Protokoll der Sitzung vom 06.09.2001

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 10

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/1705 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1785 ERSTE BERATUNG

Ich gehe davon aus, dass der Einreicher Begründung wünscht? Das ist nicht der Fall, also keine Begründung durch den Einreicher. Dann kommen wir zur Aussprache, und zwar hat als erster Redner das Wort Herr Abgeordneter Dittes, PDS-Fraktion.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD-Fraktion, Sie machen es mir natürlich nicht leicht jetzt mit einer fehlenden Begründung, weil ich mich natürlich jetzt auf Ihre Begründung beziehen muss, die Sie in der vergangenen Woche in der TLZ ausgeführt haben und die natürlich auch im Einleitungstext Ihrer Drucksache steht. Ich werde auch im Einzelnen noch einmal darauf zurückkommen müssen. Sie werden ja sicherlich dann in Ihrem eigenen Redebeitrag zu Ihrem eigenen Gesetzentwurf Stellung beziehen. Davon ist zumindest auszugehen.

In einer TLZ-Umfrage in dieser Woche haben 82,6 Prozent der Thüringer, die sich daran beteiligt haben, zum Ausdruck gebracht, dass sie die Nase voll haben von Skandalen im Landesamt für Verfassungsschutz und sie fordern gleichzeitig eine Neugründung, die diese Skandale zukünftig unmöglich macht. Wir haben Ihnen mit diesem Entschließungsantrag in Drucksache 3/1785 zum vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion einen Antrag vorgelegt, der unseres Erachtens Grundzüge einer solchen Umgestaltung beschreibt. Wir legen Ihnen, und das will ich gleich zu Beginn sagen, deshalb keinen Gesetzentwurf vor, weil wir der Meinung sind, dass es sich bei dieser Entscheidung, die wir anstreben hier im Thüringer Landtag, um eine grundsätzliche Richtungsentscheidung handelt. Selbstverständlich sind wir dann auch bereit, der Landesregierung die entsprechende Kompetenz, die bei uns vorhanden ist in der Fraktion, auch bei der Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs zur Verfügung zu stellen. Wir fordern die Landesregierung auf, bis zum 31.12. dieses Jahres eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes vorzulegen. Unser Antrag orientiert dabei auf eine Wende, weg von der geheimdienstlich, bürgerfeindlich, grundrechtsverletztenden Orientierung eines zudem äußerst maroden Amtes in Thüringen hin zu einem bürgernützlichen, wissenschaftlichen Analyseelement,

(Beifall bei der PDS)

dessen Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und das als Frühwarnsystem für antidemokratische Tendenzen dient. Grundsätzlich, meine Damen und Herren, gilt für die Haltung der PDS-Fraktion, Demokratie kann nicht administrativ geschützt werden, Demokratie, meine Damen und Herren, lebt vom Bewusstsein und der Aktivität der Bürgerinnen und Bürger eines Landes.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben, denke ich, in diesem Jahr schon vielfach die Möglichkeit gehabt, die von unserer Seite diese These, diese Auffassung begründete Tatsachen vorzutragen und ich werde auch am Ende noch mal darauf zurückkommen. Aber, meine Damen und Herren, ich will mich auch in der notwendigen Ausführlichkeit dem von der SPDFraktion vorgelegten Gesetzentwurf widmen, der uns allerdings, und das kann ich Ihnen jetzt schon sagen, nach anfänglicher Spannung, meine Damen und Herren der SPDFraktion, doch herb enttäuschte. Immerhin kündigten Sie an, parlamentarisch initiativ zu werden, um einen besseren, um einen transparenteren, um einen demokratischeren und einen kontrollierbareren Verfassungsschutz in Thüringen zu schaffen. Wir hatten gehofft, dass Sie eben nicht die Parlamentarische Kontrollkommission zum scharfen Schwert erklären, wir hatten gehofft, die SPD wird ein politisch scharfes Messer ansetzen, um dem Geheimdienst all die Aufgaben, Befugnisse und Möglichkeiten zu nehmen, die die bisherigen Skandale in Thüringen erst ermöglichten. Was wir vorfanden und was heute zur Beratung vorliegt, entspricht nicht etwa der eigenen politischen, aktuell politischen Auseinandersetzung mit den in Thüringen zu Tage getretenen Skandalen in und um das Amt wie Sie etwa in der schriftlichen Einbringung des Gesetzentwurfs behaupten, sondern der Gesetzentwurf entspricht fast eins zu eins, meine Damen und Herren, dem nunmehr schon zweieinhalb Jahre alten Kontrollgremiumsgesetz des Bundes.

