Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Ansonsten noch so viel, gerade weil wir auch in Sachen Asylbewerber nicht wenige Petitionen haben: Es ist richtig, dass dort manchmal der gesunde Menschenverstand und das, was die Rechtsgrundlagen sind, ein bisschen auseinander gehen. Ich möchte nur so viel sagen: Zu dem Zeitpunkt, als wir über die Fakten, die damals zu diesem Petenten aus Zella-Mehlis vorlagen, sprechen konnten, zu diesem Zeitpunkt waren es die richtigen Entscheidungen, die getroffen worden sind, und wir konnten keine andere

Entscheidung auch fordern, weil ganz einfach der Rechtsraum nichts anderes hergegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Mir geht es aber darum, dass zur Petition keine Stel- lungnahme vorlag.)

Ja gut, wenn eine neue Stellungnahme da ist, dann werden wir damit auch umgehen, wenn wir sie haben, aber die haben wir halt noch nicht. Ich möchte es eigentlich dabei belassen. Ich denke, es ist genug gesagt. Auch an der Stelle für meine Fraktion noch einmal ein Dankeschön an die Verwaltung. Es ist ein immenser Aufwand, der mitunter betrieben werden muss, um die Petitionen in der gebotenen Form auch aufzuarbeiten und in diesem Sinne herzlichen Dank. Ich denke, dass wir auch in Zukunft im Petitionsausschuss so zusammenarbeiten, eigentlich alle Fraktionen, wie wir das in der Vergangenheit getan haben. Wir sind das den Petenten und den Leuten, die sich mit ihren Anliegen an uns wenden, auch schuldig. Ich denke mal, wir haben das in der Vergangenheit nicht schlecht gemacht und so werden wir das auch in der Zukunft halten. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor, ich kann damit die Aussprache schließen und gleichzeitig den Tagesordnungspunkt beenden und komme jetzt, nachdem zwischen den Fraktionen Einvernehmen erzielt worden ist, so ist mir das jedenfalls signalisiert, zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 9, weil der Herr Ministerpräsident gern zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen möchte, aber nur noch begrenzte Zeit hier im Parlament sein kann, also Aufruf des Tagesordnungspunkts 9

a) Regionalpartnerschaften Thüringens Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/1495

b) Vertiefung der partnerschaftlichen Beziehungen des Thüringer Landtags zum Seimas der Republik Litauen Antrag der Abgeordneten Kallenbach, Döring, Bechthum, Bergemann, Jaschke, Illing, Pöhler, Ramelow, Schröter, Schugens, Thierbach - Drucksache 3/1548

Danach kommen wir zurück zum Tagesordnungspunkt 8. Eine Begründung des Antrags durch die antragstellende Fraktion wird nicht gewünscht. Die Landesregierung hat ohnehin einen Sofortbericht angekündigt, dann darf ich Sie, Herr Ministerpräsident, bitten, uns den Bericht zu geben.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst für die Freundlichkeit, dass dieser Punkt jetzt aufgerufen wird, und freue mich über die Initiative der CDU-Fraktion, eine Debatte über die Partnerschaften des Freistaats Thüringen zu führen. Ich erlaube mir, den erbetenen Sofortbericht für die Landesregierung abzugeben.

Ich möchte über die offiziellen Partnerschaften hinaus einen Überblick über die Außenbeziehungen des Freistaats geben. Die Regionalpartnerschaften, die der Freistaat Thüringen pflegt, sind kein Selbstzweck und sie sind vor allem mehr als gelegentliche freundliche Besuchsprogramme. Wir meinen, dass in einer globalisierten Welt keine Region, kein Land und keine Nation für sich allein lebt. Wir meinen, dass ein Großteil der Probleme und Herausforderungen, die wir in Europa und in der Welt zu bestehen haben, nur gemeinsam in den Griff bekommen werden können. So haben z.B. für jedermann sichtbar die Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien schmerzhaft unter Beweis gestellt, dass die Erhaltung des Friedens in Europa keine Selbstverständlichkeit ist und nicht einer Region Europas überlassen werden kann.

In unserem föderalen Staat, der Bundesrepublik Deutschland, wirken die Länder über den Bundesrat an der Bundespolitik auch in den Feldern mit, die dem Bund überlassen sind. Dies gilt auch für Bereiche der Außenpolitik. Unser föderales System, das eine horizontale und vertikale Machtverteilung bewirkt und damit zum inneren Ausgleich und zur Gewaltenteilung beiträgt, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem besonderen deutschen Exportartikel entwickelt.

