Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

1. Wie kann bei einer Übertragung der Unterbringung psychisch kranker Straftäter in privaten Krankenhäusern sichergestellt werden, dass die Anerkennung von Grundrechtspositionen der Patienten und die Begrenzung von Grundrechtseingriffen ebenso gewährleistet ist wie bei wahrnehmenden Aufgaben in Einrichtungen öffentlicher Trägerschaft? Dies ist eine Frage, keine Unterstellung.

2. Es ist aber auch zu hinterfragen, wie der Rechtsschutz der Patienten bei einem Trägerwechsel mindestens im gleichen Umfang gewährleistet wird. Mindestens in dem Umfang, wie es bisher war.

Es ist 3. eine Frage, wie sich ein Trägerwechsel auf die Therapieaufgaben nach § 136 des Strafvollzugsgesetzes und der Anspruch der Patienten auf Behandlung letztendlich durch diese Privatisierung auswirken.

Der Antrag der CDU-Fraktion ließ demgegenüber nicht erkennen, dass dies Schwerpunkt des Berichtsersuchens an die Landesregierung war. Tenor und Begründung des Antrags ließen nicht ausreichend erkennen, dass für die Antragsteller die Aufgaben der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern nach dem Strafvollzugsgesetz eine Rolle spielten. Während nach dem Strafvollzugsgesetz die Aufgabe der Unterbringung darin besteht, den Patienten zu heilen und seinen Zustand zu verbessern, hebt in der Wirkung dieser CDU-Antrag die Sicherheit im Maßregelvollzug in den Mittelpunkt. Das ist eine ganz unterschiedliche Betrachtungsweise der Schwerpunktsetzung zu diesem Problem. Unser Schwerpunkt liegt tatsächlich in der Verbesserung des Zustandes und der Heilungsmöglichkeiten.

(Beifall bei der PDS)

Während nach dem Strafvollzugsgesetz der Maßregelvollzug sich nach medizinischen Gesichtspunkten zu richten hat, sieht offensichtlich die CDU-Mehrheit hingegen den Sinn und Zweck der Unterbringung offenbar darin, psychisch Kranke sicherer zu verwahren, auch wenn der

Angsttenor ganz am Schluss erst zu lesen ist, durch diesen Angsttenor solche Fragen erst ganz am Schluss Ihres Antrags stehen, wie Maßnahmen der Qualitätssicherung. Dass die CDU-Fraktion möglicherweise dabei auch an den Behandlungsaspekt gedacht hat, belegt doch die vorrangige Erwähnung der Sicherheit, dass es der CDU-Fraktion tatsächlich darauf ankommt, im Widerspruch zum Strafvollzugsgesetz, in erster Linie den Maßregelvollzug auch nach einem Trägerwechsel voll und ganz der Allgemeinheit zum Interesse als Schutzmechanismus zu gestalten, das ist unserer Meinung nach zu kritisieren.

Während einerseits die Problematik einer Privatisierung darin gesehen werden muss, dass dem gesetzlichen Auftrag zur Behandlung weniger Beachtung geschenkt wird, die Grundrechte der Patienten bei der Anwendung von Zwangsmaßnahmen weniger Berücksichtigung finden können, Entscheidungen über eine Lockerung der Unterbringung restriktiver gehandhabt werden können und die Effizienz des Rechtsschutzes möglicherweise eingeschränkt wird, wenn man die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben der Unterbringung straffällig gewordener psychisch Kranker in psychischen Krankenhäusern den Gesetzen der Wirtschaftlichkeitstauglichkeit unterwirft, ist dies andererseits, zumindest erweckt dies alles den Eindruck, für die Regierungsmehrheit schon gar kein Problem mehr.

