kreisfreien Städte und Kommunen ermuntern, dass man sich wie in Jena oder anderen Städten, ich könnte viele, viele Beispiele nennen, wo man hier wirklich schon intensiv, nicht an der Materie arbeitet, sondern wo man gemeinsam herangeht. Ich glaube, was wollen wir denn immer wieder von oben irgendetwas bestimmen und etwas anordnen, vielleicht noch gewerkschaftlich getragen, vielleicht müssen wir dann noch eine Vertretung schaffen, dass wir am Ende hier mit den vorhandenen Dingen das Geld zielgerichtet einsetzen. Denn über eines sind wir uns einig, wir wollen zielgerichtet gemeinsam diesen Sumpf trockenlegen und wir sind doch auf einem guten Weg. Oder wenn es um die Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt geht, wie in Ihrem Antrag meine Damen und Herren, Sie haben wahrscheinlich noch gar nicht mitgekriegt, dass dankenswerterweise der Weiße Ring in Thüringen eine hervorragende Arbeit leistet und sich für alle Opfer von Gewalttaten, auch die von rechtsextremer Gewalt, mit einsetzt. Ich glaube, auch hier sind die entsprechenden Mittel bereitgestellt und wenn dort noch Bundesmittel hinzukommen, dann muss man ge

gebenenfalls schauen, wenn das nicht ausreichen sollte, ob man da noch Geld mit zusätzlich einsetzen muss. Da denke ich schon, das ist ein Ansatzpunkt, wo man nach Analyse und einer gewissen Zeit hier noch einmal gegebenenfalls nachssteuern muss. Ich denke auch, Sie hatten es vorhin noch einmal mit dem entsprechenden Programm, Herr Dittes, Sie wissen, dass es das XenosProgramm gibt, was mit der Drittelfinanzierung, also Bund, Land und Kommune und CVITAS, wo Sie jetzt noch zusätzlich fordern, dass hier noch Landesmittel eingestellt werden. Ich glaube, man muss auch bei dem Programm CIVITAS - Initiative gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern -, ich will auch noch einmal zur Verdeutlichung zitieren aus der Pressemitteilung der Bundesministerin Bergmann: "Fremdenfeindliche Gewalttaten von Jugendlichen sind kein speziell ostdeutsches Problem, aber in den neuen Bundesländern besonders ausgeprägt. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die DDR war eine geschlossene Gesellschaft mit autoritären Strukturen, die Meinungsvielfalt nicht zuließ. Die Erfahrungen mit fremden Kulturen waren begrenzt." Und, und, und. Ich könnte das weiter fortführen. Das können Sie nachlesen in der entsprechenden Pressemitteilung der Bundesministerin.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD)

Sie kommen doch noch dran, Sie können ruhig ruhig bleiben da hinten, auch wenn Sie in der letzten Reihe sitzen, Herr Kollege Döring. Sie können immer noch vor an das Pult kommen, da können Sie Ihre Meinung kundtun, das ist Ihnen doch unbenommen.

Ich vertrete hier die Meinung der CDU-Fraktion

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die Letzten werden die Ersten sein.)

und wir möchten, dass diese Koordinierungstelle weiter ihre Arbeit fortführt. Wir möchten, dass jetzt nicht in Aktionismus verfallen wird, dass man den Menschen draußen suggeriert, hier wird nichts gemacht. Hier wird zielgerichtet mit dem Gewaltmonopol, was der Staat hier hat, entsprechend dagegen vorgegangen. Ich möchte die Landesregierung weiterhin ermuntern und wir werden das aufmerksam begleiten, dass hier, wenn notwendig, auch nachgesteuert wird. Im Moment kann ich das nicht erkennen. Ich möchte noch einmal ganz klar sagen, dass wir es ablehnen, ganz klar ablehnen, dass wir diesem populistischen, immer wieder aus politischen Gründen geforderten Landesprogramm unsere Zustimmung nicht geben werden.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat sich der Abgeordnete Döring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, "die rote Laterne im Kampf gegen Rechts", so titelte am 29. März diesen Jahres eine Thüringer Tageszeitung; eine Aufzählung von Banalitäten und Belanglosigkeiten, beurteilt ein Rechtsextremismusexperte das, was das Innenministerium an Thüringer Maßnahmen gegen Rechts zusammengetragen und dann an die Verwaltungshochschule in Speyer weitergegeben hat. Thüringen sieht in der bundesweit verbreiteten Broschüre im Vergleich zu dem, was die anderen Bundesländer auf die Beine gestellt haben, ganz alt aus.