Viele Besucher aus dem Ausland wollen vor allem dieses System kennen lernen und von ihm lernen. Hinzu kommt, dass die Europapolitik längst nicht mehr Außenpolitik im klassischen Sinn ist, sondern dass sie zur europäischen Innenpolitik geworden ist. Einer schleichenden Aushöhlung der Länderrechte in diesem Bereich ist nach der Vereinigung Deutschlands durch die Neufassung des Artikels 23 des Grundgesetzes entgegengewirkt worden. Die Länder nehmen, wie Sie wissen, an der EU-Entscheidungsfindung direkt Anteil.

Das, meine Damen und Herren, ist die Basis, auf der der Freistaat nach 1990 systematisch seine Kontakte im internationalen Umfeld aufgebaut hat. Wer wüsste besser um die Notwendigkeit einer internationalen partnerschaftlichen Zusammenarbeit als die Menschen in den jungen Ländern, die jahrzehntelang daran gehindert waren, Menschen in ganz Europa und darüber hinaus kennen zu lernen und zu besuchen und sie als Besucher zu empfangen und gemeinsam mit ihnen die Zukunft zu gestalten? Wer wüsste besser um den Wert solcher Begegnungen als die Thüringerinnen und Thüringer? Bei uns haben seit Jahrhunderten Menschen aus aller Welt sich niederge

lassen, sie haben dieses Land geprägt und seit Jahrhunderten sind Menschen aus Thüringen in andere Länder gezogen; ein wesentlicher Grund für die sprichwörtliche und traditionelle Weltoffenheit der Bürgerinnen und Bürger Thüringens.

In den vergangenen zehn Jahren konnten wir im Freistaat ein dichtes Netz wertvoller internationaler Kontakte aufbauen, die nicht zuletzt für unser Land wichtige Investitionen nach sich zogen. Hier stehen wir inzwischen den alten Ländern nicht mehr nach. Zahlreiche Kontakte vor allem in Europa, aber auch nach Übersee, wie in die USA oder nach Israel, belegen, dass Thüringen wieder Freunde und Partner in aller Welt hat. So sind inzwischen Partnerschaften von rund 70 Thüringer Städten bzw. Gemeinden mit ausländischen Kommunen und beispielsweise über 800 Schulpartnerschaften bekannt. Wichtig ist auch, dass es inzwischen eine internationale Schule in Weimar für Gäste in Thüringen gibt. Die Thüringer Industrie- und Handelskammern unterhalten sechs Partnerschaften, eine siebte ist in Vorbereitung, sowie sechs Beteiligungen an Auslandskammern - Partnerschaften, die insbesondere auch der Thüringer Wirtschaft und damit letztlich auch der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zugute kommen. Ohne die internationalen Beziehungen wären nicht Investoren aus 30 Ländern der Welt nach Thüringen gekommen, um hier in über 300 Projekten erhebliche Summen zu investieren.

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, eine Freundschaft zwischen den Völkern kann nur dann entstehen, wenn sich die Menschen auf allen Ebenen kennen. Es langt nicht, dass Regierungsrepräsentanten sich begegnen, es muss gemeinsame Projekte geben, es muss gemeinsame Problemlösungen geben und man muss die Herausforderungen gemeinsam angehen. Goethe hat einmal an Herder geschrieben: "Das sicherste Mittel, ein freundschaftliches Verhältnis zu hegen und zu erhalten, finde ich darin, dass man sich wechselseitig mitteilt, was man tut." Dass dies im Übrigen auch ein Beitrag dazu ist, um Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu vermeiden und zu bekämpfen, kann ich nur immer wieder aufs Neue betonen. Beispielsweise findet heute Abend in Jena ein Symposium aller ausländischen Stipendiaten des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes, die zurzeit in Thüringen und in den Nachbarländern studieren, statt. Das sind immerhin Studentinnen und Studenten aus 80 Ländern der Welt. Und wir sind dankbar, dass Studentinnen und Studenten aus 80 Ländern der Welt zu uns und zu unseren Nachbarn in die neuen Länder kommen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Pflege der Thüringer Außenbeziehungen ist nach der Landesverfassung der Ministerpräsident, das heißt, die Staatskanzlei verantwortlich. Sie wird aber dabei natürlich von allen Ressorts unterstützt. Aber die lebendige Ausgestaltung der internationalen Kontakte wäre ohne das Engagement der Akteure, auch den Hochschulen