Wer jetzt nicht gemerkt hat, was ich gesagt habe, dann möchte ich Ihnen ganz einfach sagen, ich wiederhole es Ihnen: Die Verschiebung der Schwergewichte in den Aufgaben des Maßregelvollzugs steckt dahinter.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Pietzsch, ich habe Ihnen vorhin sehr genau bei Ihrem Bericht zugehört und Sie hatten genau dieselben Vokabeln in Ihrem Bericht, wie Lockerung der Unterbringung, und zwar an den Stellen bzw. Maßnahmen zur Behandlung von psychisch Kranken im Maßregelvollzug benutzt. Sie hatten Kontrollmechanismen erwähnt. Diese Kontrollmechanismen sind aber nicht ausreichend dargestellt. Wie denn? Jetzt nenne ich Ihnen ein ganz großes Beispiel. Wie soll das gehen? Natürlich kann man den Patienten im Gefängnis in Gotha erklären, sie werden von den Ärzten in Mühlhausen behandelt. Die Patienten, die sich im Gefängnis in Gotha aufhalten, haben erstens einmal ein ganz anderes Umfeld. Ich traue den Ärzten auch zu, dass sie den Wunsch haben, dieselbe gute medizinische Leistung diesen Patienten zukommen zu lassen. Aber eine so große räumliche Trennung, ein Sicherheitsaspekt, der in einem Gefängnis nun einmal baulich einfach da ist und von Ausgang würde ich bei diesen Patienten bzw. Lockerungen selber lange überlegen, weil, daneben ist die Brauerei, mal sehen, was dann passiert. Ich möchte ganz einfach darauf hinweisen, dass räumlich ein Gefängnis in der öffentlichen Situation auch noch den Eindruck erweckt, dass Maßregelvollzugspatienten möglicherweise im Gefängnis untergebracht sind und daraus lässt sich dann auch eine allgemeine Weisheit ableiten, wenn wir das nächste Problem

haben, wird dann dargestellt, da gehören sie hin. Genau das ist das Problem.

(Beifall bei der PDS)

Sie beeinflussen eine öffentliche Meinung, die eigentlich oft durch Unkenntnis bei der Bevölkerung getragen ist. Ich weiß, dass es schwer ist, zusätzliche Betten zu finden. Ich verurteile auch nichts, sondern ich mache auf Probleme aufmerksam, wenn man ein leer gezogenes Gefängnis für eine eigentlich medizinische Aufgabe benutzt. Das ist ein Paar, das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall bei der PDS)

Ich bin immer noch bei den, wie Sie sagten, Möglichkeiten über die Beteiligungsansätze über Kontrollmechanismen. In dem Antrag der CDU-Fraktion wird davon gesprochen, dass die Landesregierung auch berichten möge über die Berichtspflicht der neuen Träger. Auch Berichtspflichten sind etwas sehr Subjektives in der Handhabung. Inwieweit dort Grundrechtspositionen der Patienten angemessene Berücksichtigung finden, ich weiß es nicht. Die Privatisierung führt zumindest möglicherweise zu Personaleinsparungen in diesem sehr sensiblen Bereich und, ich glaube, Personaleinsparungen dort gerade in der Folge, dass verstärkte Sicherheitsmaßnahmen möglicherweise nach § 12 des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker benutzt wird, könnte dazu führen, dass es Erscheinungen in den Einrichtungen gibt, die wir alle nicht wollen. Ich habe absichtlich diesen § 12 in seiner Wirkung nicht vollständig interpretiert, weil ich den Ruf nicht schlechter machen will in solchen Einrichtungen als er durch skandalisierte Vorkommnisse in Zeitungen manchmal dargestellt wird. Wichtig ist aber, dass es keine Ruhigstellung von Patienten über das medizinische Maß hinaus, dass es keine zusätzlichen Bindungen geben soll, die letztendlich Eingriffe in Persönlichkeitsrechte darstellen. Dasselbe wie in § 12 bezieht sich natürlich auch auf Entscheidungen über Maßnahmen, die den Freiheitsentzug der Unterbringung lockern. Ich denke hier etwa an Beurlaubung oder die Ausführung, den Ausgang und Beschäftigung außerhalb der psychiatrischen Einrichtungen. Der hiermit verbundene Verwaltungsaufwand könnte die Krankenhausleitung, die hier die hoheitlichen Aufgaben einer Vollzugsbehörde wahrnimmt, veranlassen, diese Maßnahmen doch möglicherweise restriktiv einzuschränken, was auch nicht im Interesse des Patienten wäre. Aus der Unterbringung zur Behandlung würde möglicherweise damit eine Unterbringung zur Verwahrung, ein Vorgang, der privaten Krankenhäusern von unserer Seite nicht unterstellt wird, dass sie daran interessiert sind, aber wenn über das Geld geregelt wird, welche Bedingungen auch diese freien Träger oder privaten Träger dann haben, so besteht die Gefahr genau an dieser Stelle doch, dass dann solche Vorkommnisse entstehen. Schließlich ist es aus unserer Sicht auch fraglich, wie wirksam sichergestellt werden kann, dass zum Schutz der Untergebrachten ergangene Entscheidungen der Vollstreckungskammer berücksichtigt werden. Bei alledem ist