Wir brauchen uns nichts vorzumachen, Herr Pohl, und da muss ich Sie ansprechen, kleine Kontrollverbesserungen im Bereich der PKK sind kein Wandel in der Struktur des Amtes, den wollen Sie auch gar nicht, das haben Sie mehrfach betont.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Woher wissen Sie das eigentlich alles?)

Die von der SPD-Fraktion vorgeschlagenen Änderungen bewirken keine Vergrößerung der Kontrolle des Parlaments, keine Vergrößerung der Kontrolle durch die Öffentlichkeit und keine Vergrößerung der Kontrolle durch die Betroffenen. Der Antrag, meine Damen und Herren, kann insofern nicht als die Antwort auf die jüngste thüringische Geschichte und ihre Zustände im Amt begriffen werden, die Befugnisse der geheimen Kontrolleure wurden lediglich konkretisiert, wie aber auch die Ablehnungsgründe für die auch regelmäßig erfolgende Auskunftsverweigerung durch die Landesregierung im Gesetzesentwurf konkre

tisiert wurden.

Der SPD-Antrag sieht keine tatsächliche rechtsstaatliche Zähmung des Verfassungsschutzes vor. Liest man den Antrag, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, ist festzustellen, dass Sie die Aufgaben des Landesamtes in § 2 Verfassungsschutzgesetz unverändert lassen. Sie belassen unverändert die allgemeinen Befugnisse in § 5 als auch die Befugnisse zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in § 6, die Befugnis zur Erhebung von personenbezogenen Daten in § 7, die Regelung zum Umgang mit erfassten und gespeicherten Daten einschließlich der Rechte zur Speicherung personenbezogener Daten Betroffener in § 11 und die Regelung zur Übermittlung von Informationen an andere durch den Gesetzentwurf auch unverändert. Also, denke ich, bringen Sie damit zum Ausdruck, dass die von mir eben genannten Tatbestände entsprechend Ihren Anforderungen in Thüringen aus Ihrer Sicht bereits geregelt sind.

Wir sehen deshalb den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht als Schritt in die richtige Richtung. Der Gesetzentwurf legitimiert und etabliert geheimdienstliche Arbeit staatlicher Behörden, er stellt weder den Geheimdienst noch dessen Befugnisse in Frage. Der Gesetzentwurf stärkt weder die Rechte der Betroffenen in der Arbeit des Verfassungsschutzes noch die Kontrollmöglichkeit der demokratischen Öffentlichkeit. Die Transparenz der Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz soll keinesfalls erhöht werden. Auch die in der Thüringer Verfassung vorgeschriebene parlamentarische Kontrolle erfährt keine wirksame Verbesserung, weil man mit den Vorschlägen nicht etwa das Verhältnis des Parlaments selbst zum Landesamt für Verfassungsschutz regelt, sondern lediglich der Bereich der Arbeit der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission innerhalb dieser vor dem Auge der Öffentlichkeit verschlossen arbeitenden Kommission berührt wird.

Aber selbst mit den kleinen Verbesserungen der PKKKontrollrechte ist allerdings die SPD nicht sehr konsequent. Es bleibt also das Problem, wie man denn etwas kontrollieren will, von dem man nichts weiß. Der erste Kontrollfilter besteht in der nur ausgewählten Informationsweitergabe des Geheimdienstes an die Landesregierung. Von Dewes weiß man, die Anwerbung Brandts und Dienels sei kein Ministerwissen gewesen, von Köckert hieß es lange Zeit, der Geheimdienst tanze ihm auf dem Kopf herum. Offensichtlich wird hier, wie problematisch dies gerade in einem derart sensiblen Bereich wie einen Geheimdienst ist, der auch die geringste demokratische Kontrolle praktisch unmöglich macht. Geheimdienste, die als Schutz der Demokratie legitimiert werden, verletzen permanent Grund- und Bürgerrechte und widersprechen ganz grundsätzlich dem Prinzip der demokratischen Transparenz und der öffentlichen Kontrolle. Eine tatsächliche Kontrolle kann gegenüber einer Institution keinesfalls ausgeübt werden, die geheim und abgeschottet arbeitet und zu deren auftragsgemäßer Kunstfertigkeit es eben nun