und in den Schulen, in den Forschungseinrichtungen, in den Städten und Gemeinden, in den Landkreisen, in den Kammern, in den Gerichten, in den Verbänden, bei den Unternehmern, bei den Auslandsgesellschaften und kulturellen Einrichtungen, bei den Künstlern und bei den Organisationen im Bereich des Sports, des Jugendaustauschs, der humanitären Hilfe undenkbar. Es gibt inzwischen nicht weniger als 30 deutsch-ausländische Freundschaftsgesellschaften im Lande und ich möchte den Initiatoren dieser Gesellschaften - über die deutsch-israelische Gesellschaft oder die deutsch-französische Gesellschaft, kleinere wie die deutsch-japanische Gesellschaft, ganz kleine zu Entwicklungsländern -, die das ja freiwillig tun, dafür ausdrücklich danken.

(Beifall bei der CDU; Abg. Ramelow, PDS)

Und ich sage ihnen zu, weil ja auch das Ehrenamt ist, ihre Arbeit im Rahmen unser Möglichkeiten zu unterstützen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass der Wert unserer guten Beziehungen, gerade zu den Staaten und Regionen des östlichen Mitteleuropa, aus vielen Gründen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Gerade zu den Beitrittskandidaten im östlichen Mitteleuropa unterhalten wir deswegen enge Kontakte. Dabei spielen nicht nur die gemeinsamen historischen Erfahrungen in der kommunistischen Diktaturzeit in unseren Ländern eine Rolle, sondern auch die Dankbarkeit dafür, dass die friedliche Revolution von 1989, dass die Wiedervereinigung beispielsweise ohne die Freiheitsbewegungen in Ungarn und in Polen unmöglich gewesen wäre. Ohne Solidar  ohne den Mut der Ungarn hätte es den Herbst 1989 nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU)

Darum ist es ganz selbstverständlich, dass ich die Partnerschaft mit der Woiwodschaft Kleinpolen und mit der Republik Ungarn als Erstes nenne. Diese Partnerschaften, an denen viele Bevölkerungsgruppen auf beiden Seiten aktiv teilnehmen, tragen nicht zuletzt zweifellos dazu bei, vorhandene Ängste und Vorbehalte vor der Erweiterung der EU abzubauen. Und wenn wir auch offiziell nicht zu den Nachbarländern gehören, die 30 Kilometer, die uns von der tschechischen Grenze trennen, machen deutlich, die Probleme in der unmittelbaren Nachbarschaft haben nicht nur Brandenburg und Sachsen, sondern haben wir in Thüringen natürlich genauso und darum fühlen wir uns in diesem Sinn als Nachbarregion der Beitrittsländer. Genau hier wollen wir bei der weiteren Vertiefung unserer Beziehungen in Zukunft ansetzen, unseren östlichen Nachbarn auf dem Fundament eigener Erfahrungen praktische Hilfe auf dem Weg in die Europäische Union zu geben. Wir haben eben viel vergleichbarere Erfahrungen als Dänemark oder als Portugal. In diesem Sinn werde ich auch meinen für Anfang Juli anstehenden Besuch in Krakau und in Kleinpolen nutzen.

Gerade weil es uns um eine Intensivierung und Vertiefung unserer Beziehungen geht, dürfen wir unsere Kräfte aber auch nicht verzetteln. Und deswegen ist die Landesregierung vor allem an einer Intensivierung der bereits bestehenden offiziellen Partnerschaften interessiert. Es ist höchst erfreulich und ehrt uns, wenn Thüringen als Partner begehrt und umworben ist, aber auch bei Partnerschaft muss Qualität vor Quantität gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen uns wirklich voll einbringen, wir wollen uns aber auch nicht überschätzen. 2,6 Millionen, meine Damen und Herren, können nicht mit mehreren Milliarden in der Welt gleichzeitig Partnerschaft pflegen. Wir dürfen uns nicht verzetteln; was wir machen, wollen wir einigermaßen richtig machen. Das schließt die Pflege von Kontakten in Länder und Regionen, mit denen wir keine offizielle Partnerschaft unterhalten, nicht aus, auch die sind erwünscht, aber sie sind Ergänzungen unserer Schwerpunkte.