es aus unserer Sicht vor allem wichtig, von der Landesregierung nun zu einem späteren Zeitpunkt zu erfahren, wie einem bei einer Privatisierung zu befürchtenden Interessenkonflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Krankenhausträgers einerseits und der öffentlichen Aufgabe zur Verhandlung der psychisch kranken Straftäter und der Beachtung ihrer Grundrechte andererseits wirksam vorgebeugt werden kann. Diese Fragen, die Sie, Herr Minister, in dem Bericht relativ kurz und knapp über die Mechanismen der Kontrolle versucht haben darzustellen, werden wir Ihnen zu einem gegebenen Zeitpunkt als Berichtsersuchen wieder anheim stellen.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kretschmer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es bestehen auch aus meiner Sicht Bedenken gegen eine Privatisierung des Maßregelvollzugs und das gilt insbesondere für den Sicherheitsbereich. Und das gilt, obwohl, lieber Herr Pietzsch, Sie ja ein angebliches Gutachten hier genannt haben, das allerdings bisher in die Fachliteratur - Herr Maaßen, Sie kennen das möglicherweise oder sollten es zumindest kennen -, aber ich kann dazu nur sagen, in die Fachliteratur hat dieses Gutachten bisher keinen Eingang gefunden. Ich habe meine Mitarbeiter an der Universität in Jena gebeten, der Sache mal intensiv nachzugehen, auch da ist von diesen neuen Erkenntnissen, die ja konträr bestehen offenkundig zu dem, was Frau Kollegin Ellenberger in ihrer Zeit angeführt hat, dass eben die Privatisierung gerade im Maßregelvollzug aus verschiedenen Gesichtspunkten nicht zulässig ist, das hat da noch keinen Eingang gefunden und ich kann Ihnen nur sagen, ich werde es jetzt im Einzelnen darstellen, warum ich nach wie vor Bedenken habe gegen eine Privatisierung des Maßregelvollzugs.

(Beifall bei der SPD)

Aber lassen Sie mich zuerst noch eine Vorbemerkung machen: Im Vergleich zur Anzahl der Strafgefangenen in den Thüringer Justizvollzugsanstalten einerseits, Herr Koeppen, es sind etwa 2.000 jetzt - knapp darunter? - und den lediglich zur Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus stationär untergebrachten Patienten andererseits, bilden diejenigen praktisch die Schnittmenge, die wegen Begehung einer rechtswidrigen Tat im krankhaft psychischen Zustand untergebracht werden mussten, nur eine Minderheit. Herr Pietzsch, Sie haben es, Gott sei Dank, angesagt, ich habe die Zahl aus der TA vom 22. 01., dass die derzeit 135 Plätze von 160 Untergebrachten belegt sind.

Eine Anmerkung muss ich natürlich machen aus dem Bereich der Justiz, und das ist auch an Herrn Koeppen gerichtet. Dazu gehören natürlich insbesondere auch diejenigen, bei denen die U-Haft nur deshalb fortdauert, weil sie auf einen Platz im psychiatrischen Krankenhaus warten. Die Gerichte nennen das eine Organisationshaft. Herr Koeppen, wir sind beide nicht so glücklich damit.

