Protokoll der Sitzung vom 07.09.2001

(Zurufe aus der PDS-Fraktion: Ja.)

Ich bitte, dies zu entschuldigen, das kommt in den besten Familien vor.

Wir haben Frau Dr. Meier zur Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann berufen, weil wir glauben, dass die konkrete Durchsetzung dieser Gleichberechtigung im Mittelpunkt stehen muss. In der Thüringer Landesverfassung und im Grundgesetz sind dazu klare Aussagen getroffen, die aber im Alltag vielfältig nicht umgesetzt sind. Ich glaube, dass zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben die Erfüllung des hier von diesem Parlament verabschiedeten Gleichstellungsgesetzes gehören wird. Natürlich bin ich bei der Berufung, verehrte Frau Kollegin Bechthum und verehrte Frau Kollegin Wolf, nach Gesetz und Recht vorgegangen. In der Thüringer Landesverfassung steht, dass der Ministerpräsident die Beamten ernennt und entlässt, im Falle von Staatssekretären mit Zustimmung des Kabinetts. Aber ich habe beispielsweise ausführlich über Zuständigkeit und Aufgabenstellung vor wenigen Tagen mit dem Landesfrauenrat gesprochen, wie es von dort gewünscht wurde und wie mir das auch selbstverständlich war. Mir ist unverständlich, wie man bei der Ernennung eines Staatssekretärs durch den Ministerpräsidenten von einem Alleingang reden kann, meine Damen und Herren, oder kritisch angemerkt wür

de, ich hätte mir das vorbehalten. Ja, Entschuldigung, meine Damen und Herren, wenn ich jemanden berufe, der nichts taugt, dann wird der Untersuchungsausschuss gegen mich eingesetzt, dass ich die Falsche berufen habe. Also behalte ich mir in der Tat vor, nicht nur verantwortlich zu sein, sondern auch die Auswahl zu bestimmen. Entschuldigung.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte ausdrücklich dem Gleichstellungsausschuss bescheinigen, dass er in einem schwierigen Feld tätig ist. Denn leider gibt es ja immer noch Leute, die bei diesem Thema schmunzeln und nicht den Ernst zeigen, den sie bei anderen Themen zeigen. Ich habe für die Arbeit des Gleichstellungsausschusses zu danken und ich glaube nicht, verehrte Frau Kollegin Bechthum, dass ich die Arbeit des Gleichstellungsausschusses und damit des Landtags wesentlich behindert habe. Ich habe mich mal kundig gemacht, der Gleichstellungsauschuss, der vorletzte, hat am 01.06.2001 getagt, da war Frau Bauer noch im Amt. Dann hat es eine lange Pause gegeben bis zum 31. August 2001. In der Zwischenzeit war die Behinderung nur schwer möglich, weil der Gleichstellungsausschuss aus bekannten Gründen nicht getagt hat. Auf dieser Sitzung am 31.08.2001 ist in der Tat die Landesregierung durch Herrn Staatssekretär Kaiser vertreten gewesen. Ich habe mir sagen lassen, er hat es so gut gemacht, dass eine Frau hinterher gefragt hat, ein Mitglied des Ausschusses, warum ich nicht Herrn Kaiser zur Frauenbeauftragten bestellt hätte.

(Heiterkeit im Hause)

Das habe ich in der Tat nicht. Das verbinde ich mit der Aussage, meine Damen und Herren, weil das ja hier alles nicht mit durchgehendem Ernst verfolgt wird, wenn ich etwa an die bemerkenswerten Vorwürfe an die Landesregierung durch Herrn Gerstenberger heute früh denke. Ich kann doch nicht am Freitag ankündigen, wen ich am Dienstag ernenne, wenn die Zustimmung des Kabinetts erforderlich ist. Ich habe die Achtung vor den zu beteiligenden Gremien zu wahren. Hier wird immer von Demokratie gesprochen, wenn man Zuständigkeiten am liebsten verändern möchte. Ich spreche von Demokratie auch in der Hochachtung vor der Zuständigkeit der einzelnen Verfassungsorgane. Und für die Ernennung von Staatssekretären ist eben das Verfassungsorgan Landesregierung zuständig. Aus diesem Grund habe ich selbstverständlich erst das Kabinett um seine Zustimmung gebeten und dann die entsprechende Bekanntmachung in der Öffentlichkeit veranlasst.