Am 30. März, also einen Tag später, in einer anderen Thüringer Tageszeitung, folgende Überschrift: "Rechte Gewalt landesweit auf dem Vormarsch". Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ist in Thüringen dramatisch angestiegen; allein bei den rechten Gewaltstraftaten wurden im vergangenen Jahr 161 registriert, das waren 90 mehr als 1999. Ingesamt wurden im vergangenen Jahr 1.846 rechtsextremistische Straftaten registriert, fast 66 Prozent mehr als noch 1999.

Was, meine Damen und Herren, von der CDU, muss denn eigentlich noch passieren, damit Sie endlich Ihre Blockadehaltung aufgeben? Gern wäre ich bereit, mich mit der Substanz Ihrer ablehnenden Haltung auseinander zu setzen. Aber ich habe diese Substanz nirgends erkannt. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht,

(Beifall bei der PDS)

einmal zusammenzutragen, was Sie hier vorgebracht haben. Der Kollege Fiedler spricht von Schnellschüssen und Aktionismus, die Vokabel haben wir auch eben wieder gehört und der Innenminister von einem Sammelsurium von Einzelmaßnahmen. Hier kann ich nur sagen: Wer solche Bewertungen abgibt, der hat unsere Vorschläge nicht einmal gelesen.

(Beifall bei der SPD)

Denn jeder, der unvoreingenommen unsere Herangehensweise verfolgt hat, kommt sehr wohl zur Erkenntnis, dass diese unqualifizierten Bewertungen von CDU und Landesregierung ins Leere laufen. Vielleicht, meine Damen und Herren von der CDU, darf ich Ihrem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen. Gerade weil wir Aktionismus, Diskontinuität, aber auch Verharmlosung überwinden wollten, haben wir, und Sie wissen das genau, schon im letzten Jahr eine Anhörung im Thüringer Landtag beantragt. Wir legen Ihnen nun nach einer intensiven Auswertung und einer fundierten Analyse - und die hat ihre Zeit gebraucht -, zu der wir auch externe Fachkompetenz mit einbezogen haben, hier unsere Vorschläge vor.

Meine Damen und Herren, die Anhörung hat eindeutig bestätigt, mit einem Ansatz, der fremdenfeindliche Ein

stellungen als Problem erst dann wahrnimmt, wenn die Grenze zur Gewalt bzw. zur Straftat überschritten wird, können wir die Probleme allein nicht lösen. Herr Fiedler hat auch darauf hingewiesen, d.h., die rechtsextreme Gewalt ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs und die Gefahr lauert unter der Oberfläche, d.h., sie besteht in der großen Zustimmung zu rechtsextremen und fremdenfeindlichen Einstellungsmustern. Das heißt, die Zurückdrängung solcher Einstellungsstrukturen, die erst ein Klima für rechte Gewalttäter schaffen, erfordert langfristig wirksame Projekte. Dazu benötigen wir, denke ich, einen breiten örtlichen und überörtlichen Rahmen, um diese Querschnittsaufgabe im Land, in den Kreisen, Städten und Kommunen zu verankern. Es muss eine Struktur entwickelt werden, die eine systematische und qualifizierte Vorfeld- und Vernetzungsarbeit gewährleistet.

Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus wurzelt in der Mitte der Gesellschaft und ein Verorten am Rande der Gesellschaft als Problem mit einer kleinen Minderheit und die Reduzierung auf bloße Erscheinungen, als Jugend- oder Gewaltproblem verbietet sich daher, denke ich, von selbst. Ein gesamtgesellschaftliches Problem muss auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden. Es kann nicht auf einen Bereich, eine Perspektive reduziert werden, weder rein sozialpädagogisch noch rein juristisch, durch staatliche Repression oder anderes. Vielmehr verlangt ein so komplexes Problem ein Ineinandergreifen gesellschaftlicher Kräfte. Gerade deshalb steht im Mittelpunkt unseres Handlungskonzepts die Stärkung und Weiterentwicklung der zivilgesellschaftlichen Strukturen. Das heißt, wir müssen im unmittelbaren Alltag, also vor Ort, ansetzen. Als Initialzündung gleichsam in die Gesellschaft symbolisch und auch real schlagen wir deshalb die folgenden Schwerpunkte für ein Landesprogramm vor:

1. die Einrichtung von Zentren für Demokratie, Kultur und Bildung und

2. die Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt.