(Zwischenruf Koeppen, Staatssekretär: Das kann niemandem gefallen.)

So ist es. Es herrscht also, meine Damen und Herren, eine drangvolle Enge im Thüringer Maßregelvollzug.

(Zwischenruf Maaßen, Staatssekretär: Nicht nur in Thüringen.)

Aber wir wollen für den Freistaat insoweit sprechen. Und insoweit begrüße ich es tatsächlich, dass die JVA Gotha - und da stehe ich im Gegensatz zu Ihnen, Frau Thierbach -, nach entsprechender Renovierung - auch das an Frau Dr. Fischer, darauf muss natürlich Wert gelegt werden, sie muss sinnvoll sein die Anstalt, sie ist mit Sicherheit nicht schön, jeder, der da mal einen Besuch abgestattet hat, weiß, wie marode die Anstalt ist, aber sie muss renoviert werden und das kann relativ schnell geschehen, so wurde es mir wenigstens gesagt -, dass sie dann zur Verfügung steht als Übergangslösung, um auch den unhaltbaren Zustand mit der Organisationshaft zu beenden. Ich schlage vor, auch über die künftige Verwendung der JVA Erfurt nachzudenken, da gibt es auch Kapazitäten, meine ich. Darüber sollte man einmal nachdenken.

Meine Damen und Herren, wer sind nun konkret die in der Fachliteratur so genannten kriminellen Geisteskranken? Kein schöner Begriff, aber er hat in der Fachliteratur Eingang gefunden, der kriminelle Geisteskranke. Es sind Täter, die wegen der Begehung einer rechtswidrigen Handlung im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit durch Urteil eines Strafgerichts oder in einem gesonderten Sicherungsverfahren eingewiesen werden mussten. Sie mussten eingewiesen werden, wie das Gesetz das vorschreibt. Ich werde Sie jetzt mit Paragraphen nicht behelligen. Das Gesetz schreibt vor, die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Voraussetzung für die Einweisung ist also eine negative Gefährdungsprognose, d.h., das Gericht muss bei der Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu der Überzeugung kommen, dass von diesem Täter weitere erhebliche Taten zu erwarten sind, wenn er nicht sicher untergebracht wird. Wohlgemerkt, weitere Straftaten drohen von diesem Täter nicht nur möglicherweise, sondern sie sind zu erwarten, d.h., sie sind wahrscheinlich, wenn er nicht sicher untergebracht wird. Es besteht also eine latente Gefährlichkeit. Herr Böck, Sie sind damit nicht gemeint. Wenn Sie sich den Schuh natürlich anziehen wollen. Hinzu kommt, meine Damen und Herren, dass erhebliche

Taten drohen, d.h. nicht nur belästigende aus dem unteren Bereich der Kriminalität wie z.B. Beleidigungen, kleine Diebstähle oder Betrügereien, sondern Straftaten, die die Rechtssicherheit der Bürger beeinträchtigen oder wie der Bundesgerichtshof sagt, die den Rechtsfrieden bedrohen, d.h. die Opfer seelisch oder körperlich schädigen. Schließlich muss der Täter darüber hinaus für die Allgemeinheit gefährlich sein, d.h. nicht nur ein Opfer, sondern eine unbestimmte Vielzahl von Personen muss bedroht sein.