Ich wünsche mir, dass die neue Frauenbeauftragte nicht nur gute Arbeit leistet, sondern wirklich die Unterstützung aller erfährt, denen am Erfolg der Gleichstellungsbemühungen im Freistaat Thüringen gelegen ist. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen aus dem Hause sehe ich nicht. Die Landesregierung hat ja gerade durch Herrn Ministerpräsidenten Dr. Vogel gesprochen. Ausschussüberweisung wurde nicht beantragt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es kann ja sein, die Fraktion der SPD sieht ihren Antrag als erfüllt an durch die Worte des Ministerpräsidenten.

Das ist nicht der Fall, Sie wollen es dann schwarz auf weiß. Dann stimmen wir über den Antrag jetzt ab. Ach so, akustisch nicht. Abgeordnete Bechthum, es hätte sein können, Sie sehen den Antrag durch die Worte des Ministerpräsidenten als inhaltlich erfüllt an. Wie? Ist erfüllt. Sollen wir darüber abstimmen, wenn er erfüllt ist?

(Zuruf Abg. Bechthum, SPD: Ja, erfüllt!)

Dann ist er erledigt. Gut. Dann schließen wir mit der Feststellung der Erledigung dieses Antrags durch die Fakten, die uns genannt wurden, diesen Tagesordnungspunkt und kommen zum Tagesordnungspunkt 23

Gezielte und umfassende Aufklärung über Hilfsangebote für junge Frauen und Mädchen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/1742

Wird hier eine Begründung durch den Einreicher gewünscht? Ja? Bitte, Frau Abgeordnete Bechthum.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im April dieses Jahres gab der Minister für Soziales, Familie und Gesundheit, Herr Dr. Pietzsch, einen Bericht für die Landesregierung

Einen Moment, wir haben gerade einen wichtigen Punkt abgehandelt, auch dieser Punkt ist uns wichtig und wir folgen den Ausführungen mit Ruhe.

zu zwei Beschlüssen des Landtags vom Februar 2001 der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion: Stellungnahme der Thüringer Landesregierung zu Problemen der anonymen Geburt und Schutz von Mutter und Kind in Geburtskonfliktsituationen im Freistaat Thüringen. Nun hat Thüringen im Abstand von wenigen Wochen zweimal für Schlagzeilen gesorgt und sorgt auch zurzeit sehr intensiv für Schlagzeilen. In Sondershausen hat eine junge Frau ihr Kind allein zur Welt gebracht, es war keine Thüringerin,

und es nach der Geburt anscheinend getötet. In Behringen, im Wartburgkreis, hat eine 15-jährige Schülerin allein ein Kind zur Welt gebracht und es lebensbedrohlich verletzt, so dass es infolge der Verletzungen verstorben ist. Mit Entsetzen haben die Menschen in Thüringen darauf reagiert. In beiden Fällen wollen die Eltern, Großeltern, Angehörige nichts von einer Schwangerschaft gemerkt haben. Viele Frauen und Männer haben sich zu der Pressemitteilung der SPD-Fraktion, in der wir forderten, dass Hilfsangebote für schwangere Mädchen und junge Frauen mehr als bisher bekannt gemacht werden sollten, geäußert. Das betrifft insbesondere die Möglichkeit der anonymen Geburt und des Babykorbs in Erfurt. Wir hielten es deshalb für erforderlich, uns heute noch einmal im Landtag mit dieser Problematik zu befassen. Danke.

