Protokoll der Sitzung vom 09.11.2001

Wirtschaftspolitische Initiativen des Freistaats Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/1952

Die einreichende Fraktion hat keine Begründung gefordert und ich sehe, dass auch die Wirtschaftspolitiker jetzt alle in den Saal gekommen sind. Ich habe schön langsam gesprochen. Demzufolge rufe ich in der Aussprache als ersten Redner den Abgeordneten Ramelow, PDS-Fraktion, auf.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich wollte mit einem viel zitierten Zitat der letzten Tage beginnen in abgewandelter Form: Es gibt tausend gute Gründe, rechtzeitig über die lahmende Konjunktur zu reden und es gibt auch tausend gute Arbeitsplätze, die drohen verloren zu gehen und es gibt tausend Gründe, gemeinsam vernetzt diese Arbeitsplätze zu verteidigen und dafür zu sorgen, Tausende von Arbeitnehmern davor zu schützen, hier in Thüringen ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Ich will ein paar aufzählen, weil ich glaube, dass das, was wir wirtschaftspolitisch jetzt erleben, jenseits von jeder parteipolitischen Auseinandersetzung hier in Thüringen auch eine Dimension bekommt, wo wir aus der Substanz Arbeitsplätze verlieren. Ich will jetzt gar nicht die einzelnen Dinge bewerten und mit Schuldzuweisungen versehen, aber die Entwicklung um Graf Henneberg ist durchaus offen. Wenn es gut geht, sind es nur 75 Arbeitsplätze, die verloren gehen, so schlimm das für die 75 ist. Das hätte aber noch eine Hoffnung auf die Zukunft des Standortes. Wo ich schon durchaus mehr Sorgen habe - und ich hoffe, dass der Herr Wirtschaftsminister noch ein paar Ausführungen dazu macht - ist Reemtsma in Nordhausen, weil das hochmoderne Arbeitsplätze sind, die aus ganz anderen Gründen hier verloren gehen, aber das bedeutet: Nordhausen ohne Tabak. Jetzt bin ich Nichtraucher, jetzt könnte ich mich als Nichtraucher darüber freuen, aber als Wirtschaftspolitiker macht es mir große Sorgen, dass solch hochmoderne Arbeitsplätze verloren gehen. Bei der Gothaer Brauerei hoffe ich, dass die Initiativen, die ergriffen worden sind, ausreichend sind, die Gothaer Brauerei zu behalten. Das wäre sehr gut. Ich habe gesehen, es gab eine ganze Reihe von Initiativen der CDU, wo ich nur sage, jawohl, so, denke ich, muss man sich um jeden einzelnen Betrieb bemühen - hoffentlich gelingt es. Das Bahnbetriebswerk Erfurt wird geschlossen. Das ist eine katastrophale Entwicklung. Der Wirtschaftsausschuss, Teile davon, haben sich Bahnbetriebswerke in anderen Ländern angeschaut und

haben gesehen, wie man es machen kann. Wir haben gemeinsam gesehen, dass es andere Lösungswege gibt, mit den Bahnbetriebswerken hier in Deutschland wird ein anderer katastrophaler Weg, wie ich finde, gegangen. Die Privatbanken liften zurzeit ihr Geschäftsstellennetz, alles hochmoderne, gut ausgestattete Arbeitsplätze, hochqualifizierte Leute. Selbst wenn die Privatbanken dafür sorgen, dass keiner von denen entlassen wird, fehlt jeder dieser Arbeitsplätze. EUROCRON Seebach verlagert jetzt seine Arbeitsplätze, 105, nach China. Der Betriebsrat hat angekündigt, ein Alternativgutachten anfertigen zu lassen. Hoffen wir, dass es gelingt, dort noch eine Diskussion hinzubekommen. Deuna-Zement, eine Ofenlinie wird stillgelegt, das ist so der Kompromiss, dass nicht das ganze Werk stillgelegt wird, aber immerhin sind es 130 Arbeitsplätze, die verloren gehen. Mühl Produkt & Service, ein sehr erfolgreicher Baustoffhändler, hat jetzt angekündigt, zumindest 30 Arbeitsplätze in Thüringen abzuschaffen. Bosch und Siemens im Eichsfeld überlegen, ob sie das Eichsfeld verlassen. Die Firma Ibscher in Hildburghausen, Fensterbau, schließt, geht nicht in Konkurs, weil sie sagen, sie wollen sich auf anständige Art vom Markt verabschieden, auch von ihren Mitarbeitern verabschieden, aber es ist eben ein Abschied von 100 Arbeitnehmern und für die Region ein schwerer Schlag.

Eine Bemerkung in dem Zusammenhang will ich auch noch machen: Kolleginnen und Kollegen des Wirtschaftsausschusses, wir haben beim Vergabegesetz lang und intensiv geredet über das Thema "billigst ist nicht best". Jetzt gibt es eine Ausschreibung und einen Zuschlag - beide zuständigen Minister sind hier -, bei denen ich mich sehr gewundert habe, nämlich die Ausschreibung der Stromversorgung aller landeseigenen Liegenschaften, aller landeseigenen Behörden/Institutionen. Dort soll die TEAG gemeinsam mit den Stadtwerken ein Gebot abgegeben haben und 10 Mio. kWh gehen jetzt für den Bereich Stadtwerke und TEAG verloren. Es soll nicht einmal ein Bietergespräch gegeben haben. Die Ausschreibung soll so gewesen sein, dass sie ausschließlich auf den Preis gemünzt war. Es sollen regionale Auswirkungen zu verspüren sein bei der Entwicklung, dass in Ilmenau bis zu 25 Prozent der dortigen Kapazität der Stadtwerke negativ tangiert seien. Wenn es stimmt, dass in diesem Zusammenhang auch angekündigt worden ist, dass die Wärmelieferung auch noch ausgeschrieben und auf ähnliche Art vergeben wird, droht den Stadtwerken, die hochmoderne Gasanlagen - GasWärme-Tauscher, KWK und all diese Dinge - haben, die Grundlast verloren zu gehen, mit dem Ergebnis, dass wir auch dort den Verlust von Arbeitsplätzen irgendwann werden beklagen können. So weit zum Konkreten.

Ich würde ganz gern einige abstrakte Überlegungen anschließen: Die Deutsche Bundesbank stellte im August fest, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland in den Frühjahrsmonaten zum Stillstand gekommen sei und dass das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt im II. Quartal nur noch etwa so hoch wie im ersten Vierteljahr 2001 gewesen sei, also zumindest deutschlandweit

Stillstand in der Entwicklung. Die Europäische Zentralbank stellt für den Euro-Raum fest, dass nach Berechnung von Euro-Staat das reale Bruttoinlandsprodukt im II. Quartal 2001 um nur noch 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal nach 0,5 Prozent im I. Quartal 2001 und 0,6 Prozent im IV. Quartal sich entwickelte. Die Beurteilung der Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Herbst 2001 durch die sechs Wirtschaftsinstitute zeigt am 19. Oktober 2001 eine kräftige Korrektur des mit dem Frühjahrsgutachten vorhergesagten Anstiegs des realen Bruttosozialprodukts von 2,1 Prozent auf nunmehr nur noch 0,7 Prozent.

Unser Wirtschaftsminister verkündete just zum gleichen Termin, dass Thüringen vom weltweiten Konjunktureinbruch betroffen sei. Nach seinen Ausführungen steht Thüringen, bewiesen an der Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe und mit steigenden Ausfuhren, weiterhin in einer sehr guten Entwicklung.

Meine Damen und Herren, "Es liegt mir fern, die enorme Aufbauleistung in Thüringen schlechtzureden." - Zitat von Minister Schuster in der "Thüringer Allgemeinen" -, aber die Wirtschaftsmathematik kennt eben keine Betrachtung einzelner und von den Interpreten dem Sinn ihrer Aussage entsprechend ausgewählter Wirtschaftsdaten, sondern betrachtet den Komplex der Inlandsnachfrage und des Außenbeitrags. Wenn auch in Thüringen der private Konsum mindestens stagniert, tendenziell aber rückläufig ist, der staatliche Konsum ist in jedem Fall rückläufig, der Volumenindex im Bereich der Investitionsgüter und Gebrauchsgüter ist negativ und auch die Leistungen im baugewerblichen Umsatz sind weiter rückläufig. Wenn diese negative Entwicklung nicht durch einen überdimensionalen Außenbeitrag egalisiert wird, dann entwickelt sich das Bruttoinlandsprodukt nicht ausreichend positiv. Ich habe am Anfang etwas zu Arbeitsplätzen gesagt. An den Arbeitsplätzen hängen Menschen, diese Menschen haben Einkommen. Wenn dieses Einkommen regionalwirtschaftlich verloren geht, wird es einen weiteren negativen Schlag für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts von Thüringen haben und das werden wir durch Ausfuhr nicht überkompensieren können, wir werden es nicht einmal kompensieren können. Dabei ist es für mich unerheblich und eher eine akademische Diskussion, wer auf der Kippe steht, ob es eine Konjunkturflaute oder gar eine Rezession sei. Letztlich ist es eine Frage der Definition. Folgt man der US-amerikanischen Definition, dann ist es eine Rezession, wenn in mindestens zwei aufeinander folgenden Quartalen das saisonbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt zurückgeht. Machen Sie sich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, auf der Grundlage der analytischen Werte Ihre eigene Aussage.

Lassen wir diese akademische Betrachtung und folgen wir dem Herbstgutachten, das davon ausgeht, dass sich die deutsche Wirtschaft auf einer deutlichen Talfahrt befindet und am Rande einer Rezession steht und dass Unternehmen wie private Haushalte sich mit Investitions- und

Kaufentscheidungen zurückhalten und eine Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Produktion anhalten wird. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, wird es eher so sein, dass sich die Entwicklung in Thüringen nicht abkoppelt oder gänzlich anders verlaufen wird und dass mit stagnierender wirtschaftlicher Entwicklung auch keine grundsätzliche Veränderung in der Erwerbstätigkeit und im Arbeitsmarkt zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund ist natürlich nicht nur die Bundesregierung aufgerufen gegenzusteuern, sondern auch die Landesregierung muss aktiv werden. Dem Herrn Ministerpräsidenten in seiner Abwesenheit würde ich sagen: Es ist für mich allerdings mehr als peinlich, dass die Initiative Ihrer Regierung erst durch dieses hohe Haus und auf Antrag der die Regierung tragenden Fraktion angemahnt wird. Liegt es daran, dass Ihre Fraktion eine klarere Sicht auf die wirtschaftliche Entwicklung hat und sachgemäßer die Lage analysiert oder liegt es an dem Beharrungsvermögen Ihrer Regierung, die der Situation immer noch positive Seiten abgewinnen kann und will und damit gegen die Eskalation der Situation resistent ist? Wie auch immer, es gilt, in Thüringen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu hat sich die Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen" dezidiert geäußert, die sowohl teilungsbedingte Rückstände aufholen lässt, als auch eine wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklung initiiert gesehen haben will. Insoweit sind die im Antrag der CDU-Fraktion unter den Punkten 1 bis 5 formulierten Punkte direkter Ausfluss des Abschlussberichts der Enquetekommission. Hätten Sie, meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktion, nicht mit Ihrem Antrag zur Beratung des Enquetekommissionsabschlussberichts anstelle unserer Forderung nach dem Termin dieses gegenwärtigen Plenarzyklus eine eher unverbindliche Terminfestlegung beschlossen, würde heute die Beratung zur Umsetzung aller 48 Empfehlungen erfolgen. Es verwundert mich schon, dass Sie einen solchen Antrag auf den Weg bringen, aber den Abschlussbericht nicht zuerst auf den Tisch legen und durch die Landesregierung bewerten lassen.

Über den Slogan "Denkfabrik Thüringen" will ich mich hier nicht äußern. Ich halte es aber für unbedingt notwendig, Fremdenverkehr und Tourismus deutlicher zu entwickeln, da hier Potenziale sowohl der Wirtschafts- und BIPEntwicklung als auch bei Arbeits- und Ausbildungsplätzen erschließbar sind. Angesichts der Tatsache, dass dieser Bereich, den ich gerade genannt habe - Hotellerie, Gaststätten -, thüringenweit nur etwa 6 Prozent am BIP-Anteil erwirtschaftet, wobei es bundesweit 15 Prozent wären, 15 Prozent sind der Schnitt, der mir von ThüHoGa genannt worden ist. Da, sage ich, gibt es viele Reserven, die wir erschließen müssten, denn wir nennen uns als "grünes Herz" nicht nur ein Tourismusland, sondern wir geben ja auch vor, ein Tourismusland zu sein. Da haben wir deutlichen Nachholbedarf, bei dem wir Hausaufgaben selber machen müssten. Diese Steigerung wäre also dringend anzuraten und zu ermöglichen. Natürlich ist auch die Bundesregierung gefordert. Ob allerdings der Bundeskanzler und die Bundesregierung sich durch unsere heutige Aufforderung aus dem Landtag - also von dieser Aufforderung, die

wir heute beschließen wollen oder beschließen werden - beeindrucken lassen, oder ob dem vom Ministerpräsidenten initiierten und von den Ostministerpräsidenten unterstützten Sonderprogramm Ost mehr Gewicht zugemessen wird als der Forderung von Herrn Dr. Vogel und seinen Amtskollegen alleine, da weiß ich nicht so genau, ob wir wirklich unserem Ministerpräsidenten damit mehr Kraft verleihen, wenn wir es heute beschließen.

Aber einen Punkt will ich ansprechen. Der Punkt 7 des Antrags macht sich plakativ gut, um die SPD-geführte Bundesregierung zu diskreditieren oder vorzuführen, um die Schuldfrage gleich wieder zu klären und deutlich zu machen, dass die CDU alles anders und besser machen kann. Ja, der Antragspunkt 7 hat durchaus richtige Inhalte wie Infrastrukturinitiative zur Leistung eines Beitrags für wirtschaftliche Entwicklung, Steuerentlastung zur Ankurbelung privater und unternehmerischer Nachfrage, Vermeidung von Schwarzarbeit, Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse und Sicherung von Mitarbeitermitbestimmung, die an sich nicht mittelstandsfeindlich sind und über deren Hemmnisse man zwischen den Tarifpartnern und mit dem Gesetzgeber sicher reden muss. Ich halte es aber für angemessen, die bisherigen Aktivitäten der Landesregierung in Richtung der Inhalte des Punkts 7 des CDU-Antrags zu erfahren, also ein Berichtsersuchen, um dann Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, und dann auf die Bundesregierung zuzugehen und Forderungen zu entwickeln, anders als der Fall, den Sie jetzt gewählt haben, nämlich, den Punkt 7 gleich mit aufzunehmen. Deswegen, meine Damen und Herren, sagen wir als PDS-Fraktion zu den Punkten 1 bis 6 Ja. Wir würden uns freuen, wenn es möglich wäre, die Punkte 1 bis 6 abgetrennt vom Punkt 7 abzustimmen. Wobei ich für den Punkt 7 den Antrag stellen wollte, ein Berichtsersuchen an die Landesregierung zu stellen, um einfach zu hören, wie sieht die Landesregierung die Entwicklung zum Punkt 7. Ich muss als Gewerkschafter auch sagen, ich weiß nicht so genau - wie in Ihrem Punkt 7 beschrieben, dass die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes an sich wirtschaftsschädigend sei -, welche Betriebsräte in Thüringen Sie meinen. Vielleicht hat der Kollege Bergemann im Bereich der CDA da andere Erkenntnisse als ich. Mein Eindruck war bisher, dass die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes auf Thüringen keinerlei Auswirkungen hat. Also, einfach nur reinzuschreiben, die Novelle muss rückgängig gemacht werden, und dann lösen wir unsere Mittelstandsprobleme, das halte ich für Populismus. Da hätte ich gern erst Antworten, bevor ich mich damit auseinander setze.

(Beifall bei der PDS)

Im Punkt 7 gibt es auch noch einen weiteren Punkt, der angesprochen ist, das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit, meine Damen und Herren. Das Problem der Scheinselbstständigkeit hat, zumindestens aus der Zeit als ich noch Landesvorsitzender der Gewerkschaft war, die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag in Gänze nicht anders gesehen, möglicherweise die Details, wie das jetzt

geregelt worden ist. Aber ich kann mich erinnern an Diskussionsrunden, wo die Sorge auch bei der CDU-Fraktion vorhanden war, dass das Instrumentarium des Abdrängens in die Selbstständigkeit missbraucht wird, also wenn LKWFahrer auf einmal auf dem eigenen Bock, ihrem eigenen LKW zu Selbstständigen geworden sind mit Knebelverträgen, bei denen sie nicht entscheiden konnten, ob sie denn die Fahrt links rum oder rechts rum oder eine andere Tour damit machen könnten, sondern im Prinzip nur verdrängt worden sind aus einem Konzern in die Selbstständigkeit. Dieses Phänomen kannten wir doch alle. Dem musste doch ein Riegel vorgeschoben werden. Jetzt ist die Frage, festzustellen, welche Erkenntnisse hat die Landesregierung gesammelt zu dem neuen Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit, und gibt es darin neue Verwerfungen, über die man reden müsste? Das würde ich ganz gerne erst hören.

Oder noch eine Bemerkung zur Ökosteuer: Sie sagen einfach, die Ökosteuer auszusetzen. Meinen Sie damit, die nächste Stufe auszusetzen, die Ökosteuer an sich auszusetzen oder meinen Sie damit das, was wir ausdrücklich auch immer mit gesagt haben, die Ökosteuer nicht zweckzuentfremden, also Ökosteuer einzusetzen, um z.B. Schienen zu sanieren, wäre die richtige Einsetzung einer solchen Verkehrsabgabe,

(Beifall bei der PDS)

aber nicht, um die Rente zu subventionieren. Zur Rente muss man ganz andere Maßnahmen ergreifen, wie das Einbeziehen z.B. Arbeiter, Angestellter und Beamter, der Scheinselbstständigen und aller am Wirtschaftsleben Beteiligten. Das würde die Solidarkassen stärken. Das sind die Punkte, wo ich jedenfalls Fragen formulieren möchte im Punkt 7 und ganz gerne hören würde, wie sieht das die Landesregierung, welche Erfahrungen hat sie damit gemacht? Wenn wir das so zusammen tragen könnten, dann wären wir in der Lage, 1 bis 6 hier unsere Zustimmung zu geben, zu Punkt 7 einen Bericht zu hören und ausgehend von dem Bericht zu debattieren. Meine Damen und Herren, für die PDS-Fraktion sage ich ganz deutlich: Zuallererst ist der Abschlussbericht der Enquetekommission endlich hier im hohen Haus zu bewerten, zu debattieren und einer entsprechenden Zielrichtung zuzuleiten. Das wäre die richtige Vorgehensweise. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Lippmann, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, was mein Kollege Ramelow schon angedeutet hat, aber darüber noch Zweifel hat, ich habe sie nicht. Wenn ich den Antrag der CDU lese - Wirtschaftspolitische Initiativen

des Freistaats -, dann verstehe ich allenfalls die ersten sechs Punkte. Aber die sind ja nur das Grün. Es geht nicht um die ersten sechs Punkte, das interessiert keinen, auch nicht hier in der Mitte. Es geht um den Punkt 7.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Der Kammerpräsident hat das ganz anders gesehen.)

Die Punkte 1 bis 6, verehrter Kollege Kretschmer, die wären eigentlich dran gewesen, wenn sich die Landesregierung an dieses Pult stellt und einen Bericht zu den Empfehlungen der Enquetekommission gibt.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das ist nach meinem Dafürhalten jetzt im Dezember der Fall. Also könnten wir schon erst mal sagen, das ganze Ding ist ein wenig hintenrum. Gestern bei der Aktuellen Stunde hat bei seinem zweiten Redebeitrag der Minister Pietzsch ein wenig die Contenance verloren hier an diesem Pult und am Ende gesagt - er ist nicht da, aber es lässt sich leicht nachlesen, was er richtig gesagt hat -, es muss doch in diesem Haus - ich übertreibe jetzt ein bisschen möglich sein, über bestimmte Themen sachlich zu debattieren. Recht hat er, Recht hat er, bloß wir tun es nicht, zumindest nicht immer. Manchmal tun wir es schon. Das hätte ich mir gewünscht und ich befürchte, das ist genau wieder so ein Thema, wo dieses nicht passiert.

Dieser Antrag verdient es von seinem Inhalt her im Rahmen einer Regierungserklärung - ich meine, die letzte liegt eineinhalb Jahre zurück vom Herrn Minister Schuster - behandelt zu werden, zumindest aber dann, wenn wir über die Ergebnisse der Enquetekommission sprechen. Sicher, wir haben eine insgesamt nicht erfreuliche Situation im gesamtwirtschaftlichen Bereich. Diese erfordert meiner Auffassung nach zumindest, dass wir uns ernsthaft in diesem Plenum auch damit beschäftigen, nicht nur mit Maßnahmen, die wir in Thüringen zu ergreifen haben, sondern auch mit Maßnahmen, die in Deutschland geschehen müssen, um dieser Situation Herr zu werden.

Im Grunde genommen geht es bei diesem Antrag um etwas ganz Grundsätzliches. Es geht darum - zumindest was ich dem Punkt 7 entnehmen kann, ohne auf die Einzelheiten jetzt einzugehen -, ob ein Gemeinwesen, ein staatliches, der Bund, aber auch die Länder in wirtschaftlich schwierigen Situationen intervenieren sollen oder nicht oder sogar intervenieren müssen. Es geht darum, wenn sie es dann tun, wie und in welcher Form sie es tun sollen. Dieser Antrag, wenn ich mich jetzt auf den Text des Antrags beziehe, ließe diese grundsätzliche Debatte a priori nicht zu.

Nun sehen wir mal von den ersten sechs Punkten ab. Die werden hoffentlich dann im Dezemberplenum ausführlichst - und das sind wir den Ergebnissen und auch der Enquetekommission schuldig - behandelt werden. Das wünschen wir alle und ich glaube, sie sind es auch wert, dass man sie ausführlich behandelt. Der Punkt 7 Ihres Antrags lis

tet nun - jetzt halte ich mich wieder an den Text - all das auf, was die fordern, die es nicht bezahlen müssen, und, was schlimmer ist, was die fordern, die es gar nicht bezahlen wollen. Er listet genau das auf, was eine Vorgängerregierung im Amt nicht gemacht hat. Sie hat es weder schlecht gemacht, sie hat es gar nicht gemacht. Nun können Sie darüber werten, wie sie wollen in den einzelnen Punkten, sie hat es nicht getan.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Na freilich hat sie die Öko-Steuer...)

Bevor Sie sich echauffieren, lassen Sie mich erst einmal meine Ausführungen zu Ende bringen, Herr Kollege Wunderlich. Eine Ausnahme bildet der zweite Spiegelstrich Ihres Punkts 7, auf den ich dann noch gesondert eingehen werde, weil er wichtig ist nach meinem Dafürhalten.

Aber zurück zum Antrag: Es gibt zu diesem Antrag sicherlich zwei, drei Dinge - auch der Kollege Ramelow hat die gesamtwirtschaftliche Situation aus Thüringer Sicht etwas geschildert, zu Recht auch kritisch beleuchtet -, die schon notwendig sind, dass man sie vertieft. Die weltwirtschaftliche Situation ist wenig ermutigend - es ist ja nicht nur in Thüringen oder in Deutschland so - und selbstverständlich ist sie auch in Deutschland nicht und selbstverständlich ist sie auch in Thüringen nicht ermutigend. Und es ist zu befürchten, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sich diese gesamtwirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern noch deutlicher auswirkt, als das im gesamtdeutschen Rahmen schon der Fall ist. Feststellend muss man dazu sagen, zyklische Schwankungen im Konjunkturverlauf hat es schon immer gegeben und die haben selbstverständlich Auswirkungen auf das Wachstum gehabt. Ich erinnere nur noch daran - viele haben das vergessen -, wir hatten 1993, noch gar nicht lange her, ein so genanntes Negativwachstum von 1,1 Prozent, ein Negativwachstum, es ist an sich ein völlig irrelevanter Ausdruck, aber ein Negativwachstum von 1,1 Prozent. Wenig später, nämlich drei Jahre später 1996, hatten wir ein Wachstum von 0,8 Prozent. Auch das war eine Konjunkturdelle, wie das halt immer so passiert, jeder kennt den Kurvenverlauf, diesen mehr oder weniger zyklischen sinusförmigen Verlauf. Damals, meine sehr verehrten Damen und Herren der einreichenden Fraktion, waren Ihre Forderungen an den Bund nicht zu vernehmen. Ich kenne keinen Fall - weder 1993, noch 1996 -, in dem sich eine Thüringer Landesregierung an die Bundesregierung gewandt hätte, sie sollte ein Programm auflegen von 40 Milliarden.

(Beifall Abg. Bechthum, SPD)

Oder erinnert sich da jemand? Ich glaube, das ist nicht der Fall. Und zweitens, die Konjunkturschwäche in Deutschland ist kein deutsches Problem, auch das muss man dazusagen. Das ist nicht meine Aussage allein, das ist die Aussage der Wirtschaftsforschungsinstitute, die im Übrigen gar kein geschlossenes Bild abgegeben haben. Beispielsweise hat das Institut für Weltwirtschaft in Kiel etwas ganz

anderes gesagt, was die Interventionsnotwendigkeit des Staates anbelangt.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Als Einzige!)

Ja, eins - ich halte mich schon an die Tatsachen, seien sie unbesorgt. Ich meine, es ist kein deutsches Problem, es ist ein weltwirtschaftliches Problem, es hat Finanzkrisen in Südostasien gegeben, es hat die abschwächende Konjunktur in den Vereinigten Staaten gegeben und es hat das gegeben, was am und nach dem 11. September passiert ist. Das bleibt selbstverständlich nicht ohne Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Das bleibt vor allen Dingen nicht ohne Auswirkungen auf das Exportland Deutschland. In Zeiten dieser schwächeren Konjunktur, meine sehr verehrten Damen und Herren, passiert immer das, was dann immer passiert, wenn einmal die Delle nach unten geht - jedesmal das Gleiche: Es erschallt ein Ruf wie Donnerhall nach staatlicher Intervention, auch und vor allen Dingen von denjenigen, die immer den Neoliberalismus gepredigt haben und bei jeder Gelegenheit das Primat des Marktes vor das Primat des Staates gestellt haben. Die tauchen dann immer auf, allen voran - ohne sie zu diskreditieren - die Wirtschaftsforschungsinstitute. Das ist in den letzten 30 Jahren deutscher Wirtschaftspolitik immer gemacht worden, auch von sozialdemokratischen Wirtschaftsund Finanzministern, auch von Karl Schiller. Ich erinnere mich nur deshalb an diese Situation, weil genau diese Wirtschaftsforschungsinstitute dem Karl Schiller nach seinen Konjunkturprogrammen einmal vorgeworfen haben, diese hätten doch gar nichts gebracht. Da hat Karl Schiller damals gesagt: "Man kann die Pferde an die Tränke führen, aber saufen müssen sie schon selber." Ich kann ihnen sagen, es ist noch nie ein Konjunkturprogramm in Deutschland mit einem nachhaltigen und anhaltenden Effekt auf die konjunkturelle Situation erbracht, erstellt und durchgezogen worden. Das hat man in den folgenden Jahren oft wieder gemacht und man wird es wahrscheinlich immer tun.

Nun ist die Haushaltssituation so, wie sie ist, sowohl im Bund als auch in den Ländern. Damals, in den letzten Jahren, hat man Konjunkturprogramme selbstverständlich nicht aus Rücklage- oder Haushaltsmitteln, die verfügbar waren, finanziert. Man hat sie ganz einfach zusätzlicherweise kreditfinanziert, würden wir ja auch machen, soll ja Ihrer Auffassung nach Eichel auch machen. Machen wir es kurz: Man hat damals immer gesagt, wir werden vorrangig diese zusätzlichen Kreditaufnahmen bedienen, also die Kredite zurückzahlen, mit einem Vorrang versehen. Ich kann Ihnen sagen, es ist nie zurückgezahlt worden, nie, nicht eine Mark, von keinem, von keiner Regierung, durch die Bank. Das heißt also, wenn wir etwas fordern, dann wissen wir genau, wir brauchen wieder neue Kredite, wir müssen neue Mittel von der Bank holen. Diese aufgehäuften finanziellen Folgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, badet jetzt der Finanzminister Eichel aus oder versucht es zumindest. Genau das tut er, weil sie unerträglich geworden sind. Das tut er nicht aus Selbstzweck. Es

gibt da nämlich auch noch einen Eckpfeiler der europäischen Währungsunion. Diese Verschuldungsobergrenze von 3 Prozent, die möchten wir bitteschön halten. Das ist auch die Auffassung des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Kühl. Daran sollten wir uns halten und daran sollten wir denken, wenn wir immer wieder neue Mittel fordern. Die finanziellen Spielräume zu Beginn des Jahres, die Eichel noch hatte, um die 3 Prozent Verschuldungsobergrenze Nettokreditaufnahme zu erreichen, betrugen Anfang des Jahres 20 Mrd. DM. Davon hat er 12 Mrd. DM schon wieder eingebüßt, nämlich aufgrund der schwächelnden Konjunktur und geringerer Steuereinnahmen und der Mehranforderung der Bundesanstalt für Arbeit.

Wenn man, meine sehr verehrten Damen und Herren, etwas tun kann und tun muss, dann muss man es gemeinsam tun. Hier zitiere ich gerne den Ministerpräsidenten Dr. Vogel von gestern, der gesagt hat, gegen diese konjunkturelle Schwäche vorzugehen müssen wir mit aller Kraft tun, mit ganzer Kraft tun und zwar alle. Wenn aber der Beitrag Thüringens laut diesem Antrag nur darin besteht, ein paar Empfehlungen der Enquetekommission vorwegzunehmen und sich im Rahmen der Denkfabrik Thüringen in ein paar trivialen Werbespots erschöpft, dann scheint mir der Beitrag Thüringens, wenn es nicht andere Beiträge gibt, von denen ich heute noch etwas zu hören hoffe, ein etwas unbefriedigender zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist unerheblich. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Thüringen wird ganz wesentlich von der Situation in der Bauwirtschaft bestimmt. Das ist richtig und wird auch von niemandem bestritten. Das ist eine strukturelle Schwäche, dies hat seine Ursachen. Wenn man kann, dann sollte man auch helfen. Hier an diesem Pult hat jemand gesagt: Öffentliche Investitionen können die Thüringer Bauwirtschaft für eine gewisse Zeit stabilisieren, den Strukturwandel außer Kraft setzen können sie nicht. Das war der Wirtschaftsminister Schuster am 16. März 2000. Das ist so. Die Situation lässt sich dauerhaft nicht anheben. Wir können punktuell verbessern, sollten wir auch tun, aber auch wir sollten es tun, hier in diesem Land. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun wird immer wieder unterstellt, dass, wenn schon Herr Eichel nicht sofort mit freundlicher Miene die 40 Mrd. DM locker macht, die wir von ihm fordern, die Bundesregierung nichts getan hätte.

Ich will einige Anmerkungen zur Bauwirtschaft machen und was allein in dem letzten Jahr da passiert ist. Ich glaube, man muss es tun, nicht, um eine Rehabilitierung vorzunehmen, sondern es geht ganz einfach um eine redliche Bewertung der Sache. Die Bundesregierung hat einige Maßnahmen durchgeführt. Ich will sie nur in Stichworten nennen. Ich denke an das 10-Punkte-Programm zur Förderung und Verstetigung beschäftigungswirksamer Bautätigkeit. Das ist ein Programm, das gemeinsam mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden durchgeführt worden

ist. Ich denke daran, dass das Arbeitnehmerentsendegesetz spürbar verschärft worden ist. Ich denke an das Investitionsprogramm 1999 bis 2002, das sieht 67,4 Mrd. DM vor, so viel wie noch nie, davon 36 Mrd. für Neu- und Ausbaumaßnahmen. Ich denke daran, dass aus den Zinserlösen beim Verkauf der UMTS-Lizenzen für 2001 bis 2003, also im Laufe von drei Jahren, zusätzliche Mittel in Höhe von 8,7 Mrd. DM zur Verfügung stehen. All das kommt der Bauwirtschaft zugute. Ich denke an die 7,4 Mrd. DM zusätzlich aus dem Antistauprogramm. Ich denke an die Erhöhung der Investitionszulage für aufwendige Modernisierungen in denkmalgeschützten Gebäuden von 15 auf 22 Prozent. Ich denke an das Programm "Bauen jetzt - Investitionen beschleunigen", zu dem ich dann noch einiges, auch Kritisches sagen möchte, wenn Sie erlauben. Ich denke an die Finanzhilfen des Bundes für die Städtebauförderung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Städtebauförderung betrug 1997 und 1998 genau und pro Jahr 600 Mio. DM, getrennt in Städtebauförderung Ost und Städtebauförderung West. Wir hatten damals auch eine Konjunkturdelle in 1997, wie ich Ihnen gerade vorhin gesagt habe. Es ist damals aber kein Sonderprogramm für den Osten aufgelegt worden, nicht eine Mark. Und wissen Sie, wie hoch die Mittel für die Städtebauförderung heute sind? Sie betragen für das Jahr 2002 1,05 Mrd. DM. Das ist ein Zuwachs von 60 Prozent. Dazu gehören selbstverständlich die traditionellen Förderbereiche und zusätzlich 300 Mio. DM pro Jahr für den Stadtumbau Ost.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Den haben sie beim Wohnungsbau weggenommen.)

Wir haben 1 Million Leerstand in den neuen Bundesländern, ich bitte Sie, Herr Schuster, wollen Sie noch mehr Wohnungen bauen, um sie leer stehen zu lassen? Das geht so nicht. Noch niemals, Herr Schuster, hat eine Bundesregierung so viel Geld für den Städtebau in die Hand genommen.

(Beifall bei der SPD)