Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Meine Damen und Herren, der bildungspolitisch interessierte Thüringer Bürger weiß, dass wir in Zeiten dramatisch sinkender Schülerzahlen einen Überhang an Lehrern haben. Aber dieser Bürger weiß auch, dass insbesondere an den berufsbildenden Schulen dringend benötigte Lehrer fehlen. Dass Berufsschullehrer einen nicht ganz leichten Job machen, zeigt uns die Tatsache, dass nicht jeder andere Lehrer an der Berufsschule arbeiten kann oder will. In den letzten Monaten wurde dieses Problem "Lehrermangel an Thüringer Berufsschulen" im Landtag intensiv besprochen. Mit den dabei von der PDS als Antragsteller eingebrachten Ideen möchte ich mich jetzt in Folge auseinander setzen. Allerdings kann ich mich dabei lediglich auf die Äußerung der PDS hier im Plenum im Mai des letzten Jahres beziehen. Denn in dem beratenden Fachausschuss wurde kein, ich wiederhole kein, neuer Vorschlag der PDS zur Behebung der Situation dargeboten oder vielleicht gar untermauert. Die PDS beklagt die Zustände, bleibt aber dann eigene Lösungsvorschläge schuldig. Die PDS forderte im letzten Mai ein Gesamtprogramm. Nun schauen wir uns doch diesen Plan einmal etwas näher an. Frau Dr. Stangner fordert: "Thüringen muss sich um die demographische Entwicklung kümmern." Frau Wolf implizierte mit ihrer Rede: Man muss heute nur die richtige Anzahl von Studenten und in den richtigen Fächerkombinationen zum Studium bringen, dann ist in Zukunft alles gelöst, weil wir genau exakt die Zahl von Lehrern produzieren, die wir brauchen. Es ist aber naiv, denn a) jeder Student entscheidet heute selbst, was er studiert, b) in einem freien Deutschland und Europa arbeitet jeder dort, wo er es gerne will und c) auch der Bedarf an modernen Schulen ändert sich ständig.

Fazit: Konkrete Vorschläge der PDS zu diesem Thema Fehlanzeige. Dann kam die Forderung generelles Absenken der Regelaltersgrenze. Für die Berufsschulen würde dies bedeuten, dass noch mehr Lehrer in Altersteilzeitregelung arbeiten oder ausscheiden würden. Das hieße noch mehr Stundenausfall, denn schon jetzt nutzen viele ältere Kollegen sehr gern die Chance zur Teilzeitbeschäftigung. Fazit für diese Forderung für mich: Ein Schuss in den Ofen.

Es kam als Nächstes die Forderung nach einem definierten Einstellungskorridor, der her müsste. Ich habe so den Eindruck, da scheint wieder einmal der kleine rote Teufel durch die Argumentation, denn Sie wissen genau, wir haben diesen Korridor seit Jahren, ohne ihn aber jemals ausschöpfen zu können. Es liegt also nicht an den fehlenden Stellen, sondern es liegt an den fehlenden Bewerbern.

Forderung nach akzeptablen Einstellungsbedingungen: Das müsste für Berufsschullehrer heißen, 100 Prozent Westgehalt und 100 Prozent Verbeamtung. Aber eine solche Forderung in dem Bewusstsein um die Gesamtsituation des Lohngefüges im öffentlichen Dienst und erst Recht der freien Wirtschaft, das habe ich selbst von der PDS noch nicht gehört. Also auch hier für mich das Fazit: Nur heiße Luft.

Noch eine Forderung war längerfristige Personalentwicklung nicht von Haushalt zu Haushalt und über die Legislaturperiode hinaus. Frage ich mich, ob Frau Dr. Stangner hier dabei war bei den vielen Beschlüssen zum Haushalt und zur Personalentwicklung. Denn, was Sie wissen müssten, das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung geht bis 2005, also über den Doppelhaushalt und über die Legislaturperiode hinaus.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das mag ja sein, aber es ist kein Konzept.)

Die Tarifverhandlungen der Landesregierung basieren auf Schülerzahlen und Lehrerbedarfszahlen bis zum Jahr 2008. Dies wurde auch von den Gewerkschaften so akzeptiert. Haben Sie wieder Wissenslücken oder taucht auch hier das kleine rote Teufelchen in der Argumentation auf oder geht es hier um Desinformation?

Was will die PDS eigentlich mit diesem erneuten Antrag zum Thema? Auf Antrag der PDS berichtete die Landesregierung bereits am 18. Mai letzten Jahres im Plenum. Die CDU beantragte daraufhin die Fortberatung im Bildungsausschuss. Folglich berichtete die Landesregierung bereits am 7. Juli letzten Jahres, am 20. September noch mal im Ausschuss und auch im Dezember war die Situation an den berufsbildenden Schulen wiederum Gegenstand der Beratung im Bildungsausschuss. Kann ich Herrn Döring vielleicht mal zitieren? Er glänzt ja immer zum Auftakt bei seinen Reden mit Zitaten. Er sagte: "Erfahrungen sind wie Schrot im Hintern." Ich muss sagen, bei mir brennt jetzt in gewisser Weise der Hintern etwas, denn im Mai hatte ich noch den Eindruck, dass Frau Dr. Stangner ernsthaft mit uns über das Thema reden will, aber ich glaube, das war eine klare Fehleinschätzung von mir.

Dem könnte ich auch noch etwas abgewinnen, wenn die Populärkommunisten auch nur einen einzigen brauchbaren Vorschlag in die Debatte des letzten halben Jahres gebracht hätten. Die CDU-Fraktion lehnt deshalb die Punkte 2 und 3 des Antrags ab. Ich verweise dabei noch mal auf die ausführlichen Ausführungen des Ministers und die von ihm geschilderten ergriffenen Maßnahmen.

Mein Fazit aus der Diskussion des letzten halben Jahres heißt: Die PDS greift ein objektives Problem auf, erhebt sich zum Helfer aus der Not, präsentiert ein Gesamtkonzept nach einfachem Muster - das Wort Plan mag man wahrscheinlich nicht mehr so oft verwenden - und hofft ihre Popularität auszubauen auf Basis des Prinzips "Mit Klamauk und Spucke fängt man einen Wähler."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen, um der unbefriedigenden Situation des Lehrermangels an berufsbildenden Schulen zu begegnen. Dies ist als Prozess anzusehen, der auch weiter fortgesetzt wird. Wenn man will, kann man das Bündel an Maßnahmen durchaus auch als Gesamtkonzept bezeichnen, jedoch einen Plan, der

alle Probleme auf einen Schlag löst, hat es früher nicht gegeben und den kann es auch nicht geben. Deswegen wird die CDU-Landesregierung auch keinen Berufsschullehrergewinnungsplan fassen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Sojka, Sie haben das Wort.

Verehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich entschuldige mich gleich vorab bei den Denkmalschützern. Während ich im September nur fünf Minuten beansprucht hätte, werden Sie heute mehr Geduld haben müssen. Herr Emde, hören Sie gut zu, es gibt ein paar Vorschläge.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe mir die Zeit heute Abend nicht ausgesucht, es stand schon mehrmals auf der Tagesordnung, wie gesagt, ich bemühe mich, Ihre Aufmerksamkeit nicht zu enttäuschen.

Letztens fragte eine Schülerin aus einer Besuchergruppe Herrn Wetzel und mich, was tue eigentlich der Landtag gegen die Misere auf dem Lehrstellenmarkt und gegen die Abwanderung der jungen Leute? Herr Wetzel von der CDU-Fraktion antwortete pflichtgemäß, in Thüringen sei alles bestens, die Statistik beweise es, jeder junge Thüringer, der in diesem Jahr eine Ausbildungsstelle suchte, sei letztlich vermittelt worden. Mehr noch, die Ausbildungsstellensituation in Thüringen sei im Vergleich der neuen Länder seit Jahren am günstigsten. Anmerkung: Übrigens liegt Sachsen-Anhalt noch einen Prozentpunkt weiter vorn.

Die Statistik ist unbestechlich, 98 Prozent der Jugendlichen seien vermittelt, stellt sich jedoch die Frage, wie kommt diese Statistik zustande? Kann das Ergebnis möglicherweise an der langen gemeinsamen Grenze zu Bayern und Hessen liegen?

(Unruhe bei der CDU)

Lässt der dortige Fachkräftemangel gerade die flexibelsten, die leistungsfähigsten jungen Leute aus Thüringen abwandern? Nicht nur Bayern saugt dieses Potenzial auf wie ein Schwamm und dies schon seit mehr als zehn Jahren. Politiker unseres Landes müssen die politischen Rahmenbedingungen setzen, dass dieser Prozess nicht einseitig bleibt, dass gut ausgebildete, erfahrene junge Leute wieder zurückkommen.

(Beifall bei der PDS)

In Mecklenburg-Vorpommern arbeitet seit kurzem eine so genannte Rückholagentur, finanziert vom Land, die Kontakt zu den Westwanderern hält; sogar über Rückkehrprämien wird nachgedacht. Es lacht gar keiner? - In Sachsen gibt es das übrigens auch.

Leistung muss sich lohnen, auch und gerade hier, sonst droht Thüringen auszubluten. Dazu gehört neben anderem auch die Frage der beruflichen Ausbildung. Der Anteil der betrieblichen Plätze am Gesamtangebot sei laut Herrn Minister Schusters Pressemitteilung vom 20.10. des vergangenen Jahres 78,7 Prozent. Wir sind aber nicht in der Sendung „Wünsch dir was“, sondern bei „Sag die Wahrheit“.

(Beifall bei der PDS)

In Thüringen entfielen auf 35.500 Bewerber 22.100 betriebliche und außerbetriebliche Ausbildungsplätze, das sind genau 62 Prozent. Das Angebot an gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen ging auf 16.400 zurück, das sind gar nur 46 Prozent. Übrigens, meine Quelle kann ich angeben - Herrn Schuster seine habe ich nicht gefunden -, Landesarbeitsamt "Bericht zum Abschluss des Berufsberatungsjahres 2000/2001", bestätigt im Infoblatt des Verbandes der Wirtschaft e.V., dass sie sicher gestern und vorgestern auch in Ihrem Postfach hatten.

Wissen Sie eigentlich, wie viele von den Suchenden Abiturienten sind? Wie viele Abiturienten mit Hochschulreife kein Studium aufnehmen, obwohl sie vorrangig zu diesem Zweck bereits nach Klasse 4 separiert worden sind? Im Arbeitsamtsbezirk Altenburg bewarben sich 12 Prozent Jugendliche mit einer Fachhochschul- bzw. Hochschulreife um eine Berufsausbildung.

Frau Abgeordnete Sojka, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner zu?

Nein. Der Herr Wehner hat dann noch die Möglichkeit zu reden, da kann er alles unterbringen.

Auf die Fachhochschule Ostthüringen warten wir immer noch. Schade, dass Herr Späth nicht mehr Minister sein will, seine Idee von den wohnortnahen vielen Fachhochschulen fände ich spannend. Übrigens nachzulesen im Interview der Super-Illu 49/2001.

Entsprechend dem Strukturwandel in der Wirtschaft hält der Trend zu höheren Berufsabschlüssen an und die derzeitige Nachfrage nach neuen Berufen, insbesondere im IT- und Medienbereich, übersteigt noch immer das Angebot an Ausbildungsstellen. Fazit: Ca. die Hälfte der jugendlichen Hierbleiber drückt weiter die Berufsschulbank in so genannter Vollzeitausbildung. Das, Herr Minister, ist plan- und vorhersehbar und keinesfalls jedes

Jahr wieder eine Sommerüberraschung.

(Beifall bei der PDS)

Hier liegt die Verantwortung der Politik, Ihre Verantwortung, Herr Minister Krapp. Sollten wir in der "Denkfabrik Thüringen" nicht auch unsere Berufsschulzentren so attraktiv machen, dass sich eine Ausbildung in Thüringen lohnt?

(Beifall bei der PDS)

Vor allem oder gerade in den neuen IT-Berufen und den Dienstleistungsberufen wäre hochwertige Vollzeitausbildung mit anerkannten Berufsabschlüssen notwendig und möglich. Dazu gehören zuallererst natürlich motivierte, gut ausgebildete Berufsschullehrer in ausreichender Anzahl. Ich dachte wirklich, ich höre heute etwas Neues gegenüber Ihren Aussagen im Ausschuss, aber ich bin enttäuscht.

Herr Emde, zu Ihrem Vorwurf, dass im Ausschuss darüber nicht geredet worden ist: Nach meiner Kenntnis ist der Bildungsausschuss zweimal wegen Ihrer Terminprobleme abgebrochen worden, so dass kurz vorm Dezemberplenum

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ich habe Vorschläge gemacht, aber da...)

aufgrund eines Antrags der Jugendparlamentarier das besprochen worden ist. Weil ich fest davon ausging, dass vor Weihnachten dieser Antrag zur Behandlung kommt, habe ich davon abgesehen, mich im Ausschuss großartig mit Ihnen zu streiten.

(Beifall bei der PDS)

Zu den gut ausgebildeten Berufsschullehrern in ausreichender Anzahl: Es ist eben nicht hinnehmbar, über Jahre Lehrermangel zu akzeptieren, der je nach Betrachtungslage zwischen 200, wie der Minister sagt, und 600, wie die Verbände sagen, Stellen liegt, je nachdem, wie viel duale Ausbildungen man statistisch zugrunde legt. Es ist nicht hinnehmbar, an einzelnen Schulen bis zu 1.000 Stunden Unterrichtsausfall monatlich zu planen, an den 59 Schulen des Landes durchschnittlich 10 bis 12 Prozent, und nicht oder nur halbherzig zu reagieren. Herrn Gentzels Anfrage wurde übrigens nur unvollständig beantwortet. Eine Schule, die ich kenne, mit den 1.000 Stunden - der Herr Staatssekretär war im September dort, das wurde öffentlich gesagt -, die fand gar nicht statt in dieser Anfrage. Wünschenswerter wahlobligatorischer Unterricht findet in den Schulen, die ich besucht habe, einleuchtenderweise nicht mehr statt. Das holen zum Teil einige wenige der Firmen, die ausbilden, selbst nach, da sie auf erkannte Probleme schnell reagieren können und nicht auf PISA warten müssen. Es ist nicht hinnehmbar, die Ausbildungsreife in allgemein bildenden Fächern, also auch Deutsch, zu kritisieren und den Unterricht genau in diesen Fächern drastisch zu kürzen. Es ist doch albern, an Volkshochschulen kostenlosen Nachhilfe

unterricht für Berufsschüler anzubieten.

(Beifall bei der PDS)

Das 5-Punkte-Programm vom Mai dieses Jahres ist sicher ein richtiger Schritt. Leider, Herr Minister, konnten Sie es im Septemberplenum nicht vorstellen. Der CDU-Fraktion war die Dittes-Demo halt wichtiger als die katastrophale Berufsschullehrersituation, welche eigentlich als Aktuelle Stunde auf der Tagesordnung stand, schade.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das liegt doch an Ihnen. Hätten Sie doch den Kerl diszipliniert.)

So haben einzelne Verantwortliche auf unterer Ebene dieses Programm noch im Herbst für eine Erfindung der Gewerkschaften bzw. Verbände gehalten; so unbekannt war es. Vielleicht war die relative Geheimhaltung aber auch notwendig, da die Verwaltungsvorschrift über die Nachqualifizierung der so genannten Seiteneinsteiger erst vor Kurzem erarbeitet worden ist und somit erst jetzt Punkt 5 überhaupt untersetzt wurde. Eine für die betreffenden Kollegen wichtige und notwendige Bedingung, die sich letztlich ja auch finanziell auswirkt.

Nicht befriedigen kann auch die Berufsschullehrerausbildung. Seit 1991 wurden nur 126 Berufsschullehrer in Thüringen ausgebildet. Von zehn Absolventen des staatlichen Studienseminars Ilmenau des letzten Jahres sind lediglich sechs im Thüringer Schuldienst geblieben. Diese wurden übrigens, Herr Emde, hören Sie zu, geködert mit 100 Prozent Beschäftigungsumfang und sofortiger Verbeamtung. Das ist übrigens völlig richtig, denn Leistung muss sich lohnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich verweise auf einen Zeitungsartikel aus dem Pressedienst, den Sie auch haben. Herr Krapp fordert darin die Angleichung, das ist also auch keine Erfindung von mir, obwohl ich es im Septemberplenum mal reingebrüllt hatte, stimmt schon. Also, wie gesagt, diese wurden geködert mit 100 Prozent Beschäftigungsumfang,

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Da geht es ja darum, was Sie vorgetragen haben....)