Damit eröffne ich die Aussprache und das Wort hat Frau Abgeordnete Wolf, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema ist ernst und das Thema ist wichtig und das Thema ist mir persönlich zu ernst und zu wichtig, um es nach der vorangegangenen Diskussion in der Weise hier im Plenum zu halten, deshalb werde ich meine Rede zu Protokoll geben. Danke.

Das ist sehr löblich. Das ist auch im Deutschen Bundestag mitunter üblich, im Bundesrat. Im Thüringer Landtag haben wir nach Geschäftsordnung diese Möglichkeit nicht, was ich persönlich sehr bedaure.

(Zuruf Abg. K. Wolf, PDS: Ich auch!)

Aber man kann sie sicher dem Gleichstellungsausschuss mit zur Beratung geben. Ja, machen wir es so? Gut, dann danke ich für die Kürze des Beitrags.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich bitte jetzt Frau Abgeordnete Tasch, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wir beraten heute den Antrag der SPD-Fraktion, Gezielte und umfassende Aufklärung über Hilfsangebote für junge Frauen und Mädchen, die Landesregierung wird aufgefordert, eine ständige Informations- und Aufklärungsinitiative über Hilfsangebote einzurichten. Die vorhandenen Hilfsangebote müssen umfassend bekannt gemacht werden, damit in Notsituationen auch Betroffene sie nutzen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, für mich ist dieser Antrag ein undurchdachter Schnellschuss, der sich meiner Meinung nach nur sehr oberflächlich mit der Problematik befasst. Was ich persönlich auch als schlimm empfinde, ist im Antrag in der Benennung die alleinige Formulierung "Hilfsangebote für junge Mädchen". Hier wird wieder einmal suggeriert, dass Mädchen allein dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie ungewollt schwanger werden. Gerade dem, Frau Bechthum, treten wir entgegen und das hätte in die Formulierung mit hineingehört. Denn wir dürfen doch aus der Diskussion keinesfalls die jungen Männer herauslassen. Sie sind mit verantwortlich, wenn junge Mädchen ungewollt schwanger werden.

(Unruhe im Hause)

Auch sie müssen informiert sein und in die Lage versetzt werden, wenn sie Verantwortung übernehmen müssen oder sollen. Nicht erst, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn sprichwörtlich - wie man so schön sagt - das Kind in den Brunnen gefallen ist, muss Hilfe und Aufklärung beginnen, sondern weit vorher. Das Engagement der weiblichen Abgeordneten hier im Parlament, sich verstärkt dieser Problematik anzunehmen, hat dazu geführt, dass das Projekt "Ausweg" der Caritas ins Leben gerufen wurde und im Nachgang dazu sich im Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit eine Projektgruppe zur Schaffung von Hilfsmöglichkeiten für schwangere Frauen einschließlich anonymer Geburt gegründet hat, in der alle mit dem Thema Befassten mitarbeiten. Auch Mitarbeiterinnen von Schwangerschaftsberatungsstellen, die ja ganz nah an diesem Problem sind, arbeiten dort mit und das halte ich für sehr wichtig. Diese Projektgruppe hat nun die Möglichkeit in aller dafür notwendigen Solidität, Ruhe und Zeit eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, zu analysieren und zu überlegen, ob die Formen der Aufklärung und Hilfe für junge Menschen in der Schule, im Elternhaus, in Jugendeinrichtungen auch den Ansprüchen der jungen Erwachsenen überhaupt entsprechen. Richtet sich unser Schwerpunkt von Aufklärung nicht allein darauf, wie wird verhütet, sondern ist nicht Aufklärung mehr und sollten wir dort anfangen? Methoden zur Empfängnisverhütung sind den meisten Jugendlichen bekannt. Aber nach wie vor herrscht in diesem Bereich eine große Sprachlosigkeit, Unsicherheit und auch Unwissenheit unter jungen Menschen. Unsere Aufgabe muss es sein, junge Mädchen und Männer stark zu machen und sie in der Zeit des Erwachsenwerdens zu begleiten, ihnen zu helfen und sie zu befähigen, verantwortlich mit Sexualität umgehen zu lernen. Dies wird nicht in einer Kompaktlösung möglich sein, sondern wir müssen die vielen Facetten des Lebens einbeziehen. Es muss ein fließender Prozess sein, der sich vor allem an den Bedürfnissen der jungen Menschen orientiert und nicht immer aus unserer Sicht, aus der Sicht von Erwachsenen, die es ja oft sehr gut meinen und glauben, zu wissen, was jungen Menschen gut tut.