Ein Zentrum für Demokratie, Kultur und Bildung hat vier Aufgabenbereiche: Analyse in der Region, mobile Beratung vor Ort, Vernetzung und Unterstützung kommunaler und regionaler Initiativen und nicht zuletzt eigene Bildungs- und Workshop-Tätigkeit und auch das Anregen von Kooperationsprojekten. Das heißt, diese Zentren nehmen operative Analysen vor und erarbeiten gemeinsam mit den Akteuren vor Ort Handlungsstrategien für eine Veränderung der Situation.

Ziel dieser Vorgehensweise ist es, mit möglichst vielen Partnern vor Ort ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten und auch regionale Netzwerke zu stärken bzw. zu initiieren. Die Zentren erfüllen vor allem Koordinierungsfunktionen, d.h., sie bieten Organisations- und Projektentwicklung an und transferieren Informationen und Erfahrungen. Sie unterbreiten Bildungsangebote und arbeiten

mit örtlichen Handlungsträgern wie mit Stiftungen und Bildungswerken eng zusammen. Insbesondere Lehrer und Sozialpädagogen werden bei der Strategieentwicklung gegen Rechtsextremismus langfristig unterstützt. In akuten Krisensituationen besteht natürlich die Möglichkeit der direkten Intervention.

Meine Damen und Herren, um flächendeckend arbeiten zu können, sollte es in Thüringen mindestens vier Zentren geben. Eine zentrale Geschäftsstelle fungiert als landesweiter Koordinations- und Informationspunkt. Um die Wirkungsweise dieser Zentren zu ermitteln und Schlussfolgerungen für die perspektivische Ausrichtung anstellen zu können sowie auch Vergleiche zu ermöglichen, muss natürlich eine Evaluation der Zentren erfolgen und außerdem sollte ein interdisziplinärer Fachbeirat das Projekt begleiten. Alle Zentren sollten einen Träger haben, der weitgehend unabhängig von der Verwaltung agieren kann. Wir empfehlen, den in Thüringen gebildeten zivilgesellschaftlichen Netzwerken aus breit bestehenden aktiven Initiativen und Organisationen diese Trägerschaft anzubieten. Der Verein Mobile Beratungsteams Thüringen e.V. ist sicher hier ein guter Ansprechpartner.

Meine Damen und Herren, bei der Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt geht es uns vor allem um die Bildung von Beratungsstellen und die Gründung eines landesweiten Opferfonds. Zielgruppen der Arbeit von Opferberatungsstellen sind einmal die Menschen, die Opfer einer rechtsextremen Gewalttat geworden sind, aber auch ethnische, kulturelle und soziale Minderheiten, die als Gruppen von rechtsextremer Gewalt indirekt betroffen sind, also potenzielle Opfer. Die Situation von Opfern ist ja oft gekennzeichnet von tiefem Misstrauen gegenüber Behörden, von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten und von mangelnder Mobilität. Das heißt, um dieses Klientel zu erreichen, bedarf es eines niedrigschwelligen Angebots und da müssen die Beratungsstellen natürlich in die örtliche soziale Infrastruktur integriert werden und da ist natürlich auch eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Zentren und der Opferarbeit notwendig.

Meine Damen und Herren, unser Antrag ist weder ein Schnellschuss noch hat er etwas mit Aktionismus zu tun. Es geht um eine neue Qualität der vernetzten Arbeit vor allem im präventiven Bereich und im Gegensatz zur Landesregierung hat die Bundesregierung diesen Schwerpunkt erkannt. Ich erinnere nur an das Programm "XENOS - Leben und Arbeiten in Vielfalt", an das Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend "Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten" und nicht zuletzt an ein kürzlich vorgestelltes Programm "Jugend für Toleranz und Demokratie gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus". Ein Programmteil ist hier das CIVITASProgramm, auf das sich die PDS-Fraktion in ihrem Antrag bezieht. In Thüringen diesbezügliche Projekte ergänzend zur Bundesförderung, aber auch unabhängig davon

finanziell zu befördern ist ein richtiger Schritt. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam darüber intensiv beraten. Herr Minister Köckert, Appelle und Briefe allein helfen genauso wenig wie Mitternachtssport und halbherzige Koordinierungsstellen. Insofern haben Sie Recht, wir brauchen kein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, sondern ein integriertes vernetztes Konzept und darüber sollten wir in den Ausschüssen beraten. Ich beantrage, federführend den Innenausschuss damit zu beauftragen und begleitend die Ausschüsse Bildung und Medien und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Meine Damen und Herren, ich habe mir gerade den Pressespiegel angeschaut und hier hat der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald Volkhard Knigge es für mich auf den Punkt gebracht: "Wir sollten alles ausprobieren und sehen, was es bewirkt, sonst ersticken wir Möglichkeiten im Keim und das nützt nur den Extremisten. Die von der SPD vorgeschlagenen regionalen Zentren können hier ein wichtiges Signal sein." Sie sollten dieses Signal nicht verschlafen. Danke.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dittes zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Fiedler zuallererst ein Wort zu Ihnen, Ihr Vorwurf oder Ihre Behauptung über meine angebliche Neigung zur Gewalttätigkeit wird doch nicht wahrer, wenn Sie die in jeder Sitzung des Landtags immer wieder aufstellen. Ich wäre schon sehr interessiert an dem Dossier, was Sie anscheinend über mich in der Hand halten,

