Noch einen Satz zur Klarstellung: Ich verstehe es auch nicht ganz, Sie haben es sogar richtig vorgetragen, unter Punkt 2 unseres Antrags steht, dass Ausschüsse, in denen Anhörungen stattfinden sollen, öffentlich stattfinden und nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Das ist das, was Sie gefordert haben, das steht aber auch drin in dem jetzigen Textentwurf, nur mit einer Zweidrittelmehrheit kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Wir haben die Situation im Moment nicht. Ich erwarte es auch nicht, dass die CDU einmal in die Situation kommen wird, Zweidrittelmehrheit im Thüringer Landtag zu besitzen, es wäre schön,
aber es muss nicht unbedingt sein, die einfache Mehrheit ist auch schon durchaus sinnvoll und für das Land förderlich. Von daher sehe ich die Gefahr, dass die CDU allein mit Zweidrittelmehrheit so etwas im Ausschuss beschließen kann, überhaupt nicht.
Herr Wolf, sind Sie des Rechnens nicht kundig? Im Sechserausschuss haben Sie die Zweidrittelmehrheit.
Wir haben aber nicht nur Sechserausschüsse. Mit der Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in Drucksache 3/1861 liegt uns ein Teil der Initiative zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in Thüringen vor. Wir haben in der letzten Plenarsitzung ausführlich zu beiden Teilen hier im Landtag gesprochen und beide Teile beraten. Es geht zurück auf eine Initiative auf dem Kleinen Parteitag der CDU in Sömmerda, der zum Thema "Direkte Demokratie" stattgefunden hat. Für uns als CDU ist eben direkte Demokratie nicht die Reduktion auf die Ja/Nein-Entscheidung eines Volksentscheids, sondern dazu gehört wesentlich mehr, eben auch die Öffentlichkeit an den politischen Entscheidungen zu beteiligen. Nur setzen wir den Schwerpunkt, wo die Öffentlichkeit beteiligt wird an der Politik, etwas anders als Sie. Wir sehen dieses Plenum hier als das Forum, wo die Politik für die Öffentlichkeit transparent wird für jeden, der interessiert ist, und wir sehen auch heute Abend wieder eine Reihe interessierter Bürger, die hier im Parlament Platz genommen haben, um zu verfolgen, wie in Thüringen Politik gemacht wird. Aber in den Ausschüssen, dort, wo die Sacharbeit stattfinden soll, wo die Diskussion um die Sachfrage stattfinden soll, ist es nach meiner Erfahrung schädlich, es dazu umzugestalten, dass dann nur noch Schaufensterreden gehalten werden und Polemik stattfindet und die eigentliche Sacharbeit dann viel zu kurz kommt. Deswegen waren wir der Meinung und sind der festen Überzeugung, dass es sinnvoll ist, die politische Öffentlichkeitsarbeit hier im Plenum stattfinden zu lassen. Wer aber sich dann die Situation genau ansieht - und das ist eigentlich unsere Herangehensweise an diese Sachlage -, dann gibt es eben auch Sitzungen, wo Ausschüsse anstelle des Parlaments tagen. Kollege Pidde hat das ja sehr ausführlich vorgetragen, wann und in welchen Fällen das immer der Fall ist, wo hier keine Parlamentsdebatte zu einem Thema oder zu bestimmten Anträgen stattfindet. In diesen Fällen haben wir gesagt, soll dann die Öffentlichkeit auch die Möglichkeit haben, an der Diskussion beteiligt zu werden und diese Diskussion zu verfolgen. Aus diesen Gründen gibt es diese Liste. Da ist es zum Beispiel anders, als die Kollegin Nitzpon hier vorgetragen hat, bei Anträgen gemäß § 74 Abs. 2 GO gibt es eben keine Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss, gibt es keine Beschlüsse,
die im Ausschuss gefasst werden, die dann anschließend umgesetzt werden, und aus diesem Grund haben wir die Anträge nach § 74 Abs. 2 nicht mit aufgenommen. Wenn eine Fraktion der Meinung ist, dass dieses Thema in der Öffentlichkeit debattiert werden soll, lässt die Geschäftsordnung noch genügend Möglichkeiten offen, um es auch hier im Plenum zu diskutieren. Aber gerade dann kommen Fragen unter § 74 Abs. 2 in die Ausschüsse, weil die Mehrheit derjenigen, die es eingebracht haben oder die es unterstützen, der Meinung waren, es ist eben nicht notwendig, es in breiter Öffentlichkeit zu diskutieren. Die Themen, die Sie hier vorgetragen hatten, waren auch alle Gegenstand der Beratung hier im Plenum und der Berichterstattung und der Diskussion hier im Plenum. Aus diesem Grunde, sage ich, sollen wir bei der vorgeschlagenen Weise durchaus bleiben und das so umsetzen, wie es jetzt hier geregelt ist.