Meine Damen und Herren, die Unterbringung soll jetzt privatisiert werden. Dieser Personenkreis soll damit jetzt in Thüringen in privaten Krankenhäusern untergebracht werden. Auf die ganze Geschichte mit der Beleihung gehe ich nachher noch ein. Nun werden seit über zwei Jahren bundesweit zu Recht im Rahmen der so genannten Staatsaufgaben-Kritik mit dem Ziel der Zurückdrängung der Staatsquote auch Überlegungen über weit gehende Privatisierungen bei der Inhaftierung von Straftätern angestellt. Zur Privatisierung des Strafvollzugs z.B. ist hier auf die Planung in Hessen zu verweisen, nachzulesen in einem Beitrag des hessischen Justizministers Christean Wagner in der Zeitschrift für Rechtspolitik vom Mai 2000. Auch die so genannte Scholz-Kommission hat in ihrem Bericht vom November 2001 für den damaligen Berliner Senat über Verwaltungsmodernisierungen und Haushaltskonsolidierung zu Fragen der Vollzugsprivatisierung Stellung genommen. Übereinstimmend kommen alle diese Überlegungen aber zu dem Ergebnis, dass im so genannten Sicherheitsbereich eine Privatisierung abzulehnen ist.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, es ist sicherlich davon auszugehen, dass die Betreiber privater Maßregelvollzugseinrichtungen, ebenso wie die von privaten Sicherheitsdiensten in hohem Maße bestrebt sind, einen gewissen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Solche privaten Dienste werden bundesweit ja auch mit vielfältigen Aufgaben im Bereich der Bewachung von Objekten bis hin zu Bundeswehrkasernen, Polizeidienststellen u.Ä. oder mit der Durchführung von Geldtransporten betraut. Im letztgenannten Bereich liegen allerdings eine Reihe negativer Erfahrungen vor. Lassen Sie es mich mal so darstellen: Zwischen Straftätern und Transporteuren ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Ich brauche an dieser Stelle darauf nicht weiter einzugehen. Es stellt sich aber die Frage: Kann in Anbetracht des Kreises der Insassen im Maßregelvollzug, insbesondere bei der bereits dargestellten negativen Gefährdungsprognose, die zur Einweisung des kriminellen Geisteskranken geführt hat, dem Bürger zugemutet werden, mit einer permanenten Gefahr für die Allgemeinheit zu leben? Für den Strafvollzug ist diese Frage eindeutig geklärt. Nach allgemeiner Auffassung gehört dieser zum Kernbereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung, so dass hier eine Privatisierung des Sicherheitsbereichs nur für allgemeine Dienste und Serviceleistungen in Betracht kommt, aber nicht für den Sicherheitsbereich. Ich empfehle insoweit, meine Damen und Herren, auch die Lektüre

der Ihnen eben genannten Artikel und verweise ergänzend auf die Ausführungen des jetzigen Richters am Bundesverfassungsgericht Di Fabio in der Juristenzeitung 1999. Im Übrigen, was nicht uninteressant ist, auch der Bundesverband der Deutschen Wach- und Sicherheitsunternehmen als privatrechtlich - in seiner Zeitschrift "Der Sicherheitsdienst" vom Dezember vorigen Jahres nachzulesen ist derselben Auffassung, also, Sicherheitsbereich nicht in privatrechtliche Hände.

Nun, meine Damen und Herren, Maßregelvollzug und Strafvollzug unterscheiden sich gewiss in vielen Details, die ich jetzt nicht darstellen will, die auch vorhin schon von Frau Thierbach, von Frau Dr. Fischer, von der Kollegin Heß aufgezeigt worden sind. Nur - und das sollte beachtet werden - der Maßregelvollzug hat vor allem auch - und da muss ich Ihnen widersprechen, Frau Thierbach dem Sicherungszweck zu dienen. Er ist nicht nur zur Behandlung eines psychisch Kranken geschaffen, sondern er soll vor allem auch die Allgemeinheit schützen. Da sind wir uns einig. Es gibt Fälle, Herr Minister Dr. Pietzsch hat darauf hingewiesen, wo der Untergebrachte nie entlassen werden kann, weil er trotz Therapieversuchen weiter gefährlich ist. Das gilt zum Beispiel auch für Päderasten und für andere Sexualstraftäter, wie Ihnen jeder erfahrene Psychiater oder auch Richter bestätigen wird. Bei diesen permanent gefährlichen Untergebrachten gilt es anzusetzen. Nach dem Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker von 1994 ist es zwar auch möglich, private Krankenhäuser mit dem Maßregelvollzug zu betrauen in der Form der Beleihung als so genannte beliehene Unternehmen, es bestehen aber nach meiner Überzeugung erhebliche Bedenken, diese Regelungen, die nur eine Ausnahme vom Grundsatz der Unterbringung in einer öffentlichen Maßregelvollzugseinrichtung erfasst, zu generalisieren, das heißt grundsätzlich anzuwenden. Zumindest wird durch die Beauftragung Privater mit diesen hochsensiblen Aufgaben ein gravierender Unsicherheitsfaktor geschaffen und dieser Unsicherheitsfaktor muss den Bürger betroffen machen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage?

