Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Ich bin sehr dankbar dafür, dass dies im Bereich unserer Schulen in der Tat vielfach auch geschieht. So wird im Kultusbereich in unterschiedlichen Bereichen hingewirkt, die sich im Einzelnen wie folgt darstellen: In Thüringen müssen Lehr- und Lernmittel das Ziel einer gleichwertigen und partnerschaftlichen Lebensgestaltung von Mann und Frau berücksichtigen und zeitgemäße und ausreichende Identifikationsangebote bieten. Die Anforderung an den Unterricht ist in jedem Lehrplan ausdrücklich wie folgt formuliert worden: "Gestaltung eines Unterrichts, der die Interessen und Neigungen von Mädchen und Jungen in gleichem Maße anspricht und fördert." Ferner reflexive Koedukation als Element der Schulentwicklung und Gestaltung insbesondere des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Der Landesregierung ist durch zahlreiche Untersuchungen und als Ergebnis von Modellversuchen bekannt, dass die geringere Beliebtheit der Naturwissenschaften bei Mädchen keine Folge von Begabungsunterschieden ist. Aus dieser Erkenntnis heraus erprobt Thüringen im Rahmen des BLK-Programms Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts ein gesondertes Modul Förderung von Mädchen und Jungen, in dem die Distanz der Mädchen zur Mathematik und vor allem zur Physik und zur Chemie durch besondere Konzepte und Materialien abgebaut werden soll. Ich möchte auch dies als Einblick verstanden wissen, ich könnte eine weitere Reihe von entsprechenden Maßnahmen in unseren Schulen durchaus noch ergänzen und bin gern bereit, beispielsweise dies auch in einem Ausschuss noch zu erläutern und fortzuführen.

Ansprechen möchte ich allerdings noch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur. Über die Strukturen dieses Hauses findet der Gender MainstreamingAnsatz seinen Eingang in den Bereich der Förderpolitik und es gibt dementsprechend in Thüringen fünf regelmäßig tagende Arbeitsgruppen, die Vorschläge zur Verbesserung und Weiterentwicklung des ESF-kofinanzierten Förderspektrums erarbeiten. Für die Umsetzung der Gender Mainstreaming-Strategie ist vorranig, aber nicht allein, die Arbeitsgruppe E Chancengleichheit für Frauen und Männer zuständig. So werden u.a. frauenspezifische Förderangebote erarbeitet und durch die enge Zusammenarbeit von Ministerium, Arbeitsverwaltung, Stadtverwaltung, Trägern, Gleichstellungsbeauftragten, der Wirtschaftsförderung sowie Vertretern der Wirtschaft sollen regionalspezifische Ansätze im Rahmen der Chancengleichheit eruiert und zu Konzepten ausgearbeitet werden. Gleichzeitig soll damit die Thematik der Chancengleichheit in die Region getragen und transparenter gemacht werden. Förderrichtlinien, meine Damen und Herren, im arbeitsmarktpolitischen Bereich sind zielgruppenspezifisch, und da der Anteil der arbeitslosen Frauen in Thüringen größer ist als der der Männer, wird für die Beschäftigung von Frauen ein

größerer Anreiz durch höhere Fördersätze geschaffen.

Dass wir bei all dem, was wir tun, auf möglichst konkretes Datenmaterial angewiesen sind, versteht sich von selbst. Grundlagen für die Umsetzung der Gender Mainstreaming-Strategie sind insbesondere geschlechtsspezifische Datenerhebungen, die auf der Grundlage von Bundes- und Landesstatistiken erfolgen. Auch wenn uns die Finanzierungsmodalitäten der bevorstehenden Erhebung auf Bundesebene, um neue statistische Daten zu gewinnen, nicht gefallen, so hoffe ich doch, dass wir im Sinne des Gender Mainstreaming auch durch die Neuerhebung, die uns bevorsteht und die gerade in diesen Tagen auf der Ebene von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird, auch hier weiterkommen.

(Beifall Abg. Tasch, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen an der Fülle von Maßnahmen, dass in den einzelnen Bereichen der Landesregierung, aber auch ressortsübergreifend, der Notwendigkeit der Umsetzung des Gender Mainstreamingprinzips viel Bedeutung beigemessen wird. Eine Fülle von Initiativen ist eingeleitet, durchgeführt, auf den Weg gebracht und ich habe, wie gesagt, keineswegs alle genannt, sondern vielmehr nur einen Bruchteil. Was auch beweist, dass der im Wesentlichen dafür zuständige Arbeitsbereich, der der Gleichstellungsbeauftragten in der Staatskanzlei, seine Arbeit tut und sie mit Erfolg tut.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Bechthum, ich bin außerordentlich froh darüber, dass sich die Landesregierung in diesem Feld nicht selbst loben muss, denn ich kann Sie von gestern Abend aus der Sitzung zitieren, Sie haben freundlicherweise gesagt: "Vieles ist getan und wir können auf vieles stolz sein." Das ist in der Tat so.