mal gehört, ihre eigenen Machenschaften gewerbsmäßig zu verdunkeln. Sie bemängeln das, Herr Gentzel, in Ihrem eigenen Antrag ja auch, wenn es heißt, die Parlamentarische Kontrollkommission erhielt erst im Nachgang hiervon und von den meisten Ereignissen, die dazu führten, Kenntnis; gemeint sind die Skandale - das ist richtig. Das haben Sie ja durchaus der Öffentlichkeit dargestellt. Sie haben auch bewiesen, Herr Pohl, dass Sie nach PKK-Sitzungen auch immer mehr Fragen gestellt haben als vorher. Aber wie Sie das genau mit Ihrem Änderungsgesetz erreichen oder Ihrer Kritik tatsächlich entgegenwirken wollen, bleibt wohl auch Ihnen verborgen. Ich warte, wie gesagt, auch auf Ihre Begründung.

Wie dem auch sei, der zweite Filter der Informationen ist der tatsächliche Auskunftswillen der Landesregierung, der in der Regel begrenzt ist und der dritte liegt nun bei der zahlenmäßigen und wissensmäßigen Begrenzung der Kontrollierenden selbst. Es sind nicht Parlament, nicht Öffentlichkeit, nicht Betroffene, die das Amt kontrollieren, sondern eine kleine Zahl weiterer Geheimnisträger, die keine Fakten nach außen tragen dürfen, seien sie auch noch so skandalös, die Fakten.

Der Gesetzentwurf bezieht sich ausschließlich auf die §§ 18, 19 und einen neu vorgeschlagenen § 20, die alle die parlamentarische Kontrolle zum Inhalt haben. Und, meine Damen und Herren, dabei stand nicht nur das entsprechende Bundesgesetz Pate, an zwei Stellen orientiert sich die SPD-Fraktion mit ihren unterbreiteten Vorschlägen auch an der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wie furchtbar!)

Nein, das ist kein Vorwurf, es fragt sich nur, wie eng Sie sich tatsächlich auch an diese Orientierung halten konnten. Ich will tatsächlich zu den einzelnen Vorschlägen, Herr Gentzel, einige Ausführungen machen: Die in § 20 neu geregelte Beratung der Haushaltsvorlage verändert bisherige Verfahrensweisen nach Geschäftsordnung des Landtags keinesfalls, sie übernimmt sie lediglich. Was das bedeutet, heißt, die Beratungen der Haushaltsvorlagen zum Verfassungsschutz erfolgen weiterhin in vertraulicher Sitzung, infolgedessen das Parlament von der Kontrolle der Verwendung der finanziellen Mittel größtenteils ausgeschlossen bleibt und die weitere Kontrolle über die Verwendung der Mittel für nachrichtendienstliche Tätigkeit ausschließlich dem Präsidenten des Landesrechnungshofs überlässt. Möglich gewesen wäre aber die parlamentarische öffentliche Nennung von Summen der Haushaltsmittel, die Nennung von Zahlen und in Bereiche eingesetzten V-Leuten, die abschließende Darlegung der nachrichtlichendienstlichen Mittel von Anzahl der Postkontrollabhörmaßnahmen, Angaben der Datenspeicherung und die Durchführung einer gewöhnlich parlamentarisch haushalterischen Beratung - all das wäre möglich gewesen, aber auch dazu findet sich in Ihrem Antrag kein Wort.

