Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Herren Staatssekretäre, so darf ich die Regierungsbankbesetzung heute ausdrücklich benennen, meine sehr verehrten Gäste auf der Besuchertribüne, ich eröffne unsere 56. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 25. Januar 2002. Der Finanzminister hält Einzug. Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen der Abgeordnete Carius und der Abgeordnete Höhn. Die Rednerliste wird der Abgeordnete Carius führen.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Minister Dr. Birkmann, Herr Abgeordneter Fiedler, Herr Abgeordneter Dr. Koch, Herr Abgeordneter Pohl, Herr Abgeordneter Sonntag, Frau Abgeordnete Katja Wolf, Frau Abgeordnete Zitzmann

(Zwischenruf Kaiser, Staatssekretär: Der Ministerpräsident ist in Berlin, Frau Präsi- dentin.)

und der Herr Ministerpräsident Dr. Vogel.

Noch einige Hinweise zur Tagesordnung, und zwar zum Tagesordnungspunkt 13 a, Antrag der Fraktion der CDU, Stärkung der Finanzkraft der Thüringer Kommunen Reform der Gemeindefinanzen in Drucksache 3/2132. Dazu wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2164 verteilt. Ich muss allerdings einfügen, dass gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung die Fraktion der CDU, weil sie den Ursprungsantrag eingebracht hat, ihre Zustimmung zur Einbringung des Änderungsantrags geben muss. Das tut sie. Damit ist also dieser Änderungsantrag aufgenommen. Damit komme ich jetzt zum Abarbeiten der Tagesordnung selbst.

Ich rufe gemäß unserer gestrigen Vereinbarung den Tagesordnungspunkt 2 auf

Thüringer Gesetz zur Ausführung des § 47 Abs. 3 des Bundesdisziplinargesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2092 ZWEITE BERATUNG

Eine Ausschussüberweisung hat nicht stattgefunden, wir haben von daher auch keinen Bericht. Ich komme unmittelbar zur Aussprache, zu der mir aber keine Wortmeldung vorliegt. Ich kann also die Aussprache schließen

(Beifall bei der SPD)

und komme zur Abstimmung, und zwar unmittelbar über den Gesetzentwurf in Drucksache 3/2092 in zweiter Beratung. Wer diesem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist große Einmütigkeit im Hause. Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall, damit einstimmig.

Wir kommen zur Schlussabstimmung und dürfen uns von den Plätzen erheben, wer zustimmt. Danke schön. Auch das war einstimmig. Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? Auch nicht, dann einstimmig so am frühen Morgen beschlossen. Ich denke, das ist einer der schnellsten Gesetzesbeschlüsse, die wir hier gefasst haben. Vielen Dank. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich komme zum Aufruf des neuen Tagesordnungspunkts 13 a

Stärkung der Finanzkraft der Thüringer Kommunen - Reform der Gemeindefinanzen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/2132 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2164

Ich frage zunächst: Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Aussprache. Ich darf als ersten Redner den Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion, bitten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe im Hause)

Ich darf um Ruhe bitten. Es ist am frühen Morgen, wir können alle noch etwas ruhig sein und dem Redner zuhören.

Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich auch für mich noch einmal zur Gewissheit die Fraktion der CDU fragen, ob Sie denn diesen Antrag allen Ernstes noch aufrecht erhalten wollen, vor allen Dingen nach der Pressekonferenz des Finanzministers von vorgestern, denn in den Ohren der vielen kommunalpolitischen Mandatsträger hier im Freistaat muss angesichts dieser Offenbarung, die kommunale Finanzausgleichsmasse in Thüringen um rund 35 Mio.      schrift Ihres Antrags wie der blanke Hohn klingen. Es

ist wirklich, ich muss das an dieser Stelle einmal ganz deutlich betonen, reichlich absurd, immer nur in die Taschen von anderen - in diesem Falle sprich Bundesregierung - zu greifen und im eigenen Lande genau das Gegenteil zu tun.