Bitte schön, Frau Arenhövel.

Herr Kretschmer, würden Sie mir vielleicht dahin gehend Recht geben oder vielleicht nehmen Sie mal kurz dazu Stellung: Gerade diese Sicherheitsaspekte sind ja auch außerordentlich wichtig. Es ist geplant, ein Prognosebe

gutachtungsverfahren hierzu einzuführen, wie aus der Vorlage auch erkenntlich ist. Meinen Sie nicht auch, dass das dazu ein Beitrag wäre?

Ein Beitrag ja, aber reicht der aus, ist die Frage. Theoretisch können wir alles diskutieren, nur es kommt darauf an, wer den Untergebrachten bewacht, ob das jemand ist - ich werde darauf noch eingehen -, auf den man sich verlassen kann, der auch ausreichend der Direktionsgewalt des Ministeriums untersteht. Eben nicht. Das ist ein privater Angestellter, dem man kündigen kann, aber nicht mehr. Aber ich gehe darauf gern noch ein, Frau Arenhövel. Das sind gewisse Unterschiede, die Sie vielleicht noch nicht übersehen, aber ich bin gern bereit, die im Einzelnen darzustellen.

Meine Damen und Herren, ich halte es nicht für hinnehmbar, dass durch die Betrauung von Privaten mit der Bewachung ein Unsicherheitsfaktor geschaffen wird, anders als im Strafvollzug. Herr Minister Dr. Pietzsch, gut, dass Sie darauf hinweisen, ich hoffe, das haben Sie auch erkannt, dass es kein Strafvollzug ist, aber es gibt gewisse Dinge, die dem Strafvollzug sehr ähnlich sind, und zwar die Sicherheitsbereiche. Ich nehme das gern zur Kenntnis, dass Sie sagen, das ist kein Strafvollzug. Das könnte mal zur Rede kommen, dass Sie dann fragen, ob das richtig war, was Sie gemacht haben. Ich nehme es zur Kenntnis.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber an Sie hier von der Landesregierung insbesondere appellieren: Der Bürger hat kein Verständnis für derartigen laxen Umgang mit gefährlichen Personen. Die Verantwortung für den Einzelfall liegt bei einer Privatisierung nicht mehr - Herr Minister Dr. Pietzsch, dafür habe ich ein gewisses Verständnis - bei dem politisch zuständigen Minister, anders als beim Justizminister für den Justizvollzug, für den Strafvollzug. Wir haben es ja in den letzten Monaten erlebt. Ich bedaure, dass Herr Dr. Birkmann nicht hier ist, wir haben das ja mit Ichtershausen und ähnlichen Dingen erlebt. Da ist er persönlich sofort mit dafür verantwortlich gemacht worden. Wir erleben es in allen Bundesländern so mit dem Strafvollzug. Sie haben bei dieser Regelung das alles schön weit von sich. Natürlich, der Krankenhausbetreiber ist verantwortlich, auf Personalauswahl, Schulung und Überwachung im weitesten Sinne haben Sie als politisch Verantwortlicher kaum noch ausreichend unmittelbaren Einfluss. Das Berichtssystem, das Sie dargestellt haben, genügt meines Erachtens nicht. Jeder, der mal in einem Ministerium gearbeitet hat, weiß, wie das Berichtssystem unterlaufen wird und welche weiten Maschen es hat. Es gibt vor allen Dingen, was ich bedaure, kein vergleichbares Weisungsrecht im Bereich des Maßregelvollzugs, wie es das zum Beispiel im Bereich des Strafvollzugs gibt.