(Beifall bei der CDU)

Wir können das alle auch gemeinsam sagen, denn der Erfolg steht durchaus hier in dem Ruf, dass er viele Mütter und viele Väter hat. Allerdings, die Landesregierung nimmt für sich in Anspruch, ihrer Verantwortung, die sich sowohl aus den Vorgaben unserer Verfassung als auch aus unserem Gleichstellungsgesetz ergibt, zu entsprechen und sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Sie nimmt das Thema und die gestellte Aufgabe ernst und damit bin ich beim Entschließungsantrag der PDS, den ich kurz erwähnen möchte. Ich glaube nicht, dass wir dem Thema einen Gefallen tun, wenn wir hier eine Vorgabe machen oder vorgeschlagen bekommen, dass wir Seminare für Minister anbieten, um dem Gender Mainstreaming zum Erfolg zu verhelfen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Oh, ja, das ist notwendig.)

(Unruhe im Hause)

Unsere entsprechenden Seminare finden Dienstagmorgen ab 9.00 Uhr in der Kabinettssitzung des Freistaats Thüringen statt.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Das sollte ein Geschenk sein.)

Wir haben heute erlebt, dass die Frau Präsidentin dankenswerterweise die lange Dienstzeit des Thüringer Ministerpräsidenten erwähnt hat und das verleitet mich zu dem Hinweis, dass...

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Dank Gender Mainstreaming!)

Ich bin nicht sicher, dass es unbedingt dank Gender Mainstreaming geschehen ist, aber ich glaube, dass es unter

(Heiterkeit im Hause)

Berücksichtigung der Prinzipien des Mainstreaming geschehen ist. Ich will aber gerne daran erinnern, dass es unter einem Ministerpräsidenten Vogel geschehen ist, dass einer der ersten Frauenberichte in einem Flächenland in seiner Regierungszeit, allerdings in RheinlandPfalz, herausgegeben worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, bei ihm ist das Thema durchaus bekannt und erkannt, er bedarf der Anregung der PDS nicht, in ein Seminar zu gehen. Nein, ganz im Ernst, ich bin der Meinung, wir sollten uns hüten, bei diesem Thema so zu gewissen Schauelementen zu kommen. Ich weiß sehr wohl, dass es Ministerpräsidenten gibt, die ihrerseits in solche Seminare gehen und die Fernsehkameras dabei bestellen, das mag deren Aufgabe oder Verständnis vom Amt sein, ich glaube nicht, dass es zu Thüringen und dem dortigen Regierungschef passt. Wir sollten ernst sein beim Thema, wir sollten das Thema ernst nehmen,

(Beifall bei der CDU)

zumal wir alle, und auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu, hier im Raum wissen, dass unverändert unser Thema "Frauenförderpolitik - Gender Mainstreaming" mitunter auch Anlass gibt, Thema im Rahmen von Stammtischen zu sein. Ich darf zu Max Weber zurückkommen, den ich anfangs genannt hatte, wir sind vorangekommen auf dem Weg, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen, und ich bin sicher, dass auch unser Gleichstellungsgesetz seinen Beitrag dazu geleistet hat.

(Beifall bei der CDU)

Es ist freilich, wie das Prinzip des Gender Mainstreaming auch, ein Prozess, der unsere Beharrlichkeit noch lange in Anspruch nehmen wird. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe als nächsten Redner Herrn Abgeordneten Ramelow ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kaiser, Sie haben in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen, dass ja Gleichstellung schon im Grundgesetz verankert ist und es seitdem ein zäher Prozess ist und dass man vielleicht nicht so schnell über das Gleichstellungsgesetz als Thüringer reden sollte. Mir fällt da nur ein, dass Frau Wolf als junge Abgeordnete, glaube ich, sehr wohl ein bisschen unduldsam mit uns Männern sein kann, weil so viel Zeit hat sie nicht, dass man wartet,

(Beifall Abg. Thierbach, PDS)

ein Thema erfüllt wie man schon beim Grundgesetz gewartet hat. Sicherlich haben Sie natürlich Recht, dass es ein permanenter Prozess bleibt. Eine weitere Bemerkung will ich mir erlauben zu unserem Ministerpräsidenten, der tatsächlich heute nun ein denkwürdiges Jubiläum erreicht hat.

(Zwischenruf aus der PDS-Fraktion: Aber sehr denkwürdig!)

Gender Mainstreaming war es nicht, was ihn so lange hat amtieren lassen. Herr Gnauck hat gerufen, es war Mainstreaming. Ich habe den Verdacht, dass er eben nicht bei IKEA einkaufen geht und etwas klüger ist als manch andere Menschen. IKEA, kommt bald nach Erfurt und dann können wir ja über Prozente und Prozentverhandlungen im Rahmen des Rabattgesetzes uns noch unterhalten. Nein, meine Damen und Herren, das ist kein Problem. Dieser Beitrag wurde Ihnen präsentiert von - nicht! Aber über manche hier im hohen Haus schütteln die Elche eben dann doch die Köpfe. Gestern hätte ich mir gewünscht, wenn wir als Abgeordnete schon ein bisschen mehr gegendert wären. Wenn wir etwas gegendert wären, dann hätten wir gestern Abend uns einige Szenen ersparen können als es um häusliche Gewalt ging. Da gab es einige Rufe hier aus dem hohen Haus, wo sich einige meiner männlichen Kollegen zurückgelehnt haben und dann nur gemeint haben, jetzt müsse man auch über den armen verprügelten Ehemann reden, als wenn es nicht schlimm genug wäre, was sich in diesen Szenen im Nahbereich abspielt. Da würde ich mir manchmal etwas mehr Zurückhaltung von uns Männern wünschen in solchen Debatten.

(Beifall bei der PDS)

Noch eine andere Bemerkung: Beim Ehrenamtsbeschluss gestern hatten wir beantragt, den Gleichstellungsausschuss mit diesem Gesetz, mit dieser Initiative auch zu beschäftigen, aber die mittlere Sitzreihe war der Meinung, mit Gleichstellung hätte Ehrenamtsaktivität nichts zu tun. Ich glaube, auch da wäre Gendering ein probates Mittel.

Meine Damen und Herren, ich will beginnen mit den Worten - wie sagt man - der göttlichen Greta Garbo oder der großen Greta Garbo.

(Zwischenruf Koeppen, Staatssekretär: Die Göttliche war das.)

Frau Präsidentin, ich zitiere: "Das schwächere Geschlecht ist das Stärkere, wegen der Schwäche des Stärkeren für das Schwächere." Als Vertreter des so genannten stärkeren Geschlechts erlaube ich mir eine Lanze zu brechen für einen Prozess, den ich dafür nicht geeignet halte, als das man darüber oder dazu zotige Witze macht. Ich denke, auch bei der Wortwahl - Herr Kaiser hat darauf hingewiesen - ist es ein bisschen schwierig, weil es eben kein Wort ist, Gender Mainstreaming, das sich selbst erklärt. Es ist ein etwas komplizierteres Wort und am Anfang, das gestehe ich, habe ich auch immer den Kopf eingezogen und habe gedacht, hoffentlich geht das Thema bald vorüber, weil ich selber nicht so genau wusste, was ich damit anfangen sollte. Ich sage das, weil ich glaube, dass der terminus technicus mehr beschreibt, als es für uns am Anfang gleich eingängig wäre. Deswegen erinnere ich mich an die Zeit, als wir - und ich gestehe, das war ein Westthema - immer über Frauenförderpläne geredet haben, über Frauenförderung und es gab lange...

(Zwischenrufe aus dem Haus)

Ja, ich lerne ja dazu. Ich kann mich nur daran erinnern, dass es dann den Kampf um die Quote gab, sozusagen infolge dieses Prozesses. Am Anfang war es Frauenförderung, Frauenförderpläne und dann ging es um die Quote und wenn es um die Quote ging, dann wusste "Mann" immer Bescheid, weil, hinter dem Begriff "Quote" kam dann sofort die "Quotenfrau" und mit der Quotenfrau kam sofort die Diskriminierung, weil das Thema damit sozusagen abgehakt war. Die männliche Beruhigung ist wieder eingetreten und ich glaube, dass die Diskriminierung mit dem Begriff "Quotenfrau" auch klar ausgedrückt ist. Ich finde es gleichwohl richtig, die Bemerkung zu machen: "Je weniger Quote, desto mehr Zote." Ein Beispiel haben wir gestern, glaube ich, hier auch erlebt. Meine Damen und Herren, das Zauberwort heißt Gender Mainstreaming und die Umsetzung heißt Gender Mainstreaming-Prozess, ein Wortungetüm. Mit der Umsetzung des Gender Mainstreaming-Prinzips hätten wir als Politiker - und ich meine insbesondere uns Männer - eine einmalige Chance, dass wir ein gelebtes, ein praktisches, ein praktiziertes Vorbild sein könnten. Die Realisierung und das Transportieren des Gender Mainstreaming-Prozesses funktioniert nämlich nur, wenn wir auch und gerade als Landespolitiker uns mit der

Funktionsweise und dem Inhalt des Gender Mainstreaming identifizieren und identifizieren würden.

(Beifall bei der PDS)

Wenn der Begriff Gender Mainstreaming fällt, geht oft ein Raunen durch die Runde, einige schauen sich wissend an, andere blicken unsicher auf den Boden und wenn wir nicht im Parlament säßen, würden die Unsicheren vielleicht auch noch verlegen pfeifen. Meine Herren - die Damen lasse ich jetzt bewusst aus -, der Begriff Gender Mainstreaming wird oft in den Bereich der Frauenerfindungen eingestuft und von daher von uns Männern nicht ganz ernst genommen.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Wir nehmen auch nicht alle Männer ernst.)

Was dem durchschnittlichen Mann aber fehlt, und ich will mich hier gar nicht ausnehmen, denn das wäre männlich überheblich und arrogant, ist der ausgeprägte Blick über den Tellerrand unserer männlichen Sozialisation hinaus, damit wir feststellen könnten, da ist ja noch etwas anderes. Aber, dieses anders sein sollte doch gerade uns neugierig machen, sollte uns ermuntern festzustellen, was da anders ist. Politik ist ein typisch vermännlichtes Feld und Erziehung scheint das weibliche Feld zu sein. Hier verarmt aber eine gesellschaftliche Entwicklung, wenn sie sich auf typisierte Geschlechterrollen reduzieren lässt. Geschlecht hat eben nichts mit schlecht zu tun, oder anders ausgedrückt: Männer sind anders, aber Frauen auch. Eine Politik zu betreiben, die sich mit Fug und Recht Geschlechterpolitik nennen kann, unterstreicht, dass es um beide Geschlechter geht und um das Verhältnis zwischen ihnen. Verschiedene Geschlechterrollen, die Frauen und Männer aber gleichermaßen erlernt bzw. erworben haben, die historisch gewachsen und gesellschaftlich legitimiert sind, gelten als grundsätzlich veränderbar. Mit Gleichheit zwischen Frauen und Männern ist nicht die formale Gleichheit oder "alles über einen Kamm scheren" gemeint, sondern die Anerkennung unterschiedlicher Bedingungen, Voraussetzungen und Sozialisation von Frauen und Männern. Dieses bei der politischen Gestaltung zu berücksichtigen, meine Damen und Herren, das ist die tatsächliche Gleichstellung.

(Beifall bei der PDS)

Frauen und Männer sind keine homogenen Gruppen, sondern Menschen mit vielfältigen und zum Glück unterschiedlichen Bedürfnissen. Gender Mainstreaming hat zum Inhalt, Politik und Verwaltung zu ändern. Gender Mainstreaming hat zum Ziel, allen Mitgliedern der Gesellschaft eine Entwicklung und Entfaltung zu ermöglichen, die ihren Voraussetzungen und ihrem Interesse entspricht.

(Beifall bei der PDS)

Vorhin gab es eine Zwischenbemerkung meiner Kollegin Wolf in Bezug auf die männliche Dominanz der Landesregierung. Da gab es einen Zwischenruf vom Abgeordneten Seela, der gesagt hat, diese Landesregierung wäre geprägt nach dem Prinzip: Leistung zählt. Auf meine Rückfrage an ihn, ob es keine leistungsfähigen Frauen in diesem Land gäbe, die so etwas auch tun könnten, nämlich Ministerin zu sein...

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Da sitzt doch eine Ministerin.)

Eine sitzt da, eine, aber die Rede war von der absoluten Dominanz der Männer. Ich meine, ich sehe ja eine ganze Reihe engagierter Frauen in der CDU, die hier vorne auch sitzen könnten. Es war nur die Frage von Frau Wolf und Herr Seela hat sich männlich zurückgelehnt und gesagt, Leistung zählt, als wenn alle Frauen, die hier vorne nicht sitzen, keine Leistung haben würden. Ich glaube, das wäre ein Prozess,