(Heiterkeit bei der CDU)

wenn Sie sagen, dazu liegen Ihnen mittlerweile genug Erkenntnisse vor. Nach dem Redebeitrag oder während des Redebeitrags, Herr Fiedler, habe ich für einen Augenblick angenommen, Sie würden unserem Antrag zustimmen.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das sind Methoden.)

Denn Sie zitierten die Presseerklärung der Bundesministerin Bergmann, mit dem sie ihr Bundesprogramm CIVITAS begründet hat, und begrüßten ausdrücklich die Richtigkeit der dort aufgestellten Behauptungen oder Tatsachenfeststellungen. Genau diese Notwendigkeit sehend, haben wir den Antrag eingebracht, denn wir müssen uns über eines im Klaren sein: Das Bundesprogramm, was als Modellprogramm für die Länder angelegt ist, ist doch der Versuch, in den Ländern endlich dort für Maßnahmen zu sorgen, die tatsächlich eine zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Anti

semitismus ermöglichen, wo diese Maßnahmekonzepte in der Vergangenheit oder auch bis hinein in die jüngste Gegenwart noch nicht existieren. Diesem Anliegen der Bundesregierung verschließen Sie sich, aber Sie beziehen sich dann andererseits gleichzeitig wieder positiv auf die dem zugrunde liegende Begründung der Bundesregierung, Herr Fiedler. Diese Argumentation ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.

(Beifall bei der PDS)

Wer zur Landtagswahl mit dem Slogan antritt "Top Thüringen", muss natürlich damit rechnen, dass er auch im Laufe der Legislaturperiode an diesem Thema gemessen wird. In der Tat ist Thüringen Top, Top Thüringen in der Straftatsstatistik mit einem rechtsextremistischen oder rassistischen Hintergrund und leider, und das muss man hier feststellen, Kollege Döring hat das auch schon gesagt, Flop Thüringen sieht es allerdings aus bei der konkreten Erarbeitung von tatsächlich übergreifenden gesellschaftlichen Konzepten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Ein Beispiel dafür, ich komme im Einzelnen auch noch einmal darauf zurück, ist, dass der Innenminister bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik darauf verzichtet hat, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie viele Delikte im vergangenen Jahr mit rechtsextremistischem und rassistischem Hintergrund begangen wurden, und er hat in dieser Debatte, in dieser Vorstellung um die PKS keinerlei Auskunft dazu gegeben. Er hat einige Wochen später eine Extrastatistik vorgelegt, auf die ich später noch einmal zurückkomme.

Meine Damen und Herren, die CDU Thüringen hat noch im vergangenen Jahr behauptet, Thüringen sei kein Aufmarschgebiet von Neonazis. Immer wieder wurde der Eindruck erweckt, das Problem käme eher von außerhalb Thüringens und wir, die Opposition, würden das Problem Rechtsextremismus in Thüringen und deren Verbreitung nahezu herbeireden oder gar durch antifaschistische und zivilcouragierte Gegenaktivitäten vor Ort geradezu heraufprovozieren und immer wieder, das zieht sich auch durch den Beitrag von Ihnen, Herr Fiedler, am heutigen Tag, es handelte sich bei dem ganzen Problem um ein ausschließliches Problem von Jugend, Extremismus und Gewalt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das habe ich überhaupt nicht gesagt. Wir haben das schon zigmal diskutiert. Ich kann es auch dreimal wiederholen.)