(Beifall bei der PDS)

Sie wollen mit Ihrem Antrag an Stelle einer grundlegenden geheimen Ausschuss-Sitzung Sitzungen zu nicht öffentlichen Sitzungen erklären. Die Regelungen zu nicht öffentlichen und vertraulichen Sitzungen von Fachausschüssen in § 78 Abs. 5 und 6 der Geschäftsordnung des Landtags war offenkundig Schablone, ich hatte es bereits gesagt, für die vorgeschlagene Änderung in § 18 Abs. 3, allerdings eine schlechte, Herr Gentzel, denn während der Anfangsstatus der Sitzung wie auch die Möglichkeit der geheimen Sitzung noch identisch ist, fehlt in Ihrem Gesetzesvorschlag für die Parlamentarische Kontrollkommission die Möglichkeit der öffentlichen Sitzung völlig. Und während bei den Fachausschüssen nach Geschäftsordnung zur Herstellung der Geheimhaltung noch ein qualifiziertes Quorum notwendig ist, verzichten Sie auch auf dieses qualifizierte Quorum bei Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission vollständig. Unklar dürfte ja ohnehin sein, auf welcher Grundlage eine derartige Beschlussfassung sachgerecht überhaupt erfolgen soll, wer diese beantragt unter Zuhilfenahme welcher Argumente, wie deren Richtigkeit in etwa durch Ihr Mitglied in der Parlamentarischen Kontrollkommission nachvollzogen und wie dann auch darüber diskutiert wird, dies bleibt unklar.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Richtig.)

Eindeutig dürfte allerdings sein, dass mit Verweis auf den von Ihnen vorgeschlagenen § 19 Abs. 4 die Berichtsfreudigkeit der Landesregierung nicht unerheblich von einem solchen Beschluss der Geheimhaltung in Zukunft auch abhängig durch diese selbst gemacht wird.

Weiterhin haben Sie, angelehnt an die Geschäftsordnung, die Möglichkeit vorgeschlagen, dass der Fraktionsvorsitzende über Sitzungen der PKK informiert wird, Geheimhaltungsvorschriften gelten weiterhin. Dass Sie die Möglichkeit der Berichterstattung an einen Mitarbeiter der Fraktion unterlassen haben, erscheint vor dem gesamten Hintergrund des Gesetzentwurfs eher marginal.

Meine Damen und Herren, durch die in § 19 Abs. 2 geregelte Befugnis wird die Verpflichtung der Landesregierung zur Gewährung der beschlossenen Akteneinsicht zugegebenermaßen semantisch stärker betont und in den Vordergrund gerückt. Kontrollrechte ergeben sich aber dennoch nur im Rahmen eingeforderter Unterrichtungen, d.h. bei vorliegendem Einverständnis der Landesregierung und bei freiwilligen Unterrichtungen durch die Landesregierung. Ein Nachforschungsrecht seitens der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ist nicht vorgesehen und besteht auch nicht. Die Wirksamkeit der neu aufgenommenen Kontrollrechte, Anhörungsrechte und Betretungsrecht erscheint ohne nähere Konkretisierung auch nahezu null. Die Möglichkeit der Landesregierung zur Unterrichtung und der im Rahmen denkbaren Kontrollrechten entgegenzutreten, ist im neu vorgeschlagenen § 19 (4) verankert und auch konkretisiert. Dennoch wird nichts

an dem generalklauselförmigen Charakter dieser Verweigerungsmöglichkeit verändert.

Die Ablehnungsgründe sollen freiwillig nach Ansicht der SPD-Fraktion durch die Landesregierung begründet werden. Die Richtigkeit einer solchen Ablehnung ist dadurch natürlich noch lange nicht nachzuprüfen und festzustellen. Die Landesregierung kann die Kontrollrechte verweigern, so führt die SPD aus, aus Gründen des Nachrichtenzugangs, aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeiten Dritter. Hier meint die SPD-Fraktion offensichtlich aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter. Oder drittens, die Landesregierung kann die Kontrollrechte verweigern, wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist. Die Landesregierung, meine Damen und Herren, diesen Schluss müssen Sie mir zugestehen, kann also nach Gusto die Auskunft gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission verweigern.

Auch der nach § 19 Abs. 5 einsetzbare Sachverständige ist eins zu eins dem Kontrollgremiumsgesetz des Bundes entlehnt. Er darf wohl gemerkt nur mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der PKK eingesetzt werden und gilt nicht etwa als Minderheitenrecht, wie es in anderen Ausschüssen im Thüringer Landtag vorgesehen ist, wenn man beispielsweise an die Möglichkeit der schriftlichen Anhörung in den Fachausschüssen denkt. Die Befugnisse dieses Sachverständigen obliegen vermutlich vollkommen dem Willen der Landesregierung, so dass auf eine Regelung hier sicherheitshalber seitens der SPD-Fraktion gleich verzichtet wurde.