Warum nutzen wir nicht die Projektgruppe, die vielen guten Ansätze im Land zusammenzutragen, auf den Prüfstand zu bringen, Gutes zu verfestigen und Schwachstellen zu beseitigen. Kurzfristig initiierte Kampagnen auf Hochglanzbroschüren verpuffen, sie erreichen junge Menschen nicht. Das ist uns zu wenig. Wir wollen Lösungen mit Substanz, deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bechthum, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag meiner Fraktion wurde bewusst sensibel formuliert, auch die Begründung dazu. Ich kann hier meiner Kollegin Frau Wolf nur Recht geben, die Sache ist viel zu Ernst, man kann hier nur pragmatisch handeln. Aber ich denke, wir müssen trotzdem darüber reden. Dieses hohe Haus war stolz, dass sich alle drei Fraktionen im Februar dieses Jahres äußerst sensibel mit der Problematik der anonymen Geburt und der Babyklappe, Babykorb auseinandersetzten. Hier wollte und konnte sich keiner als Sieger in der Debatte sehen. Wir waren uns auch fraktionsübergreifend einig nach einer emotional geführten Debatte, dass der Minister für Soziales, Familie und Gesundheit im April einen Bericht der Landesregierung zu den Anträgen von CDU und SPD, a) Schutz für Mutter und Kind in Geburtskonfliktsituationen im Freistaat Thüringen und b) Stellungnahme der Thüringer Landesregierung zu Problemen der anonymen Geburt geben wird. Ich habe die Protokolle der Debatte vom Februar und den Bericht des Ministers vom April nochmals herangezogen. Im Februar hatte ich für meine Fraktion in der Begründung des Antrags zur Stellungnahme der Landesregierung, Prof. Hoyme, Leitender Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums Erfurt, zitiert. Ich zitiere: "Die Alternative nichts zu tun steht aber heute nicht mehr, da man uns spätestens nach der nächsten Kindstötung fragen wird, was wir präventiv unternommen haben."

Am 20. Februar 2001 hat Professor Hoyme den ersten Babykorb in Thüringen, ähnlich der Babyklappe in Hamburg, an der Erfurter Frauenklinik, vorgestellt, eingeweiht und gleichzeitig die Möglichkeit der anonymen Geburt in der Klinik bekannt gegeben. In seinem Bericht vom April hat der Minister Dr. Pietzsch das enge Netz von Hilfs- und Beratungsangeboten, wie es in Thüringen besteht, nochmals benannt, 34 Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die Landesstiftung Nothilfe für die Familie, Hilfe für die schwangere Frau in Not, 12 Einrichtungen zur Unterstützung für Mädchen und junge Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt mit

51 Plätzen, Telefonseelsorge, 41 Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, Kinderschutzdienste, Frauenhäuser, Frauenschutzwohnungen, ein Netz, auf das wir stolz sein können. Aber dann sagte der Minister entscheidende Sätze - ich zitiere: "Auf der einen Seite soll das Thema 'Anonyme Geburt' und 'Babykorb', so wie es in Erfurt besteht, jeder Frau bekannt sein, wenn sie in eine solche Situation kommt. Auf der anderen Seite möchte ich nicht dafür Werbung betreiben. Denn das ist eine Maßnahme, die nur im äußersten Notfall greifen soll. Werbung für dieses wäre sicherlich das Falsche, aber Werbung für das, was wir bereits an prophylaktischen Maßnahmen und an Unterstützungsmaßnahmen in Thüringen haben, dafür mache ich gern Reklame und da bitte ich Sie herzlich, auch diese Reklame weiterzutragen."

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beiden toten Babys der letzten Wochen zeugen davon, dass das ein Trugschluss war, eine fatale Fehleinschätzung. Es ist richtig, Herr Minister, Sie und Ihr Haus haben einiges für die Möglichkeit der anonymen Geburt in Thüringen unternommen. Alle Thüringer Kliniken mit geburtshilflichen Abteilungen sind angeschrieben worden, anonyme Geburten durchzuführen. Herr Minister, Sie haben im April angekündigt, eine Projektgruppe zu gründen, die ihr Augenmerk verstärkt auf die Möglichkeiten der Beratung legen sollte. Mich interessiert es ganz einfach, weil man so wenig darüber hört. Was hat diese Projektgruppe bis jetzt konkret unternommen? Wie arbeitet sie? Wer gehört dazu? Der Hinweis meiner Fraktion im Februar schon, die anonyme Geburt aus Mitteln der Stiftung Nothilfe für die Familie, Hilfe für schwangere Frauen in Not Thüringen zu finanzieren, ist von Ihrem Haus auch aufgenommen und umgesetzt worden. Im Juni 2001 hat sich der Stiftungsrat, dem ich angehöre, mit einem Eckpunktepapier zur Finanzierung von Kosten der anonymen Geburt befasst und beschlossen, sie zu tragen. Das ist nur zu begrüßen. Aber, Herr Minister, Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, diese Alternative der anonymen Geburt und des Babykorbs bewusst vernachlässigt zu haben, das heißt, ihn nicht entsprechend in der Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Leider sind Ausdrücke, wie Reklame machen und werben, negativ besetzt. Die Enquetekommission des Thüringer Landtags "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen" hat sich sehr intensiv mit der anonymen Geburt und dem Babykorb befasst. Ich hatte bereits im Februar daraus zitiert - ich zitiere noch einmal: "Das Angebot der anonymen Geburt wird als ein wirksamer Bestandteil flankierender Maßnahmen zur Verhinderung von Schwangerschaftsabbruch, Kindesaussetzung und Kindestötung angesehen,...", und jetzt kommt neu dazu, "... es ist deswegen zu fördern." Das wird auch in dem Abschlussbericht stehen. Dieser letzte Satz ist bereits aus dem Positionspapier der Enquetekommission für den Abschlussbericht.

Es ist tragisch, wenn neu geborene Kinder getötet werden, während andererseits die Zahl der Bewerber, die ein Kind adoptieren möchten, ansteigt. Auf jedes zur Adoption

freigegebenes Kind kommen acht Bewerber. Auch hier ist Aufklärungsarbeit nötig, dass Adoption nichts Unmoralisches ist.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hätte diese Empfehlung ernster nehmen sollen. Für diese Alternative hätte geworben werden müssen. Vielleicht hätte Ihr Haus, Herr Minister, in Verbindung mit der Arbeit der Projektgruppe Kontakte zu bestehenden Trägern oder Vereinen, z.B. dem Sternipark e.V. Hamburg, Initiator der ersten Babyklappe der BRD, aufnehmen sollen, um deren Erfahrungen kennen zu lernen. Ich habe das im August nach diesen Fällen getan. Wir haben mit dieser Beratungsstelle und auch der Projektgruppe Kontakt aufgenommen in Hamburg zur anonymen Geburt und zur Babyklappe und haben Folgendes dazu erfahren: Es ist eigens eine Person für Öffentlichkeitsarbeit eingestellt und die bemüht sich um eine ständige Präsenz des Vereins in der lokalen Presse. Das Notruftelefon wird in den Medien immer und immer wieder veröffentlicht und die Notrufnummer ist bundesweit geschaltet, so dass aus allen Bundesländern im Sternipark Hilfe erhalten werden kann. Frauen können bis zur Entbindung anonym Wohnmöglichkeiten in Anspruch nehmen, die Finanzierung des Vereins erfolgt ausschließlich aus Spendengeldern. Für Ausländerinnen ich wurde auch schon von Ausländern angerufen, was können wir für die tun - ist die Regelung getroffen, sie und ihr Kind dürfen bis sechs Monate nach der Geburt in Deutschland bleiben, die Kosten bezahlt das Sozialamt.

Meine Damen und Herren, die aufgezählten Hilfsangebote haben wir eigentlich alle in Thüringen, es fehlt nur die Aufklärung, eine gewisse Art Werbung dafür. Nach dem Fall in Behringen hat die Landesregierung reagiert. Ich habe den Beitrag dann im MDR abends gesehen, Herr Pietzsch, Sie hatten sich dazu geäußert. Es muss mehr Öffentlichkeit hergestellt werden und auch besonders in Schulen, es wurde auch das Angebot von Professor Hoyme, vor Schulamtsleitern/-leiterinnen über diese Problematik zu sprechen, vom Kultusminister aufgenommen. Das wurde als sehr positiv eingeschätzt. Das ist ein erster Schritt und auch ein richtiger Schritt. Auch Erfurt hat eine Notrufnummer, sie lautet 0361/7814142. Caritas, Diakonie, Frauenklinik und andere bemühen sich um die regelmäßige Veröffentlichung dieser Nummer. Die Landesregierung hätte sicherlich noch mehr Möglichkeiten dazu. Die TLZ veröffentlicht ziemlich regelmäßig diese Nummer. Es muss aber in ganz Thüringen bekannt gemacht werden. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln muss auf die Hilfsangebote für junge Mädchen und junge Frauen - Sie sagten, Frau Tasch, die Männer sind auch betroffen. Natürlich weiß man das. Aber wer trägt es denn dann? Es sind vor allem die jungen Frauen und die Mädchen, die kontinuierlich darauf hingewiesen werden müssen. Das Sozial- und Kultusministerium sind hier besonders gefordert.

Meine Damen und Herren, Besorgnis erregend für Thüringen und nicht nur für mich, ist die Mitteilung des

Statistischen Bundesamts, Sie haben sie bestimmt auch gelesen über die hohe Zahl schwangerer Mädchen, Schülerinnen unter 18 Jahren, dass ca. 200 Kindermütter jährlich in Erfurt registriert werden und davon 8 bis 12 Prozent 15 Jahre und jünger sind. Erst vor einigen Tagen, Professor Hoyme hatte mir das gesagt, hat eine 12-Jährige eine Frühgeburt in der Klinik gehabt. Am Sonntag habe ich in Hoheneiche erfahren, ich war dort zu einer Veranstaltung der evangelischen Kirche eingeladen, mir sagte ein 13-jähriges Mädchen, aus einem Dorf hat eine 11-Jährige ein Kind entbunden. Ich sagte, habt ihr denn in der Schule oder irgendwo darüber gesprochen? Nein, das wurde verschwiegen, so eine Decke, man redet nicht. Das ist nicht in Ordnung. Vielleicht haben wir jetzt den Anlass, es öffentlich zu machen. Wenn es nun schon zur Schwangerschaft und zur Geburt kommt, natürlich müssen diese jungen Mütter dann auch ganz besonders betreut werden, vorbereitet werden auf die Geburt und vielleicht auch nach der Geburt. Es ist schön, dass sich hier in Erfurt Frau Lohaus von der Evangelischen Stadtmission Schwangerenberatungen gefunden hat und diese Gruppe gebildet hat. Eine 18-Jährige mit einem 5-jährigen Kind hat dazu Stellung genommen, Sie wissen davon, es war in allen Zeitungen. Wenn in einem Elternhaus die Kinder und Jugendlichen schon nicht Sexualerziehung genießen, erfahren oder über Verhütung und über die Verantwortung, die mit der Geburt eines Kindes zu tragen ist, aufgeklärt werden, dann sollte eigentlich die Schule hier ihren Erziehungsauftrag vordringlich sehen. Sicherlich, auf die Schule kommt so viel, aber Sie wissen selbst, die Schule ist die einzige Einrichtung, die eigentlich nach dem Elternhaus am häufigsten mit den Kindern zu tun hat, die Mädchen und Jungen auch erlebt. In Gesprächen mit Schülerinnen wurde mir bestätigt, dass die Schule aktiver sein könnte und auch müsste. Viele minderjährige Mütter schaffen es nicht, die Verantwortung dann zu tragen und sie bereuen es häufig, dass sie sich für das Kind entschieden haben. In diesem Mutter-Kind-Heim wird oft ein Kind zurückgelassen, weil die jungen Mütter einfach überfordert sind. Es nützt eben nichts, wenn das Sozialministerium hierauf auch reagiert und sagt, wir haben das flächendeckende Beratungssystem, ein Telefon in Not, wenn die Informationen nicht ankommen, das ist unser größtes Problem.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Vor dem Erfurter Landgericht findet zurzeit eine Familientragödie statt. Es läuft der Prozess zu den drei getöteten Babys aus Großrudestedt. Am Montag, am 3. September, ich hatte es auch aus der Zeitung erfahren, erlebte ich die Zeugenvernehmung der Mutter der Angeklagten - der Vater hat die Aussage verweigert - und auch des Vaters des ersten Kindes und des ersten getöteten Babys. Ich muss Ihnen sagen, es war das Makabere daran, dass im Grunde dieser Fall, wer hätte das gedacht, dass man damit in Berührung kommt, im Grunde das bei uns alles angeschoben hat hier, und in der Verhandlung, ich fand das gut, der Richter Pröbstel, er hat mich sicherlich da auch irgendwie erkannt, sprach dann die Mutter auch an: "Glauben Sie denn,

wenn es die anonyme Geburt, den Babykorb gegeben hätte, hätte Ihre Tochter das Kind abgegeben?" Die Mutter sagte dann: "Ich glaube nicht, wenn sie das Kind angesehen hätte, hätte sie es behalten." Sie sagte, ihr letztes Kind, das jetzt ein Jahr alt ist, die haben das dann beobachtet, das hat sie nach der Geburt nicht aus den Händen gegeben, nicht einmal jemandem zum Halten. Es war mit vielen Tränen verbunden, es war eine Tragödie für alle, dieses mitzuerleben. Aber in der Pause sprach ich mit der Mutter, wie sie das nun sieht. Sie hat sich dann sehr dafür interessiert und sie sagte, zwei Tage, nachdem meine Tochter verhaftet worden ist, habe ich durch die Zeitung und durch die Presse erfahren, dass das erste Kind im Babykorb abgelegt worden ist. Sie als persönlich Betroffene sagt, sie begrüßt, dass es diese Möglichkeit, diese Alternative gibt. Auch Richter Pröbstel versicherte mir als ich ihn fragte, wir reden jetzt im Landtag darüber, finden sie es richtig als Alternative und er hat das bestätigt, er sagt, es ist gut, dass es diese Alternativen gibt, aber sie müssen publik gemacht werden.

Ich denke, mit diesem Satz, meine Damen und Herren, ist eigentlich alles gesagt. Ich möchte im Namen meiner Fraktion eine Erweiterung unseres Antrags vorschlagen, dass die Landesregierung vielleicht bis Mai 2002 einen schriftlichen Bericht über die Öffentlichkeitsarbeit zur anonymen Geburt, zum Babykorb in Thüringen gibt und informiert und dass wir dann doch vielleicht alle etwas dazu beitragen können, noch mehr die Hilfsangebote in Thüringen zu verbreiten. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)