Protokoll der Sitzung vom 09.11.2001

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit noch mit einem weiteren Irrtum Ihres Antrags aufräumen. Jetzt bin ich bei der Antragsbegründung. Dort heißt es: Der rechtskundliche Unterricht habe seinen Ursprung in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Vogel vor dem Landtag vom 13. Oktober 1999. Das ist objektiv falsch, meine Damen und Herren. Den rechtskundlichen Unterricht, das Unterrichtsfach heißt "Wirtschaft und Recht", gab es bereits vor der Regierungserklärung 1999. Ich habe es nachprüfen lassen. Das gab es sogar bereits vor Ministerpräsident Vogel und es wird auch nach dem Ministerpräsidenten Vogel einen rechtskundlichen Unterricht geben, weil, und da lehne ich mich an die Richtigkeit Ihres ersten Satzes im Antrag, der rechtskundliche Unterricht einen unverzichtbaren Beitrag bei der Bildung und Festigung eines Wertebewusstseins dieser Gesellschaft zu leisten hat, in der wir leben.

Herr Abgeordneter Koch, lassen Sie eine Zwischenfrage zu.

Einen kleinen Moment.

So weit, meine Damen und Herren, zu dem Maß an Bescheidenheit hinsichtlich der Präzision bei der Abfassung Ihres Antrags. Ich meine, dies sollte auch Anlass sein, ein bisschen bescheidener zu sein bei der Forderung nach Präzision bei anderen.

(Beifall bei der PDS)

Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich natürlich gefragt, was soll das, als ich mich damit befasste.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das fragen alle.)

Die häufigste Antwort, die ich bekam, war: "Na, was schon, Selbstbeweihräucherung." Ich muss Ihnen gestehen, da war mitunter in der Antwort auch schon ein bisschen Mitleid darüber, dass ich die Frage überhaupt gestellt habe. Ich bin mir da nicht sicher, meine Damen und Herren, es könnte z.B. auch ein Streit um die Urheberschaft dieser Idee sein. Nach dem hier vorliegenden Antrag scheint es der Ministerpräsident zu sein, dem die Urheberschaft zugeschrieben wird. Ich glaube aber auch, in einer Presseerklärung des Kultusministeriums gelesen zu haben, es sei eine gemeinsame Initiative von Kultus- und Justizministe

rium. Wie es auch sei, ich will dem möglichen negativen Eindruck entgegentreten, ich könnte die Absicht verfolgen, die Idee kleinzureden. Nein, meine Damen und Herren, ganz und gar nicht. Ich finde die Idee bestechend und ich entgegne denen, die das sagen: "Was ist daran Besonderes, das ist doch nahe liegend" - denen entgegne ich, es mag sein, dass es nahe liegend ist, nur, es ist vorher niemand in Thüringen darauf gekommen, der das auch durchsetzen kann. Und genau das ist das Besondere. Im Bereich des wissenschaftlich-technischen Rechtsschutzes, der Erfindungen und Entdeckungen ist dieses Phänomen bekannt unter dem Begriff "Blindheit der Fachwelt". Daran erkennen Sie, dass ich das durchaus ernst meine, was ich hier sage. Ich will noch einmal betonen, ich will die Idee nicht schlechtreden, sondern ich will die Landesregierung ausdrücklich ermuntern, sich dem Problem des Rechtskundeunterrichts wirklich intensiver zuzuwenden. Und vor diesem Hintergrund bitte ich auch die nachfolgenden kritischen Anmerkungen zu sehen.

Entschuldigung, ist jetzt der Moment gekommen, weil Sie sagten, einen kleinen Moment, wegen der Zwischenfrage? Frau Abgeordnete Kraushaar hatte sich schon wieder hingesetzt, Sie wollen jetzt erst einmal durchreden?

Haben Sie noch einen kleinen Moment Geduld mit mir?

Also, dann sagen wir am Ende Ihres Vortrags. Ich will Sie jetzt nicht immer zwischendurch unterbrechen und fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. Mir wäre es lieb, wenn Sie es konkreter sagen würden.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Scheint nicht so sehr präzise zu sein.)

Ich will es also noch einmal betonen. Ich will die Idee nicht schlecht reden, sondern die Landesregierung ermuntern, sich dem Problem des Rechtskundeunterrichts wirklich intensiver zuzuwenden.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Was ist denn nun mit der Antwort? Wir war- ten auf die Antwort.)

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Präzise.)

Die Einbeziehung der Juristen in den rechtskundlichen Unterricht erfolgt nach meinem Eindruck und nach meinen Recherchen noch zu sporadisch, noch zu spontan und er ist noch mehr von Eigeninitiative und persönlichen Verbindungen geprägt als von einer konzeptionellen Durchdrin

gung und das vorhandene Potenzial wird noch nicht ausgeschöpft. Ich habe mich mit einem Staatsanwalt unterhalten, einem auf der höheren Ebene, der das also nicht nur für sich überblickt und der schätzt ein, dass er etwa 5 Prozent seiner ihm zur Verfügung stehenden Zeit dafür einsetzen könnte, im Rechtskundeunterricht tätig zu werden. Er hat diese Angabe gemacht für sich und seine Kollegen, die ihm da bekannt und teilweise unterstellt waren und er schätzt ein, dass dieses Zeitpotenzial zurzeit zu 0,5 Prozent ausgelastet wird. Sie sehen also, es gibt ein erhebliches Potenzial, das es noch weiter zu nutzen gilt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese Bemerkung auch noch machen. Der gute Ansatz muss meines Erachtens wissenschaftlich konzeptionell weiter untersetzt werden. Es ist nicht nur wichtig, die Möglichkeiten und die Funktion des Rechts in der Gesellschaft darzustellen, sondern es ist auch genauso wichtig, die Grenzen des Rechts darzustellen. Das hilft nämlich Illusionen zu vermeiden, das hilft Enttäuschungen zu vermeiden und das hilft Misstrauen gegenüber der Justiz und gegenüber der Rechtsprechung im Allgemeinen zu vermeiden. Bitte, jetzt stellen Sie Ihre Frage.

Es scheint Ihnen entgangen zu sein, dass ich sagte, dass das Unterrichtsfach Wirtschaft und Recht bereits im Jahr 1991 eingeführt worden ist und dass, zurückgehend auf die Regierungserklärung, auf die Einführung eines neuen Lehrplanes und die Bildung einer gemeinsamen Initiative des Thüringer Justiz- und des Thüringer Kultusministeriums die neue Idee des Rechtskundeunterrichts gebracht wurde. Die wurde 1999, nämlich dieses Tandemmodell, die Verknüpfung von Theorie und Praxis...

Frau Abgeordnete, Ihre Frage bitte.

Haben Sie das irgendwie nicht verstanden oder überhört?

Ihre Frage lautete, ob mir das entgangen sei, da kann ich Sie beruhigen, es ist mir nicht entgangen. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Hätten Sie mir genauso aufmerksam zugehört, Frau Kollegin, hätten Sie festgestellt, dass ich mich nicht mit Ihren Ausführungen auseinander gesetzt habe, sondern mich an Ihrem Antragstext orientiert habe,

(Beifall bei der PDS)

um hier deutlich zu machen, Sie meinen eigentlich was ganz Anderes, als Sie aufgeschrieben haben.

Jetzt weiß ich nicht, was Sie mit "Ihrem" meinen, ich habe meine Antragsbegründung gebracht.

Es ist richtig. Den Antrag hat Herr Althaus unterschrieben, insofern habe ich mit "Ihre" gemeint, die Fraktion. Haben Sie noch weitere Fragen an mich?

(Heiterkeit bei der PDS)

Danke.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Seela, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst möchte ich die Möglichkeit nutzen auch die zahlreichen Schüler auf der Tribüne zu begrüßen. Wir behandeln ja heute ein Thema, das Sie betrifft, auch wenn Sie hier eben - es steht mir nicht an, mich für meinen Vorredner zu entschuldigen - gerade ein Beispiel parlamentarischer Arbeit gehört haben, wo man ein wichtiges Thema, ein bildungspolitisches Thema wirklich versucht hat, ins Lächerliche zu ziehen.