Ebenso dem Kontrollgremiumsgesetz entnommen reflektiert der Vorschlag zum § 19 Abs. 6 noch am ehesten die Probleme. Thüringen wird dem aber keineswegs gerecht. Angehörigen des Landesamts für Verfassungsschutz soll zugestanden werden, sich in dienstliche Angelegenheiten, nicht jedoch im eigenen oder im Interesse von weiteren Angehörigen dieser Behörde, mit Eingaben an die Parlamentarische Kontrollkommission zu wenden, wenn die Leitung des Landesamts für Verfassungsschutz Eingaben, die vorher erfolgt sind an diese Stelle, nicht gefolgt ist.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Herr Dittes, wir kennen doch unseren Antrag, den brau- chen Sie doch nicht noch mal vortragen. So ein Schwachsinn.)

Herr Pohl, dann beantworten Sie mir doch bitte mal die Frage: Was soll denn die Parlamentarische Kontrollkommission nach Ihrer Auffassung tun mit Problemen, die bereits dem Innenminister zur Kenntnis gebracht worden sind, wie beispielsweise die quasi Wiedereinschaltung des Spitzels Brandt oder die Probleme zwischen Roewer und seinem Referatsleiter im vergangenen Jahr ignoriert wurden. Auch nach dieser Berichterstattung, so war es zumindest in der Presse zu informieren. Da frage

ich Sie: Was soll in solchen Fällen denn tatsächlich die geheim arbeitende Kontrollkommissionen anrichten?

Und, Herr Pohl, grundsätzlich sollte es nach Auffassung der PDS-Fraktion möglich sein, dass sich jeder Bedienstete an Abgeordnete und Gremien des Thüringer Landtags wenden kann, ohne Einschränkung, ohne Vorbehalte und ohne die Erfüllung von Voraussetzungen. Er sollte die Möglichkeit haben - und das grundsätzlich ohne diese Einschränkungen - sich auch vertraulich an Abgeordnete und Gremien des Thüringer Landtags wenden zu können.

Meine Damen und Herren, als konkrete Verbesserung für das Gewissen und die Reputation der PKK-Mitglieder schlägt die SPD in § 18 Abs. 3 vor, dass die Geheimhaltung nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge gilt, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt hat.

In der Begründung zum bereits erwähnte § 19 Abs. 4 bemängelt zwar die SPD-Fraktion, dass in der Vergangenheit aufgrund politischer Interessen der Innenminister nur unzureichend informiert und Auskünfte verweigert hat. Jetzt soll nach dem Willen der SPD-Fraktion die öffentliche Äußerung, die öffentliche Bewertung von Fakten von einer sich politisch, natürlich freiwillig politisch konstituierenden Mehrheit in der Parlamentarischen Kontrollkommission abhängig gemacht werden. Der Unterschied dabei, gerade auch in der Kritik, was die politische Benutzbarkeit dieser Möglichkeiten anbetrifft, den bin ich sehr gespannt, in Ihrem Redebeitrag zu erfahren. Und ich bin auch gespannt darauf,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Lassen Sie das unsere Sorge sein.)

Herr Pohl, wie Sie darauf reagieren, wenn Ihnen diese Mehrheit aus politischen Gründen beispielsweise, um den Innenminister in bestimmten Formen, in bestimmten Skandalen zu decken, eben die Möglichkeit nimmt, sich öffentlich bewertend zu äußern, wenn Sie das aber heraus aus Ihrem Grundrechtsempfinden für zwingend notwendig erachten. Dieses Dilemma, in dem Sie stecken, werden Sie auch mit Ihrem Gesetzentwurf weiterhin haben.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Sie sind das Dilemma.)

Da werden Sie auch mit dieser Vorstellung nicht herauskommen.

Fragwürdig dürfte natürlich auch sein, welchen Nutzen für nach wie vor nicht unterrichtete Parlamentarier und für die nach wie vor nicht unterrichtete Öffentlichkeit diese Bewertungen sein sollen. Unklar ist, wie daraus gegebenenfalls das Parlament die aus seinem Verfassungsauftrag folgenden Konsequenzen ziehen kann, wie Sie es im

Einleitungstext formulieren. Diese für die Öffentlichkeit, so ist das ja vorgesehen, höchst zweifelhafte faktenfreie politische Bewertung einzelner Beratungspunkte der PKK durch deren Mitglieder, die durch die Antragsteller vorgesehen ist, offenbart ein mögliches Motiv. Die Verbesserung der eigenen Möglichkeiten, der eigenen inhaltsleeren allein auf dem Status der Opposition aufbauenden Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Innenminister, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion. Sie demonstrieren meines Erachtens erneut, dass für Sie die Öffentlichkeit einzig als Ort symbolischer Politik von Bedeutung ist. Sollte es Ihnen denn tatsächlich um eine Ausweitung parlamentarischer als auch öffentlicher Kontrollrechte gehen, wären u.a. folgende Änderungsvorschläge selbst dann möglich gewesen, wenn man Ihre Grundposition zum Inlandsgeheimdienst teilen würde. Das tun wir nicht, das wissen Sie, aber wir wollen trotzdem darauf eingehen, was denn selbst möglich gewesen wäre.

Das Vorschlagen von öffentlichen Sitzungen der PKK, die Öffentlichmachung der Tagesordnung, eventuell geheimer Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission, die öffentliche Darstellung der verwendeten Haushaltsmittel, die Offenlegung der Anzahl von V-Leuten und der eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel, das wäre ohne weiteres möglich, auch wenn man Ihre Grundposition teilt.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Da brauchen wir keinen Verfassungsschutz.)

Meine Damen und Herren, deutlich wird auch, dass die Parlamentarische Kontrollkommission nach dem SPDVorschlag lediglich ein stumpfes Schwert bleiben wird, wenn man z.B. auch die Vorschläge auf konkrete Fälle in der Vergangenheit überträgt, z.B. auf den Fall von Brandt. Dieser Fall war nie Gegenstand der Beratung der Parlamentarischen Kontrollkommission und wird es auch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf niemals werden. Und er würde es erst dann werden, wenn empörte und engagierte Tageszeitungen ihn aufdecken würden. So ist er ja auch erst an die Öffentlichkeit geraten.

Meine Damen und Herren, dass die PDS-Fraktion grundlegende Probleme mit dem Verfassungsschutz sieht, wissen Sie. Die grundlegenden Probleme gehen auch weit über die fehlende Kontrollmöglichkeit und die Vorschläge, die Sie unterbreitet haben, hinaus. Die Probleme liegen primär in der geheimen Arbeitsweise des administrativen Verfassungsschutzes, bei dem Grundrechtsverletzungen und Ausforschung der Bürger zum Tagesprogramm gehören. Wir setzen dagegen einen Antrag, der den Verfassungsschutz den Bürgerinnen und Bürgern zurück überträgt, meine Damen und Herren. Unser Antrag enthält deshalb drei Schwerpunkte, ich möchte diese kurz benennen:

1. Demokratie lebt vom Bewusstsein und der Aktivität der Bürgerinnen und Bürger. Insofern ist der Schutz durch eine Behörde einzig und allein im Sinne der öffentlichen

Information, im Sinne eines Frühwarnsystems zu leisten. Eine solche Behörde kann durch die Einbeziehung externen wissenschaftlichen Sachverstands ihre Analysefähigkeit wesentlich verbessern und demokratisch nutzbringender gestalten. Deshalb ist der Geheimdienst als eine mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitende Behörde in eine wissenschaftlich arbeitende Stabsstelle in Landesverantwortung unter Einbeziehung von staatsfern arbeitenden Experten umzuwandeln, die eine offene Informationsbeschaffung, das heißt nachrichtendienstliche mittelfreie Informationsbeschaffung betreibt. Die neue Behörde arbeitet sozusagen als Politikberatungsinstrument und ihre Informationen stehen nicht nur einem Landtag oder einem Gremium zur Verfügung, sondern einer gesamten Öffentlichkeit.

2. An die Stelle der Parlamentarischen Kontrollkommission tritt ein wissenschaftlicher Beirat, der die Arbeit der umgewandelten Behörde begleitet und die bisherige Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz öffentlich nachvollziehbar aufarbeitet. Der Beirat soll sich dabei aus Vertretern der politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammensetzen.