Protokoll der Sitzung vom 09.11.2001

Begründung durch die einreichende Fraktion wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Es hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Nitzpon, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Antrag der CDU-Fraktion "Verkehrssicherheit in Thüringen weiter verbessern" ist der erste Satz so formuliert: "Trotz sinkender Unfallzahlen bleibt die Erhöhung der Verkehrssicherheit in Thüringen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ersten Ranges." Wenn also in diesem Antrag von sinkenden Unfallzahlen gesprochen wird, dann entspricht das nur formal dem Zahlenmaterial. Die analytischen Materialien vermitteln gegenüber dieser Gesamteinschätzung allerdings ein sehr differenziertes Bild, zum Beispiel die monatlichen Schwankungen im Unfallgeschehen. Bei insgesamt bis August gesunkenen Verkehrsunfällen ist im Monat August eine Zunahme um 68 Unfälle gegenüber dem Vergleichsmonat im Jahr 2000 zu verzeichnen. Bei insgesamt gesunkenen Unfällen mit Getöteten und Verletzten ist im Monat Juli eine Erhöhung der Anzahl der Unfälle mit Getöteten um 12 und im August eine Erhöhung der Unfälle mit Verletzten um 30 gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahrs eingetreten. Die Anzahl der verunglückten Personen lag trotz eines insgesamten Rückgangs um 100 Personen allein in den Monaten Juli und August über der Größe der Vergleichsmonate des Vorjahrs.

Die Entwicklungen, meine Damen und Herren, verlaufen also nicht linear, sondern differieren monatlich sehr stark. Wir können heute nicht automatisch schlussfolgern, wie derzeit im 2. Halbjahr des Jahres 2001 die Statistik am Ende des Jahres gegenüber dem Jahr 2000 aussehen wird. Wenn ich mir allerdings persönlich die Meldungen der letzten zwei Wochenenden anschaue, muss ich leider vermuten, dass die Statistik dies in die Höhe treiben wird. Feststellbar ist in Auswertung statistischer Unterlagen aber auch, dass Unfälle aus überhöhter Geschwindigkeit vor allen Dingen zunehmen und dass die Unfälle insgesamt nach Kreisen, wenn man kurzfristige Vergleiche zieht - ich sage noch mal die Monate Juli/August 2001 -, im Eichsfeld um 38 Prozent zugenommen und im Saale-Holzland-Kreis um 13,8 Prozent abgenommen haben.

Meine Damen und Herren, ich könnte hier auch noch die analytischen Werte zu Übermüdungen von Fahrzeugführern, den Einfluss berauschender Mittel, den Straßenzustand, die Tage und die Tageszeiten mit Unfallhäufungen und die Altersstruktur von Unfallverursachern nennen. Ich verzichte darauf, denn für mich ist jeder Unfall ein Unfall zu viel. Jeder Unfall mit Personenschaden bringt persönliches Leid. Jeder Unfall mit Sachschaden bringt materiellen Verlust. Deshalb sind alle Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, meine Damen und Herren, auch von unserer Fraktion ausdrücklich zu begrüßen.

Ich kann feststellen, dass die genannten Maßnahmen, die Sie in 16 Punkten aufgeschrieben haben, bei ihrer Durchsetzung zur weiteren Einflussnahme auf die Entwicklung des Verkehrsunfallgeschehens durchaus beitragen werden. Dass sich die genannten Maßnahmen prinzipiell aus eben der Analyse der statistischen Materialien zu Verkehrsunfällen in Thüringen herleiten lassen, zeigt dieser Antrag auch, und sie sind natürlich notwendig.

Aber, meine Damen und Herren, das muss ich Ihnen auch sagen, Ihre 16 Maßnahmen sind keine neuen Erkenntnisse. Ich bin der Überzeugung, dass diese 16 Maßnahmen, die Sie vorschlagen, für die Landesregierung auch keine neuen Vorschläge und Maßnahmen darstellen. So pauschal wie Ihre 16 festgeschriebenen oder aufgeschriebenen Maßnahmen sind, so pauschal, denke ich, kann dieser Antrag hier im Thüringer Landtag nicht beschlossen werden. Aus der Sicht meiner Fraktion, der PDS-Fraktion, wäre es zu den einzelnen Vorschlägen wünschenswert, wenn im Zusammenhang mit der weiteren Beratung des Antrags in verschiedenen Ausschüssen - ich komme noch dazu - Erfahrungen und Ergebnisse einzelner bestimmter Maßnahmen analysiert und beraten werden könnten, und natürlich, wenn diese 16 Maßnahmen im Detail untersetzt werden. Damit könnte auch die Notwendigkeit dieser vorgeschlagenen Maßnahmen modifiziert werden.

Ganz besonders, möchte ich sagen, ergibt sich für Punkt Nr. 15 Ihrer Vorschläge, für die Schaffung von gesetzlichen Regelungen auf die Begrenzung der Führerscheine für eine bestimmte Personengruppe, Diskussionsbedarf

meiner Fraktion. Deshalb schlage ich namens meiner Fraktion auch vor, Ihren Antrag zu überweisen an den Innenausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik, den Justizausschuss, aber auch den Ausschuss für Bildung und Medien, denn Sie haben in Punkt Nr. 12 vor allen Dingen auch die Buslinien mit besonders hohem Schüleranteil und der mangelnden Disziplin aufgeführt. Sie haben selbst - ich weiß nicht, warum die Diskussion jetzt in diese Richtung geht - auch in Punkt Nr. 14 Angebote für die Verkehrserziehung aufgeschrieben. Ich denke, dort kann der Ausschuss für Bildung und Medien einen besonderen Teil leisten und diese Maßnahmen konkreter untersetzen.

Ich bitte, dass dieser Antrag wirklich an diese Ausschüsse überwiesen werden wird, denn ich denke, alle diese Ausschüsse sind inhaltlich gefragt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Lippmann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde mich jetzt ungesäumt für Ihre Aufmerksamkeit bedanken können, denn es dauert nicht lange.

(Beifall bei der CDU)

Klatschen Sie ruhig oder klopfen Sie ruhig. Da fällt mir noch ein schöner Gag ein. Zu DDR-Zeiten fuhren Postautos gelegentlich mit dem Schild rum "Wir Postler steigern den Pakettransport noch stärker als bisher". Auf diesem Niveau ist dieser Antrag. Bei diesem Antrag der CDU-Fraktion ist einzig und allein der Anlass dafür ernst zu nehmen, nämlich die Besorgnis erregende Anzahl von Verkehrsunfällen auf Thüringer Straßen, vor allen Dingen bei Jugendlichen. Ich rate jedem Verkehrsteilnehmer, sich sorgfältig diese Vorschläge anzusehen, zu lesen und hinter jeden verfügbaren Spiegel zu stecken; das hilft.

Substanz bei diesen 16 Punkten, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben allenfalls die Punkte 9 und 15. Darauf gehe ich vorsorglich nicht ein. Ich befürchte, dass dieser hervorragende Antrag sogar an Ausschüsse überwiesen wird. Alle anderen Punkte hier sind von einer Besorgnis erregenden Plakativität und Naivität.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe noch einen Vorschlag dazu an der Hand. Sie hätten schreiben können in Punkt 17: "Verkehrszeichen sind in Abhängigkeit von der gebotenen Eile der Verkehrsteilnehmer von diesen auch weiterhin gelegentlich anzunehmen." Das hätten Sie auch schreiben

können, das wäre genau derselbe Effekt gewesen.

Dieser Antrag ist ein Witz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und ich schäme mich, dass hier möglicherweise dieser Antrag auch noch an Fachausschüsse überwiesen wird.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dieser Antrag aus der Denkfabrik Thüringen kommt, dann sind wir verloren. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Abgeordneter Kallenbach zu Wort gemeldet.

(Heiterkeit bei der SPD)

Man weiß nicht, ob man jetzt in eine Polemik verfallen soll, oder ob man das ins Lächerliche ziehen soll, auf jeden Fall ist es niveaulos, was eben mein Vorredner hier geboten hat.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist ein sehr ernstes Thema - die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Sie alle kennen die Meldungen, die tagtäglich in den Zeitungen stehen und ich behaupte einmal, sie alle kennen es auch aus Ihrem persönlichen Umfeld oder auch gar aus Ihrem familiären Umfeld, was sich aus Verkehrsunfällen entwickeln kann und wie viel Leid und Tragik in solchen Situationen liegt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Nur Kollege Lippmann scheint es nicht zu wissen. Ich will schon ganz kurz auf einige wenige Fakten hier an der Stelle eingehen. 1995, um das einmal als Ausgangsbasis zu nehmen, gab es immerhin 75.893 Verkehrsunfälle in Deutschland, im letzten Jahr waren es noch 72.428 und die Anzahl der Getöteten ging von 410 auf 324 Unfälle zurück. Das ist eine positive Entwicklung, aber immer noch sind es sehr hohe Zahlen. Kollege Lippmann, was wir mit diesem Antrag erreichen wollen, ist eine breite Diskussion von Vorschlägen, wie man die Verkehrssicherheit in Thüringen weiter verbessern kann, im Landtag und auch darüber hinaus. Es soll nicht irgendwie eine kurzfristige Kampagne entfacht werden, sondern unseres Erachtens - wir haben uns nämlich sehr ernsthaft und über viele Wochen mit diesem Thema in unserer Fraktion befasst - ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich mit diesem Thema intensiv zu befassen, und zwar aus Sicht des Gesetzgebers, aus Sicht der Landesregierung. Die Polizei beschäftigt sich natürlich jeden Tag intensiv damit, aber auch in den Schu

len ist es ein Thema, in den Straßenbaubehörden, in den Straßenverkehrsbehörden, den Ordnungsbehörden, der Justiz und den Verbänden. Da nenne ich vor allen Dingen die Thüringer Verkehrswacht, die sich sehr intensiv ehrenamtlich seit langem fast flächendeckend in Thüringen damit beschäftigt. An der Stelle herzlichen Dank für die vielen ehrenamtlichen Aktivitäten der Verkehrswacht in Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens ist kürzlich der erste Preis einer Ausschreibung der Verkehrswacht Deutschland insgesamt an die Verkehrswacht in Suhl gegangen. Das macht deutlich, dass in Thüringen, und hier in dem Fall in Suhl, sehr intensiv an diesem Thema ehrenamtlich gearbeitet wird. Ziel muss es natürlich sein, immer differenziertere Sicherheitskonzepte zu erarbeiten. Aber das nützt alles nichts, wenn sich die Verkehrsteilnehmer nicht sehr diszipliniert oder wenigstens disziplinierter im Straßenverkehr tagtäglich verhalten. Das ist zu erreichen durch Prävention, aber notfalls auch durch Bestrafung, denn bei manchen hilft es nicht anders.

Wo stehen wir nun in Thüringen?

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Wo stehen wir?)

Ach, Kollege Pohl, ich meine in eurem Ausschuss ist doch das nun auch ernsthaft zu behandeln und da sprechen solche Zwischenrufe nicht sehr für den Zwischenrufer. Die Zahl der Getöteten und Verletzten ist inzwischen auf ein relativ niedriges Niveau auf Bundesebene herabgesunken. Im letzten Jahr sind die Zahlen um 3,3 Prozent gesunken, in Thüringen immerhin um 6,7 Prozent. Die Zahl der getöteten Personen ist um 3,7 bzw. 3,6 Prozent in Deutschland und in Thüringen gefallen. Aber wie ist es nun in Relation zu sehen? Lassen Sie mich diese Zahlen noch als Letztes hier sagen in Bezug auf statistische Werte. Der Bezug ist 1 Mio. Einwohner in Deutschland, 91 Getötete auf 1 Mio. Einwohner. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 204 Getötete und in Thüringen 132. Das heißt, wir liegen leicht unter dem Durchschnitt in den neuen Bundesländern. Aber, meine Damen und Herren, das kann uns nicht zufrieden stellen. Wir müssen an diesem Thema intensiv weiterarbeiten. Nur wenn wir uns auch im Detail - ich erwarte, dass man sich dieser Mühe unterzieht - mit diesem Thema beschäftigen, können wir auch Erfolge verbuchen.

(Beifall Abg. Althaus, CDU)

Ich erspare Ihnen die Mühe, dass ich jetzt auf alle 16 Punkte im Einzelnen eingehe.

(Beifall bei der CDU)

Aber eins lassen Sie mich schon noch sagen: Nur zu dem Thema über Fifty-Fifty-Taxi zu reden, und auch das passiert sehr lustlos, das merkt

(Beifall bei der CDU)

man in den Diskussionen, nur das Thema auf diesen Gedanken zu reduzieren, damit wird man sehr, sehr wenig erreichen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen?)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Nitzpon will die stellen. Frau Nitzpon, bitte schön.

Herr Kallenbach, vielleicht können Sie uns trotzdem noch einmal den Punkt Nr. 15 erklären, wo ich auch nicht weiß, wie der denn zu handhaben ist, den wir gern im Ausschuss besprochen hätten, wie Sie sich das vorstellen.

Ich wollte eigentlich jetzt nicht auf alle Punkte eingehen, auch nicht auf Punkt 15, aber wenn Sie es wollen. Ich glaube nur, wenn wir das jetzt sehr intensiv diskutieren, Kollegin Nitzpon, dann haben wir bald nicht mehr allzu viele Zuhörer hier im Saal, das ist zu befürchten. Nur so viel, die letzten drei Punkte sind Themen, die auf Bundesebene zu entscheiden sind. Ich denke schon, dass es sich lohnt, hier auch in Thüringen darüber zu reden und gegebenenfalls auch Bundesratsinitiativen daraus zu entwickeln. Eins ist ganz klar, die Unfallzahlen der 18- bis 24-Jährigen sind extrem hoch, sie machen nämlich 31 Prozent der gesamten Unfallzahlen aus, obwohl der Bevölkerungsanteil nur 9 Prozent beträgt. Da haben wir überlegt, was wir für diese Altersgruppe tun können und das steht hier in Punkt 15.

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, dass wir im Plenum die Diskussion für heute beenden und ich beantrage namens der CDU-Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik, an den Innenausschuss und an den Justizausschuss. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage von Frau Bechthum?

Ja, von Frau Bechthum natürlich auch.