Zu diesen Schwerpunkten möchte ich jetzt einige Bemerkungen machen, zunächst zu Kleinpolen. Bewusst an erster Stelle nenne ich Kleinpolen, die Partnerschaft ist im Dezember 1997 mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung mit der damaligen Woiwodschaft Krakau begründet worden und im Sommer 1999 nach Vollzug der Verwaltungs- und Gebietsreform in Polen mit der neuen Woiwodschaft Kleinpolen fortgeschrieben worden. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, weil die Woiwodschaft Kleinpolen in Einwohnerzahl und Größe natürlich gleichgewichtiger zu Thüringen ist, als das früher die kleine Woiwodschaft Krakau war. Diese Partnerschaft lebt von intensiven Kontakten zwischen Schulen und Verbänden, zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen im Verwaltungsbereich und auch natürlich zwischen den Regierungen. Hervorzuheben ist vor allem der 1992 erneuerte Partnerschaftsvertrag zwischen der Friedrich-Schiller-Universität und der Jagellonen Universität in Krakau, eine Zusammenarbeit, die durch regen Wissenschafts- und Studentenaustausch auf zahlreichen Fachgebieten untermauert worden ist. Ebenso zahlreich sind die Schulpartnerschaften zwischen Kleinpolen und Thüringen. Ein sehr reger Besuchsaustausch ist in Gang gekommen. Sowohl der Gemeinde- und Städtebund als auch der Landkreistag wirken mit zahlreichen Projekten und Fortbildungsmaßnahmen für Bürgermeister und Mitarbeiter der Kommunalverwaltungen an der Gestaltung der Partnerschaft maßgeblich mit.

Ein Höhepunkt in der kulturellen Zusammenarbeit bilden die Kulturtage, in deren Rahmen Theateraufführungen, Konzerte, Ausstellungen präsentiert wurden und die wir auch finanziell bemerkenswert stark unterstützt haben. Zuletzt fanden im Oktober 2000 die Malopolska-Kulturtage in Thüringen statt, die auf große Resonanz gestoßen sind.

Seit 1996 finden jährlich so genannte Zukunftsseminare abwechselnd in Kleinpolen und bei uns statt, bei denen Persönlichkeiten aus unseren Ländern über die verschiedensten Themen diskutieren, das nächste im Oktober in Eisenach, Thema: "europäische Integration, nationale Identität und Souveränität".

Unsere Freundschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes mehr als eine Schönwetterfreundschaft. Die Hochwasserkatastrophe in Kleinpolen im Sommer 1997 hat zu einer Welle der Hilfsbereitschaft in Thüringen für besonders betroffene Regionen um Krakau geführt. Im Rahmen der Aktion "Nachbarn helfen Nachbarn in Not", von einer Weimarer Tageszeitung initiiert, sind fast 200.000 DM privat zur Verfügung gestellt worden. Wir haben darüber hinaus die Renovierung des Rot-Kreuz-Hauses in Krakau zugunsten des polnischen Roten Kreuzes unterstützt.

Besonders wichtig ist es uns, die Woiwodschaft Kleinpolen bei ihrer Vorbereitung zum Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union zu unterstützen. Der Thüringer Europaminister hat unsere polnischen Freunde bei seinem Besuch vor wenigen Wochen versichert, dass wir ihnen hier mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. An der zentralen Eröffnungsveranstaltung der Europawoche in Thüringen zum Thema "Der Euro in Unternehmen und Kommunen" in Gera im Mai haben die Kleinpolen aktiv teilgenommen. Im April ist einem Mitarbeiter des Marschallamtes von Kleinpolen die Möglichkeit gegeben worden, eine Praktikum in unserem Brüsseler Büro zu absolvieren, weil natürlich auch Kleinpolen in Brüssel heimisch werden will. Während seines Krakaubesuchs hat Herr Minister Gnauck unseren polnischen Freunden zudem das Angebot gemacht, noch in diesem Jahr zehn Mitarbeiter des Marschallamtes nach Thüringen zur Teilnahme an Fortbildungsprogrammen der Thüringer Landesregierung zu entsenden. Im November dieses Jahres werden auf der Wartburg deutsch-polnisch-niederländische Unternehmertage durchgeführt unter vornehmlicher Beteiligung, was Polen betrifft, von Unternehmern aus der Region Krakau.