Ich füge noch etwas hinzu als jemand, der auch auf kommunaler Ebene Erfahrungen gesammelt hat, wo die Sitzungen auch öffentlich stattfinden, auch der beschließenden Ausschüsse öffentlich stattfinden, es ist ein Angebot an die breite Öffentlichkeit. Ich wünsche mir, dass dieses Angebot auch angenommen wird. Die Erfahrungen, die ich auf kommunaler Ebene gesammelt habe, lassen mich zweifeln, dass wirklich dieses Angebot so angenommen wird, wie es hier von dem einen oder anderen Redner vorhin angekündigt wurde. Aber wir sollten es trotzdem als Angebot machen. Deswegen fordere ich Sie alle auf, die vorgelegte Drucksache 3/1861 mit den vom Justizausschuss vorgeschlagenen Änderungen in Drucksache 3/2024 unverändert anzunehmen. Danke schön.
Mir liegen keine weiteren Redewünsche mehr vor. Damit kommen wir zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2056. Ein Geschäftsordnungsantrag, Herr Abgeordneter Stauch.
Gut. Also, namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2056.
Hatte jeder die Gelegenheit seine Stimmkarte abzugeben? Das ist der Fall, es kann ausgezählt werden.
Ich kann ein Ergebnis bekannt geben: In namentlicher Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2056 wurden 69 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 14, mit Nein 43, enthalten haben sich 12. Damit ist dieser Antrag abgelehnt (nament- liche Abstimmung siehe Anlage 3).
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Justizausschusses in Drucksache 3/2024.
Hatte jeder die Gelegenheit seine Stimmkarte abzugeben? Das ist der Fall, es kann ausgezählt werden.
Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Beschlussempfehlung des Justizausschusses in Drucksache 3/2024 vor. Es sind 71 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 43, mit Nein 11 und es gab 17 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 4).
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3/1861 unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung in Drucksache 3/2024.
Hatte jeder die Gelegenheit seine Stimmkarte abzugeben? Das ist der Fall, es kann ausgezählt werden.
Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 3/1861 unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung in Drucksache 3/2024 vor. Es wurden 67 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 43, mit Nein 3 und es gab 21 Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag angenommen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 5).
Thüringer Gesetz zur Änderung polizeiorganisatorischer Bestimmungen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2031 ERSTE BERATUNG
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung legt dem Landtag den Entwurf für ein Gesetz zur Änderung polizeiorganisatorischer Bestimmungen vor. Mit diesem Gesetz sollen Änderungen im Polizeiorganisationsgesetz, im Personalvertretungsge
setz und im Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung vorgenommen werden. Kernpunkt bei den Änderungen im Polizeiorganisationsgesetz bildet die Neuorganisation des Aus- und Fortbildungsbereichs der Thüringer Polizei. Sie ist auch im Wesentlichen der Grund dafür, warum die Landesregierung vor der großen Novelle des Polizeiaufgabengesetzes jetzt schon die Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes vorlegt. Diese Änderung hat mit der eigentlichen politischen Diskussion zum Polizeirecht nichts zu tun und kann und sollte deshalb getrennt davon gesehen werden.
Uns allen sind die tragischen Ereignisse von Heldrungen noch in Erinnerung. Eine Ursachenanalyse förderte unter anderem auch Aus- und Fortbildungsdefizite bei den seinerzeit Handelnden zutage. Infolgedessen hatte der Innenminister den Leiter des Fortbildungsinstituts der Thüringer Polizei mit der Erarbeitung eines Konzepts zur Reform der Aus- und Fortbildung beauftragt und zeitgleich eine Evaluation der Ausbildung der Beamten des mittleren Polizeivollzugsdienstes, also der Basisausbildung, durch das Ministerium durchführen lassen. Das Ergebnis: Sowohl die Ausbildung als auch die Fortbildung sollten künftig stärker auf die Praxis bezogen und stärker miteinander verzahnt werden. Zu diesem Zweck sollen die bisher organisatorisch und an unterschiedlichen Standorten angesiedelte Ausbildung und die Fortbildung in Meiningen zusammengeführt werden. Ich verspreche mir neben einer Qualitätssteigerung auch eine höhere Effizienz des Lehrbetriebs. Der wechselseitige Einsatz von Dozenten sowohl in der Ausbildung als auch in der Fortbildung ist nicht nur ökonomischer, sondern ermöglicht es auch, die Erkenntnisse und Probleme aus der täglichen Arbeit auf der Straße, wie sie aus den Äußerungen der Beamten in den Fortbildungsveranstaltungen auch zum Ausdruck kommen, unmittelbar in die Ausbildungsinhalte einfließen zu lassen. Neben den fachlichen Argumenten sprechen aber auch handfeste ökonomische Gründe für diese Zusammenlegung. Aufgrund des baulichen Zustands und der fehlenden Einrichtungen wären sowohl in Meiningen als auch in Rudolstadt erhebliche Aufwendungen für vertretbare Lehrbedingungen erforderlich gewesen. Mit der Zusammenlegung müssen spezielle Einrichtungen, wie zum Beispiel Küche, Mensa, Sportanlagen und Spezialhörsäle nur an einem Standort errichtet werden. Die Baukosten für die zentrale Bildungseinrichtung der Thüringer Polizei in Meiningen werden etwa 64 Mio. DM betragen. Der Polizeistandort Rudolstadt wird nicht aufgegeben. Bereits getätigte bauliche Investitionen am Standort Rudolstadt werden durch Dienststellen der Polizeidirektion Saalfeld nachgenutzt. Um die gesetzlichen Voraussetzungen für den Aufbau des künftigen Bildungszentrums der Polizei zu schaffen, werden wir auch das Personalvertretungsgesetz an die vorgesehene Ausbildungsstruktur anpassen.
Ein weiterer Punkt ist, wir beabsichtigen künftig auf die bisher im Gesetz festgeschriebene Anhörung der Landräte bzw. Oberbürgermeister vor der Einführung eines neuen Dienststellenleiters zu verzichten. Diese Regelung
wurde nach einer intensiven parteiübergreifenden Debatte 1991 geschaffen, um den Kommunen ein Mitspracherecht beim Neuaufbau der Polizei einzuräumen und so insbesondere den Zugang von belasteten Altkadern in Führungspositionen der neuen Polizei zu verhindern. Unter den damaligen Bedingungen nach der Wende war diese Bestimmung auch notwendig und gerechtfertigt, ich glaube jedoch, dass der Aufbau einer an demokratischen Werten orientierten Polizei und auch der Landesverwaltung in Thüringen insgesamt nunmehr so weit abgeschlossen ist, dass sich die Norm im positiven Sinne überlebt hat.
Eine weitere Novellierung betrifft neue Regelungen zur zwischenstaatlichen polizeilichen Zusammenarbeit. Eine so genannte Aufnahmeklausel soll es künftig ausländischen Polizeibeamten ermöglichen, auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung oder auch nach Einzelfallzustimmung durch das Innenministerium in Thüringen Amtshandlungen vornehmen zu können. In Frage kommen dafür etwa kulturelle oder sportliche Großveranstaltungen mit internationalem Rang, wie z.B. das Kulturstadtjahr, bei dem wir mit dem zeitweisen Einsatz ausländischer Beamter schon gute Erfahrungen gemacht haben oder auch die gerade nach den Anschlägen am 11. September dieses Jahres in den Vereinigten Staaten notwendige enge, staatenübergreifende Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung. Als Gegenstück dazu soll eine so genannte Entsendeklausel die Modalitäten des Einsatzes Thüringer Beamter im Ausland regeln. Gleichzeitig dient die Bestimmung als Signal dafür, dass auch Thüringen im Rahmen des Engagements der Bundesrepublik bei internationalen Missionen, wie derzeit vor allem in den Balkanländern, seinen Beitrag leisten wird.
Noch eine Anmerkung zu den beabsichtigten Änderungen des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung: Der Entwurf sieht hier die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens gegen Verwaltungsakte der Polizei vor. Der Anspruch des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz gegen polizeiliche Maßnahmen wird dadurch ausdrücklich nicht beeinträchtigt, denn dem Bürger steht gegen Verwaltungsakte der Polizei nunmehr unmittelbar der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen, so dass hier keine Rechtsverkürzung im Sinne des Artikels 9 Abs. 4 Grundgesetz für die Betroffenen gegeben ist. Wesentlicher Nebeneffekt des Widerspruchsverfahrens aus Sicht des Bürgers ist, dass der Vollzug eines Verwaltungsakts bis zur Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde und gegebenenfalls auch bis zur abschließenden Entscheidung durch ein Gericht ausgesetzt wird. Das Handeln der Polizei im Bereich der Gefahrenabwehr erfolgt in aller Regel aber durch mündliche Verfügungen, bei denen Erlass und Vollzug unmittelbar aufeinander folgen. Ein Widerspruch gegen solche Verwaltungsakte hat bereits nach der derzeitigen Rechtslage keine aufschiebende Wirkung. Hinzu kommt, dass nach herrschender Meinung in den vorgenannten Fällen ein Widerspruch als unzulässig angesehen wird, weil der Betroffene unmittelbar vor dem Verwaltungsgericht eine Klage, nämlich die so genannte Fortsetzungsfeststel
lungsklage, erheben kann. Schriftliche Bescheide erlässt die Polizei weit gehend nur dann, wenn sie für ihre Amtshandlungen Kosten erhebt. Auch in diesen Fällen besteht aber nach § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung keine aufschiebende Wirkung. Für den Bürger hat dies den Effekt, dass er zwar Widerspruch erheben kann, jedoch bei einer unaufschiebbaren Anordnung eines Polizeibeamten die geforderte Handlung trotzdem vornehmen muss oder die erhobenen Kosten zunächst auch zu zahlen hat.
Ziel der Neuregelung ist es, dem Bürger ohne den Umweg über das zeitaufwändige Widerspruchsverfahren von Anfang an den Weg zum Verwaltungsgericht zu eröffnen. Darüber hinaus wird mit der Neuregelung vermieden, dass der Bürger in den sicherlich wissenschaftlich interessanten Streit zwischen juristischer Theorie und Rechtsprechung, ob gegen die Maßnahme X nun ein Widerspruch zulässig ist oder nicht, als "Opfer" einbezogen wird. Wir verfolgen also zusammenfassend mit diesem Entwurf zwei Ziele: Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Polizeiverwaltung. Der dem Parlament vorgelegte Gesetzentwurf schafft die Voraussetzung für eine effektive Neuorganisation der Aus- und Fortbildung der Thüringer Polizei und geht einen ersten Schritt zur Deregulierung. Ich bitte Sie daher, den vorgelegten Gesetzentwurf zu unterstützen. Danke schön.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf. Als erster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf regelt im Wesentlichen drei Gegenstände, auf die ich unterschiedlich intensiv eingehen will.
1. Das Fortbildungsinstitut Meiningen und der Ausbildungsstandort Rudolstadt sollen zu einem Bildungszentrum in Meiningen zusammengezogen werden. Vor dem Hintergrund der Konzentration und Koordination von Ausbildungs- und Fortbildungskapazitäten und -kompetenzen erscheint eine solche Maßnahme zunächst einleuchtend. Leider gab die Begründung des Gesetzentwurfs keinen Hinweis darauf, was anschließend Folgen dieser Maßnahme für die betroffenen Kommunen sein würden. Nun hat Staatssekretär Scherer darüber informiert, was nach meiner Auffassung schon als Information hätte in der Begründung des Gesetzentwurfs stehen können.
2. Das beabsichtigte Gesetz soll den Einsatz ausländischer Polizisten im Inland und von Thüringer Polizisten im Ausland regeln. Grundlage dafür sind bilaterale Verwaltungsabkommen, zwischenstaatliche Verträge und vermutlich auch das Europol-Übereinkommen und die zugehörigen
Rechtsakte. Mit dieser weit reichenden Regelung zum Einsatz von Bediensteten ausländischer Polizeibehörden und Dienststellen werden ausländische Polizeibeamte in Einzelfällen und allgemein zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat und zur Wiederergreifung Entwichener ermächtigt. Sie sollen in Thüringen agieren können, wenn die hiesige und zuständige Polizei die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig ergreifen kann. Sie können dann mit denselben Befugnissen operieren wie die Thüringer Polizei. Was nicht im Gesetz steht, ist, welche Auslandspolizei was, wann und wie lange in Thüringen darf, denn diese Regelungen finden sich in den jeweiligen multioder bilateralen Verträgen. Von diesen hat allerdings der betroffene Bürger in der Regel keine Kenntnis und er sieht sich gegebenenfalls plötzlich der Handlungsmacht fremder Polizisten gegenüber. Das deckt ganz offensichtlich auch die Umsetzung der Europol-Befugnisse in Landesrecht ab, geht aber nach unserer Auffassung weit darüber hinaus, weil europäische Polizeien hier gegebenenfalls unter anderen auch weitreichenderen Möglichkeiten, vor allem aber auch Polizisten ganz anderer als der EU-Länder hier tätig werden können. Sie können im Einzel- oder im Regelfall, wie die Begründung darstellt, sogar operativ tätig werden. Das heißt aber nichts anderes, als dass in Thüringen lebende Menschen nun legal von ausländischen Polizisten ausgeforscht werden können. Dass hierbei nicht immer nur die Interessen der BRD, sondern auch die anderer Staaten verfolgt werden, dürfte offensichtlich sein. Auf diese Weise sehen sich hier in Thüringen dann z.B. kurdische Bürgerinnen und Bürger am Ende nicht mehr nur mit dem türkischen Geheimdienst, der illegal in der BRD operiert, konfrontiert, sondern auch noch mit der legal operierenden türkischen Polizei. Hier zeigt sich ein weiterer Bereich, in dem mit europäischer Rechtsetzung im Namen der Integration und Zusammenarbeit in die Kompetenz von Hoheitsträgern, in diesem Fall in die Polizeihoheit der Länder eingegriffen wird, ohne dass diese hinreichend oder adäquat beteiligt wären. Diese Entwicklung ist umso bedenklicher, als sie auf Kosten und unter Umgehung von rechtsstaatlichen Gewährleistungen geschieht. Nach dem Europol-Übereinkommen sind eigentlich für die Polizeien der Länder lediglich Datenbeschaffungs- und Datenaustauschpflichten vorgesehen. Schon denen fehlen tragende Mitentscheidungsrechte oder ein abgestimmtes Rechtsschutzsystem im Interesse betroffener Personen. Die Ausdehnung der Aufgaben in den operativen Bereich, das heißt beispielsweise auch der erlaubte Einsatz von V-Leuten und Ähnliches, wird das bisherige Repertoire ganz erheblich erweitern.
Die PDS-Fraktion hat große Bedenken gegen eine Zentralisation und Konzentration von Polizeiaufgaben und das Aushöhlen von Landeszuständigkeiten. Unsere Forderung nach Dezentralisierung der Polizeiarbeit im Ganzen orientiert auf die Wahrung der föderalen Polizeihoheit und die Entwicklung wirksamer Kontrolle polizeilichen Handelns. Folgende Gründe, Ziele und Forderungen sind dafür maßgeblich: Da es sich in diesem Bereich der klassischen Ein
griffsverwaltung um einen besonders grundrechtssensiblen Bereich handelt, wirken sich gerade hier unzureichende demokratische Legitimation und Kontrolle, wie sie dem gesamten EU-Gefüge eigen sind, besonders aus. Nach unserer Auffassung bedarf es einer verstärkten parlamentarischen Verantwortlichkeit gegenüber der Exekutivgewalt gerade in diesen Bereichen. Die Legitimation staatlichen Handelns in diesen Bereichen kann im Grunde genommen nur dadurch erhöht werden, dass Kontrollgremien, deren Rechte ja von vornherein durch Effizienz- und Zweckgefährdungsargumente beschnitten sind, umfassende und tief greifende Überwachungsbefugnisse gegenüber den Polizeiapparaten erhalten.
Nach dem gegenwärtigen Regelungsstand liegen die Eingriffsschwellen für die Ermittlungsbehörden denkbar tief, so dass der polizeiliche Gefahren- und Störerbegriff und strafprozessuale Verdachtskategorien nicht greifen. Die Arbeitsmethoden heben zudem die rechtsstaatlich gebotenen Grenzen zwischen polizeilicher Prävention und Repression einerseits und zwischen Geheimdienst, Polizei und Strafverfolgung andererseits auf. Dieser Entwicklung ist Einhalt zu gebieten. Ebenso sind einerseits die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsbefugnisse, andererseits geeignete und ausreichende Verfahrensregelungen hinreichend bestimmt und klar zu formulieren, um durch unklare materielle Ermächtigungsnormen begünstigte Befugnisübergriffe zu verhindern oder wenigstens einzudämmen. Außerdem ist eine justizförmige Lenkung durch eine mindestens staatsanwaltschaftliche Ermittlungsführung bislang nicht in Sicht. Entsprechende Nachbesserungen, insbesondere in Richtung auf mehr richterliche Verfahrenskontrolle durch einen zwischengeschalteten Richtervorbehalt, sind für uns minimale Erfordernisse zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit. Wohin die Reise am Ende gehen soll, verrät doch der Umstand, dass Europol derzeit bestrebt ist, einen eigenen Geheimdienst aufzubauen, den Europol Intelligence Service. Auch aus diesem Grunde lehnen wir einen Ausbau operativer Befugnisse im Rahmen der Zuständigkeit von Europol ab.
Wir bestehen gerade in Angelegenheiten der Polizei auf der Wahrung des Föderalismusprinzips. Deutschland hat bereits Erfahrungen mit einem zentralisierten Polizeiapparat gemacht, die auf Europaebene nicht wiederholt werden dürfen. Der Föderalismusgedanke und das daraus folgende Dezentralisierungsprinzip von polizeilichen Strukturen sind unmittelbare Konsequenzen der Machtkonzentration des Nationalsozialismus.
3. Mit dem Gesetzentwurf soll das Widerspruchsverfahren gegen Maßnahmen der Polizei abgeschafft werden. Möglich ist dies aufgrund des Wegfalls des zwingenden Widerspruchsverfahrens im Verwaltungsverfahrensgesetz. Künftig sollen die Betroffenen unmittelbar gegen Maßnahmen und Rechtsakte der Polizei klagen müssen. Mit der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens wird das Innenministerium allein das für die Polizei zuständige Ministerium; vorher waren Innenministerium und Justizmi
nisterium zuständig. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens wird damit begründet, dass eine Änderung des Bundesrahmengesetzes dem Landesgesetzgeber nach Ermessen eine Abschaffung von Widerspruchsverfahren zubilligt. Damit wird aus unserer Sicht der Grundrechtsschutz im Verfahren tangiert. Bei polizeilichen Maßnahmen handelt es sich bisweilen um unmittelbare massive Grundrechtseinschränkungen oder -verletzungen, bis hin z.B. zur Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Die Landesregierung vertritt die Auffassung, es gäbe eine Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde und eine Rechtswegeverkürzung fände hier nicht statt. Es prüft jedoch immer die dem Innenministerium nachgeordnete Behörde und damit nicht notwendig die maßnahmentragende Polizeikraft. Die Rechtswegeverkürzung, d.h. der Weg vor Gericht, kommt also zwar formal nicht zu Stande, im Vollzug jedoch sehr wohl. Dem polizeilichen Handeln geht vielmals keine Möglichkeit voraus, dass der Bürger nicht Objekt, sondern Beteiligter im Entscheidungsprozess sein kann. Dies muss bei einem umfassenden, bürgerfreundlich gestalteten Rechtsschutz zumindest im Nachhinein möglich sein. Die Hürde, vor Gericht klagen zu müssen, ist unverhältnismäßig hoch. In einem formfreien Verfahren gibt es keine Pflicht der Verwaltung, die Fakten offen zu legen, die zur Entscheidung für eine Maßnahme geführt haben, und die Notwendigkeit einer Stellungnahme entfällt. Damit entfällt aber auch die Möglichkeit für die Betroffenen, die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen. Hier findet zwar formal betrachtet keine Rechtswegeverkürzung statt, wohl aber tritt eine mittelbare Rechtswahrnahmehürde für die betroffenen Bürger auf.
Zu fragen ist auch, ob tatsächlich mit der beabsichtigten Regelung zukünftig eine Rechtsmittelbelehrung unterbleibt oder nicht, weil kein förmliches Widerspruchsverfahren durchgeführt wird. Das würde dem Bürger, der polizeiliche Schreiben ja nicht täglich liest, signalisieren, dass es keine weitere Möglichkeit gibt, seine Rechte in anderer Art und Weise zu wahren. Aber nicht nur für die Betroffenen gereicht der Wegfall des Vorverfahrens zum Nachteil. Auch der Behörde selbst wird ja übrigens die Möglichkeit genommen, im Widerspruchsverfahren ihre eigene Entscheidung zu korrigieren. Ob die Verwaltungsgerichte beim Wegfall des Vorverfahrens tatsächlich nicht stärker belastet werden, wie die Landesregierung es behauptet, bleibt abzuwarten. Zu einer schnelleren Abhilfe für den Bürger kommt es dann aber in keinem Fall. Was von der Landesregierung als Argument für die beabsichtigte Regelung in Anschlag gebracht wird, lässt sich im Übrigen auch gegen ihre Argumentation verwenden. Es wird festgestellt, es habe im Jahre 2000 ohnehin nur 118 Widersprüche gegeben. Was soll dann die Behauptung, dass mit dieser Änderung mehr Polizisten vor Ort eingesetzt werden könnten. Ich will hoffen, dass die Beratungen im Innen- und im Justizausschuss, die ich hiermit beantragt haben möchte, sinnreicher sein werden als diese Begründung des Gesetzentwurfs. Danke schön.