Herr Fiedler, da möchte ich Ihnen zumindest zu Ihrer Eingangsbemerkung etwas entgegensetzen. Sie haben hier ausgeführt, wir haben vor drei Wochen hier die Möglichkeit gehabt, ausgiebig darüber zu diskutieren. Vielleicht erinnern Sie sich, wir hatten vor drei Wochen eine halbstündige Debatte, wo es eben nicht möglich war - das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir haben eine Anhörung gemacht. Wir hatten Innen- ausschuss.)

dazu komme ich noch -, tatsächlich über Ursachen, gesellschaftliche Probleme, die dem zugrunde liegen, und tatsächliche Alternativkonzepte zu diskutieren. Vielleicht hätten Sie heute die Möglichkeit nutzen sollen, denn wenn Sie hier behaupten, das, was Sie hier vorgetragen haben, ist nicht Ihre vollständige Position, die ist dann auch vollständig hier darzustellen, dazu haben Sie eben auch die Möglichkeit anhand der beiden vorliegenden Anträge.

Was es nicht gegeben hat, meine Damen und Herren, in der Vergangenheit, war eine um tatsächliche Transparenz bemühte Lageeinschätzung, eine konkrete Analyse lokaler Schwerpunkte, sowohl blieb diese Analyse aus in der Beantwortung von Kleinen Anfragen hier im Parlament, aber auch natürlich in der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Wie ernst das Problem Rechtsextremismus in der Thüringer Landesregierung genommen wird, hat ja nicht zuletzt auch der Auftritt von Justizminister Birkmann in der Sendung "Vorsicht Friedmann" gezeigt. Was sicherlich, Herr Fiedler, formal korrekt ist - und das haben wir nie bestritten -, dass natürlich durch eine erhöhte Anzeigebereitschaft gegenüber rechten Straftaten die Folge sein wird, dass die erfassten Delikte in der Zeit zunehmen werden. Ebenso ist natürlich der Repressionsdruck auch mit eine Ursache dafür, dass ein Mehr an Straftaten in den Statistiken aufgeführt wird.

Aber, meine Damen und Herren, wer diese Arbeit nutzt, um dann letztendlich mit der Begründung der akribischen Erfassung das Problem Rechtsextremismus in Thüringen wieder kleinzureden, wieder herunterzureden, wird eben auch in diesem Bereich nicht der eigentlichen Verantwortung gerecht. Ein größeres Erfassen der Dunkelziffer - und da hatte ich in der Aktuellen Stunde schon dazu Ausführungen gemacht, dass die für uns bei nahezu 100 Prozent liegt - wird eben nicht deutlich machen, dass die Lage dadurch in der gesellschaftlichen Situation ungefährlicher geworden ist. Immer wieder in der Auseinandersetzung mit der Statistik wird darauf hingewiesen, und da haben auch die Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Fraktion beim Kinder- und Jugendparlament getreu ihren Vorbildern darauf hingewiesen, dass nahezu 90 Prozent der dort aufgeführten Straftatsdelikte Propagandastraftaten sind und Propagandastraftaten sind nach der Interpretation des Innenministeriums eher spontane Gruppentaten, die Täter seien alkoholisiert und dementsprechend werde ihre natürliche Hemmschwelle herabgesetzt. Meine Damen und Herren, man sollte sich doch eher die Frage stellen, wie denn die Leute überhaupt zu ihrem Feindbild kommen oder zu ihrer autoritären Ideologie, was dann so urplötzlich spontan aus ihnen herausbricht, als wäre es irgendwie spontan oder natürlich, Ausländer zu hassen, ihnen deutlich zu machen, dass sie dort bleiben sollen, wo der Pfeffer wächst, oder dass man spontan zum Ausdruck bringt, wir bräuchten einen starken

Führer. Nein, diese rechte Ideologie ist kein kultureller Code, wie er vom Himmel gefallen ist, sondern er ist tief verankert. Damit müssen wir uns auseinander setzen. Da widerspreche ich ausdrücklich dem Staatssekretär im Innenministerium, der in der Diskussion, die Sie angesprochen haben, im Innenausschuss feststellt, der ideologische gewaltfreie Rechtsextremismus sei ein Problem, das in Thüringen eher am Rande liegt, und damit begründet, dass dieser Bereich überhaupt nicht zu den Aufgabenbereichen der Koordinierungsstelle Gewaltprävention gehört. Diese Aussage, meine Damen und Herren, von Staatssekretär Scherer, wird nicht dadurch richtiger, wenn wir etwa heute in der Zeitung lesen können, dass rechte Parteien bei einer gegenwärtigen Wahl in Thüringen unter 5 Prozent bleiben würden. Die Einstellungen sind nach wie vor vorhanden, verbreitet und auch verfestigt, auch wenn dies eben nicht zu konkreten Wahlentscheidungen, Wahlhandlungen führt. Das sollte uns auf gar keinen Fall beruhigen, meine Damen und Herren.

(Βeifall bei der PDS)