Zu Ungarn: Hier pflegt Thüringen besonders enge Beziehungen ähnlich wie zu Kleinpolen. Unsere Partnerschaft nimmt dadurch eine Sonderstellung ein, weil auf ungarischer Seite keine Region, sondern der Gesamtstaat unser Partner ist. Die erste Erklärung zur Zusammenarbeit ist 1993 von der damaligen Ministerin Lieberknecht und dem früheren ungarischen Kultusminister, Prof. Madl, der heute Präsident der Republik Ungarn ist, unterzeichnet worden. Seit 1997 wird die Zusammenarbeit in einer thüringisch-ungarischen gemischten Kommission koordiniert, die auf ungarischer Seite vom Staatssekretär im Umweltministerium und auf Thüringer Seite vom Bevollmächtigten des Freistaats beim Bund geleitet wird. Die gemischte Kommission hat in den vergangenen Jahren eine große Anzahl von Einzelprojekten auf den Weg gebracht, die alle Möglichkeiten des bilateralen Zusammenarbeitens zwischen Thüringen und Ungarn umfassen. Der Schwer

punkt liegt auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Bildung, der Wissenschaft, Kultur, Jugend, Rechtspflege, Umwelt und Landwirtschaft bis hin zum Brand- und Katastrophenschutz. Ungarn versteht die Zusammenarbeit mit Thüringen nicht zuletzt ebenfalls als konkrete Vorbereitung für den Beitritt Ungarns in die Europäische Union. Zur 4. Sitzung dieser gemischten Kommission ist für Ende Juni nach Budapest eingeladen.

Auch die Dichte der Schul- und Hochschulpartnerschaften zu Ungarn zeigt die Lebendigkeit. Es gibt 46 Schulund 19 Hochschulpartnerschaften. Vier Partnerschaften wurden zwischen thüringischen und ungarischen Kommunen begründet. Das Thüringer Institut für Lehrerfortund -weiterbildung, Lehrplanentwicklung und Medien bietet seit 1993 Kurse für ungarische Lehrer und die Pädagogen insgesamt an. Die Partnerschaft zwischen dem Amtsgericht Weimar und dem Amtsgericht Budaörsz, wenn ich das richtig ausspreche, die in diesem Monat geschlossen wird, ergänzt die bestehenden Gerichtspartnerschaften zwischen den Landgerichten Erfurt und Meiningen mit den Komitatsgerichten Pecs und Györ.

Meine Damen und Herren, zwischen der ungarischen Gemeinde Heizce im Templengebiet und Kaltensundheim ist eine Partnerschaft auf den Weg gebracht, die sich speziell des Natur- und Umweltschutzes annehmen will. Für das nächste Jahr, für 2002, ist eine gemeinsame Ausstellung in Vorbereitung, die sich der heiligen Elisabeth von Thüringen widmet; sie wird zunächst auf der Wartburg gezeigt und ich habe den ungarischen Staatspräsidenten zur Eröffnung eingeladen.

Das seit 1992 kontinuierlich angestiegene Außenhandelsvolumen zwischen Ungarn und uns zeigt, dass die Kontakte auch auf wirtschaftlichem Gebiet Früchte tragen. Zum Ausbau der Handelsbeziehungen wird es im Herbst dieses Jahres in Budapest das Projekt "Thüringer Maschinenbau und Umwelttechnik in Ungarn" geben. Auch im öffentlichen Dienst werden Beratungs- und Ausbildungsveranstaltungen durchgeführt. Die Staatskanzlei bietet jährlich drei bis vier Praktika bei freier Unterbringung und einem finanziellen Zuschuss in unserem Brüsseler Büro sowie verschiedene Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter der ungarischen Verwaltung an. Am Tag der Deutschen Einheit letztes Jahr hat Thüringen auf Einladung der deutschen Botschaft in Ungarn eine große Präsentation des Freistaats in Budapest ausgerichtet. Mehr als 2.000 Repräsentanten des gesellschaftlichen Lebens, Vertreter aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft von ungarischer Seite haben daran teilgenommen.

Jetzt zu Westeuropa: In Westeuropa spielen Frankreich und Großbritannien für uns eine herausragende Rolle. Daher sind wir mit der Region Picardie und mit der Grafschaft Essex Regionalpartnerschaften eingegangen, die sogar, eine Besonderheit, zu einer trilateralen Vereinbarung geführt haben. Im März 1994 ist eine gemeinsame Erklärung zwischen Thüringen und der Picardie unterzeich

net worden und mit der Unterzeichnung der "Erfurter Erklärung über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen Thüringen, der Picardie und der Grafschaft Essex" ist es im Juli 1994 zu dieser trilateralen Partnerschaft gekommen. Inzwischen haben zahlreiche Besuche und Begegnungen von Verantwortlichen beider Regionen in Thüringen, in der Picardie und natürlich auch in Essex stattgefunden. Auf Essex komme ich gleich. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit mit der Picardie liegen auf dem Bereich der schulischen und der kulturellen Zusammenarbeit; so haben die Bauhaus-Universität und die Universität Amiens ein umfangreiches Projekt in Thüringen und der Picardie zum Thema "Photographien und kulturelles Erbe" im Rahmen des Kulturstadtjahres Weimar durchgeführt. Zwischen Thüringen und Frankreich bestehen die meisten Schulpartnerschaften, nämlich 178, davon 25 in der Picardie, und vom 6. Mai bis 10. Juni dieses Jahres findet hier in der Kunsthalle in Erfurt eine Ausstellung moderner und zeitgenössischer französischer Zeichnungen statt. Die französische Botschaft in Deutschland und unsere Staatskanzlei haben beschlossen, ein Pilotprojekt eigener Art auf den Weg zu bringen. Ein Vertreter des französischen Außenministeriums ist in der Thüringer Staatskanzlei als Berater für thüringisch-französische Beziehungen, insbesondere für die Beziehungen zur Picardie, tätig geworden. Thüringen beschreitet mit diesem Projekt auf Wunsch und auf Initiative der Franzosen Neuland und sorgt damit dafür, dass es zu einer zusätzlichen Vertiefung der Beziehungen zu unseren französischen Partnern kommt.

Ein paar Bemerkungen zu Essex: Seit 1994 arbeiten der Freistaat und die Grafschaft auf der Grundlage einer gemeinsamen Erklärung partnerschaftlich zusammen. Die Partnerschaft Thüringen/Essex soll ein Beitrag für die deutsch-englische Freundschaft leisten und ein Baustein für das sich vereinigende Europa sein. Ich werde in der nächsten Woche unsere Partnerregion besuchen und dabei auch über europäische Themen wie die Osterweiterung sprechen. Sie wissen, je westlicher in der EU, je mehr muss für die Erweiterung geworben werden und je mehr müssen wir deutlich machen, Europäische Union und nicht west- oder südeuropäische Union ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU)

Seit 1994 sind mit Essex zahlreiche Projekte verwirklicht worden, haben Besuche und Gespräche die Verbindungen zwischen den beiden Regionen vertieft. Das erweist sich gerade in schwierigen Zeiten als bedeutsam. Essex ist wie kaum eine andere britische Grafschaft von der BSE-Krise betroffen. Viele Landwirte und Gehöfte sind betroffen. Selbstverständlich habe ich Essex gegenüber unsere Solidarität bekundet und unsere Hilfe angeboten. Zu den Fundamenten dieser Partnerschaft gehören Jugendbegegnungen, so z.B. die gemeinsame mit dem Jugendamt Gera veranstaltete Seminarreihe "Extremismus". Wir haben ja gerade ein Beispiel, dass es auch in England Extremismus gibt, dass sich manchmal sogar Politiker

über Deutschland äußern, dass es eine Schande ist und dass man dagegen etwas unternehmen muss. Schul- und Universitätspartnerschaften und auch der seit 1996 regelmäßig durchgeführte Praktikantenaustausch zwischen den Verwaltungen dienen dieser Partnerschaft. Intensive Kontakte werden durch die Handwerkskammern Thüringens nach Essex unterhalten. Viele Jahre haben Thüringen und Essex gemeinsam an der Vorbereitung der VRE-Sommerschule mitgewirkt. Das ist die Vereinigung der Regionen Europas. Mit Großbritannien bestehen von unserer Seite aus 110 Schulpartnerschaften und 42 Hochschulkontakte. Derzeit bemüht sich die Stadt Gschwenda hier von uns aus um eine Partnerschaft mit einer Kommune in Essex. Neben den engen Kontakten auf Verwaltungsebene haben sich dankenswerterweise auch die Abgeordneten des Landtags aktiv in die Partnerschaft zwischen unseren Regionen eingebracht und zahlreiche Projekte politisch begleitet.

Meine Damen und Herren, so wichtig Europa für uns ist, und ich habe das ja unterstrichen, in den Zeiten der Globalisierung macht die Beschränkung auf unserem Kontinent keinen Sinn mehr, daher unterhält Thüringen auch mit der chinesischen Provinz Shaanxi eine Regionalpartnerschaft, eine Partnerschaft, die selbstverständlich eine andere Bedeutung hat als unsere Beziehungen zu den demokratischen europäischen Regionen. Wenn diese Regionalpartnerschaft auch aus nahe liegenden Gründen an Intensität und Dichte nicht mit unseren anderen Partnerschaften verglichen werden kann, so nimmt sie doch einen bedeutsamen Platz ein. Kontakte mit einer Region, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, einem Land, dessen Wirtschaft rasant wächst, sind in ihrer Bedeutung natürlich nicht zu unterschätzen. Vor allem ist es später notwendig, dass wir früher dort gewesen sind, meine Damen und Herren. Nicht jede Frucht kann man sofort ernten. Nach meiner Reise in die Provinz Shaanxi im März 1993 und im April 1996 ist im November 1997 ein Memorandum über die Begründung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen Thüringen und der Provinz Shaanxi unterzeichnet worden. Dabei geht es darum, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu fördern und die Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Technologie, Kultur, Aus- und Weiterbildung, Sport- und Gesundheitswesen auszubauen. Die Verpflichtung aus der gemeinsamen Erklärung, dass jeweils die Thüringer und auch die chinesische Seite ein Kontaktbüro der Wirtschaft einrichten, hat bislang bedauerlicherweise nur der Freistaat erfüllt. 1998 ist ein Wirtschaftskontaktbüro in Shaanxi eingerichtet worden. Minister Schuster wird im Juli nach Shanxi reisen. Zwischen der TU Ilmenau und der YiaotongUniversität Xi'an und der Universität of Technology Xi'an sowie der Fachhochschule Jena und der Hochschule in Xi'an bestehen Kontakte.

Die internationalen Kontakte erschöpfen sich aber nicht in der Pflege von regionalen Partnerschaften. Thüringen unterhält auch ohne entsprechende offizielle Vereinbarungen intensive Beziehungen zu anderen Ländern. Die

USA und Israel seien hier besonders genannt. Die Beziehungen zu Israel sind von der besonderen in unserer Geschichte begründeten Verantwortung geprägt, zu der sich der Freistaat Thüringen ausdrücklich in vollem Umfang bekennt.

Die Landesregierung legt besonderen Wert auf die Begegnung von Bürgerinnen und Bürgern aus Thüringen und Israel und unterstützt regelmäßig den Austausch von deutschen und israelischen Jugendlichen und die Begegnung von Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Bereichen. Ich bin sehr dankbar, dass Thüringer Städte die Initiative ergriffen haben, ehemalige jüdische Mitbürger, soweit sie überlebt haben, hierher einzuladen. Ich finde die Eisenacher Initiative "Enkel laden Enkel ein" besonders erfreulich. Schüler aus Eisenach haben Enkel ehemaliger Bürger Eisenachs eingeladen, um sich gegenseitig kennen zu lernen und sich auszutauschen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen von 300 Thüringer Bürgerinnen und Bürgern aus der Landes- und Kommunalpolitik, aus den Schulen, aus der Polizei, aus der Bundeswehr und aus anderen Bereichen, die in Israel waren. Seit zehn Jahren finden regelmäßig thüringisch-israelische Kulturtage statt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Gedenkstätte Buchenwald hinzuweisen, wo sich ehemalige Häftlinge, die heute israelische Staatsbürger sind, intensiv in die Gedenkstättenarbeit einbringen. Die Landesregierung hat mehrere Projekte in Israel unterstützt und gefördert. Ich nenne nur zwei Beispiele: die Einrichtung einer Gedenkstätte für zerstörte jüdische Gemeinden in Yad Vashem und beispielsweise die Sanierung von vier Gesundheitszentren in Jerusalem, die der Freistaat unterstützt hat. Mindestens ebenso wichtig ist aber, unsere Partner jetzt unserer Unterstützung zu versichern, wo sie in Not sind. Das war der Grund, warum ich mit drei Kollegen aus diesem Haus im Dezember in Israel gewesen bin. Dass Freunde nicht mehr kommen, ist die größte Belastung für die Zukunftshoffnung der Israelis und das darf man nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU)