Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 3/2128 an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall.

Wer der Überweisung an den Justizausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das müsste man zählen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Fragen Sie doch mal Herrn Jaschke, für was er stimmt.)

Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist mit einer Mehrheit von 24 : 23 Stimmen abgelehnt worden, den Antrag an den Justizausschuss zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Mit dem Zielfernrohr!)

(Heiterkeit im Hause)

Da brauchen wir nicht über die Federführung abzustimmen, der Gesetzentwurf ist an den Innenausschuss überwiesen. Ich frage jetzt, ob es bei meinen Schriftführern Unklarheiten gibt? Nein. Gut, also es bleibt dabei. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 5

Arbeitsplätze statt Überstunden Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1538 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik - Drucksache 3/2134 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/2157

Berichterstatter ist der Abgeordnete Kallenbach, ich bitte um die Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu dem Antrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1538: Durch Beschluss des Thü

ringer Landtags vom 18. Mai 2001 ist der Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik überwiesen worden. Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik hat diesen Antrag in seiner 19. Sitzung am 7. Juni 2001, in seiner 21. Sitzung am 20. September 2001 und in seiner 24. Sitzung am 17. Januar 2002 beraten. Aufgrund auch umfangereicher Zuarbeiten der Landesregierung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag. Als erster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Bergemann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, um es gleich vorwegzunehmen, der Antrag "Arbeitsplätze statt Überstunden" in der Drucksache 3/1538 der PDSFraktion, den wir in der 44. Landtagssitzung bereits fachlich-inhaltlich lange diskutiert haben, wird von meiner Fraktion abgelehnt.

(Beifall bei der CDU)

Es hat sich überhaupt nichts daran geändert, dass das Arbeitszeitgesetz zu Arbeitsschutz- und zu Gesundheitsschutzregelungen vorgesehen ist und nicht zu Regelungen der Beschäftigungsförderung. Wir haben in der Debatte inhaltlich das Thema lang und breit besprochen. Trotz unterschiedlicher Zahlen, auch zum jetzigen Zeitpunkt, wenn man sich die Tagespresse vornimmt aus dem Handelsblatt, wo groß drinsteht "Ohne Überstunden geht es nicht", gibt es sehr unterschiedliche Wertungen. Die Financial Times Deutschland hat von 1,9 Mrd. Überstunden gesprochen, das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der BfA von 1,7 Mrd. Überstunden. Ich glaube, das ist auch sekundär, entscheidend ist, das ist richtig, es sind zu viele Überstunden und man muss versuchen, diesen Anteil von Überstunden abzubauen. Die leicht rückläufige Tendenz, die wir zu verzeichnen haben, richtet sich natürlich in erster Linie auf die zurückgehende Konjunktur und auch darauf, dass in den Unternehmen sehr selbstbewusst und zielgerichtet das Problem der Arbeitszeitkonten vorangetrieben worden ist. Das ist deutlich erkennbar. Wir wissen auch, dass Überstunden vor allen Dingen in den qualifizierten und hoch qualifizierten Bereichen ausgeübt werden und dass es den Unternehmen oft genug an diesem Personal fehlt; der Fachkräftemangel ist bekannt. Ein Zweites kommt dazu, dass der deutsche Arbeitsmarkt, wenn man das im Vergleich zu den europäischen Staaten sieht, einfach zu unflexibel ist.

(Beifall bei der CDU)

Die wirtschaftspolitische Erkenntnis aus dieser ganzen Situation, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann natürlich in gar keinem Fall ein Gesetz zur Begrenzung von Überstunden sein; das ist und bleibt einer der Fakten. Ich möchte, Frau Präsidentin, wenn Sie erlauben, mal kurz zitieren, wie die Betriebsräte das sehen. Manager und Betriebsräte sind hier in diesem Problem gemeinsam auf einer Ebene. Das schwierigste Problem dabei sind die Funktionäre in den Gewerkschaften. Ich bin selbst lange genug Gewerkschaftsmitglied und Betriebsratsvorsitzender gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Das darf aber nicht dazu führen, die Augen vor der Realität zu verschließen. Die Unternehmen müssen kurzfristig produzieren, sie müssen Aufträge, die sie kurzfristig bekommen, abarbeiten können, sie sind spezialisiert in bestimmten Richtungen, das heißt, Fachkräfte. Da kann ich nicht jeden x-beliebigen Menschen holen und kann ihn an diesen Arbeitsplatz stellen. Das heißt, ich muss Überstunden machen. Selbst Betriebsräte nennen genau diesen Punkt: Wir brauchen Überstunden, um kurzfristig diese Aufträge termingerecht zu erfüllen. Ich denke, meine Damen und Herren, die Verantwortung der Politik, die wir tragen, die ist für uns entscheidend, dass wir am Arbeitsmarkt flexibilisieren. Ich bin schon sehr gespannt, weil das morgen auch Thema des Bündnisses für Arbeit sein wird, wie genau diese Punkte, die ich vorhin angesprochen habe, abgearbeitet werden.

Eins zum Schluss noch: Die Vereinbarungen zur Arbeitszeit sind und bleiben nach wie vor Aufgabe der Tarifvertragsparteien und nicht der politischen Mandatsträger. Dass man Überstunden abbauen kann und dass es Modelle gibt, zeigt das Beispiel der IG Bergbau-Chemie-Energie, da gibt es diese Regelungen. Ich glaube, zu unserem Entschließungsantrag in dieser Sache wird mein Kollege Thomas Kretschmer dann auch noch einmal separat sprechen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Lippmann, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der sehr sachlichen und auch ausführlichen Debatte zur ersten Lesung hier in diesem Haus sind mehrere Ausschussberatungen gefolgt, die letztendlich - das muss ich vorausschicken - keinen wesentlichen Erkenntniszuwachs gebracht haben. Man könnte also - wenn man das wollte die Aussagen aus der ersten Beratung, so meine ich, fast zu 100 Prozent inhaltlich wiederholen. Das will ich nicht machen, sondern mich auf einige wenige Bemerkungen be

schränken, die im Zusammenhang mit der aktuellen Situation und mit dem Antragsanliegen vielleicht von Bedeutung sind.

Natürlich ist die Zahl der bezahlten Überstunden gigantisch hoch, aber natürlich ist es auch, dass durch diese hohe Zahl - man spricht von 1,8 bis 1,9 Milliarden - ein viel zu alarmierender Eindruck erweckt wird, weil sie nämlich nur zu einem kleinen Bruchteil für die Ermittlung überhaupt in Frage kämen, wenn denn etwas gemacht würde. Überstunden, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen und können dann abgebaut werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Es müssen die Arbeitnehmer wollen, es müssen die Arbeitgeber wollen und die Situation des Unternehmens muss dies gestatten. Dann, denke ich - und das ist auch nicht nur meine Auffassung -, wäre das schon möglich; ein fast unlösbares Problem, denn fast alle drei Voraussetzungen schränken die Masse der bezahlten Überstunden, die letztendlich in Frage kommen, doch erheblich ein. Da rede ich schon gar nicht von den Arbeitnehmern, Kollege Bergemann hat darauf hingewiesen, die das gar nicht wollen - das ist immerhin ein Drittel der Befragten, wenn man sich das Betriebspanel einmal ansieht -, ich rede vielmehr von den so genannten transitorischen Überstunden, das heißt, die dann anfallen, wenn es die betriebswirtschaftliche Situation einmal erfordert und einmal nicht erfordert, das heißt also, von der Notwendigkeit eines Unternehmens, auf bestimmte Marktsituationen auch reagieren zu können. Das ist bei größeren Unternehmen oder bei Unternehmen, die nicht über einen gesicherten Basisumsatz verfügen, lebensnotwendig. Genau das ist aber bei unseren Unternehmen hier in Thüringen mehrheitlich der Fall, bei unseren kleinen und mittelständischen Zulieferunternehmen. Damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde die Situation bagatellisieren - übrig bleiben, wenn man es schon aufaddiert mit der nötigen Toleranz, genug, nämlich dort, wo Überstunden regelrecht geplant werden. Das gibt es selbstverständlich auch. In vielen Unternehmen, auch im Osten, ist die Einrichtung von Arbeitszeitkonten - und das ist noch ein weiteres Problem, auch das ist im Ausschuss behandelt worden -, die zudem konkurssicher sind, durchaus möglich und auch selbstverständlich, aber das ist Sache der Tarifparteien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPDFraktion hat es schon bei der ersten Lesung zu den zwei Punkten des PDS-Antrags gesagt: Wenn uns die Möglichkeit gegeben wird, und das haben wir dann auch im Ausschuss gemacht, zu beiden Punkten getrennt abzustimmen, dann sind wir in der Lage, dem Punkt 1 zu folgen, weil er inhaltlich fordert, das Problem dort zu lösen, wo es gelöst werden muss, nämlich im Zusammenwirken von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden mit dem Katalysator Politik selbstverständlich, der ja auch Arbeitgeber für den öffentlichen Dienst ist. Punkt 2 des Antrags werden wir nicht zustimmen, weil wir erstens eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes im Sinne des Antrags für nicht zielführend halten und zweitens, weil die entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union dieses auch nicht zwingend