(Beifall bei der SPD)

In den rund zweieinhalb Jahren meiner Zugehörigkeit zu diesem hohen Hause habe ich ja schon so manchen Antrag der CDU mit Zielrichtung Bundesregierung über mich ergehen lassen müssen,

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Mit Recht.)

aber nichts ist so schlimm, dass es nicht noch schlimmer kommen kann. Diesem Motto werden Sie mit diesem Antrag allemal gerecht. Wenn man sich wirklich den Duktus Ihres Antrags in puncto dumpfe Stimmungsmache gegen diese Bundesregierung vor Augen führt, ist dieser Antrag

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Hof- fentlich nicht mehr lange.)

vermutlich nur noch schwer zu toppen. "Topp Thüringen" kann ich da nur sagen. Ich muss ehrlich gestehen, es fällt einigermaßen schwer, auf einen solch unqualifizierten Antrag voller politischer und sachlicher Unterstellungen - das zeigt allein der Text dieses Schriftstückes - wirklich sachlich zu reagieren, aber ich will es dennoch tun.

Da das Thema "kommunale Finanzen" nicht erst seit der vorgestrigen Ankündigung des Finanzministers, die kommunale Finanzausgleichsmasse um rund 35 Mio.  kürzen, aktuell ist und da es wichtig ist, unter der fachlichen Unkenntnis offensichtlich der Antragsteller zu leiden, will ich diesem Populismus klare Fakten entgegenstellen.

Meine Damen und Herren, es ist höchst bedauerlich, dass die Steuereinnahmen der Thüringer Kommunen in der Summe stagnieren. Das ist völlig unbestritten, obwohl noch im letzten Frühjahr zumindest mit einer leichten Steigerung von allen gerechnet worden ist. Über die genauen Ursachen dieser Entwicklung lässt sich mit Sicherheit trefflich streiten. Darüber sind wir uns sicher auch einig. Die ungünstige konjunkturelle Entwicklung, die Ereignisse auf den Weltmärkten, die gehören mit Sicherheit dazu. Die starke Exportabhängigkeit Deutschlands ist eine der Ursachen, weshalb Deutschland die weltwirtschaftliche Konjunkturdelle - die Experten sagen ja, wir befinden uns am Rande einer Rezession - besonders stark zu spüren bekommen. Das ist auch völlig unbestritten.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Gegen diese Bundesregierung muss man keine Stimmung machen, das machen sie schon selbst.)

Aber das wirkt sich natürlich auch bei den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen aus. Wenn es gut geht, war es der Thüringer Finanzminister, wahrscheinlich. Eine weitere Ursache für die geringeren Steuereinnahmen ist jedoch gewollt und von den kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich begrüßt worden, nämlich die Einkommens- und Körperschaftssteuerreform der Bundesregierung, die in ihrem Entlastungsvolumen für Bürger und Wirtschaft jede vor ihr durchgeführte Steuerreform mit Deutschland übertrifft. Aber wie immer im Leben, des einen Freud ist des anderen Leid und so freut sich der Steuerzahler über eine spürbare Entlastung. Bund, Länder und Kommunen müssen aber im gleichen Atemzug auf mögliche Steuereinnahmen verzichten. Das ist das Prinzip jeder Steuerreform, egal welcher Couleur die Regierung nun einmal gerade ist. Sie haben das im Jahr 2000 mit der Annahme bzw. Zustimmung zur Steuerreform in großer Einmütigkeit so beschlossen, sieht man einmal von der Blockadehaltung Thüringens und einiger CDU-regierter Länder im Bundesrat ab, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Belebung der Wirtschaft mit schrittweise wieder steigenden Steuereinnahmen. Das war genau der Hintergrund der damaligen Steuerreform, was auch von Ihren Parteifreunden unumstritten war. Leider werden aber nun die binnenmarktstärkenden Effekte der Steuerreform durch die weltwirtschaftlich verursachten gegenläufigen konjunkturellen Wirkungen aufgefressen bzw. geschwächt.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Herr Höhn, Grimm's Märchen!)

Herr Finanzminister, haben Sie wenigsten so viel Souveränität und lassen Sie mich zu Ende reden, Sie haben noch genug Gelegenheit dazu.

(Beifall bei der SPD)

Daraus aber wie Sie den Schluss zu ziehen und zu behaupten, die Steuer- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wäre schlecht oder gescheitert oder an den finanziellen Nöten der Kommunen Schuld, das ist allein Ihre politische Interpretation und durch vieles Wiederholen wird das nicht richtiger und nicht wahrer. Was sind denn nun und was waren die Alternativen von der CDU zur Steuerpolitik der Bundesregierung? Meine Damen und Herren, haben Sie überhaupt noch eine Vorstellung, welcher Ihrer eigenen Steuervorschläge im Moment gerade aktuell ist? Haben Sie da überhaupt noch einen Überblick? Vielleicht kann ich Ihnen da noch ein wenig nachhelfen an dieser Stelle.