(Beifall im Hause)

Mehr möchte ich dazu nicht sagen, Frau Präsidentin. Gleichzeitig möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, hier von dieser Stelle aus den zahlreichen Richtern und Juristen, die Freizeit geopfert haben und die mitgeholfen haben, dass die Maßnahme, also rechtskundlicher Unterricht, in den Schulen eingeführt konnte und auch praktiziert werden konnte, realisiert werden konnte. Herzlichen Dank von dieser Stelle an die Richter.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, doch noch eine Bemerkung zu Herrn Dr. Koch zu machen. Ich denke, Sie haben hier die zahlreichen Richter, es haben sich nämlich nach dem Oktober 1999 bereits 600 Richter freiwillig gemeldet, die diesen Unterricht umsetzen wollten. Ein Großteil dieser 600 Richter hat auch auf sein Honorar verzichtet. Auch das möchte ich einmal an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der CDU)

An diesen Richtern könnten Sie sich, denke ich, eine Scheibe abschneiden. Es sind nämlich ihre Berufskollegen und diese Berufskollegen - jetzt nicht Frau Nitzpon,

am Ende -, denke ich, haben Sie auch beleidigt.

Sehr verehrte Damen und Herren, die einen reden davon, Maßnahmen zu treffen, etwas gegen Rechtsextremismus und Gewalt zu tun. Wir, die CDU-Fraktion, die CDULandesregierung, halten es dabei mit Taten. Wir haben nämlich mit der Einführung des rechtskundlichen Unterrichts wieder einen Baustein dafür geliefert, einen Baustein für das Gesamtkonzept, etwas zur Gewaltprävention und etwas gegen Extremismus zu tun. Dieser rechtskundliche Unterricht hat sich bewährt. Ich brauche nichts mehr zu sagen zu seinen Zielstellungen, das ist ja ausführlich in dem Regierungsbericht des Staatssekretärs beschrieben worden. Ich würde dann nur noch aus bildungspolitischer Sicht einiges zur Umsetzung sagen und vielleicht auch noch einiges zur Fortbildung. Das sind doch die eigentlichen Themen, mit denen wir uns hier beschäftigen müssten. Vielleicht zur Umsetzung hätte ich einiges gesagt, auch wenn ich mich dabei wiederhole, ich werde mich kurz fassen. Es wird das Prinzip des so genannten Tandems hier praktiziert. Wir haben kein eigenes Fach mehr geschaffen, sondern wir haben hier fächerübergreifend diese Problematik eingeführt, besonders in den Fächern Wirtschaft und Recht. In der Tat gab es dieses Verfahren auch schon vor dem Oktober 1999; das stimmt. Darüber hinaus werden diese Maßnahmen getroffen in den Fächern Ethik und Sozialkunde. Ich halte das für sehr praktikabel und für sehr sinnvoll, hier kein eigenes Fach zu schaffen, denn die Bildungspolitiker in diesem Raum wissen, dass unsere Schüler in der Tat mit sehr viel Unterrichtsstunden nicht überfordert, aber belastet sind. Jetzt noch ein zusätzliches Fach zu schaffen, denke ich, macht keinen Sinn. Viel sinnvoller ist es doch, an der entsprechenden Stelle, dort, wo es Sinn macht, diesen rechtskundlichen Unterricht einzusetzen. Darüber hinaus habe ich mich natürlich informiert in einigen Schulen in Jena, z.B. in der integrierten Gesamtschule, wie denn die Resonanz ist und eine Zahl, die heute auch schon genannt wurde, die die Resonanz eigentlich widerspiegelt. Es sind ja allein im Unterrichtsjahr 1999/2000 insgesamt 1.600 Besuche bei Gerichten realisiert worden. Eine enorme Zahl, wo auch sehr viel Arbeit, auch von Juristen und von Lehrern dahinter steckt. In der Regel werden Jugendstrafsachen bei Gericht besucht von den Schülergruppen. Es stößt auf reges Interesse. Aber auch die Lehrer sind hier mit eingebunden. Es gibt an jeder Schule eine Art Beratungslehrer bzw. einen Koordinator, der den Kontakt herstellt zwischen den Schulen und den Gerichten. Auch das funktioniert, auch hier gibt es Freiwilligkeit und Interesse seitens der Lehrerschaft. Darüber hinaus noch ein Wort zur Fortbildung. Natürlich fordert die Einführung des rechtskundlichen Unterrichts auch entsprechende Maßnahmen zur Fortbildung. Auch hier hat die Landesregierung reagiert in enger Kooperation mit dem Kultusministerium, in Kooperation zwischen Kultusministerium und Justizministerium. Es gibt hier auf der innerschulischen bzw. auf der regionalen Ebene Fortbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus gibt es Fortbildungsmaßnahmen für Schulleiter und für die Beratungslehrer der mittleren Ebene und auf der unteren Ebene dann im inner

schulischen Bereich noch einmal Fortbildungsmaßnahmen für die Lehrer, die konkret für rechtskundlichen Unterricht an den Schulen verantwortlich sind.

Zur Unterstützung haben wir die entsprechende Institution, nämlich das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien. Dieses Institut hat auch unter Mitwirkung des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Justizministeriums eine sehr interessante Broschüre herausgegeben, nämlich das Heft Nr. 41, wo ebenfalls Hinweise zum rechtskundlichen Unterricht an den Thüringer Schulen enthalten sind. Dieses Heft ist im Jahre 2000 bereits erschienen. Das zeigt alles noch einmal, wenn man von der Regierungserklärung Oktober 1999 ausgeht, die Broschüre 2000 und die Ergebnisse, die heute vorgelegt worden sind, wenn man resümieren müsste, könnte man kurz sagen: Schnell, effizient und wirkungsvoll. Das sind für mich die Schlagwörter, die für den rechtskundlichen Unterricht zutreffend sind und erfolgreich, die aus der ganzen Geschichte eben eine Erfolgsstory gemacht haben, denke ich, die auf alle Fälle fortsetzungswert ist.

Ich gehe davon aus, dass es hier keine ideologischen Kämpfe geben wird zu dieser Thematik. Ich erwarte es nicht, aber ich gehe davon aus, dass es auch seitens der Opposition Zustimmung zu diesem Projekt geben wird. Zumindestens habe ich auch teilweise, ich habe es zumindest versucht und habe es auch so herausgehört, dass Herr Dr. Koch doch das ganze Unternehmen rechtskundlicher Unterricht für sinnvoll und praktikabel hält. Das Gleiche erwarte ich natürlich auch von der SPD, denn auch in anderen SPD-geführten Bundesländern gibt es bereits diesen rechtskundlichen Unterricht. Auch dort ist er eine Erfolgstory. Deswegen sehe ich hier keine Grabenkämpfe und keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Fraktionen. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Seela, haben Sie noch Lust zu beantworten?

(Zuruf Abg. Seela, CDU: Selbstverständlich.)

Sie haben davon gesprochen, Herr Seela, dass sich zu Beginn dieses Projekts 600 Richter bereit erklärt haben, in den Unterricht mit zu gehen. Wie viele Richter davon sind denn tatsächlich bis jetzt eingesetzt worden?

Da hätten Sie doch die Möglichkeit eine Kleine Anfrage an das Justizministerium zu stellen. Wenn Sie Zahlenspiele wollen, ich kenne die Zahl 600 und wenn man einmal verspricht, Sie haben es ja eben gesagt, verspro

chen ist versprochen, ich denke einmal, die 600 Richter haben auch versprochen hier mitzuwirken und ich gehe davon aus, dass ein großer Teil dieser 600 Richter auch eingesetzt worden ist. Ebenfalls habe ich Ihnen ja gesagt, dass ein großer Teil dieser Richter ja sogar auf das Honorar - 25 DM pro Stunde kann man sagen - verzichtet hat. Aber nutzen Sie Ihre parlamentarischen Möglichkeiten und nutzen Sie die Zeit für eine Mündliche Anfrage.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Kraushaar das Wort.