erforderlich machen. Das ist im Übrigen auch die Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Gerstenberger, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es war im Mai 2001, als die PDS-Fraktion den Antrag "Arbeit statt Überstunden" in den Landtag eingebracht hat. Die Arbeitsmarktsituation war damals angespannt, Lösungen waren gefragt - damals wie heute. Die Arbeitslosigkeit war zu hoch - damals wie heute. Der Antrag hatte zwei Schwerpunkte: Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, war der erste, für die Umwandlung von Überstunden in zusätzliche Arbeitsplätze durch Gespräche und Verhandlungen und die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Arbeitszeit in nationales Recht. Meine Damen und Herren, der Antrag - denke ich - ist aktueller denn je. Neun Monate später hat sich die Arbeitsmarktsituation bundesweit verschlechtert. In Thüringen waren im Dezember 2001 194.579 registrierte Arbeitslose, also 2.852 Menschen mehr als im Vorjahresdezember, laut Statistik von Arbeitslosigkeit betroffen. Das deutsche Arbeitszeitgesetz, Herr Bergemann, so ein Gesetz gibt es schon, man darf das unter keinen Umständen schaffen, so wie Sie das gesagt haben, das gibt es schon, es geht um die Änderungen, wenn Ihnen das entgangen sein sollte.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Das weiß ich, das habe ich so nicht gesagt. Nein!)

Wir lesen es im Protokoll nach, dass Sie es gesagt haben. Dieses Gesetz ist immer noch nicht novelliert, aber die Regierungsmehrheit lehnt den Antrag ab. Neun Monate nachgedacht, meine Damen und Herren, und wieder nichts Vernünftiges dabei herausgekommen. Stattdessen Verweigerungshaltung,

(Beifall bei der PDS)

so wie wir sie seit Jahr und Tag gewöhnt sind. Was Sie hier zu den Überstunden gesagt haben, das haben wir von Anfang an klargestellt, dass es nur um einen Teil der Überstunden geht und dass es natürlich nicht um die Gesamtheit der Überstunden, die in einem Unternehmen anfallen, hier in der Diskussion gehen kann. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht zumindest davon aus, dass in Thüringen 15.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten. Mehrere Gewerkschaften, Herr Bergemann, haben sich ausdrücklich für eine Initiative der Politik ausgesprochen, die Tarifpartner zu diesbezüglichen Regelungen zu motivieren, ein politisches Signal zu setzen und den notwendigen Prozess durch Modellprojekte zu

unterstützen. Entsprechende Stellungnahmen, Herr Bergemann, wurden erst in dieser Woche während einer Anhörung der PDS-Bundestagsfraktion zur Reform des Arbeitszeitgesetzes von ver.di und von der IG Metall gegeben. Auch Beispiele dafür gibt es, dass man so etwas als Landesregierung tatsächlich und ernsthaft initiieren kann. Das haben wir Ihnen im Ausschuss schon gesagt, und zwar nennt sich das eine Beispiel "Bayern-Pakt zur Umwandlung von Überstunden in Arbeitsplätze". Warum also nicht in Thüringen? Wegen, ich sagte es bereits, der allbekannten Verweigerungshaltung der Mehrheit gegenüber Oppositionsanträgen. Meine Damen und Herren, wenn Ihnen das noch nicht reicht, auch Betriebsräte nehmen den Problembereich der steigenden Überstunden sehr wohl wahr und bei Befragungen rangiert das Problem auf einer Skala der zu lösenden Aufgaben ganz weit vorn. Dabei gibt es, das wurde vorhin angedeutet, einen ganz besonderen Regelungsbedarf bezüglich der Arbeitszeitkonten, nämlich die Insolvenzsicherheit. Zur Erinnerung für alle, die es nicht mehr wissen sollten: Altersteilzeit wurde erst zu einem Zeitpunkt angenommen, als die Sicherung dieser Stunden, die dort anfallen, gesetzlich verankert wurde, nämlich über Bankbürgschaften, Versicherungen, Rücklagen und Ähnliches. Gewerkschaften haben darauf aufmerksam gemacht, dass auch der Nachweis der von Betrieben getroffenen Maßnahmen gegenüber der betrieblichen Interessenvertretung nötig ist, allerdings auch dazu gab es die Weigerungshaltung der Mehrheit im Ausschuss.

Wenn wir in den internationalen Raum hineinschauen, meine Damen und Herren - manchmal ist es ja gut, in der Diskussion auch über den Tellerrand hinauszuschauen -, in Frankreich hat sich die Wettbewerbsposition der Wirtschaft trotz Arbeitszeitverkürzungen nicht verschlechtert und es wurden durchaus bedeutende Größenordnungen von neu geschaffenen Arbeitsplätzen auf die gesetzliche Arbeitszeitverkürzung zurückgeführt.

Ein weiterer Aspekt: Ein Arbeitszeitgesetz mit Umsetzung der EU-Richtlinie ist auf jeden Fall effektiverer Gesundheitsschutz und keine Freiheitseinschränkung, Herr Bergemann. In dem Zusammenhang erlaube ich mir noch einmal aus einer Pressemeldung des Thüringer Landesamts für Statistik vom 6. September 2001 zu zitieren, wenn ich darf, Frau Präsidentin. Dort wird festgestellt: "Immer mehr Thüringer arbeiten außerhalb der normalen Arbeitszeit." Nach Angaben des Thüringer Landesamts für Statistik war es im Zeitraum Februar bis April 2000 fast jeder zweite Erwerbstätige, der zumindest gelegentlich auch außerhalb der Normalarbeitszeit, die im Allgemeinen die Zeitspanne Montag bis Freitag von 6.00 bis 18.00 Uhr umfasst, gearbeitet hat. Exakt betraf es 48,5 Prozent der Erwerbstätigen, die auch samstags oder feiertags, abends, nachts oder in Wechselschicht tätig waren. Im Jahr 1995, meine Damen und Herren, betrug dieser Anteil noch 42 Prozent, das heißt, eine Steigerung um 6,5 Prozent. Das erklärt sich, glaube ich, von selbst.

Aber, meine Damen und Herren, die PDS sieht die Arbeitszeitpolitik nicht isoliert, sondern innerhalb eines gesamten Maßnahmekomplexes. In Anbetracht der bestehenden Arbeitsmarktsituation haben wir bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht und gefordert, dass eine Infrastrukturpauschale aufgelegt werden sollte, um zusätzliche Investitionstätigkeit anzuregen, der Überstundenabbau folgen sollte. Dazu dient dieser Antrag, den Sie, wie die anderen auch, abgelehnt haben. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass es auch Beschäftigungsprojekte für entsprechende Problemgruppen, insbesondere für Ältere, geben muss, wo das, was wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt tun, noch viel zu wenig und viel zu gering ist, obwohl es zugegebenermaßen mehr ist, als in anderen Bundesländern erfolgt. Das bedarf auch der Unterstützung von Seiten des Bundes - auch -, aber das entbindet das Land nicht von der Verantwortung für eigene Ansätze und Ideen. Man muss ja nicht gleich industrielle Anlagen zum Denken schaffen, manchmal würde es ja schon reichen, wenn man handwerklich saubere eigene Ideen oder Initiativen entwickeln würde, aber bisher hat man sich darauf beschränkt, Vorschläge von anderen Seiten abzulehnen. Glauben Sie denn wirklich, meine Damen und Herren der CDU, dass wir keine eigenständigen Maßnahmen ergreifen müssen und ergreifen können? Was haben Sie gegen Modellvorhaben, die in verstärktem Maße in Thüringen zu nutzen sind? Was haben Sie gegen die Ausweitung der Pauschalenregelung, die wir in Thüringen im Jugendbereich haben, auf den Bereich Soziales, Kultur, Ökologie oder auch Sport? Was haben Sie dagegen, den Aussagen der Pisa-Studie mit einer Offensive in der Schul-, Sozialarbeit zu begegnen? Dort wäre Regelungsbedarf angefordert und notwendig und dazu gehört natürlich auch Geld - Geld, was wir von Landesseite in die Hand nehmen könnten.

Meine Damen und Herren, noch ein Aspekt, der deutlich macht, welchen Handlungsspielraum Thüringen verschenkt: Hätte Thüringen in der Arbeitsmarktpolitik die Haushaltsansätze von 1999 beibehalten, wären 35.000 heute registrierte Arbeitslose mehr in Beschäftigung, und zwar existenzsichernd und sozialversichert. Die Konsequenz dessen, dass sie nicht in Beschäftigung sind, resultiert aus der Mittelreduzierung dieser Landesregierung im Rahmen des Landesarbeitsmarktprogramms und damit speziell bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die zu einer tragischen und dramatischen Situation bei den Trägern führen, denn Träger, die gemeinwohlorientierte Aufgaben realisieren, stehen vor dem Problem, dass ihnen die Eigenmittel fehlen. Sie stehen vor der Frage, ihre Tätigkeit einzuschränken oder ganz einzustellen bzw. punktuell auf teurere Instrumente umzusteigen. Etliche haben sich mit dieser Sorge an die PDS-Fraktion gewandt und ich nehme einmal an, auch an die CDU-Fraktion. Dabei liegt natürlich auch eine Verantwortung für diesen Prozess in der Arbeitsverwaltung, aber, meine Damen und Herren, in den Verwaltungsgremien sitzen auch Vertreter der Landesregierung und die Gestaltungsspielräume für Mittelumverteilungen innerhalb der Bundesanstalt bestehen, man muss sie nur nutzen. Sich bei ABM herauszureden, dass wir von Landesseite nicht mehr

in der Lage sind, die verstärkte Förderung bereitzustellen...

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Gehen Sie doch mal auf den Antrag ein und nicht...)

Es geht sofort... Ich kann ja Ihre Ungeduld verstehen, Herr Kretschmer, es ist nicht schön, wenn man die Fehler vorgerechnet bekommt, aber Sie müssen es schon aushalten.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU:... Thema verfehlt!)

Die ABM-Problematik ist dadurch entstanden, Herr Bergemann, damit Sie es auch verstehen, weil im Landesarbeitsmarktprogramm die Mittel für die verstärkte Förderung von ABM reduziert wurden. Die ist aber gesetzliche Voraussetzung dafür, dass die Mittel der Bundesanstalt gezahlt werden.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU)

Das hat mit Überstunden nichts zu tun, Herr Kretschmer, aber es macht deutlich, dass Sie die Handlungsspielräume, die Sie in der Politik in Thüringen haben, bewusst und gezielt beschneiden zum Schaden der Arbeitslosen in Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Ach du lieber Gott, das ist Populismus.)

Das hat nichts mit Populismus zu tun, meine Damen und Herren.