(Unruhe bei der CDU)

Anfangs wurde von Ihrer Seite gefordert, die für 2005 geplante dritte Stufe der Steuerreform im Ganzen auf das Jahr 2003 vorzuziehen. Dass dies in den Jahren 2003 und 2004 jeweils zu nicht verkraftbaren Mindereinnahmen in Höhe, man höre, von rund 19 Mrd.   wür

de, wurde dabei schlichtweg ignoriert. In dieser Höhe wären nämlich zusätzliche Schulden zu machen; das ist Ihnen ja wohl klar an dieser Stelle. Inzwischen hat die Union aber wohl eingesehen, dass sie einen finanzpolitisch derart unseriösen Vorschlag doch nicht so richtig aufrecht erhalten kann. Daher wird nun propagiert, nur einen Teil der für 2005 geplanten Reformstufe vorzuziehen, der die mittelständischen Unternehmen betrifft. So weit, so gut, das heißt wohl, nehme ich mal an, insbesondere die große Zahl der Personen und Einzelunternehmen.

Meine Damen und Herren, eine solche Aufteilung ist aber schlichtweg überhaupt nicht möglich. Genau wie die für 2003 beschlossene zweite Stufe der Steuerreform, sieht auch die Stufe 2005 ausschließlich eine weitere Senkung der Einkommenssteuer vor. Der Einkommenssteuer unterliegen diese Unternehmen aber erst gar nicht, sondern allein deren Inhaber als natürliche Personen. Diesen wird der jeweilige Unternehmensgewinn als so genannte Einkünfte aus Gewerbebetrieb anteilig zugerechnet. Das heißt, eine solche Trennung, wie von Ihnen gefordert, ist schlichtweg vom Gesetz her nicht möglich. Eine von den übrigen Einkunftsarten, das heißt den Arbeitnehmereinkommen abweichende Begünstigung dieser Einkünfte, möglicherweise durch einen ermäßigten Steuertarif, ist aber ebenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig. Also, meine Damen und Herren, fassen Sie sich an die eigene Nase. Ich frage Sie an dieser Stelle, ob es einen mehrheitsfähigen Steuerreformvorschlag aus Ihren eigenen Reihen überhaupt noch gibt? Nach den vollmundigen Ankündigungen der CDU/CSU in Sachen Steuerpolitik aller Orten Widersprüche. Ich habe Ihnen das eben, denke ich, vorgeführt. Noch andere Beispiele gefällig? Können wir auch liefern, kein Problem. Abschaffung der Öko-Steuer,

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Ja, ja.)

was war das hier für ein Thema in diesem Hause.

(Beifall bei der SPD)

Es war alles nicht so gemeint, geht nicht, wir brauchen die Kohle. Vorziehen der dritten Stufe, das habe ich eben schon gesagt, geht leider nicht so wie bisher gefordert, da müssten wir neue Schulden machen. Das wollen wir ja eigentlich auch nicht. Sagen Sie es lieber gleich hier und heute, meine Damen und Herren, was denn alles noch nicht so gemeint gewesen ist; vielleicht ja auch möglicherweise dieser vorliegende Antrag, das kann ich mir jedenfalls denken. Wo war denn die Gemeindefinanzreform? Gab es nicht 16 Jahre lang eine Zeit, wo man das hätte durchziehen können?

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Wer hat es denn im Wahlprogramm dringe- habt?)

Hat es die wirklich nicht gegeben?

(Unruhe bei der CDU)

Ich sage Ihnen hier und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat mit Ihrer Steuerreform das Mögliche, das finanziell Machbare und das ökonomisch Vertretbare zur Entlastung der Bürger und der Wirtschaft und zur Belebung der Konjunktur getan.

(Beifall bei der SPD)

Alle Versprechungen der Opposition im Bundestag sind unfinanzierbare Luftblasen, die nun eine nach der anderen nach und nach platzen. Es ist sowieso immer die Kunst, einen Ballon mit großem Getöse aufzublasen, um ihn dann ganz leise platzen zu lassen. Das ist Ihr Prinzip.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Das ist es.)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Siehe Schröder.)

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Jawohl, siehe Schröder.)

Genauso