Kommen wir aber noch zu einem weiteren Punkt. Bei der Durchführung des Maßregelvollzugs wird mit besonderer Intensität in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen. Das ist hier schon angesprochen worden, ich möchte

es noch einmal etwas vertiefen. Dazu gehört zum Beispiel das Grundrecht auf Freiheit, dazu gehört aber auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, zum Beispiel bei der Verhinderung eines Ausbruchs oder auch das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung bei der medizinischen/psychiatrischen Behandlung. Zusammenfassend kann hier sogar festgestellt werden, dass gerade der Maßregelvollzug von derartigen Eingriffen besonders geprägt wird, mehr als der Strafvollzug. Und - darf ich hier anmerken, Herr Minister Dr. Pietzsch -, bedauerlicherweise sind Sie auf diese Grundrechtsproblematik in Ihren Ausführungen überhaupt nicht eingegangen. Sie, Frau Thierbach und Frau Dr. Fischer, haben dazu einige Anmerkungen gemacht. Ich meine, das muss aber noch etwas vertieft werden.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für den Strafvollzug kommen die bereits genannten Darstellungen - und ich sage es ausdrücklich noch einmal des hessischen Justizministers, der ja Ihrer Partei angehört und des Herrn Verfassungsrichters Di Fabio, aber auch der Abschlussbericht der Scholz-Kommission - immerhin Prof. Scholz, Bundestagsabgeordneter, ehemaliger Minister - gemeinsam zu dem Ergebnis, dass derartige Eingriffsrechte nicht auf Private übertragen werden dürfen. Diese Rechte gehören nämlich als Realisierung des staatlichen Gewaltmonopols zum Kernbereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Diese für die Privatisierung des Justizvollzugs geltenden Feststellungen sind ohne weiteres auf den Maßregelvollzug zu übertragen. Die Eingriffslage ist zumindest gleich und die Rechtslage ist identisch. In Übereinstimmung mit den Experten des Maßregelvollzugs, das sind zum Beispiel Volckart - das Buch steht übrigens in Ihrer Bibliothek, also nicht diejenigen, die Sie vorhin bedauerlicherweise nicht namentlich genannt haben -, ist davon auszugehen, dass der Maßregelvollzug keine Möglichkeit bietet für diese Kompetenzübertragung. Sie ist - und das ist hier festzustellen - verfassungswidrig.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich habe deshalb auch erhebliche Bedenken, meine Damen und Herren, ob die Thüringer Gerichte bei der Anordnung einer Unterbringung oder Entscheidung über den Fortbestand der Unterbringung in Anbetracht der genannten Eingriffsrechte und dem damit entstehenden verfassungswidrigen Zustand nicht Zweifel haben und damit diese Entscheidungen nicht treffen werden bzw. das Verfassungsgericht anrufen müssen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist insgesamt festzustellen: Die Verlagerung eines wesentlichen Teils des Maßregelvollzugs, nämlich der Bewachung, auf Private widerspricht Sicherheitserfordernissen und die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken werden zu Problemen bei der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung von kriminellen Geisteskranken führen. Ich beantrage, den Trägerwechsel deshalb abzulehnen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich Abgeordneter Huster zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, meinen Vorrednern ist kaum etwas hinzuzufügen, allerdings sind noch einige Bemerkungen von mir nötig, um unsere Skepsis und letztlich unsere Ablehnung zur Vorlage zu untermauern. Natürlich ist dies auch eine Sicht aus dem Haushalts- und Finanzausschuss. Dort hatten wir ein dringliches Verfahren unter Verkürzung der Fristen abgelehnt und uns richtigerweise für ein ähnliches Verfahren wie bei der Einwilligung des Landtags in die Beteiligung der Helaba an der TAB entschieden. Damit meine ich und will das für die Zukunft auch klar als Erwartung meiner Fraktion bei künftigen Entscheidungen verstanden wissen: Soll der Landtag Verträgen zustimmen, so kann er das verantwortbar nur, wenn seine Mitglieder vorher Einsicht in die Unterlagen